Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14.01.2021, Az. 2 BvR 1285/20

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2021, 9544

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Unzureichende fachgerichtliche Prüfung und Berücksichtigung der Haftbedingungen im Zielstaat einer Auslieferung (hier: Rumänien) verletzt Betroffenen in Grundrecht aus Art 4 EUGrdRCh (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 16. Juni 2020 - 1 Ausl (A) 3/16 (36/17) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 4 der [X.], soweit die Auslieferung für zulässig erklärt wurde.

2. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

3. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

4. [X.] wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 20.000 (in Worten: zwanzigtausend) [X.] und für das einstweilige [X.] auf 5.000 (in Worten: fünftausend) [X.] festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung eines [X.] Staatsangehörigen zur Strafvollstreckung nach [X.].

2

1. Gegen den Beschwerdeführer besteht ein [X.] Haftbefehl vom 6. November 2014 zur Strafvollstreckung eines rechtskräftigen Strafurteils des [X.] vom 21. Mai 2014. Danach ist der Beschwerdeführer wegen bandenmäßiger Schleusung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden.

3

2. Nachdem der Beschwerdeführer am 25. Januar 2016 in der [X.] vorläufig festgenommen worden war, ordnete das [X.] mit Beschluss vom 28. Januar 2016 die förmliche Auslieferungshaft an.

4

3. Auf Nachfrage der Generalstaatsanwaltschaft [X.] teilten die [X.] Behörden unter dem 9. Mai 2016 mit, dass derzeit nicht angegeben werden könne, in welcher Haftanstalt der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung untergebracht werde. Es könne aber zugesichert werden, dass der Haftraum über eine individuelle Fläche von "2 oder 3 m²" einschließlich Bett und Möbel verfüge. Die medizinische Betreuung und Gesundheitspflege sei gewährleistet. Im geschlossenen Vollzug dürften Gefangene, die nicht arbeiteten, mindestens drei Stunden täglich im Außenbereich spazieren. Gefangene, die arbeiteten oder an Maßnahmen teilnähmen, dürften mindestens eine Stunde täglich spazieren.

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4. Mit Beschluss vom 2. Juni 2016 erklärte das [X.] die Auslieferung für unzulässig und hob den [X.] auf. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Beschwerdeführer in [X.] unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt sei, die Art. 3 der [X.] ([X.]) sowie die Grundrechte und allgemeine Rechtsgrundsätze, wie sie in Art. 6 des Vertrages über die [X.] ([X.]) niedergelegt seien, verletzten. Diese Bedenken hätten durch die [X.] Behörden nicht ausgeräumt werden können. Das [X.] habe eine ausführliche, aber nur allgemeine Schilderung des Strafvollzugs in [X.] abgegeben und mitgeteilt, dass eine konkrete Justizvollzugsanstalt nicht benannt werden könne.

6

5. Nach einem erneuten Auslieferungsersuchen der [X.] Behörden erließ das [X.] mit Beschluss vom 18. September 2017 abermals einen [X.] und setzte diesen unter Auflagen außer Vollzug. Mit Beschluss vom 1. August 2018 änderte das Gericht diesen [X.] und einen Verschonungsbeschluss vom 23. April 2018 dahingehend ab, dass sich der Beschwerdeführer alle 14 Tage bei der Polizeibehörde melden müsse. Vor dem Senat seien mehrere parallele Verfahren anhängig, die jeweils Auslieferungen nach [X.] beträfen. Zwischenzeitlich habe das [X.] Hamburg in Reaktion auf den Beschluss des [X.] des [X.] vom 19. Dezember 2017 ([X.] 147, 364) ein Verfahren über eine Auslieferung nach [X.] dem [X.] ([X.]) vorgelegt. In diesem Verfahren seien dieselben Fragen entscheidungserheblich. Insbesondere gehe es um die Haftbedingungen in [X.], im [X.] um die Frage nach den zur Verfügung stehenden Haftraumgrößen und die Frage, ob eine eventuelle Unterschreitung der Mindestgröße durch andere positive Umstände kompensiert werden könne. Die Entscheidung des Gerichtshofs sei deshalb abzuwarten.

7

6. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 bat der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers um Mitteilung, ob es bereits eine Anfrage bei den [X.] Behörden hinsichtlich der den Beschwerdeführer erwartenden Haftbedingungen gebe. Die Haftbedingungen in [X.] genügten "bekanntermaßen" [X.] Mindeststandards nicht.

8

7. Mit am 17. Januar 2020 übersandtem Schreiben führten die [X.] Behörden auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft [X.] vom 10. Dezember 2019 unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung zunächst in der Haftanstalt [X.] für 21 Tage in [X.] genommen werde. Dort würde ihm eine individuelle Haftraumfläche von mindestens 3 m² gewährleistet. Sodann würde er unter Berücksichtigung der Höhe der Freiheitsstrafe "für den Anfang" im geschlossenen Vollzug in der Haftanstalt [X.] untergebracht werden. In dieser Haftanstalt gäbe es Hafträume für zwei oder für sechs Personen. Die Gesamtfläche des [X.] betrage im Durchschnitt 9,33 m², die des [X.] 20,35 m². Die Toilette habe eine Fläche von 2,70 m² und sei unter anderem mit einem WC, einem Waschbecken und einer Dusche ausgestattet. Die Hafträume seien möbliert, so dass die Gefangenen dort schlafen, ihre Gegenstände aufbewahren, essen sowie "an verschiedenen erzieherischen Aktivitäten teilnehmen" könnten. Trinkwasser stehe ständig und Warmwasser "nach einem ausgehängten Programm" zur Verfügung. Die Gefangenen dürften zweimal pro Woche duschen. Die Beleuchtung der Hafträume erfolge künstlich über Lampen sowie natürlich über Fenster. Gefangene, die nicht arbeiteten, dürften täglich für mindestens vier Stunden spazieren, sportliche oder religiöse Tätigkeiten vornehmen oder an psychologischen und [X.] Angeboten teilnehmen. Mindestens eine Stunde Spaziergang täglich stehe den Gefangenen zu, die einer Arbeit nachgingen oder an Ausbildungs- oder [X.] Programmen teilnähmen.

9

Das Vollstreckungsregime basiere auf einem "progressiven und regressiven System", wonach die Art der Vollstreckung der Freiheitsstrafe wechseln könne. Dies werde von einer Fachkommission unter Berücksichtigung der Dauer der Freiheitsstrafe, des "Gefährdungsgrads", der Vorstrafen, des Alters und Gesundheitszustandes, des Verhaltens der Person in Haft sowie Bedürfnissen und Fähigkeiten beziehungsweise der Bereitschaft, zu arbeiten und an Maßnahmen teilzunehmen, entschieden. Nach dem Vollzug eines Fünftels der Freiheitsstrafe werde der Gefangene neu bewertet und über eine Änderung des [X.] entschieden. Danach könne der Beschwerdeführer in den halboffenen Vollzug in der Haftanstalt [X.] wechseln. Dort sei eine individuelle Haftraumgröße von 2 m² pro Person gewährleistet. Die Hafträume seien mit Hochbetten, Regalen, einem Esstisch und einer [X.] möbliert. Außerhalb der Hafträume stünden Gemeinschaftsbäder zur Verfügung. Die Beleuchtung der Hafträume erfolge natürlich über Fenster sowie künstlich durch Glühbirnen. Tagsüber hätten die Gefangenen Zugang zu Höfen, einem Sportplatz und "Clubs", einem Sportraum, einer [X.] und Schulklassen. Zu den Essenszeiten, "für verschiedene administrative Tätigkeiten und Hygiene" und ab dem [X.] müssten die Gefangenen in ihrem Haftraum sein. Sie hätten tagsüber die Möglichkeit, unbegleitet in bestimmten Bereichen der Haftanstalt auf im Vorfeld festgelegten Routen zu gehen und könnten ihre Freizeit selbst gestalten. Täglich dürften bis zu zehn Telefongespräche mit einer Gesamtdauer von 60 Minuten geführt werden. [X.] dürften fünf Besuche mit einer maximalen Dauer von zwei Stunden empfangen werden. Im offenen Vollzug seien 3 m² individuelle Haftraumfläche gewährleistet.

8. Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung für zulässig zu erklären. Gründe, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, seien nicht gegeben. Nach den ergänzenden Informationen der [X.] Behörden im Schreiben vom 17. Januar 2020 bestehe weder in der [X.], in der 3 m² individuelle Fläche gewährleistet sei, noch im geschlossenen Vollzug, in dem bei zwei Personen eine Fläche von 9,33 m² und bei sechs Personen eine Fläche von 20,35 m² zugesagt sei, eine Besorgnis menschenrechtswidriger Haftbedingungen. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung eines Fünftels seiner Freiheitsstrafe im halboffenen Vollzug untergebracht werden sollte, sei zwar keine individuelle Mindestfläche von 3 m² pro Person zugesichert worden. Dies werde durch die "sonstigen Bedingungen" jedoch "kompensiert". Eine Unterschreitung von 3 m² persönlichem Raum begründe nicht per se einen Verstoß gegen Art. 3 [X.]. Erforderlich sei vielmehr eine Einzelfallbetrachtung.

9. Mit angegriffenem Beschluss vom 16. Juni 2020 erklärte das [X.] die Auslieferung für zulässig. Durch das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, seien die einzuhaltenden Haftbedingungen, insbesondere betreffend die Mindestanforderungen an den persönlichen Raum pro Gefangenem in einer Gemeinschaftszelle, hinreichend bestimmt worden. [X.] - wie im vorliegenden Fall in [X.] - systemische Mängel im Strafvollzug, müsse sich die vollstreckende Justizbehörde Gewissheit über alle relevanten materiellen Aspekte der Haftbedingungen in der Haftanstalt verschaffen, um sicherzugehen, dass der Betroffene nach seiner Übergabe nicht einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt werde. Erteilten die [X.] Behörden ergänzende Auskünfte, dürfe sich die vollstreckende Justizbehörde auf diese Zusicherungen grundsätzlich verlassen, es sei denn, es gebe konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese nicht den Tatsachen entsprächen. Die [X.] Behörden hätten im Schreiben vom 17. Januar 2020 die Haftbedingungen in den in Betracht kommenden Haftanstalten geschildert. Nach dem Inhalt dieser Auskunft würden die Grenzen des einzuhaltenden Rahmens gewahrt. Der [X.] habe klargestellt, dass Inhalt und Regelungsgehalt von Art. 4 der [X.] der Grundrechte der [X.] ([X.]) dem durch Art. 3 [X.] garantierten Recht entspreche. Deshalb habe eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen materiellen Haftbedingungen zu erfolgen. Diese Überprüfung müsse sich aber nicht auf die allgemeinen Haftbedingungen in sämtlichen [X.] Haftanstalten erstrecken. Ferner habe der Gerichtshof festgestellt, dass hinsichtlich der Bedeutung des dem Gefangenen zur Verfügung stehenden persönlichen Raums im Unionsrecht gegenwärtig keine Mindestvorschriften existierten. Deshalb sei die Gesamtsituation nach den vom [X.] ([X.]) mit Blick auf Art. 3 [X.] entwickelten Kriterien zu beurteilen.

Gemessen hieran stellten sich die von den [X.] Behörden geschilderten Haftbedingungen noch nicht als menschenrechtswidrig dar. In den genannten Haftanstalten stünden den Gefangenen ausreichende persönliche Freiräume zur Verfügung. Selbst wenn der Raum in der Haftanstalt [X.] "möglicherweise beengter" sei, seien die dortigen Haftbedingungen in ihrer Gesamtheit nicht menschenunwürdig. Zum einen sei der nur eventuelle Aufenthalt des Beschwerdeführers dort zeitlich befristet. Zum anderen hielten sich die Gefangenen tagsüber außerhalb der Hafträume auf und könnten sich im Gebäude und auf Freiflächen frei bewegen. Für täglich acht Stunden könnten sie werktags arbeiten, seien medizinisch und sozial betreut und könnten telefonische Kontakte pflegen sowie Besuch empfangen. Bei der Frage der Menschenwürdigkeit der Haftbedingungen dürfe nicht übersehen werden, welchen "Stellenwert die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung [X.] Beziehungen" habe. Den Belastungen und Gefährdungen, die der Vollzug einer Freiheitsstrafe für die [X.] Beziehungen naturgemäß bedeute, müsse die Ausgestaltung des Vollzugs im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Gefangenen nach Kräften entgegenzuwirken suchen. Der Beschwerdeführer lebe erst seit Ende 2015 in [X.] und habe hier weder Familie noch eine berufliche Bindung. Er könne sich in [X.] nicht hinreichend verständigen. Seine [X.] Ehefrau halte sich überwiegend in [X.] auf. Die für eine Resozialisierung erforderlichen Kontakte würden durch einen Strafvollzug in [X.] erleichtert und gefördert. Dies sei in die vom Gerichtshof geforderte Gesamtwürdigung der Haftbedingungen einzustellen. Es bestünden auch keine Bewilligungshindernisse.

10. Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge und Gegenvorstellung. Das [X.] habe fälschlicherweise angenommen, dass die zu erwartenden Bedingungen im halboffenen Vollzug nur von kurzer Dauer seien, obwohl eine Verbüßungszeit von mehr als zwei Jahren in diesem [X.] möglich sei. Die erhebliche Unterschreitung des dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden [X.] habe so großes Gewicht, dass dieser Mangel nicht kompensierbar sei. Zudem habe das Gericht den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Es sei nicht klar, ob die Hafträume im geschlossenen Vollzug auch die Sanitäreinrichtungen umfassten und ob diese räumlich von der Zelle getrennt seien. Auch die Beleuchtungssituation sei in Bezug auf die Größe der Fenster und den Lichteinfall nicht konkret von den [X.] Behörden geschildert worden.

11. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 28. Juli 2020 verwarf das [X.] die als Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit gemäß § 33 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ([X.]) ausgelegte Gegenvorstellung sowie die Anhörungsrüge als unbegründet. Der Beschwerdeführer habe keine neuen Umstände mitgeteilt und vor Erlass des Beschlusses vom 16. Juni 2020 Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, die er auch wahrgenommen habe.

Mit seiner fristgemäß am 20. Juli 2020 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 3 [X.] durch die Zulässigerklärung der Auslieferung im Beschluss des [X.]s vom 16. Juni 2020.

1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] werde bei einem persönlichen Raum in einer Gemeinschaftszelle von unter 3 m² ein Verstoß gegen Art. 3 [X.] angenommen, wenn nicht kumulativ besondere Umstände hinzuträten. Es sei aber weder eine "kurze [X.]" noch eine bloße "unerhebliche" Unterschreitung gegeben. Der Beschwerdeführer könne für mehrere Jahre im halboffenen Vollzug untergebracht sein. Eine dauerhafte Haftraumgröße von unter 4,5 m² verletze Art. 1 Abs. 1 GG. Das [X.] sei nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet gewesen, das Verfahren dem [X.] vorzulegen. Bislang habe sich der Gerichtshof noch nicht zu den Mindeststandards bei einer Unterbringung in einer Einzelzelle oder einer [X.] für zwei Personen geäußert. Es sei auch noch nicht entschieden worden, ob ein [X.]raum von 21 Tagen noch eine "kurze Unterschreitung" darstellen könne. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass bei einer Quarantäne die Bewegungsfreiheit durch einen fast durchgehenden Einschluss erheblich beschränkt sei. Das [X.] habe nicht aufgeklärt, ob bei den von den [X.] Behörden genannten Flächen die Sanitärbereiche eingerechnet worden seien.

2. Mit Beschluss vom 24. Juli 2020 hat die [X.] des [X.] die Übergabe des Beschwerdeführers an die [X.] Behörden auf Grundlage einer Folgenabwägung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.

3. Das [X.], [X.] und Verbraucherschutz [X.] hat von einer Stellungnahme abgesehen.

4. [X.] des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an. Dies ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 4 [X.] angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das [X.] bereits entschieden. Demnach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 4 [X.].

a) Die Grundrechte des Grundgesetzes kommen vorliegend nicht als unmittelbarer Prüfungsmaßstab zur Anwendung (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 34 f.). Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens betrifft das Verfahren der Überstellung im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl (im Folgenden: [X.]) und damit eine unionsrechtlich vollständig determinierte Materie (vgl. [X.] 140, 317 <343 Rn. 52>; 147, 364 <382 Rn. 46>; Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 35).

Der Beschwerdeführer kann sich auf die Rechte der [X.] der Grundrechte der [X.] berufen, die vom [X.] bei der Überprüfung der Entscheidungen der Fachgerichte als Kontrollmaßstab für die richtige Anwendung des einschlägigen Unionsrechts herangezogen werden (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 36 f.). Er hat, weil die Verfassungsbeschwerde vor dem Erlass des Beschlusses des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, erhoben worden ist, eine Verletzung von einzelnen Rechten der [X.] zwar nicht ausdrücklich gerügt. Dies hindert das [X.] jedoch nicht, im Rahmen einer zulässigen Verfassungsbeschwerde seine Prüfung auch auf diese zu erstrecken (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 40).

b) Aus Art. 4 [X.] folgt für ein mit einem Überstellungsersuchen befasstes Gericht die Pflicht, in zwei [X.]en von Amts wegen aufzuklären, ob die konkrete Gefahr besteht, dass die zu überstellende Person nach einer Übergabe einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 42 ff.).

aa) Im [X.] Rechtshilfeverkehr gelten die Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung, wobei letzterer auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten beruht. Bei einem Überstellungsersuchen ist jedem ersuchenden Mitgliedstaat deshalb im Hinblick auf die Einhaltung des Unionsrechts (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, [X.] , [X.]/18 [X.], [X.]:C:2018:586, Rn. 36; Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 49; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 46) einschließlich der Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes (vgl. [X.] 109, 13 <35 f.>; 109, 38 <61>; 140, 317 <349 Rn. 68>) grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen. Das mit einem Überstellungsersuchen befasste Gericht ist somit grundsätzlich verpflichtet, die Beachtung der Rechte der [X.] durch den ersuchenden Mitgliedstaat zu unterstellen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, [X.] , [X.]/18 [X.], [X.]:C:2018:586, Rn. 37; Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 50; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 47).

bb) Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] unter "außergewöhnlichen Umständen" Beschränkungen der Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten möglich. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass die Übergabe zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der betreffenden Person im Sinne von Art. 4 [X.] führt (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 84 und 104; Urteil vom 25. Juli 2018, [X.] , [X.]/18 [X.], [X.]:C:2018:586, Rn. 44; Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 57; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 50).

cc) Die Frage, ob "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, die eine Überstellung der betreffenden Person an den [X.] verhindern, ist anhand einer Prüfung in zwei Schritten zu beantworten. Im ersten, die allgemeine Haftsituation betreffenden Schritt ist das mit einem Überstellungsersuchen befasste Gericht verpflichtet, sich auf objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben über die Haftbedingungen in den Haftanstalten des [X.]s zu stützen, um zu prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Häftlingen in diesem Mitgliedstaat besteht. Konkrete Anhaltspunkte für systemische oder allgemeine Mängel der Haftbedingungen im [X.] können sich unter anderem aus Entscheidungen internationaler Gerichte, von Gerichten des [X.]s oder anderer Mitgliedstaaten sowie aus Entscheidungen, Berichten und anderen Schriftstücken von Organen des [X.]rats oder aus dem System der [X.] ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 89; Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 60; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 52).

dd) In einem zweiten, auf die Situation des Betroffenen bezogenen [X.] ist das Gericht verpflichtet, genau zu prüfen, ob es unter den konkreten Umständen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die gesuchte Person im [X.] an ihre Übergabe an den [X.] aufgrund der Bedingungen, unter denen sie inhaftiert sein wird, dort einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 [X.] ausgesetzt sein wird (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 92 und 94; Urteil vom 25. Juli 2018, [X.] , [X.]/18 [X.], [X.]:C:2018:586, Rn. 44; Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 61; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 55). Dies erfordert eine aktuelle und eingehende Prüfung der Situation, wie sie sich zum Entscheidungszeitpunkt darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 57 unter Bezugnahme auf [X.], [X.], Urteil vom 9. Juli 2019, Nr. 8351/17, § 86). Da das Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung absoluten Charakter hat, darf die vom Gericht vorzunehmende Prüfung der Haftbedingungen nicht auf offensichtliche Unzulänglichkeiten beschränkt werden, sondern muss auf einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen materiellen Haftbedingungen beruhen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 61 f.).

ee) Im Urteil vom 15. Oktober 2019 ([X.]) hat der [X.] ausdrücklich klargestellt, dass das in Art. 4 [X.] enthaltene Recht im Wesentlichen dem durch Art. 3 [X.] garantierten Recht entspricht und gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der [X.] verliehen wird (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 58; vgl. auch [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 90; und Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 90 f.). Eine Misshandlung muss, um unter Art. 3 [X.] zu fallen, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, wofür sämtliche Umstände des Falles, wie die Dauer der Behandlung, deren physische und psychische Auswirkungen sowie, in manchen Fällen, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers bedeutsam sind (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 91; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 59, jeweils unter Bezugnahme auf [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, § 97 und § 122).

ff) Bei der von dem mitgliedstaatlichen Gericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Haftbedingungen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] hinsichtlich des einem Inhaftierten zur Verfügung stehenden Raums zu unterscheiden, ob dieser unter 3 m² (1), zwischen 3 m² und 4 m² (2) oder über 4 m² (3) liegt. Bei der Berechnung der verfügbaren Fläche in einer Gemeinschaftszelle ist die Fläche der [X.] nicht einzuschließen, wohl aber die durch Möbel eingenommene Fläche, wobei es den Gefangenen möglich bleiben muss, sich in der Zelle normal zu bewegen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 77; [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, § 75 und § 114).

(1) In Anbetracht der Bedeutung des [X.] bei der Gesamtbeurteilung der Haftbedingungen begründet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] der Umstand, dass der einem Inhaftierten zur Verfügung stehende Raum in einer Gemeinschaftszelle unter 3 m² liegt, eine starke Vermutung für einen Verstoß gegen Art. 4 [X.] beziehungsweise Art. 3 [X.]. Diese starke Vermutung kann normalerweise nur widerlegt werden, wenn es sich kumulativ erstens um eine kurze, gelegentliche und unerhebliche Reduzierung des persönlichen Raums gegenüber dem geforderten Minimum von 3 m² handelt, diese Reduzierung zweitens mit genügend Bewegungsfreiheit und ausreichenden Aktivitäten außerhalb der Zelle einhergeht sowie drittens die Haftanstalt allgemein angemessene Haftbedingungen bietet und die betroffene Person keinen anderen Bedingungen ausgesetzt ist, die als die Haftbedingungen erschwerende Umstände anzusehen sind (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 92 f.; und Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 72 f.; [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, §§ 124 f. und § 138).

(2) Verfügt ein Gefangener in einer Gemeinschaftszelle über einen persönlichen Raum, der zwischen 3 m² und 4 m² beträgt, kann ein Verstoß gegen Art. 4 [X.] beziehungsweise Art. 3 [X.] vorliegen, wenn zu dem [X.] weitere defizitäre Haftbedingungen hinzutreten, wie etwa fehlender Zugang zum [X.] beziehungsweise zu Frischluft und Tageslicht, schlechte Belüftung, eine zu niedrige oder zu hohe Raumtemperatur, fehlende Intimsphäre in den Toiletten oder schlechte Sanitär- und Hygienebedingungen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 75 unter Bezugnahme auf [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, § 139).

(3) Bei mehr als 4 m² persönlichem Raum in einer Gemeinschaftszelle bleiben die weiteren Aspekte der Haftbedingungen für die erforderliche Gesamtbeurteilung relevant (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 76 mit Verweis auf [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, § 140).

gg) Mit dem zweistufigen Prüfprogramm sind Aufklärungspflichten des mit einem Überstellungsersuchen befassten Gerichts verbunden (vgl. Beschluss des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 52 f.). Aus Art. 4 [X.] folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] die Pflicht, im Einzelfall zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob das Grundrecht des zu Überstellenden aus Art. 4 [X.] gewahrt ist.

(1) Zunächst muss sich das Gericht auf objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben über die Haftbedingungen in den Haftanstalten des [X.]s stützen, die das Vorliegen systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffende Mängel belegen können (vgl. [X.], Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 60; und vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 52). Für die gründlich vorzunehmende Prüfung, ob es unter den konkreten Umständen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die zu überstellende Person im [X.] an ihre Übergabe aufgrund der Haftbedingungen einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 [X.] ausgesetzt sein wird, muss das Gericht innerhalb der nach Art. 17 [X.] zu beachtenden Fristen den [X.] um die unverzügliche Übermittlung aller notwendigen zusätzlichen Informationen in Bezug auf die Bedingungen bitten, unter denen die betreffende Person in diesem Mitgliedstaat inhaftiert werden soll (vgl. [X.], Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 63; und vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 57 unter Bezugnahme auf [X.], [X.], Urteil vom 9. Juli 2019, Nr. 8351/17, § 86 sowie Rn. 63 und 67). Der [X.] ist verpflichtet, die ersuchten Informationen innerhalb der ihm vom ersuchten Mitgliedstaat gesetzten Frist zu übermitteln (vgl. [X.], Urteile vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 97 und 104; und vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 64).

(2) Diese zusätzlichen Informationen sind Voraussetzung dafür, dass die Prüfung einer bestehenden Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung einer Person auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 9. Juli 2019, Nr. 8351/17, §§ 83 ff., §§ 89 ff.). Das mit einem Übermittlungsersuchen befasste Gericht muss deshalb die Entscheidung über die Zulässigkeit der Übergabe so lange aufschieben, bis es die zusätzlichen Informationen erhalten hat, die es ihm gestatten, das Vorliegen einer solchen Gefahr auszuschließen (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 104). Kann das Vorliegen einer solchen Gefahr nicht innerhalb einer angemessenen Frist ausgeschlossen werden, muss das Gericht darüber entscheiden, ob das Übergabeverfahren zu beenden ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2016, [X.] und [X.], [X.]/15 und [X.]/15 [X.], [X.]:[X.], Rn. 104).

hh) Art. 15 Abs. 2 [X.] verpflichtet das mit einem Überstellungsersuchen befasste Gericht zur Einholung zusätzlicher, für die Übergabeentscheidung notwendiger Informationen. Als Ausnahmebestimmung kann diese Regelung nicht dazu herangezogen werden, die Behörden des [X.]s systematisch um allgemeine Auskünfte zu den Haftbedingungen in den Haftanstalten zu ersuchen. Die gerichtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf die allgemeinen Haftbedingungen in sämtlichen Haftanstalten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens und der für den [X.] Rechtshilfeverkehr vorgesehenen Fristen beschränkt sich diese vielmehr auf die Prüfung derjenigen Haftanstalten, in denen die gesuchte Person nach den vorliegenden Informationen wahrscheinlich, sei es auch nur vorübergehend oder zu Übergangszwecken, konkret inhaftiert werden soll (vgl. [X.], Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft , [X.]/18 [X.], [X.]:[X.], Rn. 84 bis 87 und Rn. 117; und vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 64 bis 66).

c) Nach diesen Maßstäben hält die angegriffene Entscheidung einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das [X.] ist seiner Verpflichtung nach Art. 4 [X.], auf der zweiten Prüfungsstufe im Einzelfall zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung in den genannten Haftanstalten einer Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, nicht hinreichend nachgekommen.

aa) Das [X.] hat es versäumt, für die Quarantänezeit in der Haftanstalt [X.] sowie für die [X.] im geschlossenen [X.] in der Haftanstalt [X.] weitere notwendige Informationen von den [X.] Behörden anzufordern, damit die erforderliche Gesamtwürdigung der Haftbedingungen auch für diese [X.]räume auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage erfolgen kann. Das bloße Abstellen auf die von den [X.] Behörden für diese beiden Haftanstalten mitgeteilten [X.] pro Person ist für die erforderliche Gesamtwürdigung der Haftbedingungen nicht ausreichend (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 72).

Hinsichtlich der Haftraumgröße hat das [X.] ferner nicht berücksichtigt, dass bei der Berechnung der verfügbaren Fläche in einer Gemeinschaftszelle die Fläche des [X.] nicht einzuschließen ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2019, [X.], [X.]/18, [X.]:[X.], Rn. 77; [X.] , [X.], Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13, § 75 und § 114). Für das geschlossene Vollzugssystem in der Haftanstalt [X.] lässt sich der Mitteilung der [X.] Behörden nicht entnehmen, ob die 2,7 m² des [X.] in die für Gemeinschaftszellen mit sechs Gefangenen angegebene Mindesthaftraumgröße von 20,35 m² einberechnet wurden. Wäre dies der Fall, läge der dem Beschwerdeführer im Falle einer Unterbringung in einer solchen Gemeinschaftszelle zur Verfügung stehende Raum unter 3 m².

Soweit das [X.] darauf verweist, dass durch einen Strafvollzug in [X.] die Aufrechterhaltung und Pflege der familiären und [X.] Beziehungen des Beschwerdeführers erleichtert und gefördert würden, hat das Gericht nicht berücksichtigt, dass die [X.] Behörden lediglich für das halboffene [X.], nicht aber für den geschlossenen Vollzug in der Haftanstalt [X.] mitgeteilt haben, dass die Möglichkeit für Besuche und Telefonate bestehe, und damit hinsichtlich dieses Aspekts insoweit keine ausreichende Tatsachengrundlage vorliegt.

bb) Soweit das [X.] darauf abstellt, dass der Haftraum in der Haftanstalt [X.] im halboffenen [X.] "möglicherweise beengter" sei, hat es verkannt, dass eine dauerhafte Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle mit einem persönlichen Raum von nur 2 m² mit Art. 4 [X.] unvereinbar ist, da es sich nicht um eine kurze, gelegentliche und unerhebliche Reduzierung des persönlichen Raums gegenüber dem geforderten Minimum von 3 m² handelt (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 73 ff.). Da es sich um kumulative Kriterien handelt, könnten auch längere Aufschlusszeiten, die für die Haftanstalt [X.] überdies nicht konkret benannt wurden, bei einer dauerhaften Unterbringung in einem Haftraum mit nur 2 m² persönlichem Raum die Vermutung einer Grundrechtsverletzung für sich genommen nicht widerlegen (vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18 -, Rn. 78).

2. Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen der Verletzung von Art. 4 [X.] Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die angegriffene Entscheidung auch andere Unionsgrundrechte des Beschwerdeführers verletzt.

Der Beschluss des [X.]ischen [X.]s vom 16. Juni 2020 - 1 Ausl (A) 3/16 (36/17) - wird, soweit er die Zulässigkeit der Auslieferung betrifft, aufgehoben; die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswertes im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvR 1285/20

14.01.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerfG, 24. Juli 2020, Az: 2 BvR 1285/20, Einstweilige Anordnung

§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 4 EUGrdRCh, § 32 IRG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14.01.2021, Az. 2 BvR 1285/20 (REWIS RS 2021, 9544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9544


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1285/20

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1285/20, 14.01.2021.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1285/20, 24.07.2020.


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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1214/21

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2 BvR 1845/18

2 BvR 2100/18

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