Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.02.2010, Az. IV ZR 7/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9041

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Gegenstand

Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Wirksamkeitskontrolle für eine Ruhensregelung betreffend die Hinterbliebenenrente


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 16. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Streitwert: bis 5.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die beklagte [X.] und der Länder ([X.]) ihm eine Witwerrente ohne Anwendung der Ruhensbestimmung des § 41 Abs. 5 ihrer Satzung ([X.]S) gewähren müsse.

2

1. Die Beklagte hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, [X.] und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ergeben sich aus § 38 [X.]S. Ergänzend verweist § 41 Abs. 5 [X.]S (als so genannte Ruhensbestimmung) für die Anrechnung eigenen Einkommens des rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Bestimmungen. Damit wird auf §§ 89 ff. [X.] und insbesondere § 97 [X.] verwiesen, der (u.a.) die Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten regelt.

3

§ 41 Abs. 5 in der zum 1. Januar 2001 neu gefassten Satzung der Beklagten lautete:

"Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit der Maßgabe, dass eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, unberücksichtigt bleibt."

4

Mit Urteil vom 20. September 2006 ([X.] - [X.], 122) hat der Senat diese Satzungsbestimmung für unwirksam erklärt.

5

Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes am 22. Juni 2007 im Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 ([X.]) auf eine Neufassung des § 41 Abs. 5 [X.]S, welche mit Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 23. November 2007 rückwirkend zum 1. Januar 2007 in [X.] gesetzt wurde. Diese 11. Änderung der neuen Satzung der Beklagten wurde vom [X.] als zuständiger Aufsichtsbehörde am 14. Januar 2008 genehmigt und anschließend im [X.] vom 14. Februar 2008 veröffentlicht (BAnz 2008, 503).

6

§ 41 Abs. 5 [X.]S lautet nunmehr:

"Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit folgenden Maßgaben:

a) Eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, bleiben unberücksichtigt.

b) Der/dem Hinterbliebenen werden mindestens 35 Prozent der ihr/ihm nach § 38 zustehenden Betriebsrente gezahlt."

7

2. Die am 31. März 1955 geborene frühere Ehefrau des [X.] ist am 22. Oktober 2006 verstorben. Sie war als Beschäftige im öffentlichen Dienst seit dem 1. Oktober 1978 bei der Beklagten pflichtversichert.

8

Nach dem Tode der Versicherten setzte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Februar 2007 die Witwerrente des [X.] für die [X.] vom 22. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 (das so genannte Sterbevierteljahr) auf monatlich 211 € fest. In der Folgezeit erbrachte sie unter Berufung auf § 41 Abs. 5 [X.]S in der vom Senat beanstandeten Fassung zunächst keine Rentenzahlungen mehr. Erst nach der Neufassung der Ruhensbestimmung gewährte sie dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Februar 2007 mit monatlich 73,85 € den Mindestbetrag von 35% der Witwerrente. Seit 1. Juli 2007 hat sich dieser Betrag auf monatlich 74,59 € erhöht.

9

3. Der Kläger wendet sich gegen die Anwendung des § 41 Abs. 5 [X.]S, dessen frühere Fassung im [X.]punkt des Todes seiner Frau nicht wirksam gewesen sei und dessen Neufassung jedenfalls nicht rückwirkend zum 1. Januar 2007 habe in [X.] gesetzt werden dürfen.

Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die [X.] des § 41 Abs. 5 [X.] auf seine Witwerrente nicht angewendet werde. In ihrer Neufassung, nach der den Hinterbliebenen mindestens 35% der nach § 38 [X.] ermittelten Betriebsrente erhalten blieben, sei die Satzungsbestimmung wirksam. Sie schließe es nunmehr aus, dass Hinterbliebenenrenten durch die Ruhensregelung vollständig aufgezehrt würden. Die Neuregelung beruhe auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes und überschreite nicht deren Gestaltungsspielraum, weshalb auch der [X.] insoweit weitgehende Gestaltungsfreiheit genieße. Mit höherrangigem Recht sei § 41 Abs. 5 [X.] n.F. vereinbar. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG genüge die Bestimmung den Voraussetzungen, die der Senat in der Entscheidung [X.], 122 aufgestellt habe. Im Ergebnis führe die neue Ruhensregelung dazu, dass dem Hinterbliebenen ca. 20% der Rente erhalten blieben, die der verstorbene Versicherte selbst im Zeitpunkt seines Todes hätte beanspruchen können. Das entspreche im Wesentlichen der Rechtslage für die Beamtenversorgung nach § 53 [X.]. Eine völlige Entwertung des vom verstorbenen Ehegatten verdienten [X.] werde nunmehr ausgeschlossen. Auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG würden durch die Neuregelung nicht verletzt.

Schließlich sei es aus [X.] auch nicht zu beanstanden, dass die Neufassung des § 41 Abs. 5 [X.] rückwirkend zum 1. Januar 2007 in [X.] gesetzt worden sei. Seit dem Senatsurteil vom 20. September 2006 ([X.], 122), mit dem die frühere Fassung des § 41 Abs. 5 [X.] für unwirksam erklärt worden war, hätten die Versicherten zwar auf eine verfassungskonforme, ihnen günstigere Neuregelung vertrauen können, nicht jedoch darauf, dass diese erst später - nach Einigung der Tarifvertragsparteien - in [X.] treten würde. Vielmehr habe schon mit Ablauf des Jahres 2006 kein geschütztes Vertrauen darauf bestanden, dass es nicht alsbald zur Neuregelung käme.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Den rechtlichen Maßstab, anhand dessen § 41 Abs. 5 [X.] in seiner ab dem 1. Januar 2007 in [X.] gesetzten Fassung von den Gerichten zu kontrollieren ist, hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November 2007 - [X.]/06 - [X.], 127 [X.]. 28-38). Ein Vergleich von § 1 Ziffer 4 des Änderungstarifvertrages Nr. 4 vom 22. Juni 2007 mit der wortgleichen Regelung in § 41 Abs. 5 [X.] n.F. zeigt, dass die Neufassung der [X.] auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht. Sie haben es sich im [X.] an die Senatsentscheidung vom 20. September 2006 ([X.], 122) vorbehalten, einvernehmlich festzulegen, in welchem Umfang eine Hinterbliebenenrente dem Berechtigten trotz eigener Einkünfte erhalten und insbesondere welcher Mindestbetrag von einer Anrechnung dieser Einkünfte unberührt bleiben soll. Diese Entscheidung entspringt dem Kernbereich der von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Tarifautonomie.Der Grundrechtsschutz ist nicht für alle koalitionsmäßigen Betätigungen gleich intensiv. Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt vielmehr in dem Maße zu, in dem eine Materie aus [X.] am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann, weil sie nach der dem Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Vorstellung des [X.] die gegenseitigen Interessen angemessener zum Ausgleich bringen können als der Staat. Das gilt vor allem für die Festsetzung der Löhne und der anderen materiellen Arbeitsbedingungen ([X.] 94, 268, 284 f.). Auch die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst hat [X.], zählt mithin im weiteren Sinne zum Bereich der Löhne und materiellen Arbeitsbedingungen. Die Gewährung (auch) einer Hinterbliebenenversorgung wiederum ist wesentlicher Teil des den über die Beklagte versicherten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegebenen [X.]. Vor diesem Hintergrund betrifft die Festlegung genereller Kriterien für die Bestimmung der Höhe von Hinterbliebenenrenten nicht lediglich einen peripheren Regelungsgegenstand, sondern einen wesentlichen Teil der Versorgungszusage. Die dieser tarifvertraglichen Vorgabe folgende Satzungsbestimmung des § 41 Abs. 5 [X.] n.F. ist deshalb der Inhaltskontrolle nach den [X.] Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entzogen ([X.] aaO [X.]. 32 m.w.[X.]). Bei der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung solcher Entscheidungen der Tarifvertragsparteien genießt auch der [X.] eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben ([X.] aaO m.w.[X.]). Insoweit wirkt der Schutz der Tarifautonomie fort, die den Tarifvertragsparteien besondere Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet.

Da andererseits die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Satz 1 [X.]) eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist die gerichtliche Kontrolle ihrer Satzungsbestimmungen nach ständiger Rechtsprechung neben der Prüfung, ob die Rechtsvorschriften der [X.] beachtet sind, jedenfalls darauf zu erstrecken, ob ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt (vgl. [X.] aaO [X.]. 33 f. m.w.[X.]). Da die Rechtssetzung durch Tarifvertrag in Ausübung eines Grundrechts der Tarifvertragsparteien (Art. 9 Abs. 3 GG) erfolgt, es sich um eine privatautonome Gestaltung auf [X.] handelt und dabei die auf [X.] bestehenden Vertragsparitätsdefizite typischerweise ausgeglichen werden, sind den Tarifvertragsparteien allerdings größere Freiheiten einzuräumen als dem Gesetzgeber. Ihre größere Sachnähe eröffnet ihnen Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber verschlossen sind (vgl. dazu [X.] aaO [X.]. 36; [X.], 257, 269 f. unter Hinweis auf [X.] 82, 126, 154).

Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und die sich daraus ergebende Tarifautonomie werden durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt (vgl. u.a. [X.] 100, 271, 283 f.; 103, 293, 306 ff.; [X.], 112, 118 ff.). Entgegenstehende, verfassungsrechtlich begründete Positionen können sich insbesondere aus den Grundrechten der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG und die Grundrechte der vom Tarifvertrag erfassten Personen begrenzen sich mithin wechselseitig. Die Grenzen sind durch einen möglichst schonenden Ausgleich zu ermitteln, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Diese Maßstäbe sind auch bei der Überprüfung der Satzungsregelungen der [X.] heranzuziehen ([X.] aaO [X.]. 38).

2. Gemessen daran hält die Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.] der gerichtlichen Kontrolle stand.

a) Im Urteil vom 20. September 2006 ([X.], 122 [X.]. 18, 19) hat der Senat ausgesprochen, dass die Hinterbliebenenrente in der betrieblichen Altersversorgung der [X.] vor allem [X.] hat und es sich deshalb mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, sie wie eine Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung - oder andere ausschließlich fürsorgerisch motivierte Leistungen (etwa die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - §§ 1, 2, 8 Nr. 2, 19 Abs. 2, 41 ff. [X.] - oder die Hilfe zum Lebensunterhalt - §§ 1, 2, 8 Nr. 1, 19 Abs. 1, 27 ff. [X.]) - durch eine Einkommensanrechnung auf Dauer vollständig zum Ruhen zu bringen und damit aufzuzehren. Auch die neue Satzung der [X.] umfasst weiterhin Leistungen zugunsten von Hinterbliebenen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 25 Nr. 1 c und 2 c [X.]), die als Anspruch ausgestaltet und durch Betriebstreue des Verstorbenen mit erdient worden sind ([X.] aaO, vgl. auch [X.] VersR 1979, 1158, 1159). Insoweit besteht von je her ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Privatversicherungsverhältnis und dem gesetzlichen [X.] (vgl. [X.] 70, 101, 111; 58, 81, 110; [X.], 279, 280, 284; 85, 161, 170), der durch die Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einer aus dem Alimentationsgedanken entwickelten betrieblichen Altersversorgung (vgl. [X.] FamRZ 1996, 1067 zu § 65 [X.] a.F.) auf ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem eher bekräftigt als beseitigt worden ist.

b) Mit der zum 1. Januar 2007 in [X.] gesetzten Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.] und der darin festgeschriebenen Mindestquote von 35% der nach § 38 [X.] zu ermittelnden Hinterbliebenenrente, welche dem Hinterbliebenen ungeachtet der Anrechnung eigener Einkünfte in jedem Falle verbleibt, haben die Tarifvertragsparteien - und ihnen folgend der [X.] - den vorgenannten verfassungsrechtlichen Bedenken insoweit ausreichend Rechnung getragen, als es nun nicht mehr zu einem vollständigen Aufzehren der Hinterbliebenenrente kommen kann.

c) Soweit die Revision beanstandet, die verbleibende Mindestquote von 35% der Hinterbliebenenrente genüge quantitativ noch nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergäben, weil auch diese Kappung der Anrechnung große Teile der Rente aufzehre, ist dem nicht zu folgen.

aa) Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Satzung der [X.] die Höhe der Hinterbliebenenversorgung mit Rücksicht auf eigenes Einkommen des versorgungsberechtigten Hinterbliebenen kürzt. Aus dem Umstand, dass die Hinterbliebenenversorgung vom verstorbenen Versicherten als Einkommen erdient worden ist, folgt aus [X.] kein Anspruch des Hinterbliebenen auf eine ungekürzte Auszahlung derjenigen Rente, die dem verstorbenen Versicherten zugestanden hätte. Vielmehr ist die Beklagte als Versicherer im Rahmen der [X.] zunächst frei darin, ihr Leistungsversprechen insoweit einzuschränken. Das ergibt sich schon daraus, dass auch die Hinterbliebenenrente in der Zusatzversorgung der [X.] - insoweit vergleichbar mit der Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung - ohne eigene Beitragsleistung des [X.] und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. insoweit für die gesetzliche Rentenversicherung: [X.] 97, 271, 285). Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich mithin lediglich ableiten, dass wegen des [X.]s der Versicherungsleistung dem Hinterbliebenen selbst dann, wenn er über ausreichende eigene Einkünfte verfügt, ein nennenswerter Rest des vom Verstorbenen erdienten Rentenanspruchs verbleiben muss (Senatsurteile vom 27. März 1985 - [X.] - [X.], 759 unter 2 und [X.], 122 [X.]. 18, 19).

bb) Soweit sich die Tarifvertragsparteien bei der Ruhensregelung auf eine Mindesthinterbliebenenrente von 35% geeinigt haben, hält das der gerichtlichen Kontrolle stand. Insoweit haben sie - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - von ihrem weiten Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Mit dem Erhalt von zumindest mehr als einem Drittel der Hinterbliebenenrente für den Rentenempfänger ist dem Gebot, dass die Rente nicht "aufgezehrt" werden dürfe, ausreichend Genüge getan (zum Begriff der "völligen Entwertung" im Rahmen des § 53 [X.] vgl. auch BVerwGE 120, 154, 165). Die Tarifvertragsparteien waren nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (vgl. [X.], 127 [X.]. 35). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass sich - worauf das Berufungsurteil verweist - die Höhe der maximalen Anrechnung eigenen Einkommens im Ergebnis nicht sehr von der Regelung in § 53 Abs. 5 [X.] unterscheidet. Denn daraus kann nicht entnommen werden, dass sich die Tarifvertragsparteien in Verkennung der Unterschiede zwischen Beamten- und Zusatzversorgung fehlerhaft an den Vorgaben des [X.] orientiert hätten. Vielmehr haben sie in § 41 Abs. 5 [X.] eine eigenständige Regelung getroffen. Insofern ist es auch nicht von Belang, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die von § 53 Abs. 5 [X.] vorgesehenen Anrechnungsmaßstäbe für die Zusatzversorgung der [X.] nicht unterschritten werden dürfen. Maßstab für die gerichtliche Kontrolle war hier allein, ob die Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.] ein vollständiges Aufzehren der Betriebsrente der Verstorbenen ausreichend vermeidet.

cc) Die Neuregelung verstößt schon deshalb nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Zusatzversorgung dem Schutzbereich dieses Grundrechts nicht unterfällt (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung [X.] 97, 271, 283 ff.). Zwar können zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen auch Ansprüche und Anwartschaften auf Rentenleistungen gehören, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf dessen nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen ([X.] aaO m.w.[X.]). Es fehlt hier aber bereits an einer ausschließlichen, privatnützigen Zuordnung, denn die Hinterbliebenenleistung aus der Zusatzversicherung der [X.] erstarkt nicht schon nach Ablauf einer Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht, sondern ist von weiteren Voraussetzungen abhängig. So kann eine Witwerrente nur beansprucht werden, wenn der Versicherte im Todeszeitpunkt mit dem Anspruchsteller in gültiger Ehe gelebt hat. Der Anspruch erlischt sowohl bei [X.] wie auch bei Wiederheirat des Anspruchstellers. Es fehlt weiter die Anknüpfung des Rentenanspruchs an eine individuell zurechenbare Eigenleistung des [X.], denn ähnlich wie bei der gesetzlichen Rente wird die Hinterbliebenenrente als Element des [X.] Ausgleichs dem Rentenempfänger ohne eigene Beitragsleistung und ohne erhöhte Beitragslast für den Versicherten gewährt ([X.] aaO).

dd) Auch aus den von der Revision ins Feld geführten europarechtlichen Vorgaben folgt nichts anderes. Dass der [X.] Leistungen aus einer berufsständischen Versorgung als Entgelt im Sinne der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 ([X.]. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16 ff.) sowie der Antidiskriminierungsbestimmung in Art. 141 des [X.] eingestuft hat ([X.], Urteil vom 1. April 2008 - [X.]/06 - Slg. 2008 Seite [X.]-01816), steht nicht in Widerspruch zur Senatsrechtsprechung, welche das Verbot des Aufzehrens solcher Rentenleistungen durch [X.]en ebenfalls aus diesem [X.] ableitet ([X.], 122 [X.]. 17). Für die Höhe der zulässigen Kürzung einer Hinterbliebenenrente mit Blick auf eigene Einkünfte des [X.] ergeben sich daraus jedoch keine konkreten Vorgaben.

d) Die rückwirkende Inkraftsetzung der erst am 23. November 2007 vom Verwaltungsrat der [X.] beschlossenen Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.] zum 1. Januar 2007 verletzt nicht das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Gebot des Vertrauensschutzes.

aa) Allerdings gebietet die Rechtssicherheit als wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit einer Norm getäuscht wird. Eine verschlechternde Rückwirkung ist deshalb grundsätzlich unvereinbar mit dem insoweit gewährleisteten Vertrauensschutz. Nur in Ausnahmefällen ist eine nachträgliche Verschlechterung der Rechtslage zulässig. Die dazu vom [X.] für den Gesetzgeber entwickelten Maßstäbe ([X.] 18, 429, 439; 24, 75, 98) sind auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten ([X.], 127 [X.]. 53; [X.] NZA 2006, 1285, 1288 m.w.[X.]).

bb) Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen liegt dann vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Bestimmung und der Eintritt ihrer Rechtsfolge auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, die vor demjenigen liegt, zu dem die Bestimmung gültig geworden ist, so dass mit ihr nachträglich ändernd in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird (vgl. dazu [X.] 25, 371, 404; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 C 23/07 - veröffentlicht in juris [X.]. 44).

Ob ein solcher abgeschlossener Sachverhalt hier bereits gegeben war, obwohl die Beklagte seit dem 1. Februar 2007 unter fortdauernder Berufung auf § 41 Abs. 5 [X.] in der vom Senat als unwirksam beanstandeten früheren Fassung keine Rentenzahlungen geleistet hat, kann offen bleiben. Denn jedenfalls ist selbst eine echte Rückwirkung der Neufassung des § 41 Abs. 5 [X.] ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie insoweit voraussehbar war, als die Bezieher von Hinterbliebenenrenten der [X.] zu Beginn des Jahres 2007 bereits damit rechnen mussten (vgl. dazu [X.] 13, 261, 272; 15, 313, 324 f.; 18, 429, 439; 25, 371, 404), dass es zu einer Neuregelung der [X.] käme, die zwar den Beanstandungen des Senats aus der Entscheidung [X.], 122 Rechnung tragen, nicht aber auf eine Anrechnung eigenen Einkommens der rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die Hinterbliebenenrenten vollständig verzichtete. Der Senat (aaO) hatte am 20. September 2006 die frühere [X.] des § 41 Abs. 5 [X.] lediglich deshalb für unwirksam erklärt, weil sie infolge der unbegrenzten Anrechnungsmöglichkeit dazu führen konnte, dass eine vom verstorbenen Versicherten erdiente Hinterbliebenenrente vollständig aufgezehrt wurde. Die Einkommensanrechnung als solche hatte der Senat im Grundsatz aber nicht beanstandet. Danach lag es nahe, dass die Tarifvertragsparteien und die Beklagte alsbald im Rahmen einer Neuregelung der Satzung bestrebt sein würden, diesen verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine den Rentenempfängern zwar günstigere Anrechnung eigenen Einkommens Rechnung zu tragen, bei der es nicht mehr zur vollständigen Rentenkürzung kommen konnte. Demgegenüber sprach nichts dafür, dass die Beklagte künftig auf jegliche Anrechnung eigenen Einkommens der Hinterbliebenenrentenberechtigten verzichten würde. Insoweit hatte die Senatsentscheidung vom 20. September 2006 lediglich vorübergehend dazu geführt, dass die Satzung der [X.] für Hinterbliebenenrenten keine wirksame [X.] mehr enthielt.

cc) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bestand spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 auch kein geschütztes Vertrauen der [X.] mehr darauf, dass dieser vorübergehende Rechtszustand weiterhin fortbestünde.

Im Falle des [X.] galt dies im Übrigen auch deshalb, weil die Beklagte die Hinterbliebenenrente nach Ablauf des [X.] ab dem 1. Februar 2007 unter Berufung auf die vom Senat für unwirksam erklärte [X.] nicht auszahlte. Ungeachtet dessen, dass dieses Verhalten zunächst nicht mehr der aktuellen [X.] entsprach, konnte der Kläger daraus entnehmen, dass die Beklagte plante, die [X.] binnen kurzer Zeit durch eine verfassungskonforme Neuregelung zu ersetzen und dabei im Grundsatz an einer Einkommensanrechnung festzuhalten.

[X.]

                     Dr. [X.]

Meta

IV ZR 7/09

24.02.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 16. Dezember 2008, Az: 12 U 208/08, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 38 VBLSa, § 41 Abs 5 VBLSa

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.02.2010, Az. IV ZR 7/09 (REWIS RS 2010, 9041)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9041

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