Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.04.2019, Az. B 13 R 204/18 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 8686

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Geltendmachung der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Umwandlung einer bereits bezogenen Rente für langjährig Versicherte in eine Rente für besonders langjährig Versicherte zum 1.7.2014.

2

Die Beklagte hat dieses Begehren abgelehnt und das [X.] hat deren Auffassung bestätigt sowie die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Die Berufung des [X.] hiergegen hat das L[X.] durch Urteil vom 28.6.2018 zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das B[X.] und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Ferner rügt er einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 13.9.2018 genügt nicht der vorgeschriebenen Form.

4

1. Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

5

Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig darzulegen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.]9; B[X.] vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] ff; B[X.] vom 7.10.2005 - B 1 KR 107/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 4, jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des B[X.] zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das B[X.] zu diesem [X.] noch keine Entscheidung getroffen oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier als maßgebend erkannte Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (vgl B[X.] vom 24.1.2018 - [X.] [X.]/14 B - Juris Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]83 mwN).

6

Diese Anforderungen sind auch verfassungsrechtlich unbedenklich ([X.] vom 23.1.2006 - 1 BvR 1786/01 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] f; [X.] vom 15.2.2006 - 1 BvR 2597/05 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 4 f; [X.] vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] ff).

7

Die Beschwerdebegründung wird diesen Voraussetzungen nicht gerecht.

8

Ihre Zulässigkeit scheitert bereits daran, dass der Kläger keine abstrakte, seiner Ansicht nach klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert. Er führt lediglich eine von ihm erkannte Problemlage an, indem er ausführt: "Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gem § 160 Abs 2 [X.] [X.]G hat. Die verfassungsmäßige Auslegung des § 34 Abs 4 [X.]B VI ist für alle bisherigen und künftigen Gesetzesänderungen maßgeblich und bedeutsam." Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage in der Beschwerdebegründung ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl B[X.] vom [X.] - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 Rd[X.]0; B[X.] vom 5.11.2008 - B 6 [X.]/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7; s auch [X.], [X.]b 2007, 261, 265; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]81).

9

Selbst wenn man - unter Heranziehung seiner weiteren Ausführungen - annehmen wollte, er hielte es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 34 Abs 4 [X.] [X.]B VI auch den Fall erfasse, dass die Voraussetzungen für eine weitere Altersrente erst durch eine nach der Bewilligung der ersten Altersrente erfolgte Gesetzesänderung erfüllt werden können - hier also die Einführung einer vorgezogenen Altersrente für besonders langjährig Versicherte zum 1.7.2014 nach dem Beginn des Bezugs einer anderen Altersrente ab dem 1.1.2014 - bzw ob der in § 34 Abs 4 [X.] [X.]B VI normierte Ausschluss einer solchen Umwandlung ggf verfassungswidrig ist, mangelt es vorliegend an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Fragen.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Insoweit reicht es jedoch - wie hier geschehen - nicht, lediglich zu behaupten, die vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung befasse sich mit einer anderen Fallgestaltung. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Frage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]). Es hätte hier daher zumindest einer eingehenderen Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Senats vom [X.] ([X.] R 44/06 R - [X.] 4-2600 § 236a [X.]) und [X.] ([X.] R 44/07 R - [X.] 4-2600 § 236a [X.]) bedurft sowie dargelegt werden müssen, warum sich aus ihnen keine Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben.

Denn in der ersten der beiden benannten Entscheidungen hat das B[X.] befunden, soweit das [X.] ([X.]) ab [X.] den Wechsel einer bindend festgestellten Altersrente in eine andere Rente wegen Alters ausschließe, sei das Vertrauen solcher Versicherten, die im Juli 2004 als schwerbehinderte Menschen anerkannt worden seien, auf den Fortbestand der Möglichkeit eines solchen Wechsels nicht geschützt (Leitsatz). Insoweit genügt es nicht anzudeuten, der Sachverhalt des vorliegenden Falls unterscheide sich von dem des bereits vom B[X.] entschiedenen, indem in Letzterem der Hinzutritt der Veränderung in der Natur des Versicherten und nicht wie hier in einer Gesetzesänderung gelegen habe. Hier wäre es erforderlich gewesen darzubringen, dass und warum die diesem Leitsatz zugrunde liegende Begründung nicht für die Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfrage unter Berücksichtigung der konkreten Fallkonstellation herangezogen werden könne. Insoweit fehlt es bereits an einer genauen Sachverhaltsdarstellung, die es dem Beschwerdegericht ermöglichen könnte, die Unterschiede nachzuvollziehen.

        

Darüber hinaus verfehlt die Beschwerdebegründung auch die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage im Hinblick auf die vermeintliche Verfassungswidrigkeit oder - dies scheint eher das Anliegen des Klägers zu sein - die verfassungskonforme Auslegung des § 34 Abs 4 [X.]B VI. [X.] hat der Senat diese Anforderungen bereits im Beschluss vom 30.12.2015 ([X.] R 345/15 B - Juris) für einen ähnlichen Sachverhalt und darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das vom dortigen Kläger für verfassungswidrig erachtete Versagen einer Umwandlung (Verstoß gegen Art 20 Abs 3 und Art 3 Abs 1 [X.]) einer bereits bestandskräftig (bindend) mit Abschlägen bewilligten Altersrente wegen Altersteilzeitarbeit ("[X.]") aufgrund der Regelung des § 34 Abs 4 [X.] [X.]B VI in eine (abschlagsfreie) Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach der am 1.7.2014 in [X.] getretenen Regelung des § 236b [X.]B VI im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] zu diskutieren sei. Er hat insoweit auf dessen Entscheidungen zu [X.] Bezug genommen. Dazu hat er dargelegt, dass sich aus ihnen ergäbe, jeder Stichtag bringe unvermeidliche Härten mit sich, ohne dass dies jeweils zur Verfassungswidrigkeit der Regelung führe. Ein Beschwerdeführer müsse daher zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] zumindest untersuchen,

-        

 ob der Gesetzgeber des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes den ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraum mit der Begrenzung der Privilegierung des § 236b [X.]B VI auf die zur [X.] seines Inkrafttretens am 1.7.2014 noch nicht im [X.] befindlichen Versicherten sachwidrig überschritten habe,  

-        

ob er die für die zeitliche Anknüpfung und sachliche Beschränkung auf "Zugangsrentner" und dem damit einhergehenden Verzicht, die bereits abgeschlossenen Rentenvorgänge der "[X.]" aufzugreifen, in Betracht kommenden Faktoren (zB Finanzierbarkeit des Systems) nicht hinreichend gewürdigt habe und       

-        

 ob die gefundene Regelung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sachlich nicht vertretbar erscheine (vgl zu diesen verfassungsrechtlichen Prüfungskriterien bei [X.] zB [X.] vom [X.] - 1 BvR 564/84 ua - [X.]E 75, 78, 106 = [X.] 2200 § 1246 [X.]42 S 467 f; [X.] vom 23.11.1999 - 1 [X.] - [X.]E 101, 239, 270). Ferner sei darzulegen, warum die Entscheidung des [X.], dass die dauerhaften "Rentenabschläge" durch Minderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit nicht gegen das [X.] verstoße, hier keine Berücksichtigung finden könne ([X.] vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - [X.]E 122, 151 = [X.] 4-2600 § 237 [X.]). Derartige Ausführungen finden sich nicht einmal ansatzweise in der vorliegenden Beschwerdebegründung.      

Zudem fehlen auch Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im konkreten Fall. Der Senat vermag anhand des Vorbringens des [X.] nicht zu prüfen, ob die Beantwortung der möglicherweise aufgeworfenen Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt möglich und ihre Antwort für die Beurteilung der Rechtslage im konkreten Fall erheblich ist. Die Beschwerdebegründung enthält nur eine sehr rudimentäre Sachverhaltsdarstellung. Aus ihr ergibt sich nicht einmal, aus welcher Rentenart der Kläger wechseln wollte. Auch legt er nicht dar, wann er welche Rente beantragt hat und unter welchen Bedingungen sie ihm bewilligt bzw offensichtlich versagt worden ist. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung bzw Bezeichnung des [X.]. Es ist nicht Aufgabe des [X.], sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil herauszusuchen (B[X.] vom 23.7.2007 - [X.]/4 R 381/06 B - Juris RdNr 8 mwN).

2. Dieser Mangel berührt auch die Überprüfung des vom Kläger über die grundsätzliche Bedeutung hinaus gerügten Verfahrensfehlers, den er nicht einmal genau bezeichnet. Soweit er den Verfahrensfehler darin erblickt, dass das L[X.] die Anwendungsgrenzen des § 34 [X.]B VI nicht geprüft und verkannt hat, rügt er keinen Fehler des Verfahrens, sondern der Rechtsanwendung. Dies stellt keinen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G dar. Denn zu den [X.] zählen nur Verstöße gegen das Prozessrecht einschließlich der Vorschriften, auf die das [X.]G unmittelbar oder mittelbar verweist. [X.] sind folglich nur Fehler, die dem Gericht auf dem Weg zu seiner Entscheidung unterlaufen sind (error in procedendo; vgl B[X.] vom [X.] R 334/11 B - Juris Rd[X.] mwN; s auch B[X.] vom 21.11.2018 - [X.] R 280/17 B - Juris Rd[X.]).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 204/18 B

01.04.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Braunschweig, 8. April 2016, Az: S 36 R 200/15, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6, § 236b SGB 6, RVLVG, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.04.2019, Az. B 13 R 204/18 B (REWIS RS 2019, 8686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8686

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvF 1/94

1 BvR 2856/07

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