Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2018, Az. 1 StR 316/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 3599

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Gegenstand

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln: Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Begehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2018 – unter Erstreckung gemäß § 357 StPO auf die Nichtrevidentin [X.]– mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Schuldspruch in den Fällen [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe;

b) im gesamten Strafausspruch;

c) in den Anordnungen über die Einziehung, soweit der Angeklagte und die Nichtrevidentin [X.]als Gesamtschuldner verurteilt wurden; die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000 Euro gegen die Nichtrevidentin [X.]bleibt aufrecht erhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. In sechs Fällen handelte der Angeklagte gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) mit der nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]. Diese hat das [X.] zugleich wegen weiterer Betäubungsmitteldelikte verurteilt, an denen der Angeklagte nicht beteiligt war (Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe). Ferner hat es die gesamtschuldnerische Einziehung von sichergestellten 44.295 Euro und von [X.] in Höhe von 63.205 Euro, bei der Nichtrevidentin [X.]zudem – veranlasst durch die weiteren Taten – die Einziehung von [X.] in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Mit seinem Rechtsmittel rügt der Angeklagte [X.]die Verletzung materiellen Rechts. Seine Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte neben Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wegen tateinheitlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verurteilt worden ist.

3

a) Nach den Feststellungen erwarben der Angeklagte und die Nichtrevidentin in sechs Fällen (Taten [X.] bis [X.] der Urteilsgründe) gemeinsam zwischen einem und zehn Kilogramm Marihuana, das sie sodann von [X.] aus in die [X.] einführten oder einführen ließen, um es gewinnbringend zu veräußern. Im Fall [X.] der Urteilsgründe „ließen“ sie die in [X.] gekauften Betäubungsmittel durch einen Kurier „in einem LKW nach [X.] in ihre Wohnung … verbringen“, im Fall [X.] der Urteilsgründe „von einem unbekannten Rauschgifthändler … über einen Reisebus von [X.] nach [X.] einführen“. Im Fall [X.] erfolgte die Einfuhr des von dem Angeklagten und der Nichtrevidentin in [X.] übernommenen Marihuanas „auf nicht näher bekannte Weise“.

4

b) In den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe ermöglichen die lückenhaften Feststellungen nicht die Prüfung, ob der Angeklagte den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (mit-)täterschaftlich verwirklicht hat. Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen aber die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich ([X.], Beschlüsse vom 31. März 2015 – 3 [X.], [X.], 632 und vom 2. Juni 2015 – 4 [X.], [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der [X.] selbst (vgl. [X.], Beschluss vom 8. September 2016 – 1 [X.], [X.], 295 Rn. 14). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: [X.], Beschluss vom 2. Juni 2016 – 1 [X.], [X.], 285). Eine Person, die den [X.] zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein ([X.], Beschlüsse vom 31. März 2015 – 3 [X.], [X.], 632 und vom 16. Februar 2012 – 3 [X.], [X.], 158).

5

c) Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Die Feststellungen lassen in diesen Fällen nicht erkennen, welchen Einfluss er jeweils auf den [X.] hatte. In den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe ist – auch unter Berücksichtigung der dem Tatgeschehen vorangestellten allgemeinen Feststellungen ([X.]) – bereits unklar, ob sich der Angeklagte und die Nichtrevidentin persönlich in [X.] befanden. Welche Tatbeiträge sie zwecks Beauftragung der Kuriere erbrachten, ob ihnen ein Einfluss auf die [X.], den Weg und die Art des Transports zukam sowie ob und wann sie hierfür finanzielle Aufwendungen tätigten, bleibt ebenso offen. Im Fall [X.] der Urteilsgründe ist den Feststellungen nicht sicher zu entnehmen, dass sie das Marihuana eigenhändig in die [X.] verbrachten. Vielmehr lässt der Zusatz „in nicht näher bekannter Weise“ besorgen, dass dies doch durch andere Personen geschehen sein könnte, so dass eine mittäterschaftliche Einfuhr durch den Angeklagten und die Nichtrevidentin auch in diesem Fall durchgreifend in Frage steht.

6

Ob in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht kommt, kann der Senat anhand der vorliegenden Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Hierzu hätte es näherer Feststellungen insbesondere zur Einschaltung der Kuriere (Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe) sowie zu den näheren Modalitäten des [X.]s (Fall [X.] der Urteilsgründe) bedurft. Bei den weiteren Taten belegen die äußerst knapp gehaltenen Feststellungen hingegen (noch) eine mittäterschaftliche Einfuhr des Marihuanas durch den Angeklagten und die Nichtrevidentin.

7

d) Soweit der Schuldspruch wegen der [X.] keinen Bestand hat, müssen auch die – für sich betrachtet [X.] – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfallen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. September 2016 – 1 [X.], [X.], 295 Rn. 18 und vom 21. Juli 2015 – 1 StR 16/15, [X.], 339, 340). Der Senat hebt die zugrunde liegenden Feststellungen ebenfalls auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Die [X.] ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nichtrevidierende Mitangeklagte zu erstrecken, da die aufgezeigten Rechtsfehler diese in gleicher Weise betreffen.

8

2. Der Wegfall der im Fall [X.] der Urteilsgründe jeweils verhängten Einsatzstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten entzieht den gesamten Strafaussprüchen die Grundlage (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juni 2013 – 1 StR 6/13, [X.]R [X.] § 109 Abs. 1 Fristverlängerung 1). Das neue Tatgericht kann die Strafen insgesamt neu bestimmen.

9

Ebenso wenig können die Einziehungsentscheidungen des [X.]s nach §§ 73, 73c StGB Bestand haben, soweit sie eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten und der Nichtrevidentin vorsehen. Unbeschadet des Verzichts beider auf das sichergestellte Bargeld (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 10. April 2018 – 5 [X.], NJW 2018, 2278 f.) entfällt mit der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs die Grundlage für diese Einziehungen. Den Feststellungen war nicht zu entnehmen, durch welche der gemeinschaftlich begangenen Taten der Angeklagte und die Nichtrevidentin die Mitverfügungsgewalt über die noch vorhandenen oder über die dem Wert nach eingezogenen [X.] erlangt haben.

Raum     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Bär     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 316/18

20.09.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 15. Februar 2018, Az: 355 Js 10023/17 - 20 KLs 2

§ 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2018, Az. 1 StR 316/18 (REWIS RS 2018, 3599)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3599

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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