Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. IV ZR 7/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9019

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 7/09 Verkündet am:

24. Februar 2010

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.]hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 19. [X.]2010 durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. [X.]und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des [X.]gegen das Urteil des 12. Zi-vilsenats des [X.]vom 16. [X.]wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Streitwert: bis 5.000 • Von Rechts wegen
Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die beklagte Versor-gungsanstalt des [X.]und der Länder (VBL) ihm eine Witwerrente ohne Anwendung der [X.]des § 41 Abs. 5 ihrer Satzung (VBLS) gewähren müsse. 1 1. Die Beklagte hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrecht-licher Versicherung eine zusätzliche Alters-, [X.]und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ergeben sich aus § 38 VBLS. [X.]- 3 -

gänzend verweist § 41 Abs. 5 [X.](als so genannte Ruhensbestim-mung) für die Anrechnung eigenen Einkommens des rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die für die gesetzliche Rentenversicherung gelten-den Bestimmungen. Damit wird auf §§ 89 ff. [X.]und insbesondere § 97 SGB VI verwiesen, der (u.a.) die Einkommensanrechnung auf [X.]regelt.
§ 41 Abs. 5 in der zum 1. Januar 2001 neu gefassten Satzung der [X.]lautete: 3 "Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzli-chen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit der Maß-gabe, dass eventuelle Freibeträge sowie das Einkom-men, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenver-sicherung angerechnet wird, unberücksichtigt bleibt."
Mit Urteil vom 20. September 2006 ([X.]- BGHZ 169, 122) hat der Senat diese Satzungsbestimmung für unwirksam erklärt. 4 Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes am 22. Juni 2007 im Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum Tarifver-trag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) auf eine Neufassung des § 41 Abs. 5 VBLS, welche mit Beschluss des Verwaltungsrates der [X.]vom 23. November 2007 rückwirkend zum 1. Januar 2007 in [X.]gesetzt wurde. Diese 11. Änderung der neuen Satzung der [X.]wurde vom [X.]als zuständiger Auf-sichtsbehörde am 14. Januar 2008 genehmigt und anschließend im [X.]vom 14. Februar 2008 veröffentlicht (BAnz 2008, 503). 5 - 4 -

6 § 41 Abs. 5 [X.]lautet nunmehr: "Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzli-chen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit folgenden Maß-gaben: a) Eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, bleiben unberücksichtigt. b) Der/dem Hinterbliebenen werden mindestens 35 Pro-zent der ihr/ihm nach § 38 zustehenden Betriebsrente gezahlt."
2. Die am 31. März 1955 geborene frühere Ehefrau des [X.]ist am 22. Oktober 2006 verstorben. Sie war als Beschäftige im öffentlichen Dienst seit dem 1. Oktober 1978 bei der [X.]pflichtversichert. 7 Nach dem Tode der Versicherten setzte die Beklagte mit [X.]vom 8. Februar 2007 die Witwerrente des [X.]für die [X.]vom 22. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 (das so genannte Sterbevier-teljahr) auf monatlich 211 • fest. In der Folgezeit erbrachte sie unter Be-rufung auf § 41 Abs. 5 [X.]in der vom Senat beanstandeten Fassung zunächst keine Rentenzahlungen mehr. Erst nach der Neufassung der [X.]gewährte sie dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Fe-bruar 2007 mit monatlich 73,85 • den Mindestbetrag von 35% der Wit-werrente. Seit 1. Juli 2007 hat sich dieser Betrag auf monatlich 74,59 • erhöht. 8 3. Der Kläger wendet sich gegen die Anwendung des § 41 Abs. 5 VBLS, dessen frühere Fassung im Zeitpunkt des Todes seiner Frau nicht 9 - 5 -

wirksam gewesen sei und dessen Neufassung jedenfalls nicht rückwir-kend zum 1. Januar 2007 habe in [X.]gesetzt werden dürfen. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 10 Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 11 [X.]Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die [X.]des § 41 Abs. 5 [X.]auf seine Witwerrente nicht angewendet werde. In ihrer Neufassung, nach der den Hinterbliebenen mindestens 35% der nach § 38 [X.]ermittelten Betriebsrente erhalten blieben, sei die Satzungsbestimmung wirksam. Sie schließe es nunmehr aus, dass Hinterbliebenenrenten durch die Ru-hensregelung vollständig aufgezehrt würden. Die Neuregelung beruhe auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes und überschreite nicht deren Gestaltungsspielraum, weshalb auch der [X.]insoweit weitgehende Gestaltungsfreiheit ge-nieße. Mit höherrangigem Recht sei § 41 Abs. 5 [X.]n.F. vereinbar. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG genüge die Bestimmung den Vorausset-zungen, die der Senat in der Entscheidung BGHZ 169, 122 aufgestellt habe. Im Ergebnis führe die neue Ruhensregelung dazu, dass dem [X.]ca. 20% der Rente erhalten blieben, die der verstorbene Versicherte selbst im Zeitpunkt seines Todes hätte beanspruchen kön-nen. Das entspreche im Wesentlichen der Rechtslage für die Beamten-12 - 6 -

versorgung nach § 53 BeamtVG. Eine völlige Entwertung des vom [X.]Ehegatten verdienten [X.]werde nunmehr ausgeschlossen. Auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG wür-den durch die Neuregelung nicht verletzt.
Schließlich sei es aus [X.]auch nicht zu bean-standen, dass die Neufassung des § 41 Abs. 5 [X.]rückwirkend zum 1. Januar 2007 in [X.]gesetzt worden sei. Seit dem Senatsurteil vom 20. September 2006 (BGHZ 169, 122), mit dem die frühere Fassung des § 41 Abs. 5 [X.]für unwirksam erklärt worden war, hätten die [X.]zwar auf eine verfassungskonforme, ihnen günstigere [X.]vertrauen können, nicht jedoch darauf, dass diese erst später - nach Einigung der Tarifvertragsparteien - in [X.]treten würde. Vielmehr habe schon mit Ablauf des Jahres 2006 kein geschütztes Vertrauen darauf be-standen, dass es nicht alsbald zur Neuregelung käme. 13 I[X.]Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. 14 1. Den rechtlichen Maßstab, anhand dessen § 41 Abs. 5 [X.]in seiner ab dem 1. Januar 2007 in [X.]gesetzten Fassung von den [X.]zu kontrollieren ist, hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127 Tz. 28-38). Ein Vergleich von § 1 Ziffer 4 des [X.]vom 22. Juni 2007 mit der wortgleichen Regelung in § 41 Abs. 5 [X.]n.F. zeigt, dass die Neufassung der [X.]auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht. Sie haben es sich im [X.]an die Senatsentscheidung vom 20. September 2006 (BGHZ 169, 122) vorbehalten, einvernehmlich [X.]- 7 -

zulegen, in welchem Umfang eine Hinterbliebenenrente dem [X.]trotz eigener Einkünfte erhalten und insbesondere welcher Mindest-betrag von einer Anrechnung dieser Einkünfte unberührt bleiben soll. Diese Entscheidung entspringt dem Kernbereich der von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Tarifautonomie. Der Grundrechtsschutz ist nicht für alle koalitionsmäßigen Betätigungen gleich intensiv. Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt vielmehr in dem Maße zu, in dem eine Materie aus [X.]am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann, weil sie nach der dem Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Vor-stellung des [X.]die gegenseitigen Interessen angemes-sener zum Ausgleich bringen können als der Staat. Das gilt vor allem für die Festsetzung der Löhne und der anderen materiellen Arbeitsbedin-gungen ([X.]94, 268, 284 f.). Auch die Zusatzversorgung im öffent-lichen Dienst hat Entgeltcharakter, zählt mithin im weiteren Sinne zum Bereich der Löhne und materiellen Arbeitsbedingungen. Die Gewährung (auch) einer Hinterbliebenenversorgung wiederum ist wesentlicher Teil des den über die Beklagte versicherten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegebenen Leistungsversprechens. Vor diesem Hintergrund [X.]die Festlegung genereller Kriterien für die Bestimmung der Höhe von Hinterbliebenenrenten nicht lediglich einen peripheren Regelungs-gegenstand, sondern einen wesentlichen Teil der Versorgungszusage. Die dieser tarifvertraglichen Vorgabe folgende Satzungsbestimmung des § 41 Abs. 5 [X.]n.F. ist deshalb der Inhaltskontrolle nach den [X.]Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entzogen ([X.]aaO Tz. 32 m.w.N.). Bei der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung solcher Entscheidungen der Tarifvertragsparteien genießt auch der [X.]eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben ([X.]aaO m.w.N.). Insoweit wirkt der Schutz der Tarifautonomie fort, die den [X.]8 -

parteien besondere Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspiel-räume eröffnet.
Da andererseits die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Satz 1 VBLS) eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist die gerichtli-che Kontrolle ihrer Satzungsbestimmungen nach ständiger Rechtspre-chung neben der Prüfung, ob die Rechtsvorschriften der [X.]beachtet sind, jedenfalls darauf zu erstrecken, ob ein [X.]gegen das Grundgesetz vorliegt (vgl. [X.]aaO Tz. 33 f. m.w.N.). Da die Rechtssetzung durch Tarifvertrag in Ausübung eines Grundrechts der Tarifvertragsparteien (Art. 9 Abs. 3 GG) erfolgt, es sich um eine privatautonome Gestaltung auf [X.]handelt und dabei die auf [X.]bestehenden [X.]typischerweise ausgeglichen werden, sind den [X.]allerdings größere Freiheiten einzuräumen als dem Gesetzge-ber. Ihre größere Sachnähe eröffnet ihnen Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber verschlossen sind (vgl. dazu [X.]aaO Tz. 36; BAGE 69, 257, 269 f. unter Hinweis auf [X.]82, 126, 154). 16 Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und die sich daraus ergebende Tarifautonomie werden durch kollidierendes [X.]eingeschränkt (vgl. u.a. [X.]100, 271, 283 f.; 103, 293, 306 ff.; BAGE 99, 112, 118 ff.). Entgegenstehende, verfassungs-rechtlich begründete Positionen können sich insbesondere aus den Grundrechten der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG und die Grundrechte der vom Ta-rifvertrag erfassten Personen begrenzen sich mithin wechselseitig. Die Grenzen sind durch einen möglichst schonenden Ausgleich zu ermitteln, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Diese 17 - 9 -

Maßstäbe sind auch bei der Überprüfung der Satzungsregelungen der [X.]heranzuziehen ([X.]aaO Tz. 38).
2. Gemessen daran hält die Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.]der gerichtlichen Kontrolle stand. 18 a) Im Urteil vom 20. September 2006 (BGHZ 169, 122 Tz. 18, 19) hat der Senat ausgesprochen, dass die Hinterbliebenenrente in der [X.]Altersversorgung der [X.]vor allem Entgeltcharakter hat und es sich deshalb mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, sie wie eine Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung - oder andere ausschließlich fürsorgerisch motivierte Leistungen (etwa die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - §§ 1, 2, 8 Nr. 2, 19 Abs. 2, 41 ff. [X.]- oder die Hilfe zum Lebensunterhalt - §§ 1, 2, 8 Nr. 1, 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII) - durch eine Einkommensanrechnung auf Dauer vollständig zum Ruhen zu bringen und damit aufzuzehren. Auch die neue Satzung der [X.]umfasst weiterhin Leistungen zu-gunsten von Hinterbliebenen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 25 Nr. 1 [X.]und 2 [X.]VBLS), die als Anspruch ausgestaltet und durch Betriebstreue des Verstorbenen mit erdient worden sind ([X.]aaO, vgl. auch [X.]VersR 1979, 1158, 1159). Insoweit besteht von je her ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Privatversicherungsverhältnis und dem gesetzlichen [X.](vgl. [X.]70, 101, 111; 58, 81, 110; BSGE 90, 279, 280, 284; 85, 161, 170), der durch die Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einer aus dem Alimenta-tionsgedanken entwickelten betrieblichen Altersversorgung (vgl. [X.]FamRZ 1996, 1067 zu § 65 [X.]a.F.) auf ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem eher bekräftigt als beseitigt worden ist. 19 - 10 -

20 b) Mit der zum 1. Januar 2007 in [X.]gesetzten Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.]und der darin festgeschriebenen Mindestquote von 35% der nach § 38 [X.]zu ermittelnden Hinterbliebenenrente, welche dem Hinterbliebenen ungeachtet der Anrechnung eigener Einkünfte in jedem Falle verbleibt, haben die Tarifvertragsparteien - und ihnen fol-gend der [X.]- den vorgenannten verfassungsrechtlichen Be-denken insoweit ausreichend Rechnung getragen, als es nun nicht mehr zu einem vollständigen Aufzehren der Hinterbliebenenrente kommen kann. c) Soweit die Revision beanstandet, die verbleibende Mindestquo-te von 35% der Hinterbliebenenrente genüge quantitativ noch nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergäben, weil auch diese Kappung der Anrechnung große Teile der Rente aufzehre, ist dem nicht zu folgen. 21 aa) Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Satzung der [X.]die Höhe der Hinterbliebenenversorgung mit Rücksicht auf eigenes Einkommen des versorgungsberechtigten Hinterbliebenen kürzt. Aus dem Umstand, dass die Hinterbliebenenversorgung vom [X.]Versicherten als Einkommen erdient worden ist, folgt aus [X.]kein Anspruch des Hinterbliebenen auf eine ungekürzte Auszahlung derjenigen Rente, die dem verstorbenen Versicherten [X.]hätte. Vielmehr ist die Beklagte als Versicherer im Rahmen der [X.]zunächst frei darin, ihr Leistungsversprechen insoweit einzuschränken. Das ergibt sich schon daraus, dass auch die Hinterblie-benenrente in der Zusatzversorgung der [X.]- insoweit vergleich-bar mit der Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversiche-22 - 11 -

rung - ohne eigene Beitragsleistung des [X.]und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. insoweit für die gesetzliche Rentenversicherung: [X.]97, 271, 285). Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich mithin lediglich ableiten, dass wegen des Entgeltcharakters der Versicherungsleistung dem Hinterbliebenen selbst dann, wenn er über ausreichende eigene Einkünfte verfügt, ein nennenswerter Rest des vom Verstorbenen erdien-ten Rentenanspruchs verbleiben muss (Senatsurteile vom 27. März 1985 - [X.]- VersR 1985, 759 unter 2 und BGHZ 169, 122 Tz. 18, 19). bb) Soweit sich die Tarifvertragsparteien bei der Ruhensregelung auf eine Mindesthinterbliebenenrente von 35% geeinigt haben, hält das der gerichtlichen Kontrolle stand. Insoweit haben sie - wie das [X.]zutreffend angenommen hat - von ihrem weiten Gestal-tungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Mit dem Erhalt von zumindest mehr als einem Drittel der Hinterbliebenenrente für den Rentenempfänger ist dem Gebot, dass die Rente nicht "aufgezehrt" wer-den dürfe, ausreichend Genüge getan (zum Begriff der "völligen Entwer-tung" im Rahmen des § 53 BeamtVG vgl. auch BVerwGE 120, 154, 165). Die Tarifvertragsparteien waren nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (vgl. BGHZ 174, 127 Tz. 35). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass sich - worauf das Berufungsurteil verweist - die Höhe der maximalen [X.]eigenen Einkommens im Ergebnis nicht sehr von der Regelung in § 53 Abs. 5 BeamtVG unterscheidet. Denn daraus kann nicht entnom-men werden, dass sich die Tarifvertragsparteien in Verkennung der [X.]zwischen Beamten- und Zusatzversorgung fehlerhaft an den Vorgaben des [X.]orientiert hätten. Vielmehr [X.]-

ben sie in § 41 Abs. 5 [X.]eine eigenständige Regelung getroffen. [X.]ist es auch nicht von Belang, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die von § 53 Abs. 5 BeamtVG vorgesehenen [X.]für die Zusatzversorgung der [X.]nicht unterschritten wer-den dürfen. Maßstab für die gerichtliche Kontrolle war hier allein, ob die Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.]ein vollständiges Aufzehren der Be-triebsrente der Verstorbenen ausreichend vermeidet.
cc) Die Neuregelung verstößt schon deshalb nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Zusatz-versorgung dem Schutzbereich dieses Grundrechts nicht unterfällt (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversiche-rung [X.]97, 271, 283 ff.). Zwar können zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen auch Ansprüche und Anwartschaften auf Rentenleistungen gehören, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf dessen nicht un-erheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung die-nen ([X.]aaO m.w.N.). Es fehlt hier aber bereits an einer ausschließ-lichen, privatnützigen Zuordnung, denn die Hinterbliebenenleistung aus der Zusatzversicherung der [X.]erstarkt nicht schon nach Ablauf einer Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht, son-dern ist von weiteren Voraussetzungen abhängig. So kann eine Witwer-rente nur beansprucht werden, wenn der Versicherte im Todeszeitpunkt mit dem Anspruchsteller in gültiger Ehe gelebt hat. Der Anspruch erlischt sowohl bei [X.]wie auch bei Wiederheirat des Anspruchstel-lers. Es fehlt weiter die Anknüpfung des Rentenanspruchs an eine indivi-duell zurechenbare Eigenleistung des Rentenberechtigten, denn ähnlich wie bei der gesetzlichen Rente wird die Hinterbliebenenrente als Element 24 - 13 -

des [X.]Ausgleichs dem Rentenempfänger ohne eigene Beitrags-leistung und ohne erhöhte Beitragslast für den Versicherten gewährt ([X.]aaO). dd) Auch aus den von der Revision ins Feld geführten europa-rechtlichen Vorgaben folgt nichts anderes. Dass der [X.]Leistungen aus einer berufsständischen Versorgung als Entgelt im Sinne der Richtlinie 2000/78/[X.]vom 27. November 2000 (ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16 ff.) sowie der Antidis-kriminierungsbestimmung in Art. 141 des [X.]eingestuft hat (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - C-267/06 - Slg. 2008 Seite I-01757-01816), steht nicht in Widerspruch zur Senatsrechtsprechung, welche das Verbot des Aufzehrens solcher Rentenleistungen durch [X.]ebenfalls aus diesem Entgeltcharakter ableitet (BGHZ 169, 122 Tz. 17). Für die Höhe der zulässigen Kürzung einer Hinterbliebenen-rente mit Blick auf eigene Einkünfte des [X.]ergeben sich daraus jedoch keine konkreten Vorgaben. 25 d) Die rückwirkende Inkraftsetzung der erst am 23. November 2007 vom Verwaltungsrat der [X.]beschlossenen Neuregelung des § 41 Abs. 5 [X.]zum 1. Januar 2007 verletzt nicht das aus dem Rechts-staatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Gebot des Vertrauens-schutzes. 26 aa) Allerdings gebietet die Rechtssicherheit als wesentliches [X.]der Rechtsstaatlichkeit, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verläss-lichkeit einer Norm getäuscht wird. Eine verschlechternde Rückwirkung ist deshalb grundsätzlich unvereinbar mit dem insoweit gewährleisteten 27 - 14 -

Vertrauensschutz. Nur in Ausnahmefällen ist eine nachträgliche Ver-schlechterung der Rechtslage zulässig. Die dazu vom Bundesverfas-sungsgericht für den Gesetzgeber entwickelten Maßstäbe ([X.]18, 429, 439; 24, 75, 98) sind auch von den Tarifvertragsparteien zu [X.](BGHZ 174, 127 Tz. 53; [X.]NZA 2006, 1285, 1288 m.w.N.). bb) Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen liegt dann vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Bestimmung und der Eintritt ihrer Rechtsfolge auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, die vor demjenigen liegt, zu dem die Bestimmung gültig geworden ist, so dass mit ihr nachträglich ändernd in einen bereits abgeschlossenen Sachver-halt eingegriffen wird (vgl. dazu [X.]25, 371, 404; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 C 23/07 - veröffentlicht in juris Tz. 44). 28 Ob ein solcher abgeschlossener Sachverhalt hier bereits gegeben war, obwohl die Beklagte seit dem 1. Februar 2007 unter fortdauernder Berufung auf § 41 Abs. 5 [X.]in der vom Senat als unwirksam bean-standeten früheren Fassung keine Rentenzahlungen geleistet hat, kann offen bleiben. Denn jedenfalls ist selbst eine echte Rückwirkung der Neufassung des § 41 Abs. 5 [X.]ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie insoweit voraussehbar war, als die Bezieher von Hinterbliebe-nenrenten der [X.]zu Beginn des Jahres 2007 bereits damit [X.]mussten (vgl. dazu [X.]13, 261, 272; 15, 313, 324 f.; 18, 429, 439; 25, 371, 404), dass es zu einer Neuregelung der Ruhensbestim-mung käme, die zwar den Beanstandungen des Senats aus der Ent-scheidung BGHZ 169, 122 Rechnung tragen, nicht aber auf eine [X.]eigenen Einkommens der rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die Hinterbliebenenrenten vollständig verzichtete. Der Senat (aaO) hatte am 20. September 2006 die frühere [X.]des § 41 Abs. 5 29 - 15 -

[X.]lediglich deshalb für unwirksam erklärt, weil sie infolge der unbe-grenzten Anrechnungsmöglichkeit dazu führen konnte, dass eine vom verstorbenen Versicherten erdiente Hinterbliebenenrente vollständig auf-gezehrt wurde. Die Einkommensanrechnung als solche hatte der Senat im Grundsatz aber nicht beanstandet. Danach lag es nahe, dass die [X.]und die Beklagte alsbald im Rahmen einer [X.]der Satzung bestrebt sein würden, diesen verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine den Rentenempfängern zwar günstigere [X.]eigenen Einkommens Rechnung zu tragen, bei der es nicht mehr zur vollständigen Rentenkürzung kommen konnte. Demgegenüber sprach nichts dafür, dass die Beklagte künftig auf jegliche Anrechnung eigenen Einkommens der Hinterbliebenenrentenberechtigten verzichten würde. Insoweit hatte die Senatsentscheidung vom 20. September 2006 lediglich vorübergehend dazu geführt, dass die Satzung der [X.]für Hinterbliebenenrenten keine wirksame [X.]mehr ent-hielt. cc) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, [X.]spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 auch kein geschütztes Ver-trauen der [X.]mehr darauf, dass dieser vorübergehende Rechtszustand weiterhin fortbestünde. 30 Im Falle des [X.]galt dies im Übrigen auch deshalb, weil die Beklagte die Hinterbliebenenrente nach Ablauf des [X.]ab dem 1. Februar 2007 unter Berufung auf die vom Senat für unwirksam erklärte [X.]nicht auszahlte. Ungeachtet dessen, dass dieses Verhalten zunächst nicht mehr der aktuellen Satzungslage ent-sprach, konnte der Kläger daraus entnehmen, dass die Beklagte plante, die [X.]binnen kurzer [X.]durch eine [X.]- 16 -

forme Neuregelung zu ersetzen und dabei im Grundsatz an einer Ein-kommensanrechnung festzuhalten.
[X.] [X.] [X.] Dr. [X.] [X.] Vorinstanzen: LG Karlsruhe, Entscheidung vom [X.]- 6 O 232/07 - OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.12.2008 - 12 U 208/08 -

Meta

IV ZR 7/09

24.02.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. IV ZR 7/09 (REWIS RS 2010, 9019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9019

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