Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2018, Az. IX ZB 66/17

9. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10868

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Gegenstand

Örtliche Zuständigkeit: Klage gegen einen Insolvenzverwalter persönlich; Bindungswirkung eines ohne entsprechenden Antrag des Klägers erlassenen Verweisungsbeschlusses


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 23. August 2017 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.

Der Wert des [X.] beträgt 7.365,28 €.

Gründe

I.

1

Der im Bezirk des [X.] wohnhafte Kläger hat den in [X.] wohnhaften und kanzleiansässigen beklagten Rechtsanwalt persönlich auf Rückzahlung von 7.365,28 € nebst Zinsen aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB, § 60 [X.], § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB vor dem [X.] in Anspruch genommen. Dieses hat sich für örtlich unzuständig erklärt und hat die Sache, trotz eines Antrags des [X.], sie an das [X.] zu verweisen, nach richterlichen Hinweisen an das Landgericht [X.] verwiesen, weil der Beklagte seinen Wohn- und Geschäftssitz in [X.] habe und es an einem hinreichenden Vortrag zu einer vom Beklagten am Wohnsitz des [X.] oder in [X.] begangenen deliktischen Handlung fehle. Das Landgericht [X.] hat sich aufgrund der für bindend angesehenen Verweisung für örtlich zuständig angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger dieses Urteil nur mit der Begründung angegriffen, dass sich das Landgericht [X.] zu Unrecht für örtlich zuständig gehalten habe. Daraufhin hat das Berufungsgericht die Berufung des [X.] durch Beschluss als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] erreichen.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weiter ist sie unzulässig, weil sie sich allein darauf stützt, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Gemäß § 576 Abs. 2 ZPO kann jedoch die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Eine allein auf diese Rüge gegründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, denn ein Rechtsmittel, das keinen zulässigen Angriff enthält, ist selbst unzulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2004 - [X.], [X.], 184).

3

1. Allerdings ist, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend verweist, in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob eine Zuständigkeitsprüfung durch das Berufungsgericht und/oder den [X.] ausnahmsweise dann stattzufinden hat, wenn die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs oder des Berufungsgerichts über die Zuständigkeitsfrage auf Willkür oder auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht und aus diesem Grund ein Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO nicht bindend wäre (vgl. zum Streitstand [X.], Urteil vom 17. März 2015 - [X.], [X.], 819 Rn. 19 mwN). Das Berufungsgericht ist aber (wie schon das Landgericht [X.] hinsichtlich der Entscheidung des [X.] [X.]) davon ausgegangen, dass die Entscheidungen der Landgerichte [X.] und [X.] nicht willkürlich gewesen seien. Denn allein das Landgericht [X.] sei örtlich zuständig gewesen. Zwar habe das [X.] entgegen dem Antrag des [X.] die Sache an das Landgericht [X.] verwiesen, aber es habe die Parteien zuvor auf seine Absicht und die Gründe hierfür hingewiesen. Dieser beabsichtigten Verweisung an das Landgericht [X.] sei der Kläger nicht entgegengetreten.

4

2. Der Ansicht, die Landgerichte [X.] und [X.] seien für die persönlich gegen den Beklagten gerichtete Klage örtlich unzuständig gewesen, ist die Rechtsbeschwerde nicht entgegengetreten. Anhaltspunkte, dass diese Ansicht unzutreffend ist, sind nicht gegeben. Ein Insolvenzverwalter ist persönlich in Bezug auf sein eigenes Vermögen nicht nach § 19a ZPO am Sitz des Insolvenzgerichts zu verklagen, sondern etwa an seinem Wohnsitz (§§ 12, 13 ZPO), vorliegend am Landgericht [X.]. Ob wegen der Geltendmachung deliktischer Ansprüche die Zuständigkeit des [X.] nach § 32 ZPO gegeben ist, konnten die Tatsachengerichte auf der Grundlage des klägerischen Vortrags nicht feststellen. Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben, Rechtsfehler nicht gerügt.

5

Der einzige vom Kläger im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend gemachte Fehler des [X.] [X.] liegt dann darin, dass es die Sache ohne einen entsprechenden Antrag des [X.] an das Landgericht [X.] verwiesen hat. Dass die Verweisung ohne einen darauf gerichteten Antrag des [X.] erfolgt, lässt die Bindungswirkung des [X.] nach § 281 ZPO allerdings nicht entfallen. Auch [X.], die auf [X.] beruhen und deshalb rechtsfehlerhaft sind, sind grundsätzlich wirksam. Ausnahmen gelten bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 1990 - [X.] 26/90, NJW-RR 1990, 1282), die vorliegend im Hinblick auf die erteilten Hinweise nicht gegeben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 1990, aaO). Ein Willkürverstoß durch das [X.] liegt schon deswegen nicht vor, weil eine Sachentscheidung über die Klage nur durch das Landgericht [X.] möglich war.

6

Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei nach § 513 Abs. 2 ZPO gehindert, die Zuständigkeit des [X.] zu prüfen, ist daher nicht willkürlich. Sie entspricht vielmehr Sinn und Zweck der genannten Vorschrift; diese will verhindern, dass ein in der unteren Instanz erarbeitetes [X.] allein wegen deren fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2013 - [X.], [X.], 3779 Rn. 6).

Kayser     

        

Lohmann     

        

Pape   

        

Grupp      

        

Möhring      

        

Meta

IX ZB 66/17

12.04.2018

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 23. August 2017, Az: 2 U 139/16

§ 12 ZPO, § 13 ZPO, § 19a ZPO, § 281 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2018, Az. IX ZB 66/17 (REWIS RS 2018, 10868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10868

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