BT-Drucksache 16/12108

Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

Vom 4. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12108
16. Wahlperiode 04. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln),
Birgitt Bender, Dr. Thea Dückert, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta
Haßelmann, Markus Kurth, Monika Lazar, Anna Lührmann, Jerzy Montag,
Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung in der Privatwirt-
schaft. Diese Männerdominanz stellt ein großes Problem dar. Die fortdauernde
Diskriminierung von Frauen schadet den Unternehmen, der Wirtschaft und der
Demokratie. Wir vergeuden die Bildungsinvestitionen, den Unternehmen gehen
kreative Potenziale verloren und nicht zuletzt bleibt die Arbeitsmarktdynamik,
die sich aus einer erhöhten Frauenerwerbstätigkeit ergäbe, ungenutzt.

Die Führungspositionen der deutschen Wirtschaft sind fest in Männerhand. In
Großunternehmen sind nur 4 Prozent der Führungskräfte weiblich. Und es geht
keineswegs kontinuierlich voran, wie gerne behauptet wird. In den meisten Be-
reichen stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen, in Betrieben mit
weniger als 20 Beschäftigten ist er sogar rückläufig.

Aufsichtsräte sollen die Geschäftsführung eines Unternehmens kontrollieren,
den Vorstand berufen sowie weitreichende Entscheidungen genehmigen. Damit
ist der Aufsichtsrat ein wichtiges Kontrollgremium. Frauen findet man dort sel-
ten, ihr Anteil liegt bei 7,5 Prozent. Dieser Anteil ist nahezu ausschließlich (über
80 Prozent) den Gewerkschaften zu verdanken. Hier kommen die Minderheiten-
quote der von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedeten Änderungen
zum Betriebsverfassungsgesetz und die Quote bei den Gewerkschaften zum
Tragen. Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Arbeitgeberver-
bänden zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der
Privatwirtschaft von 2002 zeigt auch auf diesem Gebiet überhaupt keine Aus-
wirkungen.

Dagegen zeigt das Beispiel Norwegen: Wenn ein Staat seinen Verfassungsauf-
trag ernst nimmt, kann er viel tun. In den vergangenen Jahren wurde dort mit
Quoten und aktiver Förderung viel für die Gleichstellung der Geschlechter er-
reicht. Seit 2006 müssen per Gesetz mindestens 40 Prozent der Sitze in Auf-
sichtsräten von Frauen besetzt sein. In einer Vorlaufphase wurde zunächst auf
Freiwilligkeit gesetzt. Gleichzeitig wurde eine Datenbank mit über 4 000 Ein-
trägen von Frauen aufgebaut, die bereit waren, diese Posten auch zu über-
nehmen. Börsennotierten Unternehmen, die diese Quote bis Ende 2007 nicht er-

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reichen, werden Sanktionen angedroht, die bis zum Verlust der Börsennotierung
reichen. Die Quote gilt auch für Männer und wird mit den Kontrollroutinen des
Handelsregisters durchgesetzt.

Für Deutschland fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine gene-
relle Änderung des Aktiengesetzes. Erforderlich ist eine umfassende Moder-
nisierung der Unternehmensführung und -kontrolle. Die bisherige Gewohnheit
des Wechsels der männlichen Vorstandsvorsitzenden auf die Posten des Auf-
sichtsratschefs behindert Transparenz, Innovation und die Gleichstellung von
Frauen in den Unternehmen. Beide Geschlechter sollten mit mindestens 40 Pro-
zent auch bei der Vertretung der Kapitalseite im Aufsichtsrat vertreten sein.

Darüber hinaus ist es notwendig, die Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate, die
eine Person maximal übernehmen darf, von derzeit zehn auf fünf zu reduzieren,
wobei der Vorsitz doppelt zu zählen ist. Die Finanz- und Korruptionsskandale
der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass die Aufsichtsräte häufig nicht im
Sinne einer effektiven Unternehmenskontrolle funktionieren. Die Begrenzung
der Mandate auf fünf hätte zur Folge, dass die einzelnen Aufsichtsratsmandate
wesentlich ernster genommen werden könnten und die Verflechtungen zwischen
verschiedenen Gesellschaften reduziert würden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● in die aktuelle Überarbeitung des Corporate Governance Codex eine Rege-
lung mit dem Ziel zu verankern, dass die Aufsichtsräte deutscher Aktien-
gesellschaften bis 2012 mindestens zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen
sind. Falls dieses Ziel bis 2012 nicht freiwillig umgesetzt wird, ist eine Rege-
lung im Aktiengesetz mit dem Ziel zu verankern, dass die Aufsichtsräte
deutscher Aktiengesellschaften bis 2015 mindestens zu 40 Prozent mit Frauen
besetzt sein müssen;

● im Börsengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat
bis 2015 nicht mit mindestens 40 Prozent Frauen besetzt ist, sind Sanktionen
bis hin zur Entziehung der Zulassung zur Börse vorzusehen;

● § 100 des Aktiengesetzes so zu verändern, dass maximal fünf Aufsichtsrats-
mandate durch eine Person übernommen werden dürfen;

● die Einrichtung einer zentralen Datenbank sicherzustellen, in die sich Be-
werberinnen für Mandate in den Aufsichtsräten eintragen können.

Berlin, den 4. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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