BT-Drucksache 16/13611

Für eine zukunftsfähige Energieaußenpolitik

Vom 1. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13611
16. Wahlperiode 01. 07. 2009

Antrag
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Hans-Josef Fell,
Katrin Göring-Eckardt, Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Dr. Thea
Dückert, Britta Haßelmann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Ulrike Höfken,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Markus Kurth, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Jerzy Montag, Brigitte Pothmer, Silke Stokar von Neuforn,
Dr. Harald Terpe, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine zukunftsfähige Energieaußenpolitik

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Zur Energieaußenpolitik der Bundesregierung“
(Bundestagsdrucksache 16/10386) bestätigt: Die Bilanz der großen Koalition
der CDU/CSU und SPD in diesem Bereich ist ernüchternd. Von einem zu-
kunftsfähigen Konzept ist sie weit entfernt. Ziel deutscher Energieaußenpolitik
seit 2006 ist, „ … im sich weltweit verschärfenden Wettbewerb um Energie-
ressourcen Chancen … besser nutzen zu können.“ In diesem Sinne hat sich die
Bundesregierung vor allem eingesetzt für den Bau von Gasrohren und Öl-
pipelines, die nach Deutschland führen. Weiteres Standbein ist der Import von
Uran und der Export von Atomkrafttechnologie.

Energieaußenpolitik der großen Koalition heißt Wettlauf um Ressourcen. Das
greift viel zu kurz und ist gefährlich. Statt Energiesicherheit zu schaffen heizt
eine solche einseitige Strategie Krieg und Konflikte an. Verkannt wird: Eine
sichere Energieversorgung gibt es nicht für Deutschland oder Europa allein,
ebenso wenig wie für Russland oder Saudi-Arabien. Energiesicherheit gibt es
nur global. Energie, Sicherheit und Gerechtigkeit bekommen wir nur, wenn wir
auf der ganzen Welt zusammenarbeiten und einen fairen Interessenausgleich
schaffen. Grundlage dafür sind Investitionen in erneuerbare Energien, Energie-
effizienz und Energieeinsparung – die drei E für eine Energiepolitik mit Zu-

kunft.

Ohne eine kohärente und gerechte Energieaußenpolitik, untrennbar verbunden
mit Klima- und Entwicklungspolitik, werden wir die globalen Herausforderun-
gen des Klimawandels und der Rohstoffkrise, weltweiter Armut und Aus-
grenzung, neuem Rüstungswettlauf und weltweiter nuklearer Aufrüstung nicht
bewältigen können. Zugang zu Energie weltweit ist Voraussetzung dafür, um

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Armut zu überwinden und die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen.
Eine solche moderne Energieaußenpolitik ermöglicht es erst, unsere Energie-
versorgung langfristig abzusichern und trägt bei zu einer weltweiten Ener-
giewende für Energie und Sicherheit.

In der Gründungsphase der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien
(IRENA) hat die Bundesregierung versagt. Deutschland als Initiator der
IRENA konnte weder Bonn als Sitz noch einen deutschen Generalsekretär
durchsetzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Energieaußenpolitik nicht auf den Zugang zu Erdgas, Öl und Uran zu redu-
zieren;

2. ein modernes Konzept einer nachhaltigen Energieaußenpolitik „Energie,
Sicherheit, Gerechtigkeit“ zu initiieren, das Energie in alle Bereiche der
Außen- und Sicherheitspolitik, Außenwirtschaftspolitik, Entwicklungs-
politik, Menschenrechtspolitik sowie internationaler Klima- und Umwelt-
politik integriert;

3. sich dafür einzusetzen, dass die EU endlich umsteuert, den Ressourcen-
wettlauf der EU und zwischen EU-Partnern stoppt und die europäische
Energieaußenpolitik in den Dienst einer globalen Energiewende im Sinne
der drei E stellt;

4. systematisch Initiativen in den Vereinten Nationen (VN) zu initiieren, um
die vielfältigen UN-Aktivitäten für eine globale Energiewende zu stärken
und die Gründung einer UN-Umweltorganisation (UNEO) voranzutreiben;

5. sich einzusetzen für einen Umbau der Internationalen Energieagentur (IEA)
in eine Organisation, die die Energiebelange aller Staaten einbezieht, d. h.
auch Liefer- und Transitstaaten, auch arme Länder, insbesondere in Afrika;

6. ihre Weiter-wie-immer-Haltung zum europäischen Energiechartervertrag
(ECT) aufzugeben und sich dafür einzusetzen, dass der ECT grundlegend
überprüft wird und die notwendigen Folgerungen daraus gezogen werden,
dass Staaten wie Norwegen, USA und Russland nicht bereit sind, diesem
Vertrag beizutreten;

7. internationale Politiknetzwerke wie REN21 weiter zu fördern und die
Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit für eine Energiewende besser zu unter-
stützen, wie z. B. das Energienetzwerk ENERGIA (Network on Gender
and Sustainable Energy);

8. in der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit mit den Staaten Nord-
afrikas das DESERTEC-Konzept für eine Solarunion zur politischen Prio-
rität zu erheben, um die dringend erforderlichen politischen und auf Inte-
ressenausgleich bedachten Voraussetzungen für die Umsetzung dieses
Konzepts zu schaffen;

9. Lobbying bei arabischen Staaten für deren Beitritt zur Internationalen
Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) zu verstärken;

10. bilateral und innerhalb der EU die energiepolitische Kooperation mit
Lateinamerika und der Karibik (LAK) durch gezielte Förderung erneuer-
barer Energien und besserer Energieeffizienz auszubauen;

11. Schluss zu machen mit ihrer anachronistischen Atompolitik, die einem
Verkauf nuklearer Technologie dient, Atomkraftwerke weltweit stützt, die
Lebensgrundlagen in den Uranabbaugebieten zerstört und zur nuklearen

Aufrüstungsspirale beiträgt;

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12. sich ohne Wenn und Aber für Energiegerechtigkeit zu engagieren und sich
für den versprochenen Technologietransfer durch die Industriestaaten ein-
zusetzen;

13. in der EU und in den Vereinten Nationen eine Vorreiterrolle für eine öko-
logische Energieaußenpolitik zu übernehmen, deren Leitlinie konsequenter
Klima- und Umweltschutz ist, die die Nachfrage senkt und zu einem scho-
nenden und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen beiträgt;

14. in der EU und in den Vereinten Nationen eine Vorreiterrolle für verantwort-
liche Energieaußenpolitik zu übernehmen, die gegen den Ressourcenfluch
kämpft und sich für Transparenz, gute Regierungsführung, Rechtsstaatlich-
keit und Menschenrechte in den Exportländern einsetzt;

15. in der Internationalen Zivilluftfahrtkommission (ICAO) und in der Inter-
nationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) innovative politische Initiati-
ven zu entwickeln, um eine überfällige Einigung auf emissionsmindernde
Maßnahmen voranzutreiben;

16. die Instrumente der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) zu
nutzen, um ein Bewußtsein für die Notwendigkeit einer globalen Ener-
giewende zu schaffen;

17. vorausschauende Energieaußenpolitik als strategische Friedenspolitik zu
gestalten, die durch Kooperation für eine globale Energiewende Krieg und
Konflikte verhindern hilft und Frieden fördert;

18. Bestrebungen und Tendenzen entgegenzuwirken, die Sicherung der Ener-
gieversorgung auch als verstärktes militärisches Aufgabenfeld, insbeson-
dere der NATO, auszubauen.

Berlin, den 1. Juli 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Rohstoffkrise und Klimawandel, globale Ungerechtigkeit, weltweite Armut und
Ausgrenzung, neuer Rüstungswettlauf und weltweite nukleare Aufrüstung zäh-
len zu den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Um diese Heraus-
forderungen angehen zu können, brauchen wir eine moderne Energieaußen-
politik, die Energie in alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik, Außen-
wirtschaftspolitik, Entwicklungspolitik, Menschenrechtspolitik sowie inter-
nationale Klima- und Umweltpolitik integriert. Von einem solchen umfassenden
Konzept ist die Bundesregierung weit entfernt. Die Bundesregierung kümmert
sich in erster Linie um Öl-, Gas- und Uranimporte nach Deutschland.

Statt den Energiebinnenmarkt zu vollenden und untereinander auf Energie-
solidarität zu setzen, lassen sich Deutschland und andere europäische Staaten
auf einen kurzsichtigen Wettlauf um Öl- und Gasreserven ein. Eine europäische
Regierung nach der anderen – auch Deutschland – reist nach Algerien, Nigeria
oder Turkmenistan, um nationale Deals heimzubringen – mit dem Ergebnis,
dass der Preis in die Höhe schnellt und unklar ist, was wem tatsächlich geliefert
werden wird.

Schlüssel für langfristige Energiesicherheit ist die Maxime „Weg vom Öl“, weg
von fossilen Energiequellen – ohne neue nukleare Risiken zu schaffen. Billiges

Öl und Gas werden immer mehr der Vergangenheit angehören und nur erneuer-

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bare Energien werden langfristig bezahlbar sein. Darauf müssen wir uns recht-
zeitig vorbereiten. Das passiert nicht. Statt Außenpolitik in den Dienst einer
Energiewende zu stellen, hält die Bundesregierung an alten Rezepten für fossile
Energieträger und Atomkraft fest.

Die Vereinten Nationen spielen eine zentrale Rolle für eine globale Energie-
wende. Vielfältige Projekte und Programme in deren Sonderorganisationen und
Regionalgruppen (UN Energy) fördern die Einführung der drei E weltweit.
Wichtig ist, dass Mitgliedstaaten wie Deutschland sich zur Vorreiterin machen
und die Einführung ambitionierter Ziele und Standards politisch flankieren.
Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) braucht dringend Mittel speziell für
den Energiebereich. Die Arbeit des UN-Umweltprogramms (UNEP) im
Energiebereich sollte verstärkt und UNEP zu einer UN-Organisation (UNEO)
aufgewertet werden.

Clubs von Industriestaaten oder Blöcke energiereicher Länder können nichts
bewegen. Liefer-, Transit- und Verbraucherländer müssen an einen Tisch. Die
Internationale Energieagentur (IEA) wird von westlichen Industrieländern
dominiert. Ziel muss sein, die IEA zu einer Organisation umzubauen, die die
Energiebelange aller Staaten zusammenführt und auch armen Ländern, die
besonders unter der Ressourcenkrise leiden, eine Stimme gibt. Das wird nur
gelingen, wenn Deutschland, wenn die EU auf allen Ebenen ihr ganzes politi-
sches Gewicht dafür in die Waagschale legt.

Der Europäische Energiechartervertrag (ECT) steuert in eine Sackgasse. Liefer-
länder wie Norwegen, USA und Russland und auch Transitländer wollen nicht
beitreten. Eine grundlegende Überprüfung des ECT ist überfällig. Als Club von
Verbraucherländern kann er Energiesicherheit und Solidarität nicht gewähr-
leisten.

Um politisches Engagement für eine weltweite Energiewende zu stärken,
müssen Politiknetzwerke wie REN21 (Renewable Energy Policy Network) so
unterstützt werden, dass diese politische Meinungsbildungsprozesse wirksam
fördern können. Ohne das Engagement der Zivilgesellschaft wird eine Energie-
wende nicht machbar sein. Nichtregierungsorganisationen wie z. B. ENERGIA
(Network on Gender and Sustainable Energy) leisten oft ganz besondere Bei-
träge. So befasst sich ENERGIA mit Genderaspekten im Zusammenhang mit
Energie. Staatliche Stellen übersehen oft, dass Frauen nicht nur von Energie-
armut am stärksten betroffen sind, sondern auch als Multiplikatorinnen für eine
Energiewende agieren.

Der Ausbau erneuerbarer Energien in den Ländern Nordafrikas und des Nahen
Ostens birgt immenses Potenzial. Das hat grüne Politik frühzeitig erkannt. Unter
grüner Führung hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) die Forschungsförderung zu solaren Potenzialen im
Mittelmeerraum auf den Weg gebracht, notwendige Studien in Auftrag gegeben.
Es ist zu begrüßen, dass das BMU diese Linie fortsetzt. Es ist auch zu begrüßen,
dass nun endlich auch große Unternehmen das DESERTEC-Projekt unterstützen
wollen, unter der Federführung der Münchener Rück auch die Deutsche Bank,
Siemens, RWE und andere. Aber zur Realisierung des Projekts sind noch erheb-
liche Herausforderungen zu überwinden. Die Bundesregierung muss sich mit
aller Kraft dafür einsetzen, politische Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die arabischen Öl- und Gasproduzenten sind noch weit davon entfernt, Akteure
für die drei E zu werden, obwohl das Potenzial dort groß ist. Unter den UN-
Regionalorganisationen ist UNESCWA, in der 13 arabische Staaten zusammen-
arbeiten, im Energiebereich am schwächsten aufgestellt. Ein Beitritt z. B.
Saudi-Arabiens zur neu gegründeten Internationalen Agentur für Erneuerbare
Energien (IRENA) wäre ein Meilenstein.

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Die Zusammenarbeit Deutschlands und der EU mit Lateinamerika und der
Karibik im Energiebereich steckt in Kinderschuhen. So spielen in den Be-
ziehungen zur Andengemeinschaft Energiefragen praktisch keine Rolle. Wo es
Energiezusammenarbeit gibt, werden die drei E untergeordnet. In der Zusam-
menarbeit mit Brasilien beteiligt sich Deutschland an der Förderung von Atom-
kraft. Unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft ist die Nuklearzusammenarbeit
der EU mit Brasilien vorangetrieben worden. Der deutsch-brasilianische Atom-
vertrag wurde im Mai 2008 verlängert. Atomkraft ist für den Energiemix Brasi-
liens vollkommen unbedeutend. Unter dem Deckmantel von Energiever-
sorgungssicherheit feuern solche Verträge die nukleare Proliferation an und
konterkarieren sonstiges Engagement gegen Atomkraft.

Die Bundesregierung hat bei der Aufhebung der Nuklearsanktionen gegen
Indien eine entscheidende und äußerst bedauerliche Rolle gespielt. Damit
wurde das nukleare Nichtverbreitungsregime geschwächt und Indien in die
Lage versetzt, sein Atomwaffenarsenal zu modernisieren. Auch im Verhältnis
zu anderen Staaten – nicht nur Indien – fördert Deutschland nukleare Prolifera-
tion. Der Export deutscher Atomtechnologie z. B. nach Russland und China
wird mit Staatsmitteln politisch flankiert und finanziell unterstützt. Die Bundes-
regierung hat keine Probleme mit dem Bau von Atomkraftwerken in ferneren
Ländern wie in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland, obwohl es bislang
weltweit kein einziges genehmigtes Endlager für Atommüll gibt.

Noch immer verbrauchen 15 Prozent der Weltbevölkerung 60 Prozent des Roh-
öls und Erdgases, während die armen Länder unter der Ausbeutung ihrer
Ressourcen leiden. Das ist ungerecht. Ohne bezahlbare Energie ist der Kampf
gegen Armut aussichtslos. Energieträger wie Sonne und Biomasse sind eine
neue Chance für arme Länder. Gerechtigkeit bedeutet aber auch, dass moderne
Energietechnologien kein Privileg reicher Staaten sein dürfen. Zugang zu
moderner Technologie sichert, dass die Energiewende Armut beseitigt, und
dass die Energiewende weltweit funktioniert.

Unsere Abhängigkeit von Öl, Gas und Uran ist weltweit für verheerende Um-
weltzerstörung und soziale Missstände verantwortlich. Die Gier nach Roh-
stoffen bedroht den artenreichsten Regenwald im Amazonas und die Lebens-
räume der indigenen Völker. In Russland und der ehemaligen Sowjetunion hat
die Öl-, Gas- und Uranförderung ganze Landstriche verwüstet. 15 Prozent der
Fläche Russlands sind ökologisches Notstandsgebiet, mehr als eine Million
Quadratkilometer sind radioaktiv verseucht, und die Zerstörungen gehen – wie
auf Sachalin oder in Westsibirien – weiter. Im Uranabbaugebiet um Arlit in
Niger werden 45 Millionen Tonnen radioaktiver Uranabfälle unter freiem Him-
mel gelagert. Nur eine globale Energiewende kann Umwelt und Menschen auf
diesem Planeten schützen. Deutschland muss sich endlich für Nachhaltigkeits-
standards für fossile Energien einsetzen, die schlimmste Schäden und Katastro-
phen vermeiden helfen. Statt Interessen der Atomwirtschaft zu unterstützen,
sollte die Bundesregierung sich dafür einsetzen, den überflüssigen Uranabbau
zu stoppen.

Es ist paradox: Ressourcenreichtum erweist sich immer wieder als Ressourcen-
fluch: Öl, Gas und Uran sind Konfliktrohstoffe. Mit steigenden Einnahmen aus
dem Rohstoffgeschäft wächst in vielen Staaten auch die Armut. In Staaten wie
Angola, Nigeria, Niger, Tschad, Sudan, Ecuador, Peru oder Turkmenistan hat
der Ressourcenreichtum statt Wohlstand für alle nur Korruption, Demokratie-
defizite, Schulden, Ausbeutung und Umweltzerstörung gefördert. Hat ein Land
Öl, Gas oder Uran zu bieten, legt auch die EU mit ihrer aktuellen Politik andere
Maßstäbe bei Demokratie und Menschenrechten an. Auch da muss Deutsch-
land umsteuern und eine verantwortliche Energieaußenpolitik betreiben im

Dienste von guter Regierungsführung, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechten. Deutschland muss endlich Instrumente wie die Extractive

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Industries Transparency Initiative (EITI) konsequent unterstützen und die Ver-
antwortung der Wirtschaft, der Banken und Finanzinstitutionen einfordern. Nur
durch Transparenz und Kontrolle kann gewährleistet werden, dass die Ein-
nahmen aus dem Rohstoffbereich für nachhaltige Entwicklung eingesetzt wer-
den. Parallel muss die Bevölkerung unterstützt und befähigt werden, Kontrolle
auszuüben und ihre Rechte auf Information z. B. beim Abbau von Uran ein-
zuklagen.

Der Flug- und Schiffsverkehr entwickelt sich zu einer immer größeren Klima-
belastung. Nach Kenntnissen der Bundesregierung trägt die Schifffahrt derzeit
zu rund 3 Prozent der weltweiten CO2-Emission bei. Umso alarmierender ist es,
dass es weder in der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) noch in
der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) gelingt, sich auf emissions-
mindernde Maßnahmen zu einigen. Die Bundesregierung muss sich auf höchs-
ter politischer Ebene dafür einsetzen, dass die notwendigen Mehrheiten endlich
zustande kommen. Das in der Antwort auf die Große Anfrage vorgebrachte
Argument, dass es nichteuropäische Staaten seien, die blockierten, ist keine
Rechtfertigung für fehlende politische Überzeugungsarbeit.

In der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) der Bundesregierung
spielt nach deren Angaben Energie keine Rolle. Das ist ein Fehler. Nur wenn
alle verstehen, wie ernst die Lage ist und wie dringend wir handeln müssen für
eine globale Energiewende, können wir das Ziel erreichen. Dafür kann die
AKBP einen wesentlichen Beitrag leisten.

Einnahmen aus Öl-, Gas- und Uranexporten finanzieren auch große Militär-
haushalte und fördern Extremismus und Terrorismus. Die Abhängigkeit von
fossilen Energieträgern erschwert es auch, Konflikte auf internationaler Ebene
beizulegen. Zukunftsfähige Energieaußenpolitik ist deshalb zugleich Politik für
den Frieden.

Energiesicherheit ist Teil von Sicherheitspolitik. Dies bedeutet aber nicht, dass
sich Energiesicherheit mit militärischen Mitteln oder Militärbündnissen er-
reichen ließe. Aktivitäten in der NATO, die auf ein NATO-Mandat im Bereich
Energieversorgungssicherheit abzielen oder die globale Sicherung von Roh-
stoff- und Handelswegen zum Ziel haben, sind kontraproduktiv. Sie schüren
den weit verbreiteten Verdacht, dass die hochgerüsteten Industriestaaten ihre
ökonomischen Interessen notfalls mit Waffengewalt durchsetzen werden. Die
Sicherung internationaler See- und Handelswege ist eine kollektive Sicherheits-
aufgabe, die unter dem Dach der VN und unter der primären Verantwortung
regionaler Akteure erfolgen muss. Die Bundeswehr kann nicht die Energiever-
sorgung sichern. Es gibt keine militärische Energiesicherheit. Kriege – wie der
Angriff auf den Irak – erhöhen nur die Preise. Energiesicherheit kann nur mit
politischen Mitteln erreicht werden.

Zukunftsfähige Energieaußenpolitik stoppt Klimawandel, bekämpft Armut,
beendet den Ressourcenwettlauf, unterbricht die nukleare Rüstungsspirale.
Zukunftsfähige Energieaußenpolitik setzt auf globale Gerechtigkeit und eine
weltweite Energiewende hin zu CO2-neutraler Wirtschaft. Zukunftsfähige
Energieaußenpolitik muss vorausschauend, krisenpräventiv und multilateral
sein. Sie ist aktive Friedenspolitik.

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