Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.2015, Az. VIII ZR 208/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 980

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Gegenstand

Preisänderungsrecht des Gasversorgers: Voraussetzungen wirksamer Ausübung gegenüber einem Tarifkunden bei Grundversorgungsvertrag


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Kartellsenats des [X.] vom 13. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die in [X.] die Grundversorgung mit Erdgas durchführt, belieferte die dort wohnende Beklagte [X.] mit Erdgas.

2

Die Klägerin versorgt [X.], mit denen sie keine Sondervereinbarung getroffen hat, im Rahmen ihrer "Allgemeinen Erdgastarife" nach einer "Bestabrechnung", die sich nach dem kostengünstigsten Tarif für die individuelle jährliche Abnahmemenge des Kunden richtet. Auf dieser Grundlage rechnete die Klägerin auch gegenüber der Beklagten ab. Sie nahm während der [X.] des Gasbezugs durch die Beklagte [X.] vor und machte diese öffentlich bekannt. Seit Inkrafttreten der [X.] am 8. November 2006 unterrichtete sie zudem die Beklagte über die [X.] jeweils auch brieflich, ohne dabei auf ein Kündigungsrecht der Beklagten aus Anlass der [X.] hinzuweisen. Die Beklagte widersprach den Preiserhöhungen erstmals mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 und bezahlte seit diesem [X.]punkt das Entgelt nur auf der Grundlage des bis dahin geltenden Gaspreises.

3

Die Klägerin, die die Beklagte als Tarifkundin ansieht und geltend macht, ihre jeweils auf § 4 [X.] beziehungsweise § 5 [X.] aF gestützten Preiserhöhungen hätten der Billigkeit entsprochen, weil sie dabei ausschließlich ihre gestiegenen Gasbezugskosten weitergegeben habe, verlangt von der Beklagten das restliche Entgelt für die Erdgaslieferungen in der [X.] vom 7. September 2005 bis zum 8. September 2010 in Höhe von 5.027,46 € nebst Zinsen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben; das [X.] hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

4

Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 19. Februar 2013 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren [X.] anhängige Verfahren [X.]/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen ([X.]/11 und [X.]/11, [X.], 849 - [X.] und [X.]).

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 294) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Zwischen den Parteien bestehe ein durch faktischen [X.] zustande gekommener "Grundtarifvertrag". Auch wenn die Klägerin mehrere Grundtarife vorgesehen und die Beklagte nach einem "Bestpreismodell" in den jeweils günstigsten Tarif eingeordnet habe, habe diese die Belieferung nicht als Sonderkundenvertrag verstehen können.

8

Der weiteren Beurteilung des [X.], wonach die Klägerin das ihr eingeräumte Preisänderungsrecht beanstandungsfrei ausgeübt habe, sei indes nicht beizupflichten. Zwar stehe dem Gasversorger das Recht zu, die Abgabepreise nach billigem Ermessen einseitig zu ändern (§ 315 BGB), wobei unter anderem Senkungen der Bezugskosten ebenso zu berücksichtigen seien wie Kostenerhöhungen. Das [X.] sei den Bestimmungen des § 4 Abs. 1, 2 [X.] sowie der Nachfolgebestimmung des § 5 Abs. 2 [X.] zu entnehmen, sofern diese mit der [X.] 2003/55/[X.] in Einklang stünden. Andernfalls wäre dem Grundversorger ein [X.] jedenfalls bei "[X.]" im Wege ergänzender Vertragsauslegung zuzuerkennen, denn die Pflicht zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 [X.] sei nur zumutbar, wenn sie mit einer Berechtigung zur Preisanpassung einhergehe.

9

Gleichviel ob das [X.] auf § 4 Abs. 1, 2 [X.], § 5 Abs. 2 [X.] oder auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruhe, hätten jedoch die Mitgliedstaaten und deren Behörden, zu denen auch die Klägerin als Kommunalunternehmen gehöre, sowie die Gerichte jedenfalls nach Ablauf der Frist zur Umsetzung einer [X.] die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Dies habe, wenn die [X.] inhaltlich nicht hinreichend genau und unbedingt seien, durch eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften zu erfolgen, sofern diese für eine solche Auslegung Raum ließen. Im Streitfall habe die Umsetzungsfrist der [X.] am 1. Juli 2004 geendet, mithin vor Beginn des [X.]. Dies eröffne eine richtlinienkonforme Auslegung.

Die [X.] sehe in Anhang [X.]. c [gemeint wohl: Buchst. b] unter anderem vor, dass die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht (Kündigungsrecht) unterrichtet werden. Dieses Erfordernis beziehe sich entgegen der Ansicht der Klägerin auf sämtliche Geschäftsbedingungen, zu denen als besonders wichtiges Kriterium auch der Gaspreis und namentlich dessen Erhöhung gehöre.

Zwar seien die Vorgaben der [X.] weder in der [X.] noch in der [X.] vollständig umgesetzt worden. Eine Belehrung der [X.] über ihr Kündigungsrecht bei Preisänderungen (§ 32 Abs. 1, 2 [X.], § 5 Abs. 3 [X.]) sei nicht vorgesehen. Dieses Erfordernis sei jedoch im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die Bestimmungen der [X.] und der [X.] hineinzulesen und bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen. Der Verordnungswortlaut stehe dem nicht entgegen. Gegebenenfalls widerstreitende Motive des nationalen Gesetzgebers seien wegen des vorrangigen Richtlinienrechts der Union unbeachtlich.

Daran gemessen seien die Voraussetzungen für Erhöhungen des Gaspreises hier nicht erfüllt. Haushaltskunden wie die Beklagte seien zu keinem [X.]punkt auf ihr Kündigungsrecht, das nicht ohne Weiteres als bekannt vorauszusetzen sei, hingewiesen worden. Außerdem habe die Klägerin lediglich selektiv unmittelbar (brieflich) über die Preiserhöhungen unterrichtet. Wegen dieser Mängel seien die Preiserhöhungen nicht durchsetzbar.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die auf Zahlung des [X.] erbrachten Gaslieferungen (§ 433 Abs. 2 BGB) gerichtete Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitern die von der Klägerin vorgenommenen Preisanpassungen nicht daran, dass sie die Beklagte bei der Mitteilung der Preiserhöhungen nicht auf deren Kündigungsrecht hingewiesen hat.

Das Berufungsgericht hat den Gaslieferungsvertrag der Parteien zwar zutreffend als [X.]vertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen. Auch war die Klägerin - anders als der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen hat - nicht schon gemäß § 4 Abs. 1, 2 [X.] beziehungsweise seit dem 8. November 2006 - gemäß § 5 Abs. 2 [X.] in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 ([X.] I S. 2931; im Folgenden: [X.] aF) zu einer Erhöhung des [X.] berechtigt. Denn diesen Vorschriften kann, wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 ([X.], [X.], 2226 [zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt], und [X.], juris) im [X.] an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 ([X.]/11, [X.]/11, [X.], 849 - [X.] und [X.]) entschieden hat, ein gesetzliches [X.] des Energieversorgers jedenfalls für die [X.] ab dem 1. Juli 2004 nicht (mehr) entnommen werden.

Jedoch ergibt sich nach den vom Senat in den beiden vorbezeichneten Urteilen vom 28. Oktober 2015 entwickelten Grundsätzen aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Laufzeit des Vertrages an die Beklagte weiterzugeben, und dass sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Ob hiervon ausgehend die Klägerin zu den streitgegenständlichen Preiserhöhungen berechtigt war, lässt sich anhand der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht als Tarifkundin angesehen. Es ist in [X.] Anwendung der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 17 f., und [X.], aaO Rn. 20 f.; jeweils mwN) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem mit Aufnahme der Versorgung zwischen den Parteien abgerechneten Tarif um Allgemeine Preise im Sinne von § 36 Abs. 1, § 39 Abs. 1 [X.] 2005 gehandelt hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers die Versorgung zu den vorstehenden, von ihr öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften und nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit angeboten hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Insbesondere steht es der Einstufung des Vertragsverhältnisses der Parteien als Tarifvertrag nicht entgegen, dass die Klägerin unterschiedliche Tarife anbietet, wobei sich der jeweils zur Abrechnung kommende Preis nach dem für die individuelle Abnahmemenge kostengünstigsten Versorgungstarif richtet. Nach der Rechtsprechung des Senats steht es einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 18, und [X.], aaO Rn. 21; jeweils mwN).

2. Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 ([X.], aaO Rn. 21 ff., insbesondere Rn. 33, und [X.], aaO Rn. 23 ff., insbesondere Rn. 35) entschieden hat, kann an seiner früheren Rechtsprechung zum gesetzlichen Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 2 [X.], § 5 Abs. 2 [X.] aF angesichts des auf Vorlage des Senats ergangenen Urteils des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 ([X.]/11 und [X.]/11, aaO - [X.] und [X.]) jedenfalls für die [X.] nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der [X.] 2003/55/[X.] bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die [X.] und die darin an Preisanpassungen normierten Anforderungen allerdings auch nicht mit Ablauf der Umsetzungsfrist im Wege richtlinienkonformer Auslegung in § 4 Abs. 2 [X.], § 5 Abs. 2 [X.] aF "hineingelesen" werden. Denn nicht (fristgerecht) umgesetzte Richtlinien der [X.] können zur Auslegung oder Fortbildung des nationalen Rechts nur insoweit herangezogen werden, als dieses dafür Raum gibt. Zudem entfalten sie bei Fehlen dieser Möglichkeit im nationalen Recht keine unmittelbaren Wirkungen in einem ausschließlich zwischen Privaten bestehenden Rechtsverhältnis.

a) Zu erstgenanntem Gesichtspunkt ist der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 ([X.], aaO Rn. 34 ff., und [X.], aaO Rn. 36 ff.) zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise, welches den Transparenzanforderungen der [X.] nach Maßgabe der für den Senat bindenden Auslegung des Gerichtshofs entspricht, nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1, 2 [X.] oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des der [X.] zugrunde liegenden und ihr übergeordneten Energiewirtschaftsgesetzes - für § 5 Abs. 2 [X.] aF gilt Entsprechendes - herleiten lässt. Eine solche, insbesondere auch im Wortlaut der genannten Bestimmungen nicht angelegte Bedeutung würde - wie dort im Einzelnen ausgeführt - ihnen ein Verständnis beimessen, das dem erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers entgegenstünde. Denn insbesondere im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung und nicht darüber hinaus anerkannt werden sollten (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 59, und [X.], aaO Rn. 61).

b) Ebenso wenig liegen die in den [X.] vom 28. Oktober 2015 ([X.], aaO Rn. 63 ff., und [X.], aaO Rn. 65 ff.; jeweils mwN) näher dargestellten Voraussetzungen vor, unter denen eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der [X.] auf die zwischen den Parteien bestehende Lieferbeziehung in Betracht kommt. Zwar hat das Berufungsgericht die Klägerin, bei der es sich um ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform der GmbH handelt, als "Behörde" angesehen. Ungeachtet der Frage, ob die Transparenzanforderungen der [X.] die für eine unmittelbare Anwendung erforderliche inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Genauigkeit aufweisen, ist jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine in der dafür erforderlichen Weise dem Staat zuzurechnende Organisation oder Einrichtung handelt, insbesondere dass die Klägerin bei der Erbringung ihrer Versorgungsleistungen mit (besonderen) Rechten und Pflichten versehen sein sollte, die über diejenigen hinausgehen, welche sich aus den ansonsten auf diesem Gebiet für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juli 1990 - [X.]/89, [X.]. 1990, [X.] Rn. 17 ff. - [X.] u.a.; vom 4. Dezember 1997 - [X.]/96 bis [X.]/96, [X.]. 1997, [X.] Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; vom 5. Februar 2004 - [X.]/02, [X.]. 2004, [X.] Rn. 24  - Rieser Internationale Transporte; vom 24. Januar 2012 - [X.]/10, NJW 2012, 509 Rn. 39 - [X.]; jeweils mwN). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revisionserwiderung insoweit nicht auf.

c) Die Klage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb unbegründet, weil die Klägerin über die streitigen Preiserhöhungen "lediglich selektiv unmittelbar (brieflich)" unterrichtet habe. Der Verordnungsgeber hat zwar bei der Schaffung der [X.] zusätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1, 2 [X.] enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung unter anderem eine Verpflichtung des Gasversorgers geschaffen, zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] aF). Dies ist hingegen nicht als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis ausgestaltet, sondern dient lediglich der erleichterten Kenntnisnahme durch den Kunden (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 51, und [X.], aaO Rn. 53). Ohnehin hat die Klägerin die Beklagte nach den Feststellungen des [X.], auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, nach Inkrafttreten der [X.] zusätzlich zur öffentlichen Bekanntgabe unstreitig auch per Brief über die jeweiligen Preisanpassungen unterrichtet.

3. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 ([X.], aaO Rn. 66 ff., und [X.], aaO Rn. 68 ff.) entschieden hat, ergibt sich aus der gebotenen und sich an dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Vertragsparteien [X.] ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines - wie hier - auf unbestimmte Dauer angelegten Gaslieferungsvertrags, dass der Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner Bezugskosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.

Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht, dessen wirksame Ausübung nicht an die Unterrichtung der Beklagten über ihr Kündigungsrecht gebunden ist, in dem vorstehend beschriebenen Umfang zu, so dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Ausgangspunkt dafür ist der zuletzt vor dem 7. September 2005 - dem Beginn des hier streitigen [X.] - geltende Arbeitspreis, denn zuvor erfolgte Preisanpassungen hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 84, und [X.], aaO Rn. 86). Von dem Preisänderungsrecht allerdings nicht erfasst sind Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], aaO Rn. 85, und [X.], aaO Rn. 87; jeweils mwN). Hierzu hat das Berufungsgericht - nach seinem Standpunkt folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache wird, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. [X.]                          Dr. Schneider

                     Dr. Bünger                                Kosziol

Meta

VIII ZR 208/12

09.12.2015

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 19. Februar 2013, Az: VIII ZR 208/12, Beschluss

§ 4 Abs 1 AVBGasV, § 4 Abs 2 AVBGasV, § 5 Abs 2 AVBGasV, § 32 Abs 1 AVBGasV, § 32 Abs 2 AVBGasV, § 5 Abs 2 S 2 GasGVV, § 133 BGB, § 157 BGB, § 315 BGB, § 433 Abs 2 BGB, § 36 Abs 1 EnWG, § 39 Abs 1 EnWG, Art 33 Abs 1 EGRL 55/2003

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.2015, Az. VIII ZR 208/12 (REWIS RS 2015, 980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 980


Verfahrensgang

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Az. VIII ZR 208/12

Bundesgerichtshof, VIII ZR 208/12, 09.12.2015.


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