Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.03.2017, Az. V ZB 150/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13929

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Gegenstand

Zwangsversteigerung: Versagung des Zuschlags wegen Suizidgefährdung des Vollstreckungsschuldners


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 26. September 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Die Vollziehung des [X.] vom 14. Juli 2016 (20 K 69/07) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners ausgesetzt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 148.000 € für die anwaltliche Vertretung des Schuldners.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt seit dem [X.] die Zwangsversteigerung der eingangs genannten Grundstücke des Schuldners, deren Werte mit 83.000 € und 65.000 € festgesetzt wurde. Das Verfahren wurde wegen einer bestehenden Suizidgefährdung des Schuldners mehrmals einstweilen eingestellt. In dem Versteigerungstermin am 5. September 2011 wurde ein [X.] über 60.000 € abgegeben. Auf Antrag des Schuldners versagte das Amtsgericht nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme den Zuschlag auf das [X.] und stellte das Verfahren einstweilen bis zum 21. April 2012 ein. Dabei wies es den Schuldner darauf hin, dass sein Gesundheitszustand nicht zu einer dauerhaften Einstellung des Verfahrens führen könne; er sei daher gehalten, durch geeignete Maßnahmen seinen Gesundheitszustand zu stabilisieren. Vor dem für den 7. Februar 2013 anberaumten nächsten Versteigerungstermin stellte der Schuldner erneut Vollstreckungsschutzantrag, den er wiederum mit akuter Suizidgefahr begründete. Er teilte dabei mit, dass er keine psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen habe, da sich sein Zustand infolge der vorläufigen Einstellung des Verfahrens stabilisiert habe. Eine erhebliche Verschlechterung sei mit der Fortsetzung des Verfahrens eingetreten. In dem Termin wurde ein [X.] über 62.000 € abgegeben. Nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, die wiederum vom Vorliegen einer Suizidgefahr bei dem Schuldner ausging, versagte das Amtsgericht erneut den Zuschlag und stellte das Verfahren bis zum 27. September 2013 einstweilen ein. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der betreibenden Gläubigerin wies das [X.] nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zurück. Seine im März 2013 aufgenommene ambulante psychotherapeutische Behandlung beendete der Schuldner im April 2014. Unmittelbar vor dem nächsten Versteigerungstermin am 18. Dezember 2014 beantragte er erneut die einstweilige Einstellung wegen Suizidgefahr. In dem Termin wurde ein Gebot über 60.000 € abgegeben. Den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts hob das [X.] auf die sofortige Beschwerde des Schuldners auf, versagte den Zuschlag und stellte die Zwangsversteigerung einstweilen bis zum 14. März 2016 ein. In diesem Beschluss gab es dem Schuldner auf, sich in eine psychotherapeutische Behandlung zu begeben und dies dem Vollstreckungsgericht gegenüber nachzuweisen. Der Schuldner wurde darauf hingewiesen, dass weiterer Vollstreckungsschutz nicht in Betracht käme, sollte er der Auflage nicht nachkommen. Ab dem 5. April 2016 wurde das Verfahren fortgesetzt. Vor dem auf den 30. Juni 2016 bestimmten Versteigerungstermin stellte der Schuldner erneut Vollstreckungsschutzantrag. Zur Begründung führte er aus, er sei zunächst aufgrund von Erkrankungen nicht zur Aufnahme einer Therapie in der Lage gewesen; anschließend habe es keine zeitnahen Termine gegeben. Außerdem sei seine Skepsis an einem Behandlungserfolg weiterhin bestehen geblieben. Von seinem Entschluss, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, sei er wieder abgerückt. In dem Versteigerungstermin blieb der Ersteher mit einem Gebot von 60.000 € Meistbietender.

2

Mit Beschlüssen vom 14. Juli 2016 hat das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners zurückgewiesen und dem Ersteher den Zuschlag erteilt. Die gegen beide Beschlüsse gerichteten sofortigen Beschwerden hat das [X.] zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser will der Schuldner die Versagung des Zuschlags und die einstweilige Einstellung des [X.] erreichen.

II.

3

Das Beschwerdegericht geht aufgrund von mehreren gutachterlichen Stellungnahmen der Amtsärztin sowie des in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachtens eines Psychiaters und Psychotherapeuten davon aus, dass der Schuldner psychisch erkrankt ist und dass ernsthaft mit einem Suizid des Schuldners gerechnet werden muss, falls der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig wird und der Schuldner damit sein Eigentum an dem von ihm bewohnten Haus - seinem Elternhaus - endgültig verliert. Die Abwendung der Suizidgefahr werde nach allen eingeholten ärztlichen Stellungnahmen nur durch eine konsequente längerfristige psychotherapeutische Behandlung erfolgen können. Andere Möglichkeiten stünden nicht zu Gebote. Eine Unterbringung, die Gabe von Medikamenten oder eine stationäre Behandlung seien nicht geeignet, den zugrundeliegenden Konflikt zu lösen und es dem Schuldner zu ermöglichen, anders als mit einem Selbstmord auf den [X.] zu reagieren sowie sich sicher von seinen Selbstmordabsichten zu distanzieren. Eine solche längerfristige Psychotherapie habe der Schuldner nicht aufgenommen. Nach Ansicht des [X.] besteht auch keinerlei Aussicht darauf, dass er sich dazu bereitfinden werde. Dies sei zur Überzeugung des Gerichts nicht darauf zurückzuführen, dass der Schuldner krankheitsbedingt nicht in der Lage wäre, eine solche Therapie anzugehen oder durchzuführen. Zwar sei die ihm diagnostizierte Anpassungsstörung auch durch Antriebslosigkeit gekennzeichnet. Dass er bis heute keine Therapie begonnen habe, liege aber nicht hierin begründet, sondern sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass er nach eigenem glaubhaften Vorbringen skeptisch sei, ob ihm eine Psychotherapie überhaupt helfen werde. Mithin sei davon auszugehen, dass der momentane Zustand des Schuldners sich in den nächsten Jahren nicht verändern werde. Auch eine Unterbringung oder Ingewahrsamnahme könne lediglich für die [X.] ihrer Dauer helfen; danach werde die Gefahr eines „Bilanzselbstmords“ weiterhin bestehen bleiben. Einzig in Betracht komme daher eine dauerhafte Einstellung des [X.] ohne Auflagen, was praktisch einem dauerhaften Eingriff in das Eigentumsrecht der betreibenden Gläubigerin gleichkäme. Vor diesem Hintergrund überwögen nunmehr deren Interessen.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 96 [X.] i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des [X.] rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

5

1. Einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 [X.] stattzugeben, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem [X.] verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - [X.] 138/15, [X.], 238 Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 5; Beschluss vom 12. November 2014 - [X.] 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN). Den Feststellungen des [X.] zufolge ist der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung ernsthaft suizidgefährdet, und zwar schon durch den mit dem Eintritt der Rechtskraft des [X.] bewirkten [X.] als solchen; hiervon ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.

6

2. Das Beschwerdegericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Vielmehr ist das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse des von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das [X.] (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mit Blick auf die Interessen des [X.] gilt nichts anderes (zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - [X.] 138/15, [X.], 238 Rn. 11; Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 6; Beschluss vom 12. November 2014 - [X.] 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7 mwN; vgl. auch [X.], [X.] 2014, 874 Rn. 11 f.).

7

a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment (Rechtskraft des [X.] oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben. Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte ergeben, die die Lage entscheidend verändern (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 7; Beschluss vom 12. November 2014 - [X.] 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 8 mwN). Das Vollstreckungsgericht ist daher gehalten, die zuständigen Stellen zu beteiligen, wenn entsprechende Maßnahmen als Alternative zur einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung in Betracht kommen ([X.], [X.] 2011, 849, 854; siehe zur primären Zuständigkeit der Behörden und des Betreuungsgerichts für den Lebensschutz auch [X.], [X.] 2014, 874 Rn. 12).

8

b) Steht hingegen fest oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren (ggfs. erneut) auf bestimmte [X.] einzustellen. Gleiches gilt, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 8; Beschluss vom 15. Juli 2010 - [X.] 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 14 mwN; siehe auch [X.], [X.] 2014, 874 Rn. 11 mwN). Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren [X.]raums eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des [X.] führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, aaO, Rn. 8 mwN).

9

3. Diesen Vorgaben der ständigen Rechtsprechung sowohl des Senats als auch des [X.] wird die Vorgehensweise des [X.] aus mehreren Gründen nicht gerecht.

a) Die durch das Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners nicht auf andere Weise als durch die dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Das Beschwerdegericht geht auf der Grundlage der bisher eingeholten ärztlichen Stellungnahmen davon aus, dass die Suizidgefahr durch eine konsequente längerfristige psychotherapeutische Behandlung abgewendet werden kann. Die Möglichkeit, eine solche Behandlung durch bestimmte flankierende Maßnahmen, wie etwa eine vorübergehende Unterbringung des Schuldners oder eine ihm aufzuerlegende stationäre Behandlung (hierzu Zschieschack/Brücher, [X.], 745, 747 f.), sicherzustellen, lässt sich mit der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen. Dass der Schuldner in der Vergangenheit psychotherapeutische Behandlungen nicht aufgenommen oder aus eigenem Antrieb beendet hat, belegt alleine nicht, dass eine Unterbringung zu dem Zwecke der therapeutischen Behandlung keine Aussicht auf Erfolg hat. Wie das Beschwerdegericht selbst feststellt, ist die bei dem Schuldner diagnostizierte Anpassungsstörung auch durch Antriebslosigkeit gekennzeichnet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldner sich ungeachtet seiner Skepsis und der Aussicht, im Falle einer erfolgreichen Therapie mit einer Fortsetzung des [X.] rechnen zu müssen, einer solchen im Falle der Unterbringung stellen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2013 - [X.], NJW 2014, 2288 Rn. 27). Zumindest hätte das Beschwerdegericht diese Möglichkeit in Erwägung ziehen und die Amtsärztin bzw. den psychiatrischen Sachverständigen zu den Erfolgsaussichten einer solchen Maßnahme befragen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 12). Die Annahme des [X.], eine Unterbringung könne lediglich für die [X.] ihrer Dauer helfen und danach sei die Gefahr eines Bilanzselbstmords weiterhin gegeben, bleibt ohne entsprechende Sachaufklärung mit ärztlicher Hilfe spekulativ und wird dem Gebot der sorgfältigen Abwägung der gegenseitigen Interessen des Betroffenen und des Gläubigers nicht gerecht.

b) Die Feststellungen des [X.]s tragen auch nicht seine Schlussfolgerung, dass eine solche Unterbringung vorliegend nicht in Betracht kommt. Nach dem einschlägigen Landesrecht ist dies nicht ausgeschlossen. § 11 Abs. 1 des [X.] Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG [X.]) erlaubt eine Unterbringung Betroffener, wenn und solange durch deren krankheitsbedingtes Verhalten eine erhebliche Selbstgefährdung besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Dass eine Unterbringung auf dieser Grundlage nicht möglich ist, hat das Beschwerdegericht nicht begründet. Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden sich ihrer Verantwortung dadurch entziehen, dass sie auf die Möglichkeit der Einstellung des [X.] verweisen. Das Beschwerdegericht durfte daher nicht davon absehen, die für den Antrag auf Unterbringung des Schuldners nach § 12 PsychKG [X.] zuständige örtliche Ordnungsbehörde zu befassen.

c) Entsprechendes gilt für die betreuungsrechtliche Unterbringung des Schuldners. Im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung setzt die Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) keine akute, unmittelbare bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 15; [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - [X.] 118/10, NJW-RR 2010, 1370 Rn. 10). Zwar darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB). Das Beschwerdegericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner einer solchen Betreuung widersetzen würde und ob ein solcher Entschluss auf einer freien Willensbildung beruhte. Es wäre daher gehalten gewesen, zunächst das Betreuungsgericht einzuschalten, gegebenenfalls gleichzeitig mit der Befassung der für die Unterbringung nach § 12 PsychKG [X.] zuständigen Stellen.

IV.

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Entscheidung reif, da nicht abschließend feststeht, ob eine erneute befristete Einstellung des Verfahrens zur Abwendung der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners geeignet ist.

2. Das Beschwerdegericht wird die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob der Schuldner mit dem Ziel einer therapeutischen Behandlung untergebracht werden kann, nachzuholen haben. Dabei bietet es sich auch im Hinblick auf die schon jetzt erhebliche Verfahrensdauer an, die hierfür zuständigen Behörden parallel zu beteiligen und jeweils von der Befassung der anderen Behörden in Kenntnis zu setzen, um eine Koordination der zu ergreifenden Maßnahmen zu ermöglichen.

3. Gelangt das Beschwerdegericht bei der abschließenden, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Würdigung der Gesamtumstände (vgl. [X.], [X.], 701 Rn. 19; Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 19; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - [X.] 80/12, [X.], 162 Rn. 8) zu dem Ergebnis, dass eine zeitweise Unterbringung vor Erteilung des Zuschlages keine Aussicht auf Erfolg hat oder aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist bzw. von den hiermit befassten öffentlichen Stellen nicht angeordnet wird, so wird es nach den genannten Maßstäben gleichwohl die Möglichkeit einer befristeten Einstellung des [X.] nicht von vornherein mit der bisher gegebenen Begründung ausschließen können, selbst wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners gering sein sollten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - [X.] 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 13).

V.

1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des [X.] dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bis zur erneuten Entscheidung des [X.] gemäß § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO auszusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.] 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 20; Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.] 48/10, NJW-RR 2011, 1452 Rn. 17).

2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung des Schuldners beruht auf § 26 Nr. 2 [X.]. Gerichtskosten sind in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angefallen.

Schmidt-Räntsch     

       

Brückner     

       

Weinland

       

Kazele     

       

Hamdorf     

       

Meta

V ZB 150/16

16.03.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 17. Januar 2017, Az: V ZB 150/16, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 14 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 765a ZPO, § 83 Nr 6 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.03.2017, Az. V ZB 150/16 (REWIS RS 2017, 13929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13929


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZB 150/16

Bundesgerichtshof, V ZB 150/16, 16.03.2017.

Bundesgerichtshof, V ZB 150/16, 17.01.2017.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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