Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. II B 46/13

2. Senat | REWIS RS 2013, 943

EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ STEUERRECHT ERBEN ERBSCHAFTSTEUER BUNDESFINANZHOF (BFH) NORMKONTROLLE

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Gegenstand

(Vorläufiger Rechtsschutz wegen des beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG ab 2009)


Leitsatz

1. Die Vollziehung eines auf § 19 Abs. 1 ErbStG ab 2009 beruhenden Erbschaftsteuerbescheids ist wegen des beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens 1 BvL 21/12 auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht.

2. Ein berechtigtes Interesse liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels des Erwerbs liquider Mittel (wie z.B. Bargeld, Bankguthaben, mit dem Ableben des Erblassers fällige Versicherungsforderungen) zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss.

3. An der Rechtsprechung, nach der eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung nicht zu gewähren ist, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird, hält der Senat nicht mehr fest.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die geschiedene [X.]hefrau des im September 2011 verstorbenen [X.]rblassers ([X.]). Aufgrund eines Vermächtnisses des [X.] erhält sie auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 2.700 €.

2

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) setzte für den [X.]rwerb der Antragstellerin in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 [X.]rbschaftsteuer in Höhe von 71.000 € fest, die die Antragstellerin am 2. November 2012 entrichtete.

3

Mit dem [X.]inspruch machte die Antragstellerin im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des [X.] ([X.]) vom 27. September 2012 II R 9/11 ([X.][X.] 238, 241, [X.], 899) und das damit beim [X.] ([X.]) anhängige Verfahren 1 BvL 21/12 die Verfassungswidrigkeit des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des [X.]rbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 --[X.]rbStG-- ([X.], 3018) geltend. Das [X.]inspruchsverfahren ruht bis zu einer [X.]ntscheidung des [X.] im Verfahren 1 BvL 21/12.

4

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung ([X.]) lehnte das [X.] ab. Die beim Finanzgericht ([X.]) beantragte Aufhebung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt. Das [X.] führte zur Begründung aus, das [X.] der Antragstellerin überwiege nicht die öffentlichen Interessen am ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung. Die festgesetzte [X.]rbschaftsteuer belaufe sich nur auf knapp 25 % des [X.]rwerbs. Die Antragstellerin könne etwaige finanzielle Härten durch die Wahl der [X.] gemäß § 23 [X.]rbStG abmildern. Die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung käme dagegen einem einstweiligen Außerkraftsetzen des [X.]rbStG gleich.

5

Mit der Beschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung des § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 7 sowie Abs. 3 Sätze 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Garantie auf effektiven Rechtsschutz könne einem Steuerpflichtigen bei einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass nach der Rechtsprechung des [X.] dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Vorrang vor dem Interesse des Steuerpflichtigen an einer [X.] eingeräumt werde (vgl. [X.]-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, [X.][X.] 228, 149, [X.], 558). Außerdem fehle eine gesetzliche Grundlage, die bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer der Besteuerung zugrunde gelegten Norm ein besonderes berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der [X.] verlange. Die Ablehnung der [X.] sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass nach der Rechtsprechung des [X.] (II. Senat) regelmäßig keine weitergehende [X.]ntscheidung getroffen werden könne als vom [X.] zu erwarten sei (vgl. [X.]-Beschluss vom 17. Juli 2003 II B 20/03, [X.][X.] 202, 380, [X.] 2003, 807). Dies bedeute eine Vorwegnahme der [X.]ntscheidung in der Hauptsache, weil die fortgesetzte Vollziehung aller [X.]rbschaftsteuerbescheide kaum rückgängig zu machen sei und damit für den einzelnen Steuerpflichtigen dauerhaft nachteilige Wirkungen habe.

6

Die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung und die Vollziehung des [X.]rbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen [X.] sind aufzuheben. [X.]ntgegen der Auffassung des [X.] kommt dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des [X.] zu.

9

1. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.] bestehen --wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat-- ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O hat das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. [X.]rnstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 3. April 2013 V B 125/12, [X.], 447, m.w.N.). Im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsaktes ist die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O).

b) Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 [X.]. Beim [X.] ist unter dem [X.]. 1 BvL 21/12 ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 [X.] i.V.m. §§ 13a und 13b [X.] wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 [X.]) verfassungswidrig ist, weil die in §§ 13a und 13b [X.] vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgehen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden (vgl. Vorlagebeschluss des [X.] in [X.][X.] 238, 241, [X.], 899).

2. Das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung ist gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des [X.] vorrangig.

a) Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Aufhebung der Vollziehung, die mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden [X.] begründet wird, voraus, dass nach den Umständen des [X.]inzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.][X.] 228, 149, [X.], 558; vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, [X.]/NV 2010, 1613; vom 9. März 2012 VII B 171/11, [X.][X.] 236, 206, [X.], 418; vom 13. März 2012 I B 111/11, [X.][X.] 236, 501, [X.], 611; vom 9. Mai 2012 I B 18/12, [X.]/NV 2012, 1489; vom 18. Juni 2012 II B 17/12, [X.]/NV 2012, 1652; [X.]rfordernis eines berechtigten Interesses offen gelassen: [X.]-Beschlüsse vom 23. August 2007 VI B 42/07, [X.][X.] 218, 558, [X.], 799, und vom 25. August 2009 VI B 69/09, [X.][X.] 226, 85, [X.], 826).

Das [X.] hat dieser Rechtsprechung im Grundsatz zugestimmt ([X.]-Beschlüsse vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, [X.] --[X.]--, Finanzgerichtsordnung, § 69, [X.]; vom 3. April 1992  2 BvR 283/92, [X.] --HFR-- 1992, 726; kritisch insoweit Niedersächsisches [X.], Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2011, 827; [X.] in Beermann/[X.], [X.]O, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/ [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2010, 297 ff.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 [X.]O Rz 97; [X.], [X.] 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch [X.] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, [X.][X.] 2012, 358). In neueren [X.]ntscheidungen hat das [X.] die Frage, ob die Rechtsprechung des [X.] (in [X.][X.] 228, 149, [X.], 558) in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 [X.] vereinbar ist, wegen der fehlenden [X.]ntscheidungserheblichkeit offen gelassen ([X.]-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, [X.], 89, und vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, [X.], 639).

b) Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden [X.]ingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an ([X.]-Beschlüsse in [X.][X.] 228, 149, [X.], 558; in [X.][X.] 236, 206, [X.], 418; in [X.][X.] 236, 501, [X.], 611; in [X.]/NV 2012, 1489).

c) Allerdings hat der [X.] in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden [X.] beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem [X.] des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. [X.] in [X.][X.] 228, 149, [X.], 558, m.w.N.). Dazu zählt auch der Fall, dass der [X.] die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 [X.] zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.][X.] 228, 149, [X.], 558, und vom 23. April 2012 III B 187/11, [X.]/NV 2012, 1328, jeweils m.w.N.).

Bis zur [X.]ntscheidung des [X.] ist zwar ungewiss, ob dieses die Vorschrift als verfassungswidrig beurteilen und im Fall einer Verfassungswidrigkeit für nichtig oder (nur) für mit dem [X.] unvereinbar erklären wird und welche Rechtsfolge es hieraus ziehen wird. Jedoch hat der [X.] vorläufigen Rechtsschutz auf der Basis seiner, der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsauffassung zu gewähren (vgl. [X.] vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, [X.][X.] 204, 39, [X.], 367, m.w.N.). [X.]ine [X.]inschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verfassungsverstößen, von denen das Gericht überzeugt ist, gegenüber dem bei sonstigen Rechtsverstößen zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz ist dem [X.] Steuerpflichtigen im Hinblick auf seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 [X.]) nicht zuzumuten (vgl. [X.] in [X.][X.] 204, 39, [X.], 367). Mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz muss der Steuerpflichtige auch in Kauf nehmen, dass bei einer [X.]rfolglosigkeit des [X.]inspruchs oder der Klage gegen den Steuerbescheid Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung ([X.]) anfallen, die für jeden Monat ein halbes Prozent betragen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

d) Ist --wie bei der [X.] die dem [X.] zur Prüfung vorgelegte Vorschrift allerdings eine Tarifnorm, muss im Rahmen der Interessensabwägung auch berücksichtigt werden, dass in diesem Fall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen kann. Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht aber nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das [X.] allein dem [X.] zu, das von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf ([X.]-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, [X.][X.] 104, 23, 27 f.). Dennoch hat ein Steuerpflichtiger auch in einem solchen Fall Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Nur in Ausnahmefällen können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den [X.] einstweilen zurückzustellen (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], Finanzgerichtsordnung, § 69, [X.]).

e) Nachdem zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 [X.] i.V.m. §§ 13a und 13b [X.] aufgrund des Vorlagebeschlusses des [X.] (in [X.][X.] 238, 241, [X.], 899) ein Normenkontrollverfahren beim [X.] anhängig ist, ist die Vollziehung eines auf § 19 Abs. 1 [X.] beruhenden [X.] auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. [X.]in berechtigtes Interesse liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels des [X.]rwerbs liquider Mittel (wie z.B. Bargeld, Bankguthaben, mit dem Ableben des [X.]rblassers fällige Versicherungsforderungen) zur [X.]ntrichtung der festgesetzten [X.]rbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss. In diesen Fällen kann der [X.]rwerber die [X.]rbschaftsteuer nicht bzw. nicht ohne weitere, ggf. auch verlustbringende Dispositionen aus dem [X.]rwerb begleichen. [X.]s ist ihm hier deshalb nicht zuzumuten, die [X.]rbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Wegen des vorrangigen Interesses des Steuerpflichtigen steht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass das [X.] als formell zustande gekommenes Gesetz bis zu einer gegenteiligen [X.]ntscheidung des [X.] Geltung beansprucht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

Gehören dagegen zu dem der [X.]rbschaftsteuer unterliegenden [X.]rwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur [X.]ntrichtung der [X.]rbschaftsteuer eingesetzt werden können, fehlt regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Durch die Begleichung der [X.]rbschaftsteuer vermindern sich lediglich die dem Steuerpflichtigen mit dem [X.]rwerb zugeflossenen Zahlungsmittel, so dass die vorläufige Zahlung der [X.]rbschaftsteuer dem Steuerpflichtigen zuzumuten ist.

f) Im Streitfall ist das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des [X.] gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des [X.] vorrangig.

aa) Die Antragstellerin konnte die mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 festgesetzte [X.]rbschaftsteuer von 71.000 € bei Fälligkeit nicht aus den ihr zu diesem [X.]punkt zugeflossenen Rentenzahlungen von monatlich 2.700 € entrichten. Wegen des Ansatzes der Rente nach § 12 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 14 Abs. 1 des [X.]es mit dem Kapitalwert war ein [X.]rwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) zu besteuern. Die dafür festgesetzte [X.]rbschaftsteuer überstieg zum [X.]punkt der Fälligkeit die Rentenzahlungen, die die Antragstellerin bis dahin für die [X.] nach dem Ableben des [X.] (im September 2011) erhalten hatte. Die Rentenzahlungen dienten im Übrigen --nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin im [X.]inspruchsverfahren-- der Bestreitung ihres Lebensunterhalts, so dass die Antragstellerin den Zahlungseingang von vornherein allenfalls nur in einem hier zu vernachlässigenden Umfang zur Begleichung der [X.]rbschaftsteuer verwenden konnte. Die [X.]rbschaftsteuer musste überwiegend aus eigenen Mitteln der Antragstellerin entrichtet werden. Im Hinblick darauf ist derzeit ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des [X.] auch insoweit gegeben, als sie in der [X.] ab Fälligkeit der [X.]rbschaftsteuer bis zur [X.]ntscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiterhin Rentenzahlungen erhalten hat. Dies schließt einen späteren Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O nicht aus.

bb) Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Antragstellerin das Wahlrecht nach § 23 [X.] hätte ausüben können.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten zu entrichten sind, nach Wahl des [X.]rwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Durch das Wahlrecht soll die unbillige Härte abgemildert werden, die sich aus der Besteuerung von Renten mit dem Kapitalwert ergibt, wenn dem [X.]rwerber zur Begleichung der hohen Steuer die liquiden Mittel fehlen (vgl. [X.] in [X.]/Knobel/[X.], [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 23 [X.] Rz 1). Das Wahlrecht ist jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass die [X.]rbschaftsteuer in diesem Fall nach der wirklichen und nicht nach der auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Lebensdauer erhoben wird; lebt der Berechtigte länger als es der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht, so ist die Gesamtbelastung höher (vgl. [X.], a.a.[X.], § 23 [X.] Rz 16). Zudem muss auch bei Ausübung dieses Wahlrechts die [X.]rbschaftsteuer jährlich im Voraus beglichen werden. Der Antragstellerin muss deshalb die [X.]ntscheidung überlassen bleiben, ob sie das gesetzliche Wahlrecht in Anspruch nimmt oder nicht. Allein das Bestehen des einfachgesetzlichen Wahlrechts nach § 23 [X.] kann nicht dazu führen, das grundgesetzlich geschützte Recht der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 [X.] einzuschränken. Der Antragstellerin stehen beide Rechte gleichermaßen zu.

3. Soweit der Senat bisher vorläufigen Rechtsschutz versagt hat, wenn zu erwarten ist, dass das [X.] lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem [X.] aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11. Juni 1986 II B 49/83, [X.][X.] 146, 474, [X.] 1986, 782; vom 11. September 1996 II B 32/96, [X.]/NV 1997, 270; in [X.][X.] 202, 380, [X.] 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, [X.][X.] 232, 380, [X.] 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, [X.]/NV 2011, 1395), wird daran im Hinblick auf die geäußerte Kritik (vgl. [X.], a.a.[X.], § 69 [X.]O Rz 96; derselbe, [X.], 325, 328 f.; [X.], a.a.[X.], § 69 Rz 180.1; Gräber/[X.], a.a.[X.], § 69 Rz 113; Anwendung offen gelassen: [X.]-Beschlüsse in [X.][X.] 236, 501, [X.], 611, und in [X.]/NV 2012, 1489) nicht mehr festgehalten.

[X.]s ist nicht gerechtfertigt, aufgrund einer Prognose über die [X.]ntscheidung des [X.] vorläufigen Rechtsschutz generell auszuschließen. Ist ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorhanden, muss es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 [X.] auch effektiv durchsetzbar sein und darf nicht deshalb leerlaufen, weil das [X.] möglicherweise in einem Normenkontrollverfahren eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen anordnet. Aus diesem Grund ist auch im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung unabhängig davon zu gewähren, ob das [X.] im Verfahren 1 BvR 21/12 für den Fall, dass es zu der Überzeugung gelangt, § 19 Abs. 1 [X.] sei mit dem [X.] unvereinbar, die Norm für nichtig erklärt oder wiederum eine zeitlich beschränkte Weitergeltung anordnet. Sollte das [X.] eine solche Weitergeltungsanordnung treffen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgeben, besteht auch die Möglichkeit, dass die Neuregelung des [X.] den Steuerpflichtigen, deren [X.]rwerbe zeitlich von der Weitergeltungsanordnung erfasst werden, ein Wahlrecht auf Anwendung des neuen Rechts einräumt.

4. Die Vollziehung des [X.] vom 1. Oktober 2012 war ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O kann die Aufhebung der Vollziehung auch gegen Sicherheit angeordnet werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, wenn seine Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre ([X.] vom 12. September 2011 VIII B 70/09, [X.]/NV 2012, 229, Rz 21). Im Streitfall gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Antragstellerin nicht über eine gesicherte Vermögenslage verfügt und daher die Gefahr eines [X.] besteht.

Meta

II B 46/13

21.11.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 28. März 2013, Az: 3 V 620/13 Erb, Beschluss

§ 69 Abs 2 S 2 FGO, § 19 Abs 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 69 Abs 3 S 1 FGO, Art 100 Abs 1 GG, § 23 ErbStG 1997 vom 24.12.2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. II B 46/13 (REWIS RS 2013, 943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 943

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