Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. 4 StR 334/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17082

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Gegenstand

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mitführen eines Samurai-Schwertes in demselben Raum wie die gelagerten Drogen; Strafzumessung bei Vorliegen einer nicht geringen Menge


Tenor

1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 29. Februar 2016 werden verworfen; jedoch wird auf die Revision des Angeklagten der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln sowie des Raubes schuldig ist.

2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln“ sowie wegen Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erhebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Einzelstrafe zu [X.] 2 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe beschränkten Revision ebenfalls die Sachrüge. Sie beanstandet, das [X.] habe im [X.] 2 zu Unrecht einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.

3

1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet und führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung des Schuldspruchs (zur Entbehrlichkeit des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln siehe [X.], Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 [X.], [X.], 144 [Ls]).

4

2. Der wirksam beschränkten und vom [X.] vertretenen Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.

5

a) Das [X.] hat zu [X.] 2 der Urteilsgründe im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

6

Am 21. September 2015 erwarb der Angeklagte, der bereits zuvor mit Amphetamin gehandelt hatte, zumindest 328,5 g dieses Betäubungsmittels mit einer Wirkstoffkonzentration von 9,2 %. 70 g waren für seinen Eigenkonsum, der Rest zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das Amphetamin lagerte der Angeklagte im Kühlschrank in der Küche seiner Wohnung. In seinem offen mit der Küche verbundenen Wohnzimmer bewahrte er ein 104 cm langes [X.] mit einer spitz zulaufenden, jedoch stumpfen Klinge auf, das zur Verletzung von Personen geeignet und von ihm hierzu auch bestimmt war. Bei einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am 22. September 2015 befand sich das Schwert in einer Schwertscheide auf einem vor dem Wohnzimmersofa stehenden Tisch. In der Wohnung wurden weiterhin eine Feinwaage, ein Vakuumierer, dazugehöriges Verpackungsmaterial und handschriftliche Aufzeichnungen über den Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln sichergestellt.

7

Das [X.] hat diese Tat als minder schweren Fall eines bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG gewürdigt, unter Beachtung der Sperrwirkung der Mindeststrafe des zugleich verwirklichten § 29a Abs. 1 BtMG einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe angewandt und auf die Einsatzstrafe von vier Jahren und drei Monaten erkannt.

8

b) Die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG im [X.] 2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.

9

aa) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 10. April 1987 – [X.], [X.]St 34, 345, 349). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den [X.] beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. [X.], Urteile vom 29. August 2001 – 2 [X.], [X.], 20; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 338/16).

bb) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Bestand. Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des [X.] wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom [X.] zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihren Einzelangriffen gegen die [X.] daher nicht durch.

(1) Soweit das [X.] neben dem umfassenden Geständnis des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt hat, dass er bei der Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei keinerlei Anstalten unternahm, sich der Waffe zu bedienen, ist hiergegen von Rechts wegen nichts zu erinnern. Zwar könnte auf das Fehlen des [X.] eines denkbaren Einsatzes der Waffe ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG nicht gestützt werden (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 StR 536/14). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Denn nach dem Zusammenhang der Ausführungen hat die [X.] nicht maßgeblich auf den fehlenden Gebrauch der Waffe abgestellt, sondern vorrangig dem Angeklagten zugutegehalten, dass er sogleich bei Eintreffen der Polizei signalisierte, er werde keinen Widerstand leisten, und sich insoweit kooperativ verhielt (UA 35).

(2) Es stellt hier ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das [X.] bei der [X.] auch die lange Dauer der Untersuchungshaft zugunsten des Angeklagten angeführt hat. Zwar ist erlittene Untersuchungshaft bei einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. [X.], Urteile vom 19. Mai 2010 – 2 [X.], [X.], 100, und vom 20. August 2013 – 5 [X.], [X.], 31); eine strafmildernde Berücksichtigung kommt nur in Betracht, wenn mit ihrem Vollzug ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden sind (vgl. [X.], Urteil vom 28. März 2013 – 4 [X.]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 [X.], [X.], 147). Diese Grundsätze hat das [X.] indes nicht verkannt. Vielmehr hat es bei [X.]1 der Urteilsgründe relativierend ausgeführt, dass erlittene Untersuchungshaft auf eine Haftstrafe angerechnet wird ([X.]). Insoweit hat es der – überdies lediglich ergänzend erwähnten – langen Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten erkennbar kein bestimmendes Gewicht beigemessen.

(3) Soweit die [X.] bei ihrer [X.] nicht (erneut) erwähnt hat, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat unter Führungsaufsicht stand, schließt der Senat aus, dass ihr dieser Umstand aus dem Blick geraten ist. Denn das Urteil teilt an anderer Stelle mit, dass der Angeklagte noch bis zum 18. Dezember 2016 unter Führungsaufsicht stand ([X.]). Zudem hat das [X.] im Zusammenhang mit der Erörterung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG ausdrücklich zulasten des Angeklagten die erst kurz zuvor erfolgte „Vollverbüßung“ der Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gewertet, die von Gesetzes wegen (§ 68f Abs. 1 Satz 1 StGB) die Anordnung der Führungsaufsicht nach sich zieht.

(4) Die von der [X.] zugunsten des Angeklagten berücksichtigten tatbezogenen Umstände begegnen ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Das [X.] hat in zulässiger Weise für den Angeklagten in Ansatz gebracht, dass das Schwert aufgrund seiner geringen Qualität – hierzu ist im Urteil festgestellt, dass dem Angeklagten durch den Verkäufer des Schwertes mitgeteilt worden war, die Waffe sei nicht geeignet, um damit auf feste Gegenstände zu schlagen –, seiner stumpfen Klinge und seiner Aufbewahrung in einer Schwertscheide nur ein eingeschränktes Gefährdungspotential besaß. Weiter hat das [X.] in seine Abwägung miteinstellen dürfen, dass sich die Straftat auf ein Betäubungsmittel mit im Vergleich insbesondere zu Heroin und Kokain geringerem Suchtpotential bezog und die [X.] innerhalb der erfahrungsgemäß vorkommenden Bandbreite der nicht geringen Menge im unteren Bereich lag (vgl. [X.], Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, [X.], 150, 152; Beschluss vom 14. November 2003 – 2 [X.], [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Strafzumessung 1). Schließlich hat auch die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Recht zugunsten des Angeklagten Berücksichtigung gefunden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Juli 2012 – 5 [X.], [X.], 50, und vom 25. Februar 2016 – 3 [X.]/15).

c) Gegen die konkrete Strafzumessung im [X.] 2 der Urteilsgründe sowie den [X.] ist gleichfalls von Rechts wegen nichts zu erinnern.

Sost-Scheible      

        

Roggenbuck      

        

[X.]

        

Quentin      

        

Feilcke      

        

Meta

4 StR 334/16

19.01.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 29. Februar 2016, Az: 3 KLs 40/15

§ 30a Abs 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. 4 StR 334/16 (REWIS RS 2017, 17082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17082

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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