Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2019, Az. IV ZB 22/18

4. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5620

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Gegenstand

Zulässige Rechtswahl bei Erbvertrag


Leitsatz

Zur Wirksamkeit der Wahl des deutschen Errichtungsstatuts in einem Erbvertrag, der von einer nach dem 17. August 2015 verstorbenen deutschen Erblasserin mit einem italienischen Staatsangehörigen vor diesem Stichtag (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO) geschlossen worden war.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 2. August 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 600.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am 26. April 2017 verstorbenen Frau [X.]     (im Folgenden: Erblasserin).

2

Die Erblasserin hat zwei letztwillige Verfügungen hinterlassen, einen notariellen Erbvertrag vom 6. Oktober 1998 und ein notarielles Testament vom 25. April 2016. Ersteren hatte sie zusammen mit dem Beteiligten zu 1, einem seit 1986 in [X.] wohnhaften [X.] Staatsangehörigen, mit dem sie nach den Feststellungen des [X.] zum Zeitpunkt der Beurkundung in einer Lebensgemeinschaft zusammenlebte, geschlossen. In dem Erbvertrag hatten sich die Vertragsparteien gegenseitig zu Alleinerben und als Erben des [X.] die gemeinsamen Kinder - die Beteiligten zu 2 und 3 - zu gleichen Teilen eingesetzt. Sie hatten zudem erklärt, dass hinsichtlich aller Regelungen über ihr Erbrecht bzw. das Erbrecht jedes einzelnen ausschließlich das [X.] Erbrecht gelten solle und "als Rechtswahl das [X.] Erbrecht" vereinbart. In dem späteren Testament - zu diesem Zeitpunkt war die Lebensgemeinschaft mit dem Beteiligten zu 1 beendet - setzte die Erblasserin ihre noch nicht geborenen Enkelkinder als Erben zu gleichen Teilen und für den - eingetretenen - Fall, dass solche zum Todeszeitpunkt noch nicht vorhanden sind, die Beteiligte zu 4 als alleinige Ersatzerbin ein.

3

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Das spätere Testament sei unwirksam, da es gegen die bindende Erbeinsetzung in dem nach der [X.] zulässigen und materiell wirksamen Erbvertrag verstoße.

4

Mit Beschluss vom 20. Oktober 2017 hat das Nachlassgericht die für die antragsgemäße Erbscheinserteilung erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 4 ihr Begehren auf Zurückweisung des [X.] weiter.

II.

5

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

6

1. [X.] hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse - ausgeführt, der Erbvertrag dürfte vor Inkrafttreten der Verordnung ([X.]) Nr. 650/2012 des [X.] und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in [X.] sowie zur Einführung eines [X.] ([X.] [X.] 2012 Nr. L 201 S. 107; im Folgenden: [X.] und [X.]) unwirksam gewesen sein, da der Erbvertrag nach [X.]m Recht den anderen Rechtsordnungen fremd sei. Dies könne jedoch dahinstehen. Er sei zumindest mit dem Inkrafttreten der [X.] wirksam geworden.

7

Nach Art. 83 Abs. 2 und 3 [X.] seien vor dem 17. August 2015 getroffene Rechtswahlen und errichtete Verfügungen von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie - wie hier - die Voraussetzungen des Kapitels [X.] erfüllten. Die Erblasserin habe zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] gehabt, so dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem [X.]m Recht unterliege (Art. 21 [X.]). Außerdem hätten die Vertragsparteien sowohl hinsichtlich des Errichtungs- als auch des Erbstatuts [X.]s Erbrecht gewählt (Art. 25 Abs. 3 [X.]). Damit sei mit dem Stichtag die Wirksamkeit des Erbvertrages eingetreten. Diese umfasse auch die Bindungswirkung des Vertrages für die Erblasserin, die sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl nach dem [X.]n [X.] richte. Die Erblasserin habe den Erbvertrag daher nach dem Stichtag nicht mehr widerrufen können. Dem stehe der Schutz des Vertrauens in ihre fortbestehende Testierfreiheit nicht entgegen.

8

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dies kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. [X.] hat zutreffend angenommen, dass sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl die Erbfolge nach dem zwischen der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1 geschlossenen Erbvertrag richtet. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 4 in dem späteren notariellen Testament ist gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 [X.] unwirksam, weil sie die erbvertragliche Alleinerbenstellung des Beteiligten zu 1 beeinträchtigt.

9

a) [X.] hat die Wirksamkeit der Wahl des [X.]n [X.]s zu Recht bejaht.

aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde richtet sich das für die Rechtsnachfolge der Erblasserin maßgebliche Kollisionsrecht für den nach dem 17. August 2015 eingetretenen Erbfall nicht nach den zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages geltenden mitgliedstaatlichen Kollisionsnormen, sondern nach den Regelungen der [X.] (Art. 83 Abs. 1 [X.]).

bb) Nach der Übergangsbestimmung des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] ist eine vor dem 17. August 2015 getroffene Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des [X.] der Verordnung erfüllt. Dies ist hier der Fall.

(1) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, erfasst Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] auch Erbverträge, denn die Vorschrift verweist allgemein auf die Voraussetzungen des [X.] der Verordnung und damit hinsichtlich der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkung eines Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, auf Art. 25 Abs. 3 [X.] (vgl. BeckOGK-[X.]/[X.], Art. 83 Rn. 10 [Stand: 1. März 2019]; [X.]/Schmuck in [X.]/[X.], Erbrecht 3. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 4; [X.]/Hohloch, [X.]. Art. 83 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], [X.]. Art. 83 [X.] Rn. 4; [X.], ZfRV 2015, 212, 213; [X.], [X.] 2014, 27, 29; anders im Ansatz [X.], 7. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 7, der die Wahl des [X.]s nach Art. 25 Abs. 3 [X.] dem Regelungsbereich des Art. 83 Abs. 3 [X.] zuweist, für die Bindungswirkung aber Art. 83 Abs. 2 [X.] heranzieht; so auch [X.]/[X.], 3. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 14; [X.], [X.] und die [X.]-Erbrechtsverordnung 2018, [X.]). Dem steht der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da unter "Rechtsnachfolge von Todes wegen" im Sinne des Absatzes 2 jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen unter anderem im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen fällt (Art. 3 Abs. 1 lit. a) [X.]), zu der der Erbvertrag zählt (Art. 3 Abs. 1 lit. d) [X.]).

(2) Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 [X.] gestattet den Parteien eines Erbvertrages für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht zu wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 [X.] unter den darin genannten Bedingungen hätten wählen können. Hiernach kann eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.]). Art. 25 Abs. 3 [X.] erweitert somit den Kreis der wählbaren Rechte und ermöglicht den Vertragsparteien eines mehrseitigen Erbvertrages die einheitliche Wahl des [X.]s nach dem Recht des Staates, dem auch nur eine der Vertragsparteien angehört (vgl. BeckOGK[X.]/[X.], Art. 25 Rn. 33 [Stand: 1. März 2019]; [X.] in [X.]/[X.], Internationales Erbrecht 2016 Art. 25 [X.] Rn. 21; [X.]/Hohloch, [X.]. Art. 25 [X.] Rn. 9; Döbereiner in [X.]/[X.], [X.] 11. Aufl. § 47 Rn. 72; [X.] in [X.]/[X.], Internationales Privatrecht in der Notar- und [X.], 3. Aufl. § 15 Rn. 260 f.; [X.], 7. Aufl. Art. 25 [X.] Rn. 11; [X.], Erbrecht in [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Arbeitsrecht, Erbrecht, Urheberrecht - 50 Jahre [X.] Juristenvereinigung 2014, [X.]). Demgemäß stand den Vertragsparteien im Streitfall hinsichtlich des [X.]s das [X.] Erbrecht als das Recht der Staatsangehörigkeit der Erblasserin (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.]) zur Wahl, das den Abschluss eines Erbvertrages unter den Voraussetzungen der §§ 2274 ff. [X.] grundsätzlich zulässt und diesem im Falle wirksamer Errichtung Bindungswirkung gegenüber einer späteren Verfügung von Todes wegen verleiht, soweit sie - wie hier - das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt (§ 2289 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]).

(3) Die Rechtswahl ist auch [X.] erfolgt. Die Form ist im Streitfall durch die Aufnahme der Rechtswahl in den Erbvertrag und dessen Beurkundung vor einem [X.]n Notar gewahrt, Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) und c), Art. 25 Abs. 3, Art. 22 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 2276 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. BeckOGK-[X.]/[X.], Art. 25 Rn. 36 [Stand: 1. März 2019]; [X.]/Hohloch, [X.]. Art. 25 [X.] Rn. 9; Döbereiner, [X.] 2013, 437, 439).

b) Die vertragliche Alleinerbeneinsetzung des Beteiligten zu 1) hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht etwa nach § 2279 Abs. 2 i.V.m. § 2077 Abs. 2 [X.] ihre Wirksamkeit und Bindungswirkung durch die spätere Beendigung der Lebensgemeinschaft der Vertragsparteien verloren. Die Ausführungen des [X.] halten insbesondere der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rüge, es habe der aus § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 26 FamFG folgenden Amtsermittlungspflicht nicht genügt, stand.

aa) Wie die Rechtsbeschwerde selbst sieht, finden die vorstehenden Regelungen des [X.] auf die Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vom Gesetzeswortlaut her keine Anwendung (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Februar 2016 - 20 W 322/14, BeckRS 2016, 9184 Rn. 20; [X.] 2016, 453 [juris Rn. 12]; BayObLG, Beschluss vom 31. Mai 2001 - 1 Z BR 3/01, BeckRS 2001, 30183613 unter II 2 c; [X.][X.], 7. Aufl. § 2077 Rn. 15; [X.]/[X.], [X.]. § 2077 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.] (2013) § 2077 Rn. 28).

bb) [X.] hat seiner Beurteilung auch rechtsfehlerfrei das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1 zugrunde gelegt. Soweit die Rechtsbeschwerde nunmehr vorträgt, es habe aufgrund der vom Beschwerdegericht festgestellten Lebensumstände nahegelegen, dass zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrages ein Verlöbnis im Sinne des § 2279 Abs. 2 [X.] bestanden habe, vermag dieser neue Vortrag eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht zu begründen.

Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat lediglich nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2019 - [X.] 506/18, juris Rn. 13 m.w.[X.]). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nicht gegeben. Angesichts des unstreitigen vorinstanzlichen Parteivortrags, der zahlreiche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber für ein Verlöbnis bot, und des [X.] - die Erblasserin selbst sprach in ihrem Testament von einer beendeten Lebensgemeinschaft - war das Beschwerdegericht nicht gehalten, die persönliche Beziehung der Erbvertragsparteien auf die Voraussetzungen eines Verlöbnisses zu erforschen (vgl. zum [X.] bei übereinstimmenden Parteivortrag etwa [X.], Beschluss vom 20. März 2019 - [X.] 334/18, juris Rn. 19; Bahrenfuss/Rüntz, FamFG 3. Aufl. § 26 Rn. 9; [X.] in Bork/[X.]/[X.], FamFG 2. Aufl. § 26 Rn. 14; [X.]/Feskorn, ZPO 32. Aufl. § 26 FamFG Rn. 2).

c) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde schließlich auf den europa- und verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot.

aa) Richtig ist allerdings, dass ein weites Verständnis des Anwendungsbereiches des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] dazu führt, dass - solange der Erbfall am oder nach dem 17. August 2015 eintritt - eine bereits vor dem Geltungsbeginn der Verordnung und dem maßgeblichen Stichtag ihrer Anwendbarkeit getroffene Rechtswahl wirksam wird, wenn sie die Voraussetzungen des [X.] der Verordnung erfüllt, auch wenn den Vertragsparteien die Rechtswahl nach dem bis zu diesem Zeitpunkt noch gültigen Kollisionsrecht des Aufenthalts- oder Staatsangehörigkeitsstaats nicht möglich war (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, [X.] 2016 Art. 83 Rn. 8; [X.], 7. Aufl. Art. 24 [X.] Rn. 19; [X.], [X.] 2012, 505, 506; [X.], ZfRV 2015, 212, 214, 217; siehe auch [X.], [X.] und die [X.]-Erbrechtsverordnung 2018, [X.]; [X.], [X.] 2014, 197, 215).

Der Rechtsbeschwerde ist auch darin zuzustimmen, dass sich die Übergangsvorschrift damit auf einen in der Zeit vor Geltungsbeginn der Verordnung liegenden Sachverhalt für die Zukunft auswirkt und die Rechtsposition eines Erblassers nachträglich zumindest dadurch entwertet, dass er nach dem Stichtag an seine zuvor erbvertraglich getroffene Rechtswahl und in der Folge an eine zuvor unwirksam errichtete Verfügung von Todes wegen gebunden ist (eingehend [X.], Erbrecht in [X.] 3. Aufl. § 1 Rn. 46). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine echte, sondern um eine unechte Rückwirkung, da die Verordnung nicht an einen bereits in der Vergangenheit beendeten Sachverhalt anknüpft. Dieser findet vielmehr erst mit dem Eintritt des Erbfalls seinen Abschluss. Dementsprechend entfaltet eine vor dem Stichtag getroffene Rechtswahl erst mit dem am oder nach dem 17. August 2015 eintretenden Erbfall ihre Wirkung (vgl. dazu [X.]/[X.], [X.]. Art. 83 [X.] Rn. 4).

bb) Eine solche Rückwirkung verstößt entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der [X.] auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen, wobei ausnahmsweise anderes dann gelten kann, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird ([X.], Urteile vom 30. April 2019, [X.]/17, [X.]. 62017[X.]J0611, Rn. 106; vom 22. Dezember 2010, [X.], [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] Rn. 40; vom 24. September 2002, [X.], [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] Rn. 119; jeweils m.w.[X.]). Die materiell-rechtlichen [X.]svorschriften sind insoweit, um die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu gewährleisten, so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist ([X.], Urteile vom 22. Dezember 2010 aaO; vom 24. September 2002 aaO; siehe auch [X.], Urteile vom 30. April 2019 aaO; vom 6. Juli 2006, [X.], [X.], [X.]/05, [X.]. 2006, [X.] Rn. 42; vom 29. Januar 2002, [X.], [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] Rn. 49).

Wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit einer rückwirkenden Anwendung einer Verordnung unabhängig davon entgegensteht, ob sich eine solche Anwendung für den Betroffenen günstig oder ungünstig auswirkt, verlangt derselbe Grundsatz, dass jeder Sachverhalt normalerweise, soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist, anhand der seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften beurteilt wird. Zwar gilt die neue Regelung somit nur für die Zukunft, doch ist sie, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auch auf die künftigen Wirkungen von unter dem alten Recht entstandenen Sachverhalten anwendbar ([X.], Urteile vom 22. Dezember 2010, [X.], [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] Rn. 41; vom 24. September 2002, [X.], [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] Rn. 41; vom 6. Juli 2006, [X.], [X.], [X.]/05, [X.]. 2006, [X.] Rn. 42; jeweils m.w.[X.]). Der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes darf nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist ([X.], Urteile vom 14. Januar 2010, [X.], [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] Rn. 46; vom 29. Januar 2002, [X.], [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] Rn. 55 m.w.[X.])

Gemessen hieran begegnet die Rückwirkung der Verordnung in Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] keinen durchgreifenden Bedenken.

(a) Ziel der [X.] ist es, die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug nach den autonomen mitgliedstaatlichen Regelungen Schwierigkeiten bereitet, auszuräumen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu erleichtern, den [X.]sbürgern zu ermöglichen, ihren Nachlass im Voraus zu regeln und die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie anderer Personen, die dem Erblasser nahestehen, effektiv zu wahren (vgl. Erwägungsgründe 7 und 8 [X.]; siehe dazu auch [X.], Urteil vom 21. Juni 2018, [X.], [X.]/17, [X.] 2018, 503 Rn. 49).

Vor diesem Hintergrund sollen die Übergangsbestimmungen einer Rechtswahl möglichst zur Wirksamkeit verhelfen und das Vertrauen des Erblassers, der nach dem Stichtag verstirbt, aber bereits zuvor eine Rechtswahl getroffen hat, auf ein bestimmtes materielles Recht schützen (vgl. BeckOGK-[X.]/[X.], Art. 83 Rn. 4 [Stand: 1. März 2019]; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 2015 Art. 83 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], Internationales Erbrecht 2016 Art. 83 [X.] Rn. 4; [X.] in [X.]/Schütze, [X.] 2016 Art. 83 Rn. 5; [X.], 7. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 1; [X.]/[X.], 3. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 2, 8; [X.]/[X.], [X.]. Art. 83 [X.] Rn. 1; [X.], [X.], 188, 193 f.; [X.], ZfRV 2015, [X.]; [X.], [X.] 2014, 27, 28).

(b) Zwar kann dies im Einzelfall dazu führen, dass auch eine zuvor unwirksam getroffene Rechtswahl nach dem Stichtag wirksam und bindend wird ([X.] in [X.]/Schütze, [X.] 2016 Art. 83 Rn. 8; [X.], [X.] 2014, 27, 29; siehe auch zu Art. 83 Abs. 3 [X.] [X.] aaO Rn. 43; [X.] in [X.]/[X.], Internationales Privatrecht in der Notar- und [X.] 3. Aufl. § 15 Rn. 259; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl. Art. 83 [X.] Rn. 9; [X.], [X.] und die [X.]-Erbrechtsverordnung 2018, [X.]). Der [X.] Gesetzgeber hat aber in Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] bewusst die Wirksamkeit einer vor dem Stichtag getroffenen Rechtswahl allein davon abhängig gemacht, dass die Voraussetzungen des [X.] der Verordnung erfüllt sind ([X.] aaO Rn. 8). Eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur gelten solle, wenn die Rechtswahl zugleich nach altem Kollisionsrecht wirksam war, lässt sich dem Wortlaut hingegen nicht entnehmen (vgl. [X.] aaO mit Hinweis auf die [X.] und [X.] Sprachfassung). Somit werden nach der gesetzlichen Konzeption des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] in rechtlicher Unkenntnis erfolgte zunächst unwirksame Rechtswahlen geheilt (vgl. [X.] aaO Rn. 8). Die Übergangsbestimmungen des Art. 83 [X.] sind geprägt von dem Ziel, die Wirksamkeit - früherer - Verfügungen von Todes wegen und Rechtswahlen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten, sie aber gegebenenfalls auch zu heilen (vgl. [X.] aaO Rn. 5).

(c) Gestützt wird dieses Verständnis des Anwendungsbereiches des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] durch den Sinn und Zweck der Übergangsregelungen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Vertrauensschutz des Erblassers an den Bestand seiner - wenn auch zum damaligen Zeitraum möglicherweise unwirksamen - Rechtswahl und dem Ziel, der politisch gewollten Gesetzesänderung auch tatsächliche Geltung zu verleihen (vgl. [X.], [X.] 2014, 27, 29). Vom Geltungsbereich der Verordnung erfasste Erblasser werden hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, da ihnen der Übergangszeitraum von rund drei Jahren zwischen Inkrafttreten der [X.] und ihrer Geltung in aller Regel ausreichend Zeit bot, ihre Nachlassangelegenheiten an die neue Rechtslage anzupassen (vgl. [X.], Urteile vom 5. Mai 1981, 112/80, [X.]. 1981, 1095 Rn. 50; vom 16. Mai 1979, 84/78, [X.]. 1979, 1801 Rn. 20 ff.; siehe auch [X.] aaO 28).

(2) [X.], die vorgenannte Auslegung der Übergangsbestimmungen verletze [X.]s Verfassungsrecht, greift schon deshalb nicht durch, weil die unechte Rückwirkung der [X.] auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist.

Nach der Rechtsprechung des [X.] geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz ([X.] 132, 302 [juris Rn. 45]; [X.] 127, 1 [juris Rn. 57]; [X.] 68, 287 [juris Rn. 46]; jeweils m.w.[X.]). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen der Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt ([X.] 132, 302 Rn. 46; [X.] 127, 1 [juris Rn. 58]; jeweils m.w.[X.]). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die Übergangsregelung der [X.] aus den oben dargelegten Gründen gerecht.

3. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist im Streitfall nicht veranlasst, da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der [X.] derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum verbleibt (vgl. [X.], Urteile vom 28. Juli 2016, [X.], [X.]/15, [X.] [X.] 2016 Nr. [X.] 350 S. 11 [juris Rn. 53]; vom 1. Oktober 2015, [X.], [X.]-452/14, [X.]. 2015, 1152 [juris Rn. 43]; vom 6. Oktober 1982, [X.]ILFIT, 283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 16, 21).

III.

Die Entscheidung wegen der Kosten beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des [X.] auf § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GNotKG.

[X.]     

      

Felsch     

      

Harsdorf-Gebhardt

      

Prof. Dr. Karczewski     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZB 22/18

10.07.2019

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 2. August 2018, Az: 3 Wx 1/18

Art 3 Abs 1 Buchst a EUV 650/2012, Art 3 Abs 1 Buchst d EUV 650/2012, Art 22 Abs 1 UAbs 1 EUV 650/2012, Art 22 Abs 2 EUV 650/2012, Art 25 Abs 3 EUV 650/2012, Art 27 Abs 1 UAbs 1 Buchst a EUV 650/2012, Art 27 Abs 1 UAbs 1 Buchst c EUV 650/2012, Art 83 Abs 1 EUV 650/2012, Art 83 Abs 2 Alt 1 EUV 650/2012, § 2276 Abs 1 S 1 BGB, § 2077 Abs 2 BGB, § 2279 Abs 2 BGB, § 2289 Abs 1 S 1 BGB, § 2289 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2019, Az. IV ZB 22/18 (REWIS RS 2019, 5620)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1065-1066 NJW 2019, 3449 REWIS RS 2019, 5620

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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