Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.06.2016, Az. 1 StR 20/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 9780

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Gegenstand

Betrug: Vermögensschaden beim Erwerb einer angeblich verpachteten Immobilie; Erfordernis der Stoffgleichheit; Urteilsfeststellungen bei Annahme eines Scheingeschäfts


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2015

a) im Fall [X.] der Urteilsgründe dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Verletzung der Buchführungspflicht schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall II.4. der Urteilsgründe wegen Betruges zum Nachteil der Zeugin [X.] verurteilt worden ist,

bb) unter Aufrechterhaltung der zugrunde liegenden Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist,

cc) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen, vorsätzlichen Unterlassens der Bilanzerstellung, vorsätzlichen Bankrotts, Betrugs in zwei Fällen und wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es zwei Monate dieser Strafe für vollstreckt erklärt. Weiterhin hat es angeordnet, dass die als Bewährungsauflage für die einbezogene Freiheitsstrafe erbrachte Geldzahlung auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.

2

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und sachlich-rechtliche Beanstandungen erhebt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. [X.] der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung)

5

Der Angeklagte handelte im [X.] mit Immobilien. Da er kein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB betrieb und auch nicht aus sonstigen Gründen verpflichtet war, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen (vgl. § 141 Abs. 1 und 2 [X.]), konnte gemäß § 4 Abs. 3 EStG für die Einkommensteuer als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt werden. Neben weiteren Einkünften von 10.000 Euro flossen dem Angeklagten in diesem Jahr aus Immobiliengeschäften Verkaufserlöse in Höhe von 2.394.668 Euro zu; die veräußerten Grundstücke hatte er im selben Jahr gegen Zahlung von 1.173.202,41 Euro erworben. Gleichwohl gab er für das [X.] trotz eingeräumter Fristverlängerungen weder eine Einkommensteuererklärung noch eine Gewerbesteuererklärung ab. Hierdurch verkürzte er Einkommensteuer in Höhe von 358.471 Euro und damit zusammenhängenden Solidaritätszuschlag in Höhe von 19.602,16 Euro sowie Gewerbesteuer in Höhe von 135.338 Euro.

6

Das [X.] hat dies als zwei tatmehrheitliche Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gewertet.

7

2. [X.] der Urteilsgründe (Bankrottdelikte)

8

a) Die von dem Angeklagten als alleinigem Gesellschafter gegründete [X.], deren Geschäfte er führte, stellte zum Ende des Jahres 2008 die Zahlungen ein und war spätestens im März 2009 zahlungsunfähig; im Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die letzte für die Gesellschaft erstellte Bilanz stammt aus dem Jahr 2006.

9

b) Obwohl der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer für die [X.] zur Aufstellung einer Bilanz für das [X.] verpflichtet war, kam er dieser Verpflichtung nicht nach.

Das [X.] hat dieses Verhalten als vorsätzliches Unterlassen der Bilanzerstellung gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 3 i.V.m. § 283 Abs. 6 StGB gewertet.

c) Auch für das [X.] erstellte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer für die [X.] keine Bilanz, obwohl er die spätestens seit Ende 2008 drohende und im März 2009 eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kannte.

Das [X.] hat dieses Unterlassen als vorsätzlichen Bankrott gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, Abs. 6 StGB gewertet.

3. Fall II.3. der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil des [X.] )

Im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens hatte der Angeklagte den Zuschlag für zwei Grundstücke in [X.] erhalten. Er ließ die Flurstücke vereinigen und begründete an dem vereinigten Grundstück Wohnungs- und Teileigentum.

Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen veranlasste er den [X.] zum Abschluss eines Kaufvertrages über einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück, der mit dem Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen verbunden war. Der Angeklagte erreichte den Vertragsabschluss zu einem Kaufpreis von 130.000 Euro namentlich mit der unwahren Behauptung, er habe mit dem [X.] Schatzamt für diese Räume einen Pachtvertrag mit einer zehnjährigen Laufzeit zum monatlichen Pachtzins von 600 Euro abgeschlossen, weshalb für die nächsten zehn Jahre mit sicheren Einkünften zu rechnen sei. Nach den gegenüber dem [X.] aufgestellten Berechnungen hätte dieser 250 Euro im Monat zur freien Verfügung erzielt und mit den restlichen 350 Euro monatlich seine Darlehensraten aus der Finanzierung des Objekts bezahlen können. Tatsächlich hatte der Angeklagte weder mit dem [X.] Schatzamt noch mit sonstigen potentiellen Mietern verhandelt. Ein Mietzins für die verkommene Gewerbeeinheit, ein ehemaliger Imbiss, in Höhe von 600 Euro monatlich wäre auch nur nach einer umfassenden Sanierung zu erzielen gewesen. Zudem versprach der Angeklagte, die Ehefrau des [X.] unter Verwendung von KfW-Fördergeldern in Höhe von 23.500 Euro „aus der Privatinsolvenz zu holen“, obwohl ein förderwürdiger Zweck nicht vorhanden war.

Der Kaufpreis von 130.000 Euro war, was der Angeklagte auch wusste, vollkommen überhöht. Angesichts eines Verkehrswerts des Objekts von 62.000 Euro sei der Zeuge A. durch den täuschungsbedingten Abschluss des Kaufvertrages in Höhe von 68.000 Euro geschädigt worden.

4. Fall II.4. der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der Zeugin [X.] )

Zwei Eigentumswohnungen aus dem vereinigten Grundstück verkaufte der Angeklagte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Gesamtpreis von 105.000 Euro an die Zeugin [X.] . Er erreichte dies insbesondere mit der Behauptung, ihr aus ihrer schlechten finanziellen Situation dadurch heraushelfen zu können, dass er nach Unterzeichnung eines notariellen Kaufvertrags und Auszahlung der Darlehenssumme durch die den Kaufpreis finanzierende Bank dafür sorgen werde, dass der Vertrag später rückgängig gemacht werde. Der Angeklagte gab gegenüber der in Immobiliengeschäften unerfahrenen Zeugin [X.] wahrheitswidrig an, die Wohnungen innerhalb von drei Monaten von ihr wieder zurückzukaufen. Für ihre Unterschrift unter dem notariellen Kaufvertrag versprach er ihr zudem einen Betrag von 10.000 Euro. „Wenn sie gewusst hätte, dass es nicht zu einer Rücknahme kommt, hätte sie sich nicht auf die Sache eingelassen“ ([X.] 31).

Wie der Angeklagte wusste, war der von ihm erlangte Kaufpreis von 105.000 Euro für die beiden Eigentumswohnungen, die insgesamt einen Verkehrswert von 24.400 Euro hatten, vollkommen überhöht. Der Zeugin [X.] sei deshalb ein Schaden in Höhe von 80.600 Euro entstanden. Den ihr für die Unterschriften vor dem Notar versprochenen Betrag von 10.000 Euro hat sie nicht erhalten.

5. Fall [X.] der Urteilsgründe (Urkundenfälschung bei der Finanzierungsanfrage für den [X.] )

Um die finanziellen Verhältnisse des [X.] bei der an die [X.] gerichteten Finanzierungsanfrage besser erscheinen zu lassen, ließ der Angeklagte von dem Zeugen [X.] einen [X.] der [X.] einscannen und mit einem Bildbearbeitungsprogramm so verändern, dass darin eine Überweisung eines Teilkaufpreises von 23.500 Euro an den Angeklagten ausgewiesen wurde. Den so erstellten Kontoauszug faxte der Angeklagte an die [X.].

6. Fall [X.] der Urteilsgründe (Urkundenfälschung bei der Finanzierungsanfrage für die Zeugin [X.] )

In gleicher Weise ließ der Angeklagte von dem Zeugen [X.] zur Verwendung im Zusammenhang mit einer für die Zeugin [X.] bei der [X.] gestellten Finanzierungsanfrage Gehaltsbescheinigungen für die Monate Mai bis Juli 2011 sowie zwei Kontoauszüge, die Guthaben, eine vermeintliche Überweisung an „[X.] “ und einen angeblichen Gehaltszufluss ausweisen, fälschen und zur Täuschung über die sich daraus ergebenden Tatsachen an die [X.] übermitteln.

II.

Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet. Zwar dringt die Rüge der Verletzung formellen Rechts nicht durch. Jedoch hält das Urteil in den Fällen II.4. bis [X.] der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand; dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitstrafe nach sich.

1. Die Verfahrensrüge der „Verletzung der gerichtlichen Mitteilungspflicht über eine erfolgte Verständigung und vorangegangene Verständigungsversuche (§ 338 Nr. 6 StPO i.V.m. §§ 243 Abs. 4, 257c StPO)“ ist jedenfalls unbegründet.

Die Revision macht geltend, es liege „eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO und damit des Öffentlichkeitsgrundsatzes nach § 169 GVG i.V.m. § 338 Nr. 6 StPO“ vor, weil der Vorsitzende nicht über [X.] zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern vom 5. und vom 19. Februar 2015 unterrichtet habe.

Ein Verfahrensfehler wird damit jedoch nicht aufgezeigt, denn diese Gespräche, die auch die Straferwartung für den Fall eines Geständnisses zum Gegenstand hatten, fanden noch vor Anklageerhebung im Ermittlungsverfahren statt. Solche der Regelung des § 160b StPO unterfallenden Erörterungen werden von der Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, die lediglich „Erörterungen nach den §§ 202a, 212“ StPO betrifft, nicht erfasst (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2015 – 5 [X.], [X.], 232). Dies gilt auch dann, wenn aufgrund von Verständigungsgesprächen nach Anklageerhebung eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO doch noch zustande kommt. Einen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht der Staatsanwaltschaft aus § 160b Satz 2 StPO macht die Revision nicht geltend. Vielmehr trägt sie vor, dass die Staatsanwaltschaft Vermerke über diese Gespräche zu den Akten genommen habe. Damit ist die mit der Vorschrift des § 160b StPO bezweckte Transparenz gewahrt.

2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Tatkomplexen II.1. und II.2. der Urteilsgründe wird von den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Die in diesen Fällen vom [X.] verhängten Einzelstrafen halten ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

Auch im Fall II.2. Buchst. b der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die vom [X.] angenommene Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB. Zur Klarstellung ersetzt der Senat im Schuldspruch die Formulierung des „vorsätzlichen Unterlassens der Bilanzerstellung“ durch die im Gesetz verwendete Bezeichnung des Straftatbestands „Verletzung der Buchführungspflicht“; der Strafausspruch ist hiervon nicht betroffen.

3. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.3. der Urteilsgründe wegen Betruges zum Nachteil des Geschädigten A. hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen kaufte der Zeuge A. eine aus nicht zu Wohnzwecken nutzbaren Räumen bestehende Immobilie aufgrund eines vom Angeklagten mit falschen Tatsachenbehauptungen herbeigeführten Irrtums. Er vertraute dabei auf die Richtigkeit der Angabe des Angeklagten, das [X.] Schatzamt habe die Räume für 600 Euro pro Monat über einen Zeitraum von zehn Jahren gepachtet. Ob der Irrtum vermeidbar gewesen wäre, ist hierbei ohne Bedeutung.

b) Infolge der Täuschung ist dem [X.] aus dem Immobilienkauf ein Vermögensschaden i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB in Höhe von 68.000 Euro entstanden.

aa) Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des [X.] seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. [X.].; vgl. [X.], Urteile vom 2. Februar 2016 – 1 [X.] Rn. 33, [X.], 286 und vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 31 ff., [X.]St 60, 1 mit [X.]. [X.] JZ 2016, 841 und [X.][X.] 2015, 173; Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 [X.] Rn. 24, [X.], 640; vom 19. Februar 2014 – 5 [X.], [X.], 270; vom 29. Januar 2013 – 2 [X.], [X.], 711; vom 25. Januar 2012 – 1 [X.] Rn. 75, [X.]St 57, 95, 113 f. und vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, [X.]St 53, 199, 201, jeweils mwN; Urteil vom 27. Juni 2012 – 2 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 77). Maßgeblich ist die Vermögenslage zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2011 – 2 [X.], [X.], 638, 639).

Bei einem Betrug durch Abschluss eines Vertrages ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsabschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Dabei sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu vergleichen (Eingehungsschaden; st. [X.].; vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 [X.], [X.]St 16, 220, 221; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 [X.], [X.]St 58, 102, 111 f.; Beschlüsse vom 19. Februar 2014  – 5 [X.], [X.], 270 und vom 28. April 2016 – 4 StR 317/15; jeweils mwN). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Geschädigten ([X.]) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt, bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 31, [X.]St 60, 1; Beschlüsse vom 14. April 2011 – 2 [X.], [X.], 638, 639 und vom 7. Dezember 2010 – 3 [X.], StraFo 2011, 238).

bb) Die Bewertung des Vermögens und des Vermögensschadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 31 ff., [X.]St 60, 1; Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 [X.] Rn. 80, [X.]St 57, 95, 115). Dabei schützt die Vorschrift des § 263 StGB weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr (vgl. [X.], Beschluss vom 6. September 2000 – 3 [X.], NStZ-RR 2001, 41), sondern allein das Vermögen. Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens zwar eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen ([X.], Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10, Rn. 176, [X.], 496, 504; [X.], Beschlüsse vom 2. Juli 2014 – 5 [X.], [X.], 517; vom 25. Januar 2012 – 1 [X.] Rn. 75, [X.]St 57, 95, 114 und vom 14. April 2011 – 1 [X.], [X.], 335). Dementsprechend sind Leistung und Gegenleistung zunächst nach ihrem Verkehrs- bzw. Marktwert zu vergleichen ([X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 [X.] Rn. 80, [X.]St 57, 95, 115; vgl. auch [X.]Dannecker [X.], 318, 319). Ergibt sich danach ein Wertgefälle zum Nachteil des durch die Täuschung Betroffenen, weil er etwa gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises eine minderwertige Ware erhält, so liegt ein Vermögensschaden vor ([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 33, [X.]St 60, 1 mwN). Auf die subjektive Einschätzung, ob der irrtumsbedingt Verfügende sich geschädigt fühlt, kommt es ebenso wenig an (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 [X.] Rn. 80, [X.]St 57, 95, 115), wie auf die Frage, wie hoch der Verfügende subjektiv den Wert der Gegenleistung taxiert (st. [X.].; vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 33, [X.]St 60, 1 mwN; vgl. auch [X.], [X.], 17).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] den entstandenen Vermögensschaden rechtsfehlerfrei als Differenz zwischen der vom [X.] mit dem Kaufvertrag eingegangenen Verbindlichkeit und dem objektiven Wert der erworbenen Immobilie bestimmt. Als Wert der Immobilie hat es ohne Rechtsfehler den – auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens ermittelten – Verkehrswert angesetzt.

dd) Die Täuschung des [X.] war für den entstandenen Vermögensschaden auch kausal, weil der Zeuge – wäre er nicht getäuscht worden – die Immobilie vom Angeklagten nicht erworben hätte.

(1) Die Täuschung bezog sich auf Tatsachen, die einen Bezug zum Kaufobjekt aufwiesen und für die Kaufentscheidung des Erwerbers ausschlaggebend waren. Der vorgetäuschte Umstand, dass die erworbenen Räume für einen Zeitraum von zehn Jahren für 600 Euro pro Monat an das [X.] Schatzamt verpachtet seien, hatte zum einen Bedeutung für den Wert der Immobilie und war zum anderen ausschlaggebender Grund für die Kaufentscheidung des [X.] .

(2) Die Zurechnung des entstandenen Vermögensschadens beschränkte sich auch nicht auf die Summe der dem [X.] als sicher vorgespiegelten Pachtzahlungen. Eine derartige Begrenzung des strafrechtlichen Vermögensschutzes vor täuschungsbedingten [X.] enthält der Straftatbestand des Betruges gemäß § 263 StGB nicht (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 41 ff., [X.]St 60, 1 mwN; zum Streitstand in der Literatur vgl. auch [X.][X.] 2015, 173, 179 mwN). Auch besteht beim Betrug das Erfordernis der „Stoffgleichheit“ nur zwischen dem Vermögensschaden und dem angestrebten Vermögensvorteil, nicht aber zwischen dem Vermögensschaden und dem Gegenstand der Täuschung ([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 42, [X.]St 60, 1). Der Vermögensschaden, der sich hier aus dem Minderwert der erworbenen Immobilie im Verhältnis zum Wert der eingegangenen Kaufpreisverbindlichkeit ergab, hätte der Täuschungshandlung allenfalls dann nicht zugerechnet werden können, wenn sich der Zeuge A. beim Erwerb der Immobilie dieses Minderwerts bewusst gewesen wäre und somit ein Selbstschädigungsbewusstsein gehabt hätte (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 [X.] Rn. 44, [X.]St 60, 1 mwN; [X.][X.] 2015, 173, 180). Dies war jedoch nicht der Fall.

4. Demgegenüber belegen im Fall II.4. der Urteilsgründe die Feststellungen einen Betrug zum Nachteil der Zeugin [X.] nicht.

Nach den Urteilsfeststellungen bleibt bereits offen, ob es sich bei dem Kaufvertrag über die beiden Wohneinheiten nicht um ein gemäß § 117 Abs. 1 [X.] nichtiges Scheingeschäft handelte, das von beiden Vertragsparteien nicht ernstlich gewollt war. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien [X.] nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, aber die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (st. [X.].; vgl. nur [X.], Urteil vom 24. Januar 1980 – [X.], NJW 1980, 1572, 1573 mwN; [X.], Urteil vom 23. Februar 2000 – 2 U 284/99, [X.], 877; [X.] in [X.], [X.], 75. Aufl., § 117 Rn. 3 mit weiteren Nachweisen aus der [X.].; zum Scheingeschäft im Sinne des § 41 Abs. 2 [X.] vgl. auch [X.], Beschluss vom 20. März 2002 – 5 [X.], [X.]R [X.] § 41 Abs. 2 Scheinhandlung 3). Entscheidend ist dabei, ob die Beteiligten zur Erreichung des angestrebten Erfolges ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernst gemeintes Rechtsgeschäft für erforderlich erachtet haben. Zwar obliegt die Beurteilung, ob ein Geschäft nur zum Schein abgeschlossen wurde, grundsätzlich dem Tatrichter. Die Urteilsgründe müssen jedoch, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheingeschäfts gegeben sind, erkennen lassen, dass der Tatrichter die wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt und in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Daran fehlt es hier.

Angesichts der vom [X.] festgestellten Umstände, dass der Angeklagte der Zeugin [X.] für die Unterschriftsleistung beim Notar einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro versprochen hatte und dass die Erlangung der vollständigen notariellen Kaufvertragsunterlagen notwendige Voraussetzung war, um die darlehensfinanzierte Kaufpreissumme zu erhalten ([X.] 31), bestanden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte und die Zeugin [X.] nur den Schein eines wirksamen Kaufvertrages schaffen wollten. Der Zeugin [X.] kam es erkennbar nicht auf den Erwerb einer Immobilie, sondern allein auf den Erhalt der ihr für die Unterschriftsleistung beim Kaufvertrag versprochenen 10.000 Euro an, um ihre finanziellen Schwierigkeiten beseitigen zu können. Das [X.] hätte daher die nahe liegende Möglichkeit erörtern müssen, ob vom Angeklagten mit Wissen und Wollen der Zeugin [X.] lediglich der Schein eines wirksamen Kaufvertrages geschaffen werden sollte, um die finanzierende Bank über einen entsprechenden Kaufvertrag zu täuschen und zur Auszahlung der Darlehenssumme zu veranlassen, aus der die der Zeugin [X.] versprochenen 10.000 Euro erbracht werden konnten.

Es liegt daher insoweit ein Erörterungsmangel vor, auf dem das Urteil auch beruht, weil es dann an einem täuschungsbedingten Vertragsabschluss mit Entstehen einer wirksamen Verbindlichkeit fehlen würde.

Der Tatvorwurf des Betruges zum Nachteil der Zeugin [X.] bedarf daher neuer tatrichterlicher Prüfung. Der Senat hebt die hierzu getroffenen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

5. Auch die – rechtsfehlerfrei getroffenen – Feststellungen in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe tragen den Schuldspruch in diesen Fällen nicht. Denn sie lassen nicht erkennen, ob die mittels Bildbearbeitungssoftware erstellten und den finanzierenden Banken – zum Teil per Telefax – übermittelten Unterlagen die Merkmale von Urkunden im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB aufwiesen.

Der Umstand, dass die unter Einsatz einer Software zur Bildbearbeitung hergestellten Unterlagen teilweise im Wege einer Faxkopie an Banken übermittelt wurden, steht einer Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) nicht von vornherein entgegen. Denn in der Übertragung mittels Telefax kann ein Gebrauchmachen von der Urschrift liegen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 1971 – 1 [X.], [X.]St 24, 140). Dies setzt jedoch voraus, dass die mittels Bildbearbeitungssoftware (als Faxvorlage) erstellten Schriftstücke die Merkmale einer Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB aufweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 1999 – 5 [X.], [X.], 620).

Mit computertechnischen Maßnahmen – wie der Veränderung eingescannter Dokumente – erstellten Schriftstücken ist mangels Beweiseignung kein Urkundencharakter beizumessen, wenn sie nach außen als bloße Reproduktion erscheinen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. März 2011 – 2 [X.], [X.], 307 mwN). Sie sind aber dann (unechte) Urkunden, wenn die (veränderten) Reproduktionen Originalurkunden so ähnlich sind, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. [X.] aaO).

Ob dies bei den hier mittels Bildbearbeitungssoftware nach Einscannen von Originaldokumenten erstellten Schriftstücken der Fall war, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Es bedarf hierzu ergänzender Feststellungen durch einen neuen Tatrichter. Der Schuldspruch in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe ist daher aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung.

6. Angesichts der Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.4. bis [X.] der Urteilsgründe kann auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben. Die Feststellungen in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe und die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegenden Feststellungen sind von den zur Teilaufhebung führenden Rechtsfehlern nicht betroffen und bleiben daher bestehen. Der neue Tatrichter kann ergänzende, mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen. Insbesondere wird er noch Feststellungen zum Erscheinungsbild der mittels Bildbearbeitungssoftware erstellten Unterlagen treffen können.

Raum   

     

   Graf

     

Jäger

     

Riin[X.]  Dr. Fischer ist im
Urlaub und deshalb an der
Unterschriftsleistung gehindert.

     

     

     

     

Raum

     

   Bär   

     

Meta

1 StR 20/16

16.06.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kaiserslautern, 12. Oktober 2015, Az: 2 KLs 6055 Js 529/10

§ 263 Abs 1 StGB, § 171 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.06.2016, Az. 1 StR 20/16 (REWIS RS 2016, 9780)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3543 REWIS RS 2016, 9780

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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