Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2023, Az. 4 StR 225/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 3505

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Gegenstand

Betrug: Vermögensschaden bei erschlichener Anstellung eines "falschen" Arztes


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 19. November 2021 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II. 3. der Urteilsgründe;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) soweit das [X.] von der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, [X.]eils in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es von einer Adhäsionsentscheidung abgesehen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. Die Beschwerdeführerin beanstandet, das [X.] habe rechtsfehlerhaft eine Betrugsstrafbarkeit verneint; ferner sei die Einziehung des Wertes von [X.] gemäß §§ 73, 73c [X.] anzuordnen gewesen. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der mehrfach unter anderem wegen Betruges und Urkundenfälschung vorbestrafte Angeklagte war als Rettungshelfer ehrenamtlich für den Ortsverband des [X.] ([X.]) in [X.]    tätig. Im Frühjahr 2019 bewarb sich der Angeklagte, der ein Studium der Sozialpädagogik abgebrochen und nie Medizin studiert hatte, auf die Stelle eines stellvertretenden Rotkreuzarztes. Zum Beleg für seine vermeintliche Befähigung legte er eine von ihm am Computer hergestellte, angeblich von einer [X.] Universität ausgestellte Studienbescheinigung vor, wonach er den Studiengang Medizin mit erfolgreicher Prüfung absolviert habe und berechtigt sei, die Berufsbezeichnung Arzt zu tragen. Im September 2019 wurde er daraufhin von der Mitgliederversammlung des [X.] zum stellvertretenden Rotkreuzarzt gewählt. In den folgenden Monaten fuhr er als Arzt unter anderem bei Einsätzen in einem Rettungswagen des [X.] mit und trat dabei als „Dr. K.    “ auf (Fall [X.] der Urteilsgründe).

4

Um zudem als Notarzt eingesetzt zu werden, stellte der Angeklagte unter Verwendung des Wappens der [X.] N.      ein mit „Bestätigung über Ablegung einer Weiterbildungsprüfung“ überschriebenes Dokument her, das wie ein Originalschreiben der [X.] oder dessen Ablichtung aussah. Das Schreiben endete mit einem vermeintlichen Stempelaufdruck der [X.] und einer nicht lesbaren Unterschrift eines vermeintlichen Prüfungsausschussvorsitzenden, die der Angeklagte hinzugefügt hatte und die dem Schreiben den Anschein eines eigenhändig durch ein Mitglied der Prüfungskommission unterschriebenen Zeugnisses verlieh. Dieses legte er Ende Juli oder Anfang August 2020 dem Notfallsanitäter des [X.] vor und erweckte dadurch bei diesem den Eindruck, dass er die dafür erforderlichen Prüfungen bestanden habe und „Arzt für Notfallmedizin“ sei. In der Folgezeit trat der Angeklagte bei Einsätzen des [X.] mehrfach als Notarzt „Dr. K.   “ auf und ordnete unter anderem die Einnahme von Medikamenten gegenüber Patienten an (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

5

Am 14. Juli 2020 schloss der [X.]-Kreisverband [X.]    mit der [X.] [X.]    einen zuvor von dem Angeklagten auf Seiten des [X.] ausgehandelten Vertrag über die Durchführung von COVID-19-Tests, zur Bereitstellung von zwei Personen (Arzt/Ärztin und geeignetes medizinisches Fachpersonal), zur Einsatzplanung und Durchführung der Testungen, zur Beschaffung von Schutzausrüstungen und zur Schulung des eingesetzten Personals. Im Rahmen der Testungen sollte das [X.] die Probeentnahmen in Form von Abstrichen übernehmen; die Untersuchung der Proben erfolgte in einem Labor. Die vertragliche Vereinbarung beruhte auf der Vorstellung des Gesundheitsamtes, dass Abstriche nur durch ärztliches Personal vorgenommen werden durften. Gedacht wurde dabei von den Vertragsparteien an den Angeklagten als einzigen zur Verfügung stehenden Arzt des [X.] [X.]    . Für die Durchführung der Abstriche und die dadurch entstehenden Personal- und Materialkosten zahlte die [X.] dem [X.] eine pauschale Vergütung von zunächst 140 € pro Stunde; der Stundensatz wurde einvernehmlich auf zunächst 180 € und sodann auf 210 € pro Stunde erhöht. Zur Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtungen beauftragte das [X.] ‒ mündlich ‒ den Angeklagten, der – einem Subunternehmer gleich – entgeltlich für das [X.] tätig werden und das von der [X.] geforderte Personal anwerben sollte. Der Angeklagte organisierte in der Folgezeit die Durchführung der Testungen und verpflichtete die hierzu erforderlichen Mitarbeiter. In Einzelfällen nahm der Angeklagte auch selbst Abstriche vor. Im Wesentlichen beschränkten sich seine Aufgaben auf den administrativen und kaufmännischen Bereich; eine Ausbildung als Arzt war dafür objektiv nicht erforderlich. Seine gleichwohl als „Arztleistungen“ bezeichneten Aufwände rechnete der Angeklagte gegenüber dem [X.]-Kreisverband [X.]     ab, der insgesamt mindestens 500.000 € an den Angeklagten überwies. Diese Kosten stellte das [X.] seinerseits – mit Aufschlägen in Höhe von insgesamt etwa 150.000 € – der [X.] [X.]    in Rechnung, die diese Beträge auch [X.]eils zahlte.

6

Anfang September 2020 bestand wegen der pandemiebedingten Belastungen im Gesundheitsamt der [X.] [X.]    Bedarf an „zusätzlichem medizinischem Sachverstand“. Die auf Seiten der [X.] zuständige Zeugin [X.]hoffte, den Angeklagten als zusätzlichen Arzt für das Gesundheitsamt zu gewinnen, und bot ihm daher den Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrags an; der Angeklagte lehnte dieses Angebot ab. Er handelte mit der Zeugin [X.]jedoch eine weitere Ergänzungsvereinbarung aus, die am 30. September 2020 unterzeichnet wurde. Danach verpflichtete sich das [X.] gegenüber der [X.], ihr ab dem 1. Oktober 2020 bis zum 31. März 2021 einen Arzt oder eine Ärztin mit einer Arbeitszeit von 39 Wochenstunden zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug verpflichtete sich die [X.] [X.]   , dem [X.] für die Gestellung des Arztes eine monatliche Pauschale von 6.300 € zu zahlen, die neben die bisherigen Zahlungen treten sollte. Der zusätzlich an das [X.] zu zahlende Geldbetrag war dabei an den für die Anstellung eines Arztes üblicherweise anfallenden Kosten orientiert. Bei Abschluss dieser Vereinbarung war allen Beteiligten klar, dass es sich bei dem Arzt, der auf dieser Grundlage für die [X.] tätig werden sollte, um den Angeklagten handelte. Er sollte weiterhin „ausschließlich zu organisatorischen Aufgaben im Bereich der [X.]“ eingesetzt werden. Der Angeklagte, der sich mündlich gegenüber dem [X.] verpflichtete, der [X.] als „Arzt im Infektionsschutz zur Bekämpfung der Pandemie“ zur Verfügung zu stehen, erhielt vom [X.] ‒ zusätzlich ‒ eine monatliche Pauschale in Höhe von 6.000 €.

7

Nach Abschluss der Vereinbarung erstellte der Angeklagte wiederum unter dem Wappen der [X.] N.       ein als „Bestätigung über Ablegung der Facharztprüfung“ überschriebenes und seiner Gestaltung nach für Außenstehende wie ein Originalschreiben oder eine Ablichtung eines Originalzeugnisses aussehendes Schreiben, wonach er die Facharztprüfung der Fachrichtung Psychiatrie bestanden habe. Auch dieses Schreiben endete mit einem vermeintlichen Stempelaufdruck der [X.] und einer nicht lesbaren Unterschrift eines Prüfungsausschussvorsitzenden und erweckte dadurch den Eindruck eines echten Zeugnisses. Der Angeklagte legte es dem Gesundheitsamt zusammen mit der bereits zuvor erstellten Bestätigung seiner Weiterbildungsprüfung zum Arzt für Notfallmedizin vor. Wie von dem Angeklagten erwartet, ging die [X.] [X.]    , nachdem sie die Bewerbungsunterlagen erhalten hatte, davon aus, dass der Angeklagte inzwischen ausgebildeter Facharzt sei. Die Personalabteilung stimmte daraufhin dem [X.] mit dem darin vereinbarten Arztgehalt zu.

8

Im Gesundheitsamt der [X.] [X.]    verfügte der Angeklagte seit [X.] oder [X.] 2020 über ein eigenes Büro, an dessen Tür sichtbar ein Schild mit seinem Namen und einem Doktortitel angebracht war. Zur Unterstützung des Gesundheitsamtes erstellte der Angeklagte unter anderem – ohne dazu verpflichtet zu sein – eine psychiatrische Stellungnahme zur Frage der gesundheitlichen Eignung einer Lehramtsanwärterin für eine Verbeamtung und führte [X.] an Todesbescheinigungen durch, die er mit seinem Namenskürzel abzeichnete (Fall II. 3. der Urteilsgründe).

9

Ende August oder Anfang September 2020 kamen Zweifel an der Arzteigenschaft des Angeklagten auf. Vor diesem Hintergrund wurde er vom Vorstand des [X.]    er [X.] aufgefordert, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Der Angeklagte meinte daher nun, einen Nachweis einer [X.] zu benötigen, und erstellte zu deren Fälschung am Computer ein Dokument, das den Anschein einer echten, von einem Beamten der [X.]       unterschriebenen [X.]surkunde erweckte. Nachdem er dieses dem Ortsverband übermittelt hatte, ging der Angeklagte bis zu seiner Festnahme am 18. Januar 2021 weiter seiner Tätigkeit für das Gesundheitsamt der [X.] [X.]    nach (Fall II. 4. der Urteilsgründe).

2. Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1, 1. und 3. Var. [X.] in vier Fällen, [X.]eils in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] gewertet.

Eine Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 [X.] hat das [X.] verneint. Weder dem [X.] noch der [X.] [X.]    sei durch die vom Angeklagten initiierten Vertragsabschlüsse ein Vermögensschaden entstanden. Der Angeklagte sei weder leistungsunwillig gewesen noch seien die von ihm erbrachten „Dienstleistungen“ wirtschaftlich wertlos oder minderwertig gewesen. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung liege auch nicht darin, dass der Angeklagte bei den Vertragsabschlüssen seine Vorstrafen verheimlicht habe, da er keine besondere Vertrauensstellung im Hinblick auf das Vermögen des [X.] oder der [X.] [X.]    innegehabt habe. Ein Vermögensschaden sei auch nicht deshalb gegeben, weil der Angeklagte seine Arbeit nicht oder nicht brauchbar erbracht habe. Eine besondere Ausbildung, insbesondere die Befähigung zum Führen eines Titels als Arzt sei für die von ihm erbrachten Leistungen nicht erforderlich gewesen. Die ihm gewährte Vergütung sei zudem angemessen und nicht mit Blick auf eine besondere Vertrauenswürdigkeit oder Zuverlässigkeit besonders hoch gewesen.

Die Einziehung von [X.] nach § 73 Abs. 1 [X.] hat das [X.] mit der Begründung abgelehnt, dass der Angeklagte das Honorar, das er vom [X.] erhalten habe, nicht unmittelbar aus der Tat erlangt habe, sondern aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der [X.] und dem [X.]-Kreisverband. Diese seien erst durch die „Vermarktung“ der Urkundenfälschungen und des Titelmissbrauchs zustande gekommen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Anfechtung des Schuldspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe und – dies nachziehend – den Gesamtstrafausspruch sowie die unterbliebene Einziehungsanordnung beschränkt (§ 344 Abs. 1 [X.]).

a) Zwar hat die Revisionsführerin einen umfassend formulierten Revisionsantrag gestellt. Eine Nr. 156 Abs. 2 [X.] berücksichtigende Auslegung der Revisionsbegründung (vgl. dazu [X.], Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21, NStZ-RR 2022, 201, 202; Urteil vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 468/14, [X.], 88, 89; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 [X.], [X.]R [X.] § 344 Abs. 1 Beschränkung 21) ergibt aber, dass sich die Staatsanwaltschaft nur gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen im Fall II. 3. der Urteilsgründe wendet und die Verurteilungen in den Fällen [X.], 2. und 4. der Urteilsgründe von ihrem Rechtsmittelangriff ausnehmen will. Denn in ihren Einzelausführungen macht die Beschwerdeführerin lediglich geltend, dass der Angeklagte im Hinblick auf das Aushandeln der Verträge zwischen dem [X.]-Kreisverband und der [X.] [X.]    vom 14. Juli und 30. September 2020 (Fall II. 3. der Urteilsgründe) auch wegen Betrugs hätte verurteilt werden müssen.

b) Diese Revisionsbeschränkung ist auch wirksam.

aa) Ein Rechtsmittel kann nach § 344 Abs. 1 [X.] auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit hat der Gesetzgeber dem [X.] eine prozessuale Gestaltungsmacht eingeräumt, deren Ausübung im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2019 − 5 [X.]/19, [X.], 182 Rn. 16; Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16, [X.]St 62, 155, 159 f. [X.]). Eine Rechtsmittelbeschränkung ist danach wirksam, wenn der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde [X.] nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt rechtlich und tatsächlich selbstständig geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2019 − 5 [X.]/19, [X.], 182 Rn. 17; Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16, [X.]St 62, 155, 159 f.; Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 [X.] Rn. 58; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, [X.]St 2, 252; [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 344 Rn. 15 [X.]). Richtet sich der Revisionsangriff gegen eine abgeurteilte Tat, die Bestandteil eines mehraktigen einheitlichen geschichtlichen Vorgangs ist, der weitere abgeurteilte Taten enthält, ist diese Beschränkung in der Regel wirksam, wenn es sich um selbstständige Taten im Sinne des § 53 [X.] handelt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 25. April 2018 – 1 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Abgabe 2; Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 [X.], [X.]St 24, 185, 187 f.; Beschluss vom 26. Mai 1967 – 2 [X.], [X.]St 21, 256, 258; [X.], aaO, Rn. 21, [X.]. [X.]).

bb) Danach ist eine isolierte Anfechtung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter den hier gegebenen Umständen wirksam möglich.

(1) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den Fällen [X.] bis 4. der Urteilsgründe um mehrere zueinander in [X.] im Sinne von § 53 Abs. 1 [X.] stehende Taten handelt. Dem steht nicht entgegen, dass der [X.]eils mit ausgeurteilte Tatbestand des § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] grundsätzlich eine Mehrheit natürlicher Betätigungen, die auf demselben Entschluss beruhen, zu einer einheitlichen Straftat zusammenfasst, sofern nicht die zeitlichen Abstände zwischen den von dem Täter gewählten Gelegenheiten oder die Verschiedenheit der Sachlagen die Annahme einer Mehrheit von Taten begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 2022 – 2 [X.] Rn. 7; Urteil vom 13. Januar 1965 – 2 StR 366/64; Urteil vom 3. Dezember 1963 – 2 [X.] Rn. 2). Denn der Tatbestand des § 132a [X.] ist nach der Strafandrohung den §§ 267 und 263 [X.] nicht gleichwertig und kann deshalb keine Klammerwirkung für in [X.] begangene Betrugstaten oder Urkundenfälschungen entfalten (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 2022 – 2 [X.] Rn. 10; Beschluss vom 1. Oktober 1996 ‒ 1 StR 568/96). Auch ist es nicht der Fall, dass der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht mehr allein wegen Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] bestraft werden könnte, wenn der neue Tatrichter im zweiten Rechtsgang weder einen tateinheitlich begangenen Betrug noch – was fernliegt – eine tateinheitlich begangene Urkundenfälschung feststellen sollte. Denn die zusätzlich zu dem [X.]eils gesondert verwirklichten Straftatbestand der Urkundenfälschung handlungseinheitlich hinzutretenden Fälle des Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] sind nicht Teil der tatbestandlichen Handlungseinheit, zu der die verbleibenden Missbrauchshandlungen zusammengefasst werden. Diese ist deshalb insoweit einer selbstständigen Aburteilung zugänglich (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14, [X.], 657 Rn. 35 ff.; siehe dazu auch [X.], Beschluss vom 9. November 1993 ‒ 5 StR 539/93, [X.]St 39, 390, sowie zu einem anderen Fall, [X.], Beschluss vom 9. November 1972 – 4 [X.], NJW 1973, 335, 336).

(2) Die erforderliche Trennbarkeit liegt auch im Verhältnis zu dem nicht angegriffenen Schuldspruch im Fall II. 4. der Urteilsgründe vor. Das [X.] ist insoweit nur von einer Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen ausgegangen. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs, die nach den Grundsätzen über den [X.] von einer Betrugsstrafbarkeit im Fall II. 3. der Urteilsgründe abhängig sein könnte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. August 2016 – 4 [X.], NJW 2018, 3253, 3257 Rn. 42; Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 263a Konkurrenzen 2; Urteil vom 18. Juli 2007 – 2 StR 69/07, [X.], 396, 397; [X.]. [X.]), hat die Kammer nicht angenommen. Die Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe ist daher unabhängig davon, ob sich der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen Betruges strafbar gemacht hat.

2. Die Revision hat im beschränkten Anfechtungsumfang Erfolg.

Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe sich im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 [X.] strafbar gemacht, weil es am Eintritt eines Vermögensschadens fehle, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 [X.] tritt ein, wenn die irrtumsbedingte Vermögensverfügung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des [X.] führt (sogenanntes „Prinzip der Gesamtsaldierung“; vgl. nur [X.], Beschluss vom 16. Februar 2022 ‒ 4 StR 396/21, [X.], 471; Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 [X.], [X.], 711, 712; Beschluss vom 23. Februar 1982 – 5 [X.], [X.]St 30, 388, 389; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 [X.], [X.]St 16, 220, 222; [X.], [X.], 70. Aufl., § 263 Rn. 111 [X.]). Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein [X.] zu seinem Nachteil ergibt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2019 – 3 [X.], [X.], 291, 293 Rn. 29; Urteil vom 12. März 1996 ‒ 1 StR 702/95, [X.]St 45, 1, 13; Urteil vom 4. Mai 1962 – 4 [X.], [X.]St 17, 254, 255).

b) Gemessen hieran ist die tatgerichtliche Wertung, es sei weder dem von dem Angeklagten über seine Arzteigenschaft getäuschten [X.], noch der insoweit durch den Angeklagten getäuschten [X.] [X.]    ein Vermögensschaden entstanden, auf der Grundlage der lückenhaften Feststellungen nicht nachvollziehbar; dies gilt jedenfalls, soweit es die Ergänzungsvereinbarung vom 30. September 2020 betrifft.

aa) Danach verpflichtete sich das [X.] gegenüber der [X.] [X.]    ausdrücklich dazu, ihr einen Arzt zu stellen, ohne entsprechend objektiv leistungsfähig zu sein, weil der dafür vorgesehene Angeklagte kein Arzt war. Als Gegenleistung sollte ein Betrag in Höhe von monatlich 6.300 € entrichtet werden. In Umsetzung dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Angeklagte gegenüber dem [X.], als Arzt bei der [X.] [X.]    tätig zu werden, ohne über die hierzu erforderliche und – soweit ersichtlich – vertraglich geschuldete berufliche Qualifikation zu verfügen. Bei dieser Sachlage liegt die Annahme eines [X.]s sowohl zum Nachteil des [X.] wie auch der [X.] [X.]    nahe. Abweichendes lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Eine bestimmte Eingrenzung der auf dieser Vertragsgrundlage geschuldeten Tätigkeiten ist den Urteilsfeststellungen, die den [X.] nur auszugsweise wiedergeben, nicht zu entnehmen. Vielmehr deutet der in den Urteilsgründen wiedergegebene [X.] darauf hin, dass das vom Angeklagten zu erfüllende Leistungsspektrum offen gestaltet war und daher auch Tätigkeiten erfasste, die nur von einem Arzt ausgeübt werden konnten. Zweck der Vereinbarung war es aus Sicht der [X.] [X.]   , durch die Mitarbeit des Angeklagten die (einzige) Ärztin des Gesundheitsamtes im Bereich des [X.] zu entlasten. Die dem [X.] von der [X.] [X.]    zugesagte Vergütung orientierte sich dabei ausdrücklich an den für die Anstellung eines Arztes anfallenden Kosten. Dafür, dass vom Vertragsinhalt wenigstens auch ärztliche Leistungen erfasst waren, spricht zudem die von der [X.] festgestellte Vertragspraxis, soweit sie zwischen den Parteien in Vollzug der Vereinbarung vom 30. September 2020 „gelebt“ wurde. Danach erbrachte der Angeklagte jedenfalls auf einem Teilgebiet auch Leistungen, die einem Arzt vorbehalten waren, nämlich die von ihm verfasste fachärztliche Stellungnahme zur Frage der gesundheitlichen Eignung einer Lehramtsanwärterin. Soweit das [X.] dieser Tätigkeit jeden Indizwert für die vertraglich geschuldeten Leistungen abspricht, ist dies nicht nachvollziehbar.

Gleiches gilt für die tatgerichtliche Feststellung, allen Beteiligten sei bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung „klar“ gewesen, dass der Angeklagte von der [X.] „weiterhin ausschließlich zu organisatorischen Aufgaben im Bereich der [X.] und nicht für medizinische Leistungen“ habe eingesetzt werden sollen. Insoweit kann nicht nachvollzogen werden, dass und auf welche Weise diese – in einem auf die Gestellung eines Arztes gerichteten Vertrag objektiv nicht naheliegende – Beschränkung auf nicht medizinische Leistungen Eingang in die Ergänzungsvereinbarung vom 30. September 2020 gefunden haben könnte. Die Annahme, dass der Angeklagte allein das bisher von ihm erbrachte Leistungsspektrum fortführen sollte, stünde im Übrigen in einem durch die Urteilsgründe nicht aufgelösten Widerspruch zu dem Umstand, dass diese Ergänzungsvereinbarung vor dem Hintergrund eines bei der [X.] bestehenden Bedarfs an zusätzlichem medizinischen Sachverstand geschlossen wurde und noch während der Laufzeit der ursprünglichen Vereinbarung zwischen dem [X.] und der [X.] vom 14. Juli 2020 wirksam werden sollte.

bb) Darauf, ob bei der tatsächlichen Ausführung der Verträge von dem Angeklagten auch auf der Grundlage der Ergänzungsvereinbarung ab dem 1. Oktober 2020 weiterhin nur solche Leistungen abgefordert worden sein mögen, für die es keiner [X.] als Arzt bedurfte, kommt es für die Frage des [X.] nicht an. Ebenfalls rechtlich ohne Belang ist eine etwaige Anfechtbarkeit der zwischen dem [X.] und der [X.] [X.]    abgeschlossenen, zuvor durch den Angeklagten ausgehandelten Ergänzungsvereinbarung nach § 123 BGB (vgl. [X.], Urteil vom 14. August 2009 – 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 160; Beschluss vom 16. Juli 1970 – 4 StR 505/69, [X.]St 23, 300, 302 [X.]). Denn die Anfechtungsmöglichkeit setzte die Kenntnis von der fehlenden [X.] des Angeklagten voraus. Diese Kenntnis sollte sowohl der [X.] [X.]    als auch dem [X.] gerade verborgen bleiben und die Feststellungen legen ‒ obschon sie sich nicht dazu verhalten, ob die Vergütungen im Voraus oder erst am Monatsende zu zahlen waren ‒ nahe, dass bei Vertragsschluss jedenfalls ungewiss war, ob die getäuschten Vergütungspflichtigen ([X.] und [X.]) sie vor Erbringung ihrer Gegenleistungen erlangen würden.

cc) Schließlich kann den Urteilsgründen – auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs – kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass der Angeklagte eine vertraglich geschuldete Leistung tatsächlich erbracht hätte, die die nach den Urteilsfeststellungen zusätzlich, neben der Vergütung der für den Aufbau und Durchführung des Testzentrums sowie der Durchführung der Corona-Tests geschuldete Pauschale von 6.300 bzw. 6.000 € gerechtfertigt hätte. Vielmehr führte der Angeklagte „weiterhin“ die bereits zuvor von ihm erbrachten Tätigkeiten ([X.], Organisation und Vornahme von [X.], Kontaktnachverfolgung) aus.

dd) Die tatgerichtliche Annahme, dass auch nach Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 30. September 2020 ein Vermögensschaden weder beim [X.] noch bei der [X.] [X.]    eingetreten ist, liegt danach fern und hätte einer ins Einzelnen gehenden Erörterung bedurft, an der es fehlt. Angesichts der insgesamt unzureichenden Feststellungen zu den Vertragsgestaltungen im Einzelnen sowie der lückenhaften Beweiserwägungen zu dem ‒ objektiven ‒ Wert der vom Angeklagten erbrachten Leistungen vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen.

c) Die Aufhebung im Fall II. 3. der Urteilsgründe zieht auch die Aufhebung des für sich genommen [X.] tateinheitlichen Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen und der dafür verhängten [X.] sowie der Gesamtstrafe nach sich.

d) Da demnach in Bezug auf die durch den [X.]-Kreisverband gezahlten Gelder eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 [X.] in Betracht kommt, kann schließlich auch die Einziehungsentscheidung des [X.]s nicht bestehen bleiben. Denn die aus einer Betrugstat erlangte Vergütung unterliegt der Wertersatzeinziehung gemäß § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c Satz 1 Alt. 1 [X.], ohne dass es darauf ankommt, in welcher Höhe insoweit ein Vermögensschaden eingetreten ist (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, [X.], 83, 85 Rn. 37 ff. [X.]).

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Was die Frage nach einem Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 [X.] betrifft, wird die neu zur Entscheidung berufene [X.] auch den Ausgangsvertrag vom 14. Juli 2020 und die diesbezüglich zwischen dem Angeklagten und dem [X.] getroffenen mündlichen Vereinbarungen genauer als bislang geschehen in den Blick nehmen müssen. Denn nach den bisher getroffenen Feststellungen gingen die Parteien jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon aus, dass die Vornahme von Abstrichen im Rahmen von Testungen auf das Coronavirus nur durch ärztliches Personal vorgenommen werden durfte. Dies entsprach allerdings nicht der geltenden Rechtslage. Denn nach § 24 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe t [X.] in der bis zum 18. November 2020 geltenden Fassung gab es zu diesem Zeitpunkt lediglich einen Arztvorbehalt für die Feststellung von [X.], nicht aber für die – hier vereinbarte – vorbereitende Probenentnahme (vgl. [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 24 Rn. 4; [X.]/Bade/[X.], [X.] 2020, 649, 655 f., [X.]. [X.]). Damit war zwar schon aus diesem Grund für eine mögliche Übertragung der Grundsätze zur formalen Betrachtungsweise beim Abrechnungsbetrug (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. Juni 2014 − 4 StR 21/14, [X.], 640 Rn. 31; Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 62; Beschluss vom 28. September 1994 – 4 StR 280/94, [X.], 85 f.; [X.]. [X.]) und der sich daraus ergebenden Nullbewertung kein Raum. Auch spricht hier – anders als möglicherweise für die Zusatzvereinbarung vom 30. September 2020 – nichts dafür, dass die durch den Angeklagten zu erbringenden Leistungen allein aufgrund von dessen Minderqualifikation auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vollständig wertlos waren (vgl. [X.], Beschluss vom 23. September 2020 – 4 [X.], BeckRS 2020, 30917 Rn. 6). Das [X.] wird aber auch hier nochmals zu prüfen haben, ob zwischen der [X.]eils offensichtlich an Arzthonoraren orientierten Vergütung und dem wirtschaftlichen Wert der versprochenen Leistungen ein Missverhältnis besteht. Dabei wird es in den Blick nehmen müssen, dass einer Testung durch einen Nichtarzt nach der in § 12 Abs. 2 Satz 1 der [X.] in der seit dem 8. März 2021 geltenden Fassung zum Ausdruck gekommenen Wertung ein deutlich geringerer wirtschaftlicher Wert zukam.

Quentin     

  

Bartel     

  

Rommel

  

Maatsch     

  

Messing     

  

Meta

4 StR 225/22

01.06.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 19. November 2021, Az: 49 KLs 22/21

§ 263 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2023, Az. 4 StR 225/22 (REWIS RS 2023, 3505)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3505

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