Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2022, Az. IV ZR 110/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3254

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ERBRECHT

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Gegenstand

Pflichtteilsanspruch: Verstoß gegen den deutschen ordre public bei Rechtswahl des englischen Erbrechts


Leitsatz

Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 1.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 8.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) als testamentarische Erbin auf Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses des am 26. April 2018 verstorbenen Erblassers [X.]          in Anspruch.

2

Der 1936 geborene Erblasser war [X.] Staatsangehöriger. Er lebte seit seinem 29. Lebensjahr in [X.], wo er auch seinen letzten Wohnsitz hatte. Mit notariell beurkundetem [X.] vom 30. Oktober 1975, den das [X.] mit Beschluss vom 20. Mai 1976 gemäß § 1741 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung bestätigte, adoptierte der Erblasser den am 9. September 1974 geborenen Kläger. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelung:

"Die Erb- und Pflichtteilsrechte für das Kind und dessen künftige Abkömmlinge nach dem [X.] der annehmenden Eheleute werden ausgeschlossen."

3

Mit notariellem Testament vom 13. März 2015 setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin ein und widerrief alle zuvor von ihm errichteten Verfügungen von Todes wegen. Für die Rechtsnachfolge von Todes wegen wählte er das [X.] Recht als Teilrecht seines Heimatstaates. Der Nachlass besteht aus einer im Inland belegenen Immobilie sowie diversen weiteren Gegenständen. Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen, das im Einzelnen alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen des Erblassers sowie alle Forderungen gegen diesen und alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall getätigt hat, umfasst, und die Werte verschiedener Nachlassgegenstände durch Sachverständigengutachten für den Stichtag 26. April 2018 bestimmen zu lassen und darüber Auskunft zu erteilen, sowie die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

6

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in [X.] 2021, 698 veröffentlicht ist, steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 [X.] zu, da dieser als Adoptivsohn des Erblassers pflichtteilsberechtigt gemäß §§ 2303 Abs. 1, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 1 [X.] i.V.m. Art. 12 § 2 Abs. 2, Abs. 3, § 3 Abs. 1 [X.] und von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Einem Anspruch stehe nicht entgegen, dass der Erblasser in dem Testament vom 13. März 2015 für die Rechtsfolge von Todes wegen in sein gesamtes Vermögen das [X.] Recht als Teilrecht seines Heimatstaates gewählt habe. Zwar habe es dem Erblasser gemäß Art. 22 Abs. 1, 83 Abs. 4 [X.] freigestanden, für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates zu wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl angehörte. Die Anwendung [X.]n Rechts scheide aber aus, weil sie im konkreten Fall mit dem [X.] offensichtlich unvereinbar sei, Art. 35 [X.]. Das [X.] Recht kenne keinen Pflichtteil. Kinder des Verstorbenen könnten für den Fall, dass sie nicht ausreichend bedacht wurden, bei Gericht einzig eine "angemessene finanzielle Regelung" nach dem Inheritance (Provision for Family und Dependants) Act 1975 beantragen. Erwachsenen Kindern stehe danach regelmäßig kein Anspruch auf Teilhabe am Nachlass zu. Das aber verstoße gegen die Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG, nach der eine Teilhabe der Kinder am Nachlass der Eltern nicht von deren Bedürftigkeit abhängig gemacht werden dürfe. Das [X.] Recht rücke das [X.] in die Nähe des Unterhaltsrechts und knüpfe daran an, dass der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen Wohnsitz in [X.] oder [X.] hatte. Nach [X.] Rechtsverständnis seien vielmehr die grundsätzlich unauflösbare Beziehung zwischen Eltern und Kindern und die daraus erwachsene Familiensolidarität ausschlaggebend für eine Teilhabe der Kinder am Nachlass ihrer Eltern. Der Wohnort [X.] dabei keine Rolle. Schließlich stelle das [X.] Recht die Entscheidung über eine finanzielle Zuwendung und deren Höhe in das Ermessen des Gerichts. Auch dies widerspreche der nach [X.] Rechtsverständnis gebotenen und in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Garantie einer bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern. Zur Gewährleistung einer dem [X.] entsprechenden Regelung müsse auf die Vorschriften des [X.] Pflichtteilsrechts zurückgegriffen werden.

7

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

8

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 2, Satz 3 [X.] ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers und auf Wertermittlung in dem vom Berufungsgericht tenorierten Umfang zu.

9

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, einem Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des [X.] stehe nicht der Umstand entgegen, dass der Erblasser in seinem Testament für die Rechtsfolge von Todes wegen in sein gesamtes Vermögen das [X.] Recht als Teilrecht seines Heimatstaates gewählt hat.

a) Gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 650/2012 des [X.] und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in [X.] sowie zur Einführung eines [X.] ([X.] [X.] 2012 Nr. L 201 [X.]07; im Folgenden: [X.]) stand es dem Erblasser frei, für die Rechtsfolge von Todes wegen mit dem [X.]n Recht das Recht des Staates zu wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl angehörte. Die Wahl [X.]n Erbrechts war auch wirksam. Zwar datiert das Testament vom 13. März 2015, während die [X.] erst seit dem 17. August 2015 gilt. Da der Erblasser aber im Jahr 2018 verstorben ist, gilt gemäß Art. 83 Abs. 4 [X.] dasjenige Recht, dessen Anwendung der Erblasser vor dem Stichtag im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen nach dem nach Art. 22 [X.] wählbaren Recht angeordnet hat.

b) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anwendung [X.]n Rechts jedenfalls im hier zur Entscheidung stehenden Fall mit dem [X.] offensichtlich unvereinbar (Art. 35 [X.]). Denn das [X.] Recht steht zu der nach [X.] Recht verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassverteilung in einem so schwerwiegenden Widerspruch, dass dessen Anwendung im hiesigen Fall untragbar ist. Dies hat zur Folge, dass es hier keine Anwendung findet.

aa) Art. 35 [X.] sieht vor, dass die Anwendung einer Vorschrift des nach der Verordnung bezeichneten Rechts eines Staates nur versagt werden darf, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist. Die Bestimmung ermöglicht es dem [X.], im Ausnahmefall wesentliche Grundsätze und Werte des eigenen materiellen Rechts im Einzelfall zu wahren und trotz einer entgegenstehenden Regelung der lex causae durchzusetzen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl. § 4 Rn. 172; [X.]/[X.] 3. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.] ua (Hrsg), Erbfälle unter Geltung der [X.], 2014, [X.], 27; [X.] in [X.]/[X.], Kommentar zur [X.]-Erbrechtsverordnung ([X.]) 2. Aufl. Art. 35 Rn. 3, 11). Für die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public reicht eine bloße Abweichung des ausländischen Rechts von inländischen Rechtsgrundsätzen nicht aus. Er liegt nur dann vor, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Einzelfall zu den Grundgedanken der nationalen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung schlichtweg untragbar erscheint (vgl. Erwägungsgrund 58 Satz 1 [X.]; [X.], Urteil vom 28. März 2000 - [X.]/98, [X.]: [X.]: 2000:164 Rn. 37; [X.], Beschluss vom 14. November 2018 - [X.] 292/15, NJW-RR 2019, 321 Rn. 30; Urteil vom 8. Mai 2014 - [X.], [X.] 2014, 151 Rn. 29; st. Rspr.; vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Internationales Erbrecht 2. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 5; [X.]/Thorn, [X.] Aufl. Art. 6 EG[X.] Rn. 5; [X.]/Damascelli ua (Hrsg), [X.]-Erbrechtsverordnung 2015 Art. 35 Rn. 2; [X.]/[X.] 3. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 14; [X.], Die Geltung [X.] Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der [X.], 2015, [X.]98 ff.; vgl. zu Art. 6 EG[X.] [X.]. 10/504, [X.] ff.).

[X.]) Nach diesem Maßstab liegt hier ein offensichtlicher Verstoß gegen den [X.] vor.

(1) Das Pflichtteilsrecht ist als Institutionsgarantie dem Bestand des [X.] zuzurechnen. Das [X.] hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 19. April 2005 ([X.] 112, 332 ff.) klargestellt, dass dem Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers unter Verweis auf die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG Grundrechtscharakter im Sinne einer grundsätzlich unentziehbaren und bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass zukommt. Dies folgt aus der Familiensolidarität und der hieraus abgeleiteten familienschützenden Funktion des Pflichtteilsrechts (vgl. [X.] aaO [juris Rn. 64 ff.]). Art. 6 Abs. 1 GG schützt das Verhältnis zwischen dem Erblasser und seinen Kindern als lebenslange Gemeinschaft, innerhalb derer Eltern wie Kinder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, füreinander sowohl materiell als auch persönlich Verantwortung zu übernehmen. Die Testierfreiheit des Erblassers unterliegt damit von [X.] wegen grundsätzlich auch den durch die Abstammung begründeten familienrechtlichen Bindungen. Das Pflichtteilsrecht hat die Funktion, die Fortsetzung des ideellen und wirtschaftlichen Zusammenhangs von Vermögen und Familie - unabhängig von einem konkreten Bedarf des Kindes - über den Tod des [X.] hinaus zu ermöglichen (vgl. [X.] aaO [juris Rn. 72]). An dieser Einordnung des Pflichtteilsrechts von Kindern als grundrechtlich geschützte Rechtsposition hat das [X.] auch in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten (vgl. [X.] [X.] 2019, 79 Rn. 13, zur [X.]gemäßheit von § 2325 Abs. 3 Satz 3 [X.]).

(2) Das [X.] Recht kennt demgegenüber keinen bedarfsunabhängigen und nach festen Quoten berechneten Anspruch eines Abkömmlings nach dem Tod des Erblassers. Ein Pflichtteilsrecht, wie es der [X.] Rechtsordnung entspricht, ist dem [X.]n Recht fremd.

(a) Ohne Erfolg beanstandet die Revision mit der Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe lediglich pauschal und ohne nähere Begründung ausgeführt, ihm sei bekannt, dass die [X.] Rechtsordnung nahen Verwandten keinerlei Pflichtteils- und Noterbrechte am Nachlass zugestehe und habe allein auf dieser Grundlage die Entscheidung getroffen, dass sich das [X.] vom [X.] Recht wesensmäßig unterscheide. Es habe zugleich unterlassen, die konkrete Ausgestaltung des Rechts der ausländischen Praxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, zu ermitteln.

(aa) Der [X.] Tatrichter hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Dabei hat er es so anzuwenden, wie es der [X.] des betreffenden [X.] auslegt und anwendet. Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vom Revisionsgericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 23 ff.; [X.], Urteil vom 25. Januar 2022 - [X.]/20, [X.], 670 [juris Rn. 15]; Beschlüsse vom 30. März 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 916 Rn. 59; vom 17. Mai 2018 - [X.], [X.], 1316 Rn. 12 m.w.N; st. Rspr.). Die Grenzen der Ermessensausübung des Tatrichters werden durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalles bestimmt. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können auch Vortrag und sonstige Beiträge der Parteien sein. Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der [X.] regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage zu machen - gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen [X.] zu erschöpfen - haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen. Auch dies hängt jedoch stets von den Besonderheiten des einzelnen Falles ab (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 aaO Rn. 24 m.w.N.).

([X.]) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht sein Ermessen im Streitfall rechtsfehlerfrei ausgeübt. Mangels sonstiger Regelungen zur Nachlassverteilung bei nicht bedachten Abkömmlingen hat das Berufungsgericht zu Recht auf die Regelungen des Inheritance (Provision for Family und Dependants) Act 1975 (im Folgenden: [X.] 1975) abgestellt. Bereits dadurch ist den Anforderungen des § 293 ZPO Genüge getan. Auch in Anbetracht des Vortrags der Parteien war eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Wie die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben, kennt das [X.] Recht kein quotenmäßiges Pflichtteils- oder Noterbrecht und sieht der [X.] 1975 eine angemessene finanzielle Beteiligung am Nachlass für Abkömmlinge nur bedarfsabhängig nach richterlichem Ermessen vor. Diese nach [X.]m Recht vorzunehmende Ermessensentscheidung - unter anderem abhängig von der Bedürftigkeit des Abkömmlings und dem letzten Wohnsitz des Erblassers - reichte dem Berufungsgericht für die Feststellung aus, dass das [X.] Recht der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Garantie einer bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern entgegensteht. Vor diesem Hintergrund genügte hier eine rechtsvergleichende Betrachtung, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat.

Das Berufungsgericht musste keine Feststellungen dazu treffen, ob die [X.] Rechtsprechung - wovon die Revision ausgeht - die Tendenz haben sollte, nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles auch volljährigen Kindern eine Beteiligung am Nachlass zukommen zu lassen (vgl. [X.], Pflichtteilsrecht und [X.]-ErbVO, 2019, S. 362 ff.; [X.] in [X.] 2011, [X.] ff.; [X.], Pflichtteilsrecht - [X.], 2011, [X.]76 ff.). Hierauf kommt es für den Streitfall nicht an. Ein das Fehlen seines Pflichtteilsrechts kompensierender Unterhaltsanspruch des [X.] würde jedenfalls schon daran scheitern, dass der Erblasser sein letztes Domizil nicht in [X.] oder [X.] hatte, wie dies Section 1 (1) [X.] 1975 für die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs fordert. Der Begriff des "domicile" ist nicht mit dem [X.] Begriff des Wohnsitzes identisch, sondern wird enger verstanden (vgl. [X.]. 2007 Nr. 163 [juris Rn. 13]; [X.]/[X.], (2010) [X.]. zu Art. 13 - 17b EG[X.] Rn. 20 f.). Insoweit wird zwischen dem ursprünglichen "domicile of origin" und einem später freiwillig gewählten "domicile of choice" unterschieden. Letzteres kann begründet werden, wenn sich die betreffende Person an einem Ort mit der Absicht niederlässt, dort für immer oder auf unbestimmte Zeit zu bleiben und nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren. An den Nachweis eines derartigen "domicile of choice" sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. KG aaO; [X.]/[X.] aaO Rn 21). Hier bestehen angesichts der Lebensumstände des Erblassers, der seit mehreren Jahrzehnten in [X.] ohne erkennbare Rückkehrabsicht nach [X.] lebte, keine Zweifel, dass er sein "domicile" im Inland hatte.

(b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum [X.]n Recht treffen auch zu. Das [X.] Recht beschränkt die Dispositionsbefugnis des Erblassers weder durch ein Pflichtteils- noch ein Noterbrecht. Mittelbare Beschränkungen enthält der [X.] 1975. Kindern des Erblassers kann danach auf Antrag ein Unterhaltsanspruch gegen den Nachlass zustehen, wenn es der Verstorbene unterlassen hat, angemessene finanzielle Verfügungen zu treffen ("reasonable financial provision"; vgl. [X.]ornelius in [X.]/[X.], [X.]. Rn. 579; [X.] in [X.], 2006, [X.]33, 136; [X.], Pflichtteilsrecht und [X.]-ErbVO, 2019, S. 363 f.; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 15 Rn. 224 ff.; [X.], Die Abwicklung deutsch-[X.]r Erbfälle, 2001, [X.]; [X.] in [X.] 2011 [X.], 351 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht 4. Aufl. § 19 Rn. 147 f., 156 ff.; [X.], Rechtspolitische und rechtsvergleichende Aspekte des geltenden Pflichtteilsrechts, 2002, [X.] ff.; [X.], Pflichtteilsrecht - [X.], 2011, [X.]80 f.). Section 1 (2) (b) [X.] 1975 richtet diese danach aus, welcher Unterhalt in Anbetracht der Umstände als angemessen erscheint. Die Ermessensentscheidung im Einzelfall obliegt den [X.]n Gerichten, wenn - anders als hier - der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes sein "domicile" in [X.] oder [X.] hatte. Nach [X.]m Recht bleibt der Kläger am Nachlass des Erblassers bereits aus diesem Grund unbeteiligt.

(3) Die hier maßgebliche Frage, ob das Fehlen eines [X.] ohne das Eingreifen kompensatorischer Ansprüche des Anspruchstellers nach [X.]m Recht gegen den [X.] verstößt, ist umstritten. Eine Auffassung geht davon aus, dass sich ein Durchschlagen des [X.] Pflichtteilsrechts auf andere Rechtsordnungen durch die Anwendung des Art. 35 [X.] verbietet (vgl. Ayazi, [X.] 2018, 1041, 1045 ff.; im Ergebnis offenlassend [X.], [X.] 2013, 2, 5; zurückhaltend [X.]/Buschbaum, [X.], 2393, 2395). Eine andere Ansicht hält einen Verstoß gegen den [X.] bei einem Pflichtteilsentzug, der sich - wie vorliegend - auf volljährige und wirtschaftlich unabhängige Abkömmlinge beschränkt, im Einzelfall nicht ([X.]/[X.] in [X.], 9. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 9, 17, 21 [Stand: 2. März 2022]; [X.] in [X.] 2011, S.  348, 361 f.; [X.]/[X.], (2007) EG[X.] Art. 25 Rn. 726; [X.]/Beiderwieden, juris [X.] 6/2021 [X.]) oder erst dann für gegeben, wenn der Betreffende deshalb der [X.] Sozialhilfe zur Last fällt ([X.], 8. Aufl. [X.] Art. 35 Rn. 8 m.w.N.). Die überwiegende Auffassung nimmt demgegenüber - wie auch das Berufungsgericht - an, dass es der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Garantie einer bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern widerspricht, wenn einem Abkömmling nach dem gewählten Recht kein Anspruch auf Teilhabe am Nachlass zusteht, so dass in diesen Fällen ein offensichtlicher Verstoß gegen den [X.] vorliegt (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 11; BeckOGK/[X.], [X.] Art. 35 Rn. 22.2 [Stand: 1. Februar 2022]; [X.]/Thorn, [X.] Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 2; Hohloch in [X.], 2009 [X.]97, 1005; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. Art. 35[X.] Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 14 Rn. 371 - 373; [X.] in [X.], 2011, 266, 280; [X.] in [X.]/[X.], Die Europäische Erbrechtsverordnung, 2014, Rn. 28; [X.]/[X.] 3. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 25; [X.] in [X.]/[X.] ua (Hrsg), Erbfälle unter Geltung der [X.], 2014, [X.], 29; [X.] in [X.]/[X.]/Hau/[X.], 4. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 22.2; [X.], Die Geltung [X.] Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der [X.], 2015, [X.] ff.; [X.] in [X.], [X.] (2013), Art. 6 EG[X.] Rn. 190 [Stand: 31. Mai 2021]; [X.], [X.], 128, 131).

(4) Die letztgenannte Ansicht trifft jedenfalls für den hier zu beurteilenden Sachverhalt aufgrund seines hinreichend starken Inlandsbezuges zu.

(a) Allein diese erfüllt die vom [X.] aufgestellten Anforderungen an eine bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern ([X.] 112, 332 unter [X.] I 2 [juris Rn. 64 ff.]). Sowohl die erstgenannte als auch die zweitgenannte Ansicht werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Eine Absicherung von Kindern, die nur bei einer entsprechenden (Sozialhilfe-)Bedürftigkeit und damit abhängig von [X.] im Einzelfall eingreift, widerspricht dieser in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Garantie. Auch [X.] und Testierfreiheit rechtfertigen keinen Ausschluss des Pflichtteilsrechts. Das Pflichtteilsrecht der Kinder setzt der Testierfähigkeit des Erblassers Grenzen ([X.] aaO unter [X.] I 3 c [juris Rn. 73]). Zwar ist die Ausgestaltung und die Höhe des [X.] nicht verfassungsrechtlich vorgegeben ([X.] aaO unter [X.] I 4 [juris Rn. 76]). Es muss aber eine unentziehbare angemessene Teilhabe der Kinder am Nachlass des Erblassers gewährleistet werden ([X.] 112 aaO [juris Rn. 76]). Wenn - wie hier - einem Kind des Erblassers nach ausländischem Recht ein Pflichtteil wegen des fehlenden "domicile" des Erblassers in [X.] [X.] versagt wird oder dieser von nicht vorab festgelegten Kriterien, die nicht bedarfsunabhängig sind, abhängt und in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ist [X.] des Pflichtteils angetastet. Das ist mit dem [X.] offensichtlich unvereinbar.

(b) Ein anderes Verständnis folgt nicht aus den Erwägungsgründen der [X.]. Erwägungsgrund 38 Satz 2 [X.] stellt klar, dass die Rechtswahl auf das Recht des Staates, dem der Erblasser angehört, beschränkt sein sollte, um zu vermeiden, dass ein Recht mit der Absicht gewählt wird, die berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten zu vereiteln und auf diese Weise sicherzustellen, dass eine Verbindung zwischen dem Erblasser und dem gewählten Recht besteht. Entgegen der Ansicht der Revision wird diese Wertung nicht unterlaufen, wenn bei der Wahl einer fremden Rechtsordnung gemäß Art. 22 [X.] im Einzelfall zu entscheiden ist, ob ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt. Die Existenz von Art. 35 [X.] neben Art. 22 [X.] spricht dafür, dass der [X.] Verordnungsgeber den Schutz des Pflichtteilsberechtigten im Einzelfall für geboten erachtet. Nach Erwägungsgrund 58 Satz 2 [X.] dürfen die Gerichte eines Mitgliedstaates die Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaats zwar nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung ausschließen, wenn dadurch gegen die [X.]harta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen würde. Dass aus der Nichtanwendung [X.]n Rechts - ungeachtet der Frage danach, wie es sich auswirkt, dass [X.] nicht Vertragsstaat der Verordnung geworden ist - ein relevanter Verstoß gegen die Grundrechtecharta folgen würde, ist aber nicht anzunehmen.

(c) Auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 35 [X.] ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Kommissionsvorschlag sah in Art. 27 Abs. 2 [X.]-E ([X.]/0154 endg. - [X.]OD 2009/0157) noch vor, dass eine abweichende Regelung des [X.] nicht per se als Verstoß gegen den ordre public qualifiziert werden könne. Der Wegfall der Bestimmung im Verlauf des Legislativverfahrens spricht dafür, dass unterschiedliche Pflichtteilsregelungen unter engen Voraussetzungen die Berufung auf den ordre public rechtfertigen können (vgl. BeckOGK/[X.], [X.] Art. 35 Rn. 22 (Stand: 1. Februar 2022); Burandt/Schmuck in [X.], 3. Aufl. [X.] Art. 35 Rn. 2 m.w.N.).

(d) Auch die von der Revision herangezogene Argumentation, es sei nicht richtig, dass sich das [X.] Erbrecht und damit ein Pflichtteilsanspruch gerade und nur in den Fällen durchsetze, in denen die gewählte Zielrechtsordnung ein Pflichtteilsrecht nicht vorsehe, wohingegen es in den Fällen, in denen das gewählte Recht zwar einen Pflichtteilsanspruch vorsehe, dieser jedoch hinter dem [X.] Standard zurück bleibe, mit der Anwendung des Rechts des [X.] sein Bewenden habe, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Sie übersieht, dass Maßstab für einen Verstoß gegen den ordre public die Frage ist, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu missbilligen ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juni 1992 - [X.], [X.]Z 118, 312 unter [X.] 4 a [juris Rn. 38]). Eine pauschale Betrachtungsweise verbietet sich insofern.

(e) Entgegen der Ansicht der Revision steht diesem Verständnis ferner nicht entgegen, dass frühere Entscheidungen das Bestehen eines familiären Pflichtteils- und Noterbrechts nicht zum [X.] gezählt und das Fehlen eines Pflichtteils im ausländischen Recht nicht beanstandet haben (vgl. [X.] 1912, 22; [X.], Urteil vom 21. April 1993 - [X.], NJW 1993, 1920 [juris Rn. 14]; [X.] [X.] 2005, 436 [juris Rn. 48 ff.]; [X.] FamRZ 1976, 170, 172). Auf der Grundlage des von dem [X.] ([X.] 112, 332 ff.; [X.] [X.] 2019, 79 Rn. 13) aufgezeigten Werteverständnis von einer gerechten Nachlassverteilung zugunsten von Kindern hält der Senat diese Ansicht für überholt.

(f) Soweit im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten wird, ein Verstoß gegen den ordre public sei zu verneinen, wenn das Fehlen des [X.] eines Abkömmlings durch Ersatzmechanismen wie die [X.] "family provision" kompensiert werde, (vgl. [X.] in [X.] 2011 S. 3, 15; BeckOGK/[X.], [X.] Art. 35 Rn. 22.2 [Stand: 1. Februar 2022]; [X.]Komm[X.]/[X.], 8. Aufl. [X.] Art. 35 Rn. 8 m.w.N; Obergfell in [X.], [X.] Vermögensübertragung unter Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen, 2013, [X.], 28 f.), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass hier ein derartiger Kompensationsanspruch mangels "domicile" des Erblassers in [X.] oder [X.] im Todeszeitpunkt nicht in Betracht kommt, unterscheidet sich das [X.] Recht dadurch grundlegend von der [X.] Rechtsordnung, dass es gerade keine bedarfsunabhängige quotale Beteiligung von Abkömmlingen am Nachlass vorsieht, sondern das Gericht zu prüfen hat, inwieweit die vom Erblasser getroffene Regelung einen vernünftigen finanziellen Ausgleich für den Anspruchsteller enthält. Wird eine derartige "reasonable financial provision" durch die testamentarische Regelung nicht gewährleistet, kann das zuständige Gericht entsprechende Anordnungen treffen, gegebenenfalls auch durch den Erben an den Angehörigen zu leistende Zahlungen festsetzen. Diese Regelung in Section 2 (1) [X.] ist indessen eine reine Ermessensregelung ("the court may"). Ferner hängt das Zuerkennen eines derartigen Ausgleichsanspruchs von zahlreichen Faktoren des Einzelfalles ab, wie sie in Section 3 (1) [X.] aufgelistet werden, so finanzielle Ressourcen und Bedürfnisse des Antragstellers, weiterer Antragsteller und des Erben, Art und Größe des Nachlasses, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen des Antragstellers und des Erben (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht, 2. Aufl. § 15 Rn. 224 ff.). Insbesondere bei volljährigen Kindern mit eigenem Einkommen sind [X.] Gerichte mit dem Zuerkennen eines Anspruchs eher zurückhaltend (vgl. [X.] aaO Rn. 234). Das [X.] Recht bleibt somit in seiner gesetzlichen und konkreten Ausgestaltung hinter dem verfassungsrechtlich verbürgten Pflichtteilsanspruch von Kindern nach [X.] Recht in einer mit dem [X.] nicht zu vereinbarenden Art und Weise zurück.

(5) Die Nichtanwendung des an sich berufenen ausländischen Rechts infolge offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts setzt ferner voraus, dass der zu beurteilende Sachverhalt eine hinreichend starke Inlandsbeziehung aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 240, unter [X.] 4 c [juris Rn. 50]; ferner [X.], NJW 1971, 1509 unter [X.] [X.] 3 [juris Rn. 43]; [X.] in [X.] S. 3, 15; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. Art. 35 [X.] Rn. 5 m.w.N.). Diese hat das Berufungsgericht hier rechtsfehlerfrei angenommen. Die zu schützenden Familienbeziehungen des Erblassers hatten ihren Mittelpunkt in [X.]. Sowohl der Kläger als auch der Erblasser haben bzw. hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Erbfalls in [X.], der Erblasser bereits seit mehr als 50 Jahren. Dort befand sich auch das Vermögen des Erblassers. Der Kläger besitzt zudem die [X.] Staatsangehörigkeit.

cc) Ein Verstoß gegen den ordre public hat zur Folge, dass die ausländische Rechtsnorm im konkreten Fall keine Anwendung findet. Um zu gewährleisten, dass möglichst geringfügig in das ansonsten weiterhin anzuwendende ausländische Recht eingegriffen wird, sind Lücken zunächst unter Zuhilfenahme der lex causae zu schließen. Die lex fori ist nur hilfsweise als Ersatzrecht anzuwenden ([X.], Urteil vom 11. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 240, unter [X.] 4 c [juris Rn. 50]; Beschluss vom 14. Oktober 1992 - [X.] 18/92, [X.]Z 120, 29, unter II 6 [juris Rn. 21]; [X.], Pflichtteil und ordre public, 2010, Rn. 531; [X.], Die Geltung [X.] Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der [X.], 2015, [X.] ff.; Stürner, [X.] 2014, 317, 324). So liegt der Fall nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts hier. Da das [X.] Recht keinen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG genügenden Anspruch des [X.] auf Teilhabe am Nachlass vorsieht, lässt sich diesem für den hier vorliegenden Fall keine dem [X.] Rechtsverständnis entsprechende äquivalente Lösung entnehmen. Dementsprechend bedarf es des Rückgriffs auf das [X.] Pflichtteilsrecht.

dd) Ferner ist kein Vorabentscheidungsverfahren an den [X.] veranlasst. Es geht hier gerade nicht um die Auslegung einer Norm der [X.] im europarechtlichen Kontext. Die Besonderheit des Art. 35 [X.] liegt gerade darin, dass die Anwendung des an sich nach der [X.] berufenen Rechts ausscheidet, weil dessen Anwendung mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar wäre. Diese Frage kann nur von dem nationalen Gericht für das jeweilige nationale Recht beantwortet werden.

2. Das Berufungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass dem Kläger als Pflichtteilsberechtigtem gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 [X.] ein Anspruch auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls durch notarielles Nachlassverzeichnis zusteht, der gemäß § 2325 [X.] auch ergänzungspflichtige Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfasst. Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] hat er darüber hinaus einen Anspruch auf Wertermittlung der im Einzelnen bezeichneten Nachlassgegenstände.

Nach dem Testament ist die Beklagte Alleinerbin geworden. Der Kläger als Adoptivsohn des Erblassers ist pflichtteilsberechtigt gemäß §§ 2303 Abs. 1, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 1 [X.] i.V.m. Art. 12 § 2 Abs. 2, Abs. 3, § 3 Abs. 1 [X.] und von der Erbfolge ausgeschlossen. Mit ihrer Rüge gemäß § 286 ZPO, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Kläger nach dem Inhalt des [X.] ein Pflichtteilsrecht zustehe, vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Zwar trifft es zu, dass die notarielle Urkunde vom 30. Oktober 1975 die Regelung enthält, dass die Erb- und Pflichtteilsrechte für den Kläger nach dem Erstversterbenden der annehmenden Eheleute ausgeschlossen sind. Entgegen der Auffassung der Revision steht diese Regelung einem Pflichtteilsrecht des [X.] aber nicht entgegen. Da der Kläger beim Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes am 1. Januar 1977 noch minderjährig war, wurde das Annahmeverhältnis gemäß Art. 12 § 2 Abs. 1, Abs. 2 [X.] (vgl. zu dessen [X.]mäßigkeit [X.] NJW 2003, 2600) grundsätzlich ab dem 1. Januar 1978 in ein solches gemäß §§ 1741 ff. [X.] übergeleitet. Dies hat zur Folge, dass der Erbrechts- und Pflichtteilsrechtsausschluss, der im [X.] gemäß § 1767 Abs. 1 [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung erfolgt war, mit der Überleitung seine Wirksamkeit verlor, sofern kein Widerspruch nach Art. 12 § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausdrücklich erklärt worden war ([X.]-Engels in [X.], Familienrecht in der Notar- und [X.]. § 14 Rn. 56).

Der ausdrücklich zu erklärende Widerspruch ist ein rechtsvernichtender Umstand, für den der Beklagten nach allgemeinen Grundsätzen der Nachweis obliegt (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 1998 - [X.], NJW 1999, 352, unter [X.] b aa [juris Rn. 13]; [X.]/Voit/Foerste, ZPO 18. Aufl. § 286 Rn. 35). Die Revision legt insoweit nicht dar, dass das Berufungsgericht substantiierten Vortrag der Beklagten zu einem Widerspruch nach Art. 12 § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfahrensordnungswidrig übergangen hätte. [X.] hat die Beklagte lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Kläger um einen Adoptivsohn des Erblassers handelt und dessen Aktivlegitimation in Abrede gestellt. Irgendeinen Tatsachenvortrag zu Art. 12 § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] hat die Beklagte in den Instanzen nicht gehalten. Das Berufungsgericht hat auch nicht - wie die Beklagte meint - gegen § 139 ZPO verstoßen, indem es vor seiner Entscheidung gehörswidrig nicht auf eine sekundäre Darlegungslast des [X.] hingewiesen hat. Die sekundäre Darlegungslast entsteht erst dann, wenn die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei Anknüpfungstatsachen schlüssig vorgetragen hat und sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihres Vortrags ergibt (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - [X.], [X.], 271 Rn. 21). Daran fehlt es.

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann

      

Rust     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZR 110/21

29.06.2022

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 22. April 2021, Az: I-24 U 77/20, Urteil

§ 2314 Abs 1 BGB, Art 22 Abs 1 EUV 650/2012, Art 35 EUV 650/2012, Art 12 § 2 Abs 2 AdG, Art 6 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2022, Az. IV ZR 110/21 (REWIS RS 2022, 3254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3254 NJW 2022, 2547 REWIS RS 2022, 3254 MDR 2022, 1032-1033 REWIS RS 2022, 3254


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 24 U 77/20

Oberlandesgericht Köln, 24 U 77/20, 22.04.2021.


Az. IV ZR 110/21

Bundesgerichtshof, IV ZR 110/21, 29.06.2022.


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