Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, Az. 5 AZR 254/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 2638

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Gegenstand

Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay")


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Januar 2013 - 6 Sa 737/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten über [X.] unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

[X.]er 1966 geborene Kläger ist seit dem 16. Juli 2007 bei der [X.], die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt. Er wurde der [X.], einem Unternehmen des [X.], als Zählerableser überlassen.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst ein [X.] vom 10. Juli 2007 (im Folgenden: Arbeitsvertrag 2007), der auszugsweise lautet:

        

„1. Gegenstand und Bezugnahme auf Tarifvertrag

        

…       

        

[X.]er Mitarbeiter wird eingestellt als

        

Außendienstmitarbeiter,

        

[X.]er Mitarbeiter wird aufgrund der notwendigen Qualifikation für die im [X.] ausgeübte Tätigkeit entsprechend des nachfolgend genannten [X.] wie folgt eingruppiert:

        

Entgeltgruppe: [X.] 4+

        

[X.]ie Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister ([X.]) und der [X.] und [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag ([X.]), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag ([X.]) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

        

[X.]er Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). In diesem Fall treten die von diesem Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.

        

…       

        

5. Arbeitszeit

        

Als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich Pausen werden 35,00 Stunden vereinbart.

        

…       

        

Lage, Beginn, Ende und [X.]auer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Lage und [X.]auer der Pausen richten sich nach den in dem Betrieb des jeweiligen Kunden geltenden betrieblichen Regelungen, im Übrigen nach den Bestimmungen der in 1. genannten Tarifverträge.

        

…       

        

6.4 Zahlung

        

[X.]ie Vergütung wird nach Abzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter [X.] Konto überwiesen.

        

…       

        

14. Ausschluss von Ansprüchen

        

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.

        

Unberührt hiervon bleiben Ansprüche aus unerlaubter Handlung.

        

Lehnt die Gegenpartei die Erfüllung des Anspruchs schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.“

4

Eine von der [X.] im April 2010 angetragene vorformulierte Änderung der Bezugnahmeklausel lehnte der Kläger ab. [X.]araufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mit, ab dem 1. Januar 2010 fänden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem [X.] e. V. ([X.]) und den Einzelgewerkschaften des [X.] ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung (fortan: [X.]-TV 2010) Anwendung.

5

In einem von der [X.] am 28. April 2011, vom Kläger am 11. Juli 2011 unterzeichneten [X.] (im Folgenden: Arbeitsvertrag 2011) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger „mit Wirkung zum 01.05.2011 eingestellt“ wird und sich ihre Rechte und Pflichten nach dem zwischen dem [X.] ([X.]) und der [X.] geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung (fortan: [X.]/[X.]) richten. In einer „Zusatzvereinbarung“ vom 11./20. Juli 2011 heißt es:

        

„In Abänderung des ursprünglich geschlossenen Arbeitsvertrages mit Wirkung ab dem 16.07.2007 und der Aufhebung aller Neben- und/oder Zusatzvereinbarungen vereinbaren Arbeitgeber und Mitarbeiter, dass sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01.05.2011 an ausschließlich aus den Regelungen des heute am 28.04.2011 unterzeichneten Arbeitsvertrages ergeben.“

6

Auf Anfrage des [X.] erteilte ihm die [X.] mit Schreiben vom 5. Januar 2012 folgende [X.]:

        

„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt W,

        

in Erfüllung unserer [X.]sverpflichtung gem. § 13 AÜG übersenden wir Ihnen nachfolgende Informationen.

        

Herr H war im Wege der Arbeitnehmerüberlassung als Zählerableser eingesetzt.

        

Wenn wir die Aufgabe gehabt hätten, [X.], hätte seine Tätigkeit der Eingruppierung A 4 / Basis nach [X.] entsprochen.

        

...     

        

[X.]ie Grundvergütung wird 13-mal je Jahr gezahlt, zudem gibt es die Sonderzahlung einmalig je Jahr.

        

[X.]ie Spesen und Fahrtkosten werden entsprechend der individuellen Aufwendungen nach der gültigen Reisekostenregelung der R vergütet.“

7

[X.]er Manteltarifvertrag der Tarifgruppe [X.] vom 27. März 2006 (fortan: [X.] [X.]) sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden im [X.]urchschnitt vor und bestimmt zur Vergütung ua.:

        

„§ 16 Vergütungsordnung

        

1.    

Alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des [X.] fallen, werden nach einer einheitlichen Vergütungsordnung, die 16 Vergütungsgruppen umfasst, entlohnt.

                 

[X.]abei sind die:

                 

-       

VG A 1 bis A 4 für Tätigkeiten im un- und angelernten Bereich;

                 

-       

VG B 1 bis B 4 für Tätigkeiten, die in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzen;

                          

…       

                 

[X.]ie Verweildauer in der Basisvergütung der jeweiligen Vergütungsgruppe beträgt max. 36 volle Kalendermonate für die [X.] und B und max. 48 volle Kalendermonate für die [X.] und [X.] (…)

        

2.    

Jeder Vergütungsgruppe wird eine Starteingruppierung mit einer Absenkung von 8 % der Basisvergütung zugeordnet. Neu eingestellte Arbeitnehmer und übernommene Ausgebildete werden nach der Startvergütung der jeweils maßgeblichen Vergütungsgruppe für die Verweildauer von max. 24 vollen Kalendermonaten vergütet. [X.]ie Starteingruppierung findet keine Anwendung bei [X.].

        

3.    

Jeder Vergütungsgruppe sind vier Erfahrungsstufen, die jeweils 4 % Steigerung für die VG-Gruppen A und B und jeweils 3,5 % für die VG-Gruppen C und [X.] der Basisvergütung betragen, zugeordnet.

                 

[X.]ie Verweildauer je Erfahrungsstufe beträgt max. 36 volle Kalendermonate für die VG-Gruppen A und B und max. 48 volle Kalendermonate für die VG-Gruppen C und [X.]

        

4.    

[X.]ie Verweildauer in der Startvergütung, Basisvergütung und den Erfahrungsstufen kann in begründeten Einzelfällen auf Antrag einer der beiden Betriebsparteien einvernehmlich verkürzt werden.“

8

[X.]ie Anlage 1 zum [X.] [X.] sieht ua. folgende Vergütungsgruppen vor:

        

„Vergütungsgruppe A 1

        

Tätigkeiten, die eine betriebliche Einweisung erfordern

        

Vergütungsgruppe A 2

        

Tätigkeiten, die eine Einarbeitung im jeweiligen Aufgabengebiet erfordern

        

Vergütungsgruppe A 3

        

Tätigkeiten, die eine eingehende betriebliche Einweisung und fachliche Einarbeitung erfordern

        

Vergütungsgruppe A 4

        

Tätigkeiten, die eine gründliche und umfassende betriebliche bzw. fachliche Einweisung und Einarbeitung erfordern“

9

Mit der am 16. September 2011 eingereichten und der [X.] am 23. September 2011 zugestellten Klage hat der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 [X.] für die [X.] vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2011 die [X.]ifferenz zwischen der ihm gezahlten Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll. Er hat geltend gemacht, seine Tätigkeit als Zählerableser sei nach der [X.] der Entleiherin der Vergütungsgruppe A 4 [X.] [X.] zuzuordnen. Neben der Grundvergütung könne er für die Jahre 2008 bis 2010 eine Weihnachtszuwendung gemäß § 10 [X.] [X.] und eine Sonderzuwendung nach § 11 [X.] [X.] verlangen.

[X.]er Kläger hat, soweit für die Revision von Belang, sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.415,87 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

[X.]ie Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zumindest seit dem 1. Januar 2010 habe sie aufgrund der Inbezugnahme des mehrgliedrigen Tarifvertrags zwischen dem [X.] e. V. ([X.]) und Einzelgewerkschaften des [X.] vom 15. März 2010 von dem Gebot der Gleichbehandlung abweichen dürfen. Ein Anspruch nach § 10 Abs. 4 [X.] komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Entleiherin keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftige. Außerdem habe der Kläger die Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht schlüssig dargelegt. Auf die von der [X.] erteilte [X.] könne er sich nicht stützen, weil diese nicht Entleiherin sei. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach den Ausschlussfristen des [X.]-TV 2010, des [X.]/[X.] sowie der Arbeitsverträge 2007 und 2011 verfallen.

[X.]as Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. [X.]as [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist in dem noch rechtshängigen Umfang begründet. Der Kläger hat nach § 10 Abs. 4 [X.] Anspruch auf weitere Vergütung für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2011 iHv. 29.415,87 Euro brutto.

I. Der Kläger hat für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des [X.] Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.]. Eine nach § 9 Nr. 2 [X.] zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.

1. Nr. 1 Arbeitsvertrag 2007 verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der [X.] unwirksame Tarifverträge (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 12 ff.).

2. Nr. 1 Arbeitsvertrag 2007 erfasst nicht die Geltung der vom [X.] ([X.]) und - neben der [X.] - einer Reihe von [X.] geschlossenen Tarifverträge vom 15. März 2010. Unbeschadet der Frage, ob ein einseitiger „Austausch“ der für das [X.] maßgeblich sein sollenden Tarifwerke eine Vereinbarung tariflicher Regelungen iSv. § 9 Nr. 2 [X.] sein kann, berechtigt die Klausel allenfalls zu einem Tarifwechsel bei Wechsel des Arbeitgeberverbands. Sie ermöglichte es aber der Beklagten nicht, von anderen Arbeitnehmervereinigungen abgeschlossene Tarifverträge einseitig zur Anwendung zu bringen (zur Funktion der Tarifwechselklausel, vgl. [X.] 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 128, 165). Im Übrigen wäre die Klausel mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 144, 306).

3. Ob die Geltung der Tarifverträge zwischen dem [X.] ([X.]) und der [X.] Zeitarbeit die Beklagte vom Gebot der Gleichbehandlung entbinden würde, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Die Anwendung dieser Tarifverträge haben die Parteien im Streitzeitraum nicht vereinbart.

II. Der Anspruch des [X.] ist nicht verfallen.

1. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der [X.] oder aus den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen [X.]-TV 2010 einzuhalten. Derartige „tarifliche“ Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 21 f.; 19. Februar 2014 - 5 [X.] - Rn. 12). Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 14 Arbeitsvertrag. Diese Klausel regelt lediglich eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 40, [X.]E 144, 306; 25. September 2013 - 5 [X.] - Rn. 14 ff.; 23. Oktober 2013 - 5 [X.] - Rn. 14).

2. Ob Nr. 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ oder bei einer unwirksamen Bezugnahme auf Tarifverträge zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer [X.] nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - [X.]E 115, 19; 28. September 2005 - 5 [X.] - [X.]E 116, 66).

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt für den Überlassungszeitraum Januar 2008 bis April 2011 auch nicht nach der Ausschlussfristenregelung des [X.]/[X.] oder der des mit Wirkung zum 1. Mai 2011 geschlossenen Arbeitsvertrags verfallen.

Nr. 14 Arbeitsvertrag 2011 bestimmt, dass sich der Verfall von Ansprüchen abweichend von etwaigen Tarifregelungen (also denen des in Bezug genommenen [X.]/[X.]) ausschließlich nach der arbeitsvertraglichen Regelung richtet. Danach verfallen sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Die Klausel erfasst (nur) Ansprüche, die nach Abschluss des Arbeitsvertrags 2011, die mit der Annahme des Angebots durch den Kläger am 11. Juli 2011 erfolgt ist, fällig geworden sind. Die von der Beklagten intendierte Rückwirkung der Ausschlussfristenregelung wäre - als Vertragsbestandteil gedacht - nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger durch die nachträgliche zeitliche Begrenzung eines bereits entstandenen Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte (vgl. [X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1046/12 - Rn. 23; 19. Februar 2014 - 5 [X.] 920/12 - Rn. 16 ff., 25). Selbst wenn man annähme, der auf den Monat April 2011 entfallende Anteil des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt, der nach Nr. 6.4 Arbeitsvertrag 2007 am 20. Mai 2011 fällig wurde, sei (schon) von den Regelungen des Arbeitsvertrags 2011 erfasst, hat der Kläger mit dem Geltendmachungsschreiben vom 17. Mai 2011 die einstufige Ausschlussfrist der Nr. 14 Arbeitsvertrag 2011 gewahrt. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt - auch der auf den Monat April 2011 entfallende Teil - bereits entstanden (zu diesem Erfordernis, vgl. [X.] 18. September 2012 - 9 [X.] 1/11 - Rn. 35 mwN).

III. Die dem Kläger geschuldete Differenzvergütung beträgt mindestens 29.415,87 Euro brutto.

1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass es unerheblich ist, ob die Entleiherin tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines [X.] an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses [X.] abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Fall das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1048/12 - Rn. 21).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass - entsprechend der von der [X.] erteilten [X.] - im R-Konzern ein allgemeines [X.], nämlich die Tarifverträge der Tarifgruppe [X.], Anwendung findet. Maßgeblich ist damit das Entgelt, das der Kläger nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei der Entleiherin eingestellt worden wäre.

2. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen ([X.] 23. März 2011 - 5 [X.] 7/10 - Rn. 35 f., [X.]E 137, 249). Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 [X.] ist national zu bestimmen und, wie die beispielhafte Aufzählung in der Gesetzesbegründung ([X.]. 15/25 S. 38) belegt, weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 27 mwN). Deshalb sind sämtliche auf den Lohnabrechnungen ausgewiesenen [X.] in den Gesamtvergleich einzubeziehen.

Dieser Anforderung ist genügt. Der Kläger hat das auf den Lohnabrechnungen Dezember 2008 und April 2011 ausgewiesene „[X.]“ bzw. den auf den Ausdrucken der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2009 und 2010 angegebenen „Bruttoarbeitslohn“ in den Gesamtvergleich einbezogen. Dass der Kläger ein höheres Arbeitsentgelt von ihr erhalten hätte, hat die Beklagte nicht behauptet.

3. Hinsichtlich der Höhe des [X.] ist das [X.], dem Arbeitsgericht folgend, zu Recht von einer - fiktiven - Eingruppierung des [X.] in die [X.][X.] ausgegangen.

a) Der Leiharbeitnehmer genügt zunächst der ihm obliegenden Darlegungslast für die Höhe des Anspruchs, wenn er sich auf eine ihm nach § 13 [X.] erteilte [X.] beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die - ordnungsgemäße - [X.] des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 [X.] zu berechnen. Es obliegt sodann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der [X.] in erheblicher Art im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen [X.] als zugestanden ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 146/12 - Rn. 22).

b) Die [X.] der [X.] vom 5. Januar 2012 ist ordnungsgemäß. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger der [X.] zur Arbeitsleistung überlassen war, aber die Auskünfte von der [X.] erteilt wurden. Denn § 13 [X.] hindert den Entleiher nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der [X.] Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße [X.] erforderliche Wissen verfügen ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1048/12 - Rn. 27 mwN).

c) Die Rechtswirkungen einer [X.] nach § 13 [X.] hängen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss er dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung [X.] darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1048/12 - Rn. 28 mwN).

d) Die Beklagte hat die vom Kläger in den Prozess eingeführte [X.] nach § 13 [X.] nicht erschüttert. Sie hat lediglich pauschal behauptet, die Voraussetzungen für eine Eingruppierung des [X.] in die [X.] lägen nicht vor, ohne sich substantiiert mit der Tätigkeit des [X.] auseinanderzusetzen.

Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das [X.] sei auf Seite 20 des Berufungsurteils von der abgesenkten Startvergütung „auf die [X.] in der Erfahrungsstufe 1“ gesprungen, hat sich das [X.] lediglich missverständlich ausgedrückt. Denn es hat im weiteren Verlauf seiner Begründung ohne Abstriche das Rechenwerk des Arbeitsgerichts übernommen, das nach der Startvergütung das Entgelt nach der [X.] / Basis angesetzt und ausgeführt hat, Erfahrungsstufen könne der Kläger nicht beanspruchen.

e) Der Einwand der Beklagten, der Kläger könne eine höhere Vergütung allenfalls auf der Grundlage der arbeitsvertraglich vereinbarten 35-Stunden-Woche verlangen, greift nicht durch. Nach Nr. 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag 2007 richtet sich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit während der Überlassung nach den im Entleiherbetrieb geltenden Regelungen. Gemäß § 4 Nr. 1.1 MTV [X.] beträgt die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt 38 Stunden.

f) Der Kläger und die Vorinstanzen sind bei ihren Berechnungen zutreffend von einer den vergleichbaren Arbeitnehmern zu zahlenden Monatsvergütung ausgegangen.

g) Dem Kläger steht auch für Urlaubstage, Krankheitstage und Feiertage ein Anspruch auf Fortzahlung der Grundvergütung zu. Dies folgt für Urlaubstage aus § 13 Nr. III. 1.1 MTV [X.], für Krankheitstage aus § 15 Nr. II. 2. MTV [X.] und für Feiertage - mangels einer tariflichen Regelung - aus § 2 Abs. 1 EFZG.

h) Für die Jahre 2008 bis 2010 kann der Kläger jeweils eine Weihnachtszuwendung iHv. 100 % der Monatsvergütung verlangen.

i) Sonderzuwendungen stehen dem Kläger gemäß § 11 MTV [X.] für die Jahre 2008 bis 2010 zu.

j) Die Vergleichsberechnung ergibt einen Differenzbetrag, der die noch rechtshängige Forderung iHv. 29.415,87 Euro brutto übersteigt.

IV. Die geforderten [X.] stehen dem Kläger jedenfalls seit dem ausgeurteilten Zeitpunkt - 5. Oktober 2011 - zu. Die Pflicht der Verzinsung beginnt bei [X.] nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit ([X.] 17. April 2010 - 3 [X.] 280/10 - Rn. 27 mwN). Die Klage wurde der Beklagten am 23. September 2011 zugestellt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Dittrich    

        

    Dombrowsky    

                 

Meta

5 AZR 254/13

24.09.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Osnabrück, 9. Mai 2012, Az: 2 Ca 343/11, Urteil

§ 9 Nr 2 AÜG, § 10 Abs 4 AÜG, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, Az. 5 AZR 254/13 (REWIS RS 2014, 2638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2638

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