Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2013, Az. 3 StR 135/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2326

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Gegenstand

Strafverfahren: Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.].   wir das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,

a) im [X.]uldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe und im [X.] aufgehoben; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.].   wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten [X.].   hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Der Angeklagte [X.]erhebt mehrere Verfahrensbeanstandungen und rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte [X.].   erhebt die allgemeine Sachrüge.

I.

2

Die Revision des Angeklagten [X.]hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dieser liegt zugrunde:

3

Die [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte als Mittäter zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]in [X.] mindestens 1,5 kg Heroin erworben und diese durch einen Kurier nach [X.] habe bringen lassen, wo sie gewinnbringend verkauft werden sollten. Von dem Umstand, dass sich in dem "kofferartigen Behältnis", das die Angeklagten in [X.] übernommen und an den Kurier übergeben hätten, Heroin befunden habe, hat sich das [X.] - da trotz polizeilicher Überwachung die observierenden Beamten die Betäubungsmittel nicht gesehen hätten - insbesondere dadurch überzeugt, dass der Mitangeklagte [X.]zeitnah zu dieser Fahrt nach [X.] nur sechs Tage später dem gesondert Verfolgten M.   ca. 500 Gramm Heroin zum Verkauf an [X.] und zum teilweisen Eigenkonsum überbracht habe. Der Mitangeklagte [X.]hat dazu erklärt, das Heroin habe zwar ihm gehört, aber nicht aus [X.] gestammt.

4

Vor diesem Hintergrund beanstandet der Angeklagte [X.]zu Recht, das [X.] habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 [X.]).

5

1. Der Angeklagte [X.]hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten [X.]genutzten PKW sowie [X.] für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte [X.]schon vor der Fahrt nach [X.] ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in [X.] vereinbart hatte, er nach der Wiedereinreise aus [X.] von [X.] aus direkt nach [X.] gefahren sei, dass er selbst, der Angeklagte [X.], sich bei dieser Fahrt nicht in dem Auto befunden habe, und dass der Mitangeklagte [X.]von [X.] aus direkt zu der Adresse in [X.] gefahren sei, die auch der Kurier aus [X.] angesteuert habe. Erklärtes [X.] dieses Antrages war es, eine gleichwertige Alternative zu der von der [X.] angenommenen Indizienkette dergestalt aufzuzeigen, dass der Mitangeklagte [X.]das Heroin auch in [X.] - und damit ohne Beteiligung des Angeklagten [X.]- erworben und von dort in die [X.] eingeführt haben könnte.

6

Das [X.] hat diesen Beweisantrag mit folgender Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen: "Ob [X.]auch andere Möglichkeiten hatte, sich Heroin zu beschaffen, ist kein zwingender [X.]luss dafür, dass das sichergestellte Heroin nicht auch aus der '[X.]-Fahrt' stammen kann."

7

2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.

8

Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche [X.]lussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des [X.] - in einer für den [X.]uld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde ([X.][X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 220).

9

Der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der [X.] ablehnt, hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der [X.] überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben [X.] stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der [X.] keine entscheidungserheblichen [X.]lussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, [X.], 267, 268; vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, [X.], 713, 714). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden sondern lediglich einen möglichen [X.]luss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 251/06, [X.], 84, 85; [X.][X.], aaO, § 244 Rn. 225).

So verhält es sich hier. Die [X.] hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis - das Heroin stammte aus [X.] - durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. In der pauschalen Begründung, weitere Beschaffungsmöglichkeiten des Mitangeklagten [X.]ließen keinen zwingenden [X.]luss darauf zu, dass das Heroin nicht doch - und damit unter Beteiligung des Angeklagten [X.]- in [X.] erworben worden sei, liegt - wie dargelegt - ein Rechtsfehler, der vorliegend umso schwerer wiegt, weil der Angeklagte erklärtermaßen mit seinem Beweisantrag nur Tatsachen aufzeigen wollte, die einen nach seinem Vortrag gleichwertigen möglichen [X.]luss auf ein anderes, für ihn günstigeres Geschehen - der Mitangeklagte habe die Betäubungsmittel allein in [X.] erworben - erlauben sollten. Das [X.] hätte deshalb - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro reo" - konkret darlegen müssen, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende [X.]lussfolgerung, das Heroin stamme aus [X.], nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte. Dies gilt hier insbesondere, weil der in der Beweiswürdigung als bedeutsam herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beschaffung und Einfuhr einerseits und der Sicherstellung der Betäubungsmittel andererseits in beiden Sachverhaltsalternativen gleicher-maßen bestand.

3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 [X.]). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das [X.] im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den [X.]uldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.

Die Revision des Angeklagten [X.].   hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

1. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hält die [X.] ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das [X.] hat insoweit festgestellt, der Angeklagte [X.].   sei im April 2011 zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]nach [X.] gefahren, wo dieser von seinem Lieferanten für 26.000 € ein Kilogramm Kokain erworben habe. Diese Betäubungsmittel hätten sie selbst oder - "was wahrscheinlicher sein dürfte" - unter Einschaltung eines unbekannt gebliebenen Kuriers am frühen Morgen des Folgetages in die [X.] eingeführt. Der Angeklagte [X.].   habe dem Mitangeklagten [X.]durch seine Anwesenheit Sicherheit bei dem [X.] vermittelt und ihm geholfen, den Eindruck einer unverdächtigen Urlaubsreise zu erwecken.

Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber die wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Straftat ist, dass der Gehilfe durch eine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Haupttäter objektiv fördert ([X.], 1. Aufl., § 27 Rn. 3). Dies wird indes durch die Feststellungen nicht belegt. Da die [X.] sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte [X.].   zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]das in [X.] übernommene Kokain selbst in die [X.] [X.] einführte - anders ist die Wendung, dass die Einfuhr durch einen unbekannt gebliebenen Kurier wahrscheinlicher sei, nicht zu verstehen - hätte es konkreter Feststellungen dazu bedurft, dass und gegebenenfalls durch welche Handlung der Angeklagte [X.].   die mittels eines Kuriers vollzogene Einfuhrtat des Mitangeklagten [X.]gefördert haben könnte. Daran fehlt es.

2. Der Senat schließt angesichts des in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Beweisergebnisses aus, dass in einem neuen Rechtsgang insoweit weitere, den Angeklagten [X.].   belastende Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert den [X.]uldspruch entsprechend. Die teilweise Aufhebung des [X.]uldspruchs nötigt zur Aufhebung der insoweit verhängten [X.], weil diese aus dem nach § 27, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG bemessen worden ist. Die Aufhebung der [X.] im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann insoweit weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.

[X.]     

Ri[X.] [X.] und Ri[X.] Mayer
befinden sich im Urlaub und sind
daher gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Gericke     

Spaniol     

Meta

3 StR 135/13

01.10.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 19. Oktober 2012, Az: 1 KLs 25/12

§ 244 Abs 3 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2013, Az. 3 StR 135/13 (REWIS RS 2013, 2326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2326


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 135/13

Bundesgerichtshof, 3 StR 135/13, 12.11.2013.

Bundesgerichtshof, 3 StR 135/13, 01.10.2013.


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