Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 31/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 4901

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Gegenstand

Anwaltliche Berufspflichtverletzung: Briefbogengestaltung bei mehreren Anschriften mehrerer Rechtsanwälte


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 21. April 2015 an [X.] statt zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Kläger sind im Bezirk der [X.] zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie gehören der Sozietät "S.     und Collegen" an, der Kläger zu 1 als Mitglied, der Kläger zu 2 als angestellter Anwalt. Zur Sozietät gehören weitere Rechtsanwälte, die nicht im Bezirk der [X.] zugelassen sind. Sie beschäftigt außerdem mehrere Anwälte im Angestelltenverhältnis, die überwiegend ebenfalls nicht im Bezirk der [X.] zugelassen sind. Der Kläger zu 1 hat bei der [X.] neben seinem Kanzleisitz in deren Bezirk Zweigstellen in [X.]           und M.         angegeben, der Kläger zu 2 Zweigstellen in [X.]    , [X.]         , M.    , Sa.      und H.    .

2

[X.] verwandte die Sozietät "S.     und Collegen" einen Briefbogen, der insgesamt sechs Anschriften in sechs Städten (M.    , [X.]         , [X.]     , M.     , [X.], Sa.     ) und zehn Anwälte auswies. Vier Anwälte wurden als angestellte Anwälte gekennzeichnet. Welcher Anwalt seinen Kanzleisitz unter welcher Anschrift unterhielt, ließ sich dem Briefkopf nicht entnehmen. Die Beklagte wies die Kläger auf § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] hin und bat um Stellungnahme. Der Kläger zu 2 antwortete, der Briefkopf gebe seine [X.] zutreffend wieder. Für die [X.]en der anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sei er nicht verantwortlich.

3

Unter dem 23. Oktober 2014 erteilte die Beklagte den Klägern einen Hinweis dahingehend, dass der Briefbogen wegen der fehlenden Zuordnung zum Kanzleisitz des jeweiligen Anwalts nicht den Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] entspreche. Die Klage der Kläger gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragen die Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.].

II.

4

Der Antrag der Kläger ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg, weil kein [X.] besteht (§ 124 Abs. 2 VwGO).

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des [X.] bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

6

a) Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 3 m.w.N.). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen ([X.], Beschluss vom 24. November 2014 - [X.] ([X.]) 7/14, [X.], 898 Rn. 8; vgl. auch [X.] 134, 106 = NJW 2013, 3506 Rn. 40).

7

b) Das Urteil des [X.] ist richtig.

8

aa) Nach § 10 Abs. 1 [X.] hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine [X.] anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, ist für jeden auf den Briefbögen Genannten seine [X.] anzugeben. "[X.]" ist die Anschrift der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 [X.], die sich im Bezirk der Rechtsanwaltskammer befindet, deren Mitglied der Rechtsanwalt ist. Diese Anschrift wird in das von der Rechtsanwaltskammer geführte elektronische Verzeichnis der in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen (§ 31 Abs. 3 [X.]).

9

bb) Die Kläger haben einen Briefbogen verwandt, in dem neben ihrer [X.] fünf weitere Anschriften aufgeführt sind. An welcher der insgesamt sechs Anschriften sie ihre Kanzlei unterhalten, ist nicht zu erkennen. Ebenso wenig ist der Kanzleisitz der übrigen acht Rechtsanwälte zu erkennen, die auf dem Briefbogen genannt werden.

2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Der [X.] der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 291; [X.], [X.], 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

b) Die Kläger verweisen darauf, dass es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung dazu gebe, ob Name und Anschrift des Rechtsanwalts in dessen Briefkopf aufeinander bezogen sein müssen. Ihrer Ansicht nach erfüllt der Rechtsanwalt seine Pflicht aus § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] auch dann, wenn der Kanzleisitz auf den Briefbögen ohne besondere Kennzeichnung unter anderen, nicht den Kanzleisitz betreffenden Anschriften aufgeführt wird, als solcher also nicht zu erkennen ist. Diese Ansicht steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Warum angesichts der klaren Fassung der einschlägigen Bestimmung der Berufsordnung eine höchstrichterliche Entscheidung erforderlich sein soll, legen die Kläger nicht dar. Abweichende untergerichtliche Rechtsprechung oder kritische Stellungnahmen in der Fachliteratur gibt es nach dem Inhalt des Zulassungsantrags nicht. Der [X.] hat daher davon auszugehen, dass sich die Frage in der Rechtspraxis - vom Fall der Kläger einmal abgesehen - bisher nicht gestellt hat und dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] ihrem Wortlaut entsprechend angewandt wird. Verfassungsrechtliche Bedenken, zu denen sich die Begründung des [X.] ebenfalls nicht verhält, hat der [X.] nicht. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Sie dient dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden, damit einem wichtigen Belang des Gemeinwohls, welches die - geringfügige - Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts (Art. 12 GG) rechtfertigt.

3. Die Kläger legen schließlich nicht dar, dass der [X.] von der Entscheidung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts abgewichen ist (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

a) Der die Zulassung der Berufung erfordernde [X.] der Divergenz ist hinreichend dargelegt, wenn in der Begründung des Zulassungsantrags ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, der von einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung eines divergenzfähigen Gerichts abweicht (BVerwG, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 3 [X.]/14, juris Rn. 8; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. Mai 2002 - [X.], [X.]Z 151, 42, 45; vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 292 f.).

b) Den nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen Obersatzvergleich haben die Kläger nicht vorgenommen. Das von ihnen angeführte Urteil des [X.] vom 16. Mai 2012 ([X.], [X.], 949) behandelt die Frage, ob ein Rechtsanwalt im Briefkopf neben seinem Kanzleisitz sämtliche Standorte nennen muss, an denen er Niederlassungen unterhält. Es hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass die Angabe der [X.] gemäß § 31 [X.] ausreicht. Hier geht es um die Frage, ob die [X.] angegeben ist, wenn der Briefkopf ohne nähere Erläuterung sechs Anschriften für zehn Rechtsanwälte ausweist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 [X.], § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser                         Roggenbuck                       [X.]

                 Martini                                 Kau

Meta

AnwZ (Brfg) 31/15

24.09.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Koblenz, 21. April 2015, Az: 1 AGH 9/14

§ 10 Abs 1 S 3 RABerufsO, § 59b Abs 2 Nr 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 31/15 (REWIS RS 2015, 4901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4901

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3 B 42/14

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