Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.07.2019, Az. VI R 49/16

6. Senat | REWIS RS 2019, 5829

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abgrenzung zwischen gewerblicher und landwirtschaftlicher Tierhaltung bei einer Tierhaltungsgemeinschaft


Leitsatz

1. Ein laufend zu führendes Verzeichnis i.S. des § 51a Abs. 1 Satz 2 BewG muss nicht zeitnah, sondern lediglich fortlaufend erstellt werden. Auch ein im Rahmen der Außenprüfung nachträglich erstelltes Verzeichnis kann daher den gesetzlichen Anforderungen genügen.

2. Der Finanzverwaltung steht es angesichts des klaren Wortlauts der Anlage 1 zum BewG in der in den Streitjahren 2010 und 2011 geltenden Fassung (a.F.) wegen der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 85 Satz 1 AO) nicht zu, hiervon abweichende, gesetzesändernde Umrechnungsschlüssel in R 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStR 2008 zu bestimmen. Eine Umrechnung von erzeugten oder gehaltenen Tieren in Vieheinheiten nach Maßgabe der Umrechnungsschlüssel in R 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStR 2008 kommt auch dann nicht in Betracht, wenn sich dies gegenüber der Anwendung der Anlage 1 zum BewG a.F. zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 11.05.2016 - 4 K 122/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Klägerin und [X.]evisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der [X.]echtsform einer Gb[X.] die [X.]ufzucht von Ferkeln. In den [X.]treitjahren (2010 und 2011) erwarb sie kleine Ferkel mit einem Lebendgewicht von ca. 6 kg und zog diese auf, bis sie ein Lebendgewicht von etwa 30 kg erreicht hatten. [X.]bnehmer der von der Klägerin aufgezogenen Tiere waren zum Teil Unternehmen, mit denen die Klägerin gesellschaftsrechtlich verbunden ist, zum Teil fremde [X.]ritte.

2

[X.]er der Klägerin waren zunächst [X.], [X.] und [X.] Zum 01.07.2008 traten [X.] sowie die aus diesem und [X.] bestehende ... Kommanditgesellschaft ([X.]) in den [X.]erkreis ein. Zum 01.07.2011 schieden [X.] und die [X.] wieder aus der [X.] aus. [X.]n ihrer [X.]telle trat [X.] in den [X.]erkreis ein.

3

[X.]lle [X.]er der Klägerin waren Landwirte, die die Voraussetzungen des § 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a bis c des [X.]ewertungsgesetzes ([X.]ewG) erfüllten. [X.]ie hatten die sich nach § 51 [X.]bs. 1a [X.]ewG für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in [X.] ganz oder teilweise auf die Klägerin übertragen (§ 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 [X.]uchst. d [X.]ewG). [X.] und [X.] sowie die [X.] waren darüber hinaus noch an weiteren Tierhaltungsgemeinschaften i.[X.]. des § 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 1 [X.]ewG beteiligt, auf die sie ebenfalls [X.] übertragen hatten.

4

[X.]ie aus der Ferkelaufzucht erzielten [X.]inkünfte wurden von der Klägerin als solche aus Land- und Forstwirtschaft erklärt und für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a [X.]bs. 1 [X.]atz 2 Nr. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes --[X.][X.]tG--) durch [X.]etriebsvermögensvergleich gemäß § 4 [X.]bs. 1 [X.][X.]tG ermittelt.

5

Im [X.]nschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte [X.]ußenprüfung für die Jahre 2007 bis 2010 vertrat die Prüferin die [X.]nsicht, die von der Klägerin erzielten [X.]inkünfte seien ab 01.07.2010 nicht mehr als solche aus Land- und Forstwirtschaft, sondern als solche aus gewerblicher Tierhaltung zu qualifizieren.

6

[X.]ie Zahl der von der Klägerin in den Wirtschaftsjahren 2007/2008 bis 2010/2011 erzeugten [X.] habe zwar nicht die Grenze nach § 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.]ewG, wohl aber diejenige nach § 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.]ewG überschritten. [X.]eien Landwirte an mehreren Tierhaltungsgemeinschaften beteiligt, seien gemäß der Verfügung der Oberfinanzdirektion [X.] vom 10.10.2013 – [X.] 3121-8-[X.]t 286 ([X.]ewertungskartei [X.] § 51a [X.]ewG Karte 1) die von ihnen regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen bei den einzelnen [X.]en jeweils nur in dem Umfang zu berücksichtigen, der dem Verhältnis der auf die [X.] übertragenen [X.] zur Gesamtzahl der sich aus den regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen ergebenden Möglichkeiten zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung entspreche.

7

[X.]ei der [X.]rmittlung der erzeugten [X.] bewertete die Prüferin die veräußerten Tiere entsprechend der [X.]egelung in [X.] 13.2 [X.]bs. 1 [X.]atz 5 Nr. 2 der [X.]inkommensteuer-[X.]ichtlinien ([X.][X.]t[X.]) 2008 als schwere Ferkel mit 0,04 V[X.], soweit sie weniger als 30 kg wogen, und als Läufer mit 0,06 V[X.], soweit sie diese Gewichtsgrenze überschritten.

8

Unabhängig davon, dass die Grenzen der landwirtschaftlichen Tiererzeugung überschritten seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen des § 51a [X.]ewG auch deshalb nicht, weil die fortlaufende und zeitgerechte Führung des nach § 51a [X.]bs. 1 [X.]atz 2 [X.]ewG vorgeschriebenen Verzeichnisses nicht nachgewiesen sei. [X.]as von der Klägerin zu [X.]eginn der Prüfung vorgelegte Verzeichnis sei als nicht ordnungsgemäß verworfen worden, weil darin [X.]ngaben zur tatsächlichen [X.]rzeugung zum [X.]nde der einzelnen Wirtschaftsjahre und zu anderweitig vergebenen [X.] gefehlt hätten. [X.]as während der [X.]ußenprüfung vorgelegte Verzeichnis sei von der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst während der Prüfung erstellt worden.

9

[X.]er [X.]eklagte und [X.]evisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechend geänderte [X.]escheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der [X.]esteuerungsgrundlagen 2010 und 2011 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide 2010 und 2011. [X.]ie hiergegen eingelegten [X.]insprüche der Klägerin blieben erfolglos.

[X.]as Finanzgericht ([X.]) gab der im [X.]nschluss erhobenen Klage aus den in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2016, 1885 veröffentlichten Gründen statt.

Mit seiner [X.]evision rügt das F[X.] die Verletzung materiellen [X.]echts.

[X.]s beantragt,
das angefochtene [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

[X.]ie Klägerin beantragt,
die [X.]evision als unbegründet zurückzuweisen.

[X.]er erkennende [X.]enat hat mit [X.]chreiben vom 04.09.2018 angeregt, das [X.]undesministerium der Finanzen ([X.]MF) möge dem Verfahren beitreten. [X.]in [X.]eitritt des [X.]MF ist nicht erfolgt.

Mit [X.]eschluss vom 27.09.2018 hat der erkennende [X.]enat [X.] sowie die [X.] gemäß §§ 60 [X.]bs. 3 [X.]atz 1, 123 [X.]bs. 1 [X.]atz 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

II.

Die [X.]evision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Der [X.] kann aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Vorinstanz im Ergebnis zu [X.]echt davon ausgegangen ist, dass die von der Klägerin aus gemeinschaftlicher Tiererzeugung erzielten Einkünfte in den Streitjahren solche aus Land- und Forstwirtschaft waren.

1. Zu [X.]echt ist das [X.] (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die Klägerin sowohl durch die Feststellungsbescheide als auch durch die über 0 € lautenden Gewerbesteuermessbescheide beschwert ist.

a) Die Klägerin ist durch die geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheide 2010 und 2011 beschwert, weil die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart eine [X.]echtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 [X.]O darstellt (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 24.04.1991 - X [X.] 84/88, [X.], 385, [X.] 1991, 713; vom 15.04.2004 - IV [X.] 54/02, [X.], 90, [X.] 2004, 868, und vom 04.07.2007 - VIII [X.] 77/05, [X.], 53). Dabei ist nicht zu ermitteln, wie sich die Einkommensteuer der --ehemaligen-- Gesellschafter der Gb[X.] durch die von ihnen begehrte Änderung der Einkunftsart gestalten würde ([X.]-Urteile vom 24.01.1985 - IV [X.] 249/82, [X.], 75, [X.] 1985, 676, m.w.N., und in [X.], 53).

b) Zwar gilt der Grundsatz, dass ein auf Null lautender Steuerbescheid keine Beschwer enthält, auch für einen Bescheid über den [X.], so dass ein [X.]echtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines solchen Bescheids nur ausnahmsweise zu bejahen ist. Ein solcher Ausnahmefall ist im Streitfall allerdings gegeben, da die Klägerin ihre Gewerbesteuerpflicht schlechthin bestreitet und deshalb die ersatzlose Aufhebung des angegriffenen Bescheids erstrebt ([X.]-Urteile vom 25.09.2008 - IV [X.] 80/05, [X.], 86, [X.] 2009, 266, und vom 09.09.2010 - IV [X.] 38/08).

2. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist, dass die Tierbestände die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelte Anzahl der [X.] bezogen auf die vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht überschreiten. Die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung einer Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a Abs. 1 [X.] auch dann zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn u.a. --neben hier weiteren unstreitigen [X.] in sachlicher Hinsicht nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] die Anzahl der von der [X.] erzeugten oder gehaltenen [X.] keine der nachfolgenden Grenzen nachhaltig überschreitet:

a) 

die Summe der ihr nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] von den Gesellschaftern oder Mitgliedern übertragenen [X.] und

b) 

die Summe der [X.], die sich nach § 51 Abs. 1a [X.] auf der Grundlage der Summe der von den Gesellschaftern oder Mitgliedern regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen ergibt.

Die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] und des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sind durch besondere, laufend zu führende Verzeichnisse nachzuweisen (§ 51a Abs. 1 Satz 2 [X.]).

a) Das [X.] ist zunächst in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin die formellen Nachweisanforderungen des § 51a Abs. 1 Satz 2 [X.] in den Streitjahren erfüllt hat.

Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die im [X.]ahmen der Außenprüfung nachträglich vorgelegten Verzeichnisse die gesetzlichen Anforderungen inhaltlich erfüllen. Entgegen der Ansicht des [X.] ist deren nachträgliche Erstellung nicht schädlich.

aa) Die Verzeichnisse dienen der Feststellung, ob die Übertragung der Tierbestände an die Gemeinschaft mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang steht und ob die nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] vorgeschriebenen Höchstgrenzen eingehalten wurden (Sommerfeldt, [X.] 1980, 100, 103). Insoweit müssen die Verzeichnisse das tatsächliche Geschehen zutreffend wiedergeben.

bb) Zu § 7a Abs. 9 Satz 1 EStG 1975 (jetzt § 7a Abs. 8 EStG) hat der [X.] entschieden, aus der Formulierung, ein Verzeichnis sei "laufend" zu führen, ergebe sich nicht, dass die erforderlichen Aufzeichnungen auch zeitnah erfolgen müssten. Vielmehr ist danach unter der "laufenden Aufzeichnung" nur die Aufzeichnung der in Frage kommenden Vorgänge in ihrer zeitlichen [X.]eihenfolge zu verstehen, so dass in diesem Sinne Aufzeichnungen auch laufend vorgenommen werden können, wenn sie nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Entstehen der aufzuzeichnenden Vorgänge, sondern erst später erfolgen ([X.]-Urteil vom 09.08.1984 - IV [X.] 151/81, [X.]E 142, 47, [X.] 1985, 47).

cc) Der erkennende [X.] schließt sich dieser Sichtweise für § 51a Abs. 1 Satz 2 [X.] an.

Innerhalb desselben Gesetzes ist eine einheitliche Auslegung von Grundbegriffen des Einkommensteuerrechts geboten, soweit nicht zwingende Gründe eine unterschiedliche Auslegung erfordern (z.B. [X.]sbeschluss vom 26.03.2013 - VI [X.] 22/11, [X.]E 240, 400, [X.] 2013, 631, [X.]z 11, m.w.N., und [X.]surteil vom 18.06.2015 - VI [X.] 66/13, [X.]z 9). Nach Auffassung des [X.]s ist aus Gründen der [X.]echtsklarheit und damit der [X.]echtssicherheit aber auch eine in verschiedenen Gesetzen gleichlautend verwendete Formulierung (wie die des besonderen, laufend zu führenden Verzeichnisses in § 7a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 51a Abs. 1 Satz 2 [X.]) nach Möglichkeit einheitlich auszulegen. Dementsprechend geht der [X.] für § 51a Abs. 1 Satz 2 [X.], der insoweit wortgleich ist wie § 7a Abs. 8 Satz 1 EStG, davon aus, dass "laufend" nicht "zeitnah" bedeutet (ebenso Paul in [X.]/Heuer/[X.], § 13 EStG [X.]z 80).

dd) Die Zielsetzung der Aufzeichnungspflicht steht dem nicht entgegen. Denn die hiermit bezweckte Verfolgbarkeit der Übertragung der Tierbestände an die Gemeinschaft im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen sowie der Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgrenzen bleibt gewahrt. So muss sich insbesondere die Übertragung der [X.] ohnehin aus dem Gesellschaftsvertrag, einem Beschluss der Gesellschafter oder einer sonstigen Vereinbarung ergeben (Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, [X.]. 7, [X.]z 16). Dies gilt auch im Hinblick auf § 51a [X.], der die Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft durch landwirtschaftliche Tierhaltungsgemeinschaften bezweckt (S. 2 des Berichts des Finanzausschusses zu BTDrucks VI/2334; Bruschke in [X.]/Stenger, Bewertungsrecht, § 51a [X.] [X.]z 6). Die Anforderungen an den formellen Nachweis dürfen daher nicht überspannt werden. Eine nachträgliche Erstellung mindert allenfalls den Beweiswert der Aufzeichnung in Bezug auf die Frage, ob diese das tatsächliche Geschehen zutreffend wiedergibt.

ee) Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht aus § 146 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]). Nach dieser --grundsätzlich für alle aus steuerlichen Gründen erforderlichen Aufzeichnungen geltenden-- [X.]egelung sind die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Die Frage, ob Aufzeichnungen zeitgerecht i.S. des § 146 Abs. 1 [X.] sind, ist indes nicht für alle Geschäftsvorfälle gleich zu beantworten; vielmehr ist hierbei entscheidend auf die Art des [X.] abzustellen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 142, 47, [X.] 1985, 47).

Da es nach den vorgenannten Ausführungen um die Verfolgbarkeit der Voraussetzungen der Übertragung der Tierbestände an die Gemeinschaft im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen sowie der Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgrenzen geht, kann auch eine spätere Zusammenstellung der aus der Buchführung einschließlich sonstiger Unterlagen ersichtlichen Angaben genügen.

b) Das [X.] ist indes zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren erzeugten Tiere nach den sich aus [X.] 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 ESt[X.] 2008 ergebenden Schlüsseln umzurechnen sind.

Für die Umrechnung in [X.] ist vielmehr die Anlage 1 zum [X.] in der in den Streitjahren geltenden Fassung maßgebend. Der Finanzverwaltung steht es wegen der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) nicht zu, für die Tiere --hier die [X.] durch Verwaltungsvorschriften davon abweichende [X.] vorzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Umrechnung nach Anlage 1 zum [X.] zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen auswirkt.

aa) Art. 20 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und [X.]echt. Hieraus abgeleitet --zum Teil auch mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung synonym gebraucht-- wird das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes, dem zufolge das Gesetzesrecht Vorrang hat gegenüber von der Exekutive gesetzten Normen und anderen Verwaltungsentscheidungen (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 28.11.2016 - GrS 1/15, [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393, [X.]z 90). Ein Verstoß gegen dieses aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verfassungsprinzip kommt danach in Betracht, wenn eine der Verwaltungsmaßnahme entgegenstehende gesetzliche Vorschrift existiert (vgl. Beschluss des [X.] vom 28.10.1975 - 2 Bv[X.] 883/73, 2 Bv[X.] 379/74, 2 Bv[X.] 497/74, 2 Bv[X.] 526/74, [X.] 40, 237, 247, und Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393, [X.]z 90).

Im Abgabenrecht hat der vorgenannte Verfassungsgrundsatz seinen Niederschlag in § 85 Satz 1 [X.] gefunden. Nach dieser Vorschrift sind die Finanzbehörden verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Dieser für das gesamte Verfahren geltende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist der für das Steuerrecht einfachrechtlich formulierte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung i.S. des Art. 20 Abs. 3 GG. § 85 Satz 1 [X.] enthält das im Steuerrecht geltende Legalitätsprinzip (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393, [X.]z 91).

bb) Anders als [X.] 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 ESt[X.] 2008 unterschied die Anlage 1 zum [X.] in der in den Streitjahren geltenden Fassung lediglich zwischen Ferkeln (0,02 VE) und Läufern (0,06 VE) sowie Zucht- und Mastschweinen (0,33 bzw. 0,16 VE). Da die von der Klägerin erzeugten Tiere das Gewicht von 20 kg und damit das Ferkelstadium überschritten (s. dazu [X.]-Urteil vom 28.07.1999 - II [X.] 83/96, [X.]E 189, 529, [X.] 1999, 815) und, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht als Zucht- oder Mastschwein einzugruppieren waren, waren diese unter Berücksichtigung der [X.] für die zugekauften Ferkel (hierzu [X.]-Urteile in [X.]E 189, 529, [X.] 1999, 815, und vom 16.12.2009 - II [X.] 45/07, [X.]E 227, 498, [X.] 2011, 808) bei Anwendung der Anlage 1 zum [X.] durchgängig mit 0,04 [X.] zu bewerten. Die Verwaltung kann auch bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (wie hier dem Wandel der Landwirtschaft zu aufgespaltenen Produktionsstrukturen) nicht gesetzesändernd davon abweichende [X.] bestimmen. Dies ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, der er mittlerweile mit Wirkung zum 01.01.2012 durch Anpassung der [X.] in der Anlage 1 zum [X.] auch nachgekommen ist.

Angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben in der Anlage 1 zum [X.] kann [X.] 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 ESt[X.] 2008 keine --die Gerichte ohnehin nicht bindenden (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393, [X.]z 107)-- norminterpretierenden Vorgaben für die Finanzämter enthalten. Erst recht handelt es sich nicht um eine ermessensleitende Verwaltungsvorschrift.

cc) Soweit der [X.] in seinen Urteilen in [X.]E 227, 498, [X.] 2011, 808, in [X.]E 189, 529, [X.] 1999, 815, und vom 13.07.1989 - V [X.] 110-112/84 ([X.]E 158, 157, [X.] 1989, 1036) ausgeführt hat, die Finanzverwaltung könne trotz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 85 [X.]) von Gesetzen abweichen, falls sich dies zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirke, sind diese Entscheidungen durch den Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393 überholt. Ein Vertrauensschutz der Klägerin auf Anwendung der [X.]ichtlinie zu ihren Gunsten besteht danach auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung nicht (vgl. [X.]-Beschluss vom 11.05.2007 - IV B 28/06).

3. Das [X.] ist teilweise von anderen [X.]echtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann aufgrund der vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch nicht in der Sache selbst entscheiden. Das [X.] wird im zweiten [X.]echtsgang vielmehr nach den unter [X.] bb dargestellten Maßstäben zunächst die von der Klägerin in den Streitjahren erzeugten [X.] festzustellen und sodann auf dieser Grundlage zu prüfen haben, ob die von der Klägerin erzeugten [X.] die Grenzen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b [X.] in den Streitjahren nicht nachhaltig überschritten haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 49/16

03.07.2019

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. Mai 2016, Az: 4 K 122/15, Urteil

§ 51a Abs 1 S 2 BewG 1991, Art 20 Abs 3 GG, § 85 S 1 AO, R 13.2 Abs 1 S 5 Nr 2 EStR 2008, § 13 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.07.2019, Az. VI R 49/16 (REWIS RS 2019, 5829)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5829

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 39/18 (Bundesfinanzhof)

(Betriebsinhaber i.S. des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG bei …


II R 43/16 (Bundesfinanzhof)

Gemeinschaftliche Tierhaltung bei beteiligungsidentischen Personengesellschaften


V R 11/18 (Bundesfinanzhof)

Zur Vieheinheiten-Obergrenze bei landwirtschaftlichen Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieben im Umsatzsteuerrecht


XI R 24/17 (Bundesfinanzhof)

Zur Mitunternehmerinitiative eines Kommanditisten als Voraussetzung der Durchschnittssatzbesteuerung


V R 22/19 (Bundesfinanzhof)

Vorabgewinn als umsatzsteuerbares Sonderentgelt; Regelsteuersatz für die Überlassung von Vieheinheiten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.