Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2017, Az. 4 StR 66/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 259

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betrug: Berechnung des Vermögensschadens beim sog. "Leasing-Betrug"; "Vermögensverlust großen Ausmaßes" bei Versuchsstrafbarkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2016 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], 19, 21, 23, 27, 29, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch klarstellend wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte ist der Urkundenfälschung in 16 Fällen, des Betrugs in 29 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betrugs in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der Beihilfe zum Betrug, der Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen und des [X.] in sechs Fällen schuldig.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „Urkundenfälschung in sechzehn Fällen, Betruges in dreiundvierzig Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch des Betruges blieb, wegen Subventionsbetruges in sechs Fällen sowie wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch des Betruges blieb,“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang zur Einstellung des Verfahrens; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Auf Antrag des [X.] hat der [X.] das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], 19, 21, 23, 27, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe wegen Betrugs und im Fall [X.] 29 wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt worden ist.

3

a) In den Fällen [X.], 19, 21, 23, 27, 31 bis 37 der Urteilsgründe sind durch die vom [X.] hierzu getroffenen - äußerst knappen - Feststellungen die Voraussetzungen eines Betrugs zum Nachteil der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse zumal mit Blick auf die Besonderheiten des [X.] (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 29. März 2012 - [X.], [X.]St 57, 202; vom 16. August 2016 - 4 [X.], NJW 2016, 3253; [X.], [X.], 174; zur sozialgerichtlichen Rechtsprechung [X.] 105, 157) nicht ausreichend dargetan.

4

b) Im Fall [X.] 29 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu einem vollendeten Betrug schon deshalb nicht, weil den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, dass dem hierzu nicht anspruchsberechtigten Zeugen S.     das mit Unterstützung des Angeklagten beantragte Insolvenzgeld tatsächlich ausgezahlt wurde.

5

c) Im Fall [X.] 44 der Urteilsgründe begegnet der Strafausspruch rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat die Strafe dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen. Die Feststellungen rechtfertigen jedoch weder die Annahme gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB noch diejenige des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB.

6

aa) Ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten ist mit Blick darauf, dass die Nutzung des von ihm in seiner Eigenschaft als faktischer Geschäftsführer der [X.] von der [X.] geleasten Fahrzeugs                allein durch den Scheingeschäftsführer der [X.] erfolgen und damit diesem der erstrebte Vermögensvorteil zufallen sollte (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 mwN), nach den bisherigen Feststellungen nicht dargetan.

7

bb) Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt, wird von den Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Es bleibt bereits unklar, auf welcher Grundlage die Strafkammer die Schadensbemessung vorgenommen hat. Weder der mit 78.935 Euro festgestellte Wert des Leasingfahrzeugs noch die einen Betrag von 55.250,40 Euro ergebende Summe aller Leasingraten im [X.] bildet den [X.] bei der getäuschten [X.] zum Verfügungszeitpunkt ab.

8

Die Summe sämtlicher innerhalb der Leasinglaufzeit fällig werdenden Raten von 55.250,40 Euro kann für den Wert des [X.]es schon deshalb nicht herangezogen werden, weil in ihr der mit dem Vertrag typischerweise zu erzielende Gewinn der Leasinggeberin enthalten ist. Ein ausbleibender Gewinn fließt zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten ab, sondern lediglich seinem Vermögen nicht zu.

9

Wegen des der Leasinggeberin verbleibenden Eigentums am Fahrzeug umfasst der [X.] bei ihr zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung auch nicht den gesamten, mit 78.935 Euro festgestellten Wert des an die [X.] überlassenen Leasingfahrzeugs. Das verbleibende Eigentum am Leasingfahrzeug darf bei der Berechnung des Vermögensschadens (vgl. [X.], Urteile vom 2. Februar 2016 - 1 StR 437/15, [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 86; vom 24. März 2016 - 2 StR 344/14, [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 92; vom 21. April 2016 - 1 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 89) nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Leasingnehmer von Anfang an beabsichtigt, der Leasinggeberin das Fahrzeug gänzlich zu entziehen und das Eigentum dadurch aus ihrem Vermögen herauszunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 6. September 2006 - 5 [X.], [X.], 18, 21; Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 4 [X.], [X.], 276). Dies ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

Der [X.] kann nicht ausschließen, dass bei zutreffender Schadensbemessung die für die Anwendbarkeit des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB maßgebliche Wertgrenze von 50.000 Euro (vgl. [X.], Urteile vom 7. Oktober 2003 - 1 [X.], [X.]St 48, 360, 361 ff.; vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12 Rn. 52; [X.], 12. Aufl., § 263 Rn. 298a) nicht erreicht worden wäre.

2. Im verbleibenden Umfang erweist sich das Rechtsmittel des Angeklagten als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift bemerkt der [X.]:

a) Die Feststellungen tragen in den Fällen [X.] 38 bis 43 der Urteilsgründe jeweils die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs.

In sämtlichen Fällen verschleierte der Angeklagte gegenüber den für die Bewilligung der Subventionen zuständigen Behörden, dass es sich bei den förderfähigen Maßnahmen (Arbeitsverhältnisse und Existenzgründungsseminare) lediglich um [X.] im Sinne von § 4 Abs. 1 [X.], § 117 Abs. 1 BGB handelte. Hierdurch machte er unrichtige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB.

Da die ohne marktmäßige Gegenleistung gewährten wirtschaftsfördernden Leistungen im Fall [X.] 38 der Urteilsgründe ausschließlich, in den übrigen Fällen anteilig aus öffentlichen Mitteln des [X.] stammten (§ 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB), ergibt sich die Subventionserheblichkeit der die [X.] verschleiernden Angaben im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aus § 4 Abs. 1 [X.]. Diese Vorschrift verbietet die Subventionierung von [X.]n zwingend mit der Folge, dass die Bewilligung und Gewährung der Subvention vom Nichtvorliegen eines bloßen Scheingeschäfts gesetzlich abhängig ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Mai 2014 - 3 [X.], [X.]St 59, 244, 249 f.; vom 11. Oktober 2017 - 4 StR 572/16, Rn. 6). Der [X.] kann daher - auch für den Schuldumfang - weiterhin offen lassen, ob sich die Subventionserheblichkeit des Nichtbestehens eines Scheingeschäfts für die in den Fällen [X.] 39 bis 43 der Urteilsgründe anteilig aus Mitteln des [X.] gewährten Zuwendungen auch aus [X.] Recht begründen ließe (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2017 - 4 StR 572/16, Rn. 8 f.).

b) Im Fall [X.] 70 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden ist, hält der Strafausspruch im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.

Zwar hat das [X.] rechtsfehlerhaft die Strafe dem - gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, weil der Versuch „auf die Herbeiführung eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes und damit auf die Verwirklichung eines Regelbeispiels im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB gerichtet“ gewesen sei. Die Regelwirkung nach dieser Vorschrift wird indes nach ständiger Rechtsprechung nur dann begründet, wenn der Täter den Vermögensverlust herbeiführt, dieser also tatsächlich eingetreten ist ([X.], Urteil vom 7. Oktober 2003 - 1 [X.], [X.]St 48, 354, 359; Beschlüsse vom 17. November 2006 - 2 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Vermögensverlust 6; vom 9. Januar 2007 - 4 [X.], [X.], 183, 184; vom 24. März 2009 - 3 StR 598/08, [X.], 206, 207; [X.], aaO, § 263 Rn. 298; [X.], StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 215).

Auf diesem Rechtsfehler beruht die Bemessung der Strafe in diesem Fall aber nicht, weil die Feststellungen hinreichend ergeben, dass der Angeklagte gewerbsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB handelte. [X.] handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will ([X.], Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, [X.], 341, 343; LK-StGB/[X.], aaO, vor § 52 Rn. 80). Nach den Feststellungen beruhte das Vorgehen des Angeklagten im Fall [X.] 70 der Urteilsgründe auf seiner zusammen mit mindestens zwei Bekannten gefassten Idee, sich „durch den Verkauf billig erworbener Immobilien zu überhöhten, bankenfinanzierten Preisen an fiktive Personen eine Geldquelle zu erschließen und den Gewinn unter sich aufzuteilen“ ([X.] f.).

Der [X.] schließt aus, dass das [X.] der Strafzumessung einen anderen Strafrahmen zugrunde gelegt oder auf eine mildere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn es anstatt auf den Versuch des Angeklagten, einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeizuführen, auf sein gewerbsmäßiges Handeln abgestellt hätte, zumal in diesem Fall die beträchtliche Höhe des erstrebten Schadens bei der konkreten Strafzumessung zu berücksichtigen war. Mit Blick auf das umfassende Geständnis des Angeklagten hätte er sich gegen den Vorwurf gewerbsmäßigen Handelns auch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können (§ 265 StPO).

c) Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen [X.], 19, 21, 23, 27, 29, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe lässt den [X.] unberührt. Ausgehend von der verbleibenden Einsatzstrafe von einem Jahr im Fall [X.] 70 der Urteilsgründe und den weiteren Einzelstrafen von [X.] zehn Monaten, [X.] acht Monaten, [X.] sechs Monaten, [X.] vier Monaten, [X.] zwei Monaten und den sechs Einzelgeldstrafen zwischen 30 und 90 Tagessätzen schließt der [X.] aus, dass das [X.] auf eine noch geringere als die - ohnehin mit Blick auf einen angemessenen Schuldausgleich kaum vertretbar milde - Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten erkannt hätte.

3. Das Urteil gibt Anlass zu bemerken, dass auch im Fall einer Verfahrensabsprache keine verringerten Sorgfaltsanforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe zu stellen sind.

Sost-Scheible     

      

[X.]     

      

Quentin

      

Feilcke     

      

[X.]     

      

Meta

4 StR 66/17

20.12.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 1. Juli 2016, Az: 6 Js 26/09 - 33/11 II 6 KLs

§ 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 3 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2017, Az. 4 StR 66/17 (REWIS RS 2017, 259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 259

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 66/17 (Bundesgerichtshof)


1 StR 559/19 (Bundesgerichtshof)

Subventionsbetrug: Konkurrenzverhältnis zum einfachen Betrugstatbestand; Ermittlung des Vermögensschadens


2 StR 36/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betrugs: Kapitalerhöhungsschwindel als abstraktes Gefährdungsdelikt; Vermögensschaden beim Eingehungsbetrug; Zurechnung eines besonders schweren Falls …


1 StR 20/16 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Vermögensschaden beim Erwerb einer angeblich verpachteten Immobilie; Erfordernis der Stoffgleichheit; Urteilsfeststellungen bei Annahme eines …


2 StR 243/22 (Bundesgerichtshof)

Subventionsbetrug im Zusammenhang mit der Beantragung von Corona-Hilfen: Vorliegen einer Scheinhandlung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.