Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.02.2011, Az. IX ZR 105/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9854

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Haftung des Rechtsanwalts: Schadensersatzpflicht wegen Erhebung einer aussichtslosen Klage und anschließender Rechtsmitteleinlegung; Mitteilung der Einschaltung der Haftpflichtversicherung als verjährungshemmende Verhandlung


Leitsatz

1. Erhebt ein Rechtsanwalt hinsichtlich eines verjährten Anspruchs pflichtwidrig eine aussichtslose Klage, so liegt in der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein die Klage abweisendes Urteil keine einen neuen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtwidrigkeit, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das - in unverjährter Zeit - die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann (Fortführung BGH, 13. November 2008, IX ZR 69/07, WM 2009, 283) .

2. Die Mitteilung eines Rechtsanwalts über die Einschaltung seiner Haftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht als Erörterung über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu werten, wenn der Rechtsanwalt zugleich äußert, zur Haftung dem Grunde und der Höhe nach keine Erklärung abzugeben .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 20. Mai 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, beauftragte einen Architekten mit Sanierungsarbeiten an einem ihr gehörenden Hausgrundstück. Nach dem Vorbringen der Klägerin standen ihr hieraus wegen fehlerhafter Tätigkeit Schadensersatzansprüche zu. Mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraute sie im Jahre 1998 die Beklagte zu 1, eine in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft geführte Anwaltssozietät. Der Beklagte zu 2 betreute das Mandat. Er beantragte am 5. Juli 2000 gegen den Architekten den Erlass eines Mahnbescheides wegen eines Teilbetrages in Höhe von 527.393,94 €. Der Architekt legte gegen den Mahnbescheid am 10. September 2000 Widerspruch ein. Im September 2002 wurde das Verfahren auf Antrag der Klägerin, vertreten durch den Beklagten zu 2, an das [X.] abgegeben und dort als Klageverfahren fortgeführt. Mit Urteil vom 26. Februar 2004 wies das [X.] die Klage wegen nicht hinreichend substantiierter Darlegung des Schadens ab. Die hiergegen vom Beklagten zu 2 eingelegte Berufung wurde mit Urteil vom 17. März 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der geltend gemachte Ersatzanspruch sei spätestens Ende des Jahres 1999 verjährt. Auch die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum [X.] blieb ohne Erfolg.

2

Die Klägerin nimmt die Beklagten mit Klageschrift vom 21. April 2006 wegen fehlerhafter Beratung auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens in Anspruch. Sie verlangte ursprünglich einen Betrag von 1.663.973,56 €, der sich aus Mehrkosten aus Architektenhaftung (867.914,66 €), Zinslast aus Kreditvertrag ([X.] €) und Prozesskosten (63.491 €) zusammensetzt. Das [X.] hat der Klage, welche den Beklagten am 11. Dezember 2006 zugestellt wurde, nur hinsichtlich der nutzlos aufgewandten Prozesskosten stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten wegen eingetretener Verjährung die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Ersatz der Prozesskosten weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 2134 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, entgegen der Annahme des [X.] sei die von den [X.] erhobene Einrede der Verjährung begründet. Maßgeblich sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 51b [X.] aF. Der geltend gemachte Schaden wegen Erhebung einer aussichtslosen Klage sei mit Eingang des Antrags beim Mahngericht, dem 5. Juli 2000, entstanden. Entscheidend sei der Zeitpunkt, an dem der Kläger Schuldner der Gerichtskosten werde, weil hierdurch der erste Teil des Kostenschadens entstehe. Die Gerichtsgebühr falle als Verfahrensgebühr bereits mit Eingang des [X.] beim Mahngericht an. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 51b [X.] sei mithin am 5. Juli 2003 abgelaufen. Allerdings habe für die [X.] Veranlassung bestanden, die eigene Mandatsbehandlung mit Blick auf einen eigenen Pflichtenverstoß zu überprüfen und der Klägerin die Durchsetzbarkeit ihres Regessanspruches zu ermöglichen. Der hierdurch begründete [X.] sei jedoch am 5. Juli 2006 ebenfalls verjährt.

5

Entgegen der Annahme des [X.] sei der Lauf der Verjährungsfrist nicht durch Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB gehemmt worden. Dem Schreiben der [X.] vom 14. April 2005, mit dem sie sich bereit erklärt hätten, den Vorgang ihrer Haftpflichtversicherung vorzulegen, könne nicht die Bereitschaft zum Verhandeln entnommen werden. Die [X.] hätten in diesem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie aus versicherungsrechtlichen Gründen keine Erklärung zur Haftungssituation dem Grunde und der Höhe nach abgeben könnten. Auch sei eine Hemmung durch ein Verhandeln zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer der [X.] nicht eingetreten. Dieser habe bereits mit seinem ersten Schreiben vom 21. Dezember 2005 eine Haftung abgelehnt. Allenfalls könne eine kurzzeitige Hemmung zwischen der im Schreiben vom 19. Januar 2006 geäußerten Bitte um Fristverlängerung und dem anschließenden Ablehnungsschreiben der Haftpflichtversicherung vom 24. Januar 2006 in Betracht zu ziehen sein.

II.

6

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

7

Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der auf Ersatz der aufgewendeten Prozesskosten gerichtete Schadensersatzanspruch der Klägerin verjährt ist.

8

1. Die Verjährung richtet sich noch nach dem durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehobenen § 51b [X.]. Die danach maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung im Dezember 2006 (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO) abgelaufen.

9

a) Die Regelung des § 51b [X.] ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b [X.], so gilt diese Vorschrift auch für den [X.], weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet ([X.], Urteil vom 7. Februar 2008 - [X.], [X.], 946 Rn. 30, 33; vom 13. November 2008 - [X.], [X.], 283 Rn. 8; Zugehör in Zugehör/[X.]/Sieg/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1265).

b) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist spätestens mit Einreichung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids beim Amtsgericht am 5. Juli 2000 und damit vor dem 15. Dezember 2004 entstanden. Der Kostenschaden verwirklicht sich bereits durch die Erhebung einer aussichtslosen Klage, weil damit ein erster Teil des Schadens in Form der Gerichtskosten entsteht, für die der Kläger als [X.] haftet ([X.], Urteil vom 7. Februar 1995 - [X.], NJW 1995, 2039, 2041; vom 21. Juni 2001 - [X.], NJW 2001, 3543, 3545, insoweit in [X.]Z 148, 156 ff nicht abgedruckt; vom 13. November 2008 - [X.], aaO Rn. 9). Für die Einreichung eines aussichtslosen Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids gilt nichts anderes, weil auch hier die Gerichtskosten mit Zugang beim Gericht fällig werden (§ 6 GKG, vgl. [X.]/Vollkommer, ZPO 28. Aufl. vor § 688 Rn. 20). Der aus dem behaupteten Beratungsfehler der [X.] erwachsene Kostenschaden ist hierbei als einheitliches Ganzes aufzufassen. Daher läuft für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens einschließlich aller weiterer adäquat verursachter, zurechenbarer und voraussehbarer Nachteile eine einheitliche Verjährungsfrist, sobald irgendein Teilschaden entstanden ist ([X.], Urteil vom 18. Dezember 1997 - [X.], [X.], 779, 780 mwN; vom 21. Februar 2002 - [X.], [X.], 1078, 1080; vom 7. Februar 2008 - [X.], [X.], 1612 Rn. 31). Die dreijährige Verjährungsfrist war gerechnet von der am 5. Juli 2000 bewirkten Einreichung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids bereits am 7. Juli 2003 und damit lange vor der hier am 11. Dezember 2006 erfolgten Klagezustellung abgelaufen.

c) Entgegen der Ansicht der Revision liegt weder in der Einlegung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil durch den [X.] zu 2 noch in der [X.] der [X.] bei der Frage, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil eingelegt werden soll, eine einen neuen Primäranspruch auslösende Pflichtwidrigkeit der beklagten Rechtsanwälte. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist hierin lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das - in [X.] - die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann, zu sehen (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2008 - [X.], aaO Rn. 9).

d) Die in Betracht kommenden [X.] der Klägerin sind vor der Klageerhebung ebenfalls verjährt. [X.] verjähren, wenn sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b [X.] richtet, ebenfalls nach dieser Vorschrift ([X.], Urteil vom 13. November 2008 - [X.], aaO Rn. 8). Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit der Vollendung der Verjährung des Primäranspruchs, weil damit der durch die sekundäre Pflichtverletzung verursachte Schaden eintritt. Damit ist hinsichtlich der Sekundärhaftung zum 7. Juli 2006 Verjährung eingetreten.

2. Im Rahmen revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung des [X.], insbesondere des Schreibens der [X.] vom 14. April 2005, konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass im [X.] an das vorgenannte Schreiben keine Verhandlungen zwischen den Parteien einschließlich der Haftpflichtversicherung der [X.] im Sinne des § 203 BGB geführt wurden.

a) Für ein Verhandeln im vorgenannten Sinn genügt, wie schon bei § 852 Abs. 2 BGB aF, jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein ([X.], Urteil vom 8. Mai 2001 - [X.], NJW-RR 2001, 1168, 1169; vom 26. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 587 Rn. 10; vom 1. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1358 Rn. 32; vom 14. Juli 2009 - [X.], [X.], 1597 Rn. 16). Dafür kann zunächst genügen, dass der Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seiner Haftpflichtversicherung zur Prüfung übersandt (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1982 - [X.], NJW 1983, 162, 163; vom 1. Februar 2007 - [X.], aaO).

b) Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Entgegen der Ansicht der Revision kann ihm bei seiner Würdigung der einzelnen Umstände weder ein Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO noch eine Verletzung der Auslegungsgrundsätze nach § 133, 157 BGB angelastet werden.

Aufgrund des [X.] des Schreibens vom 14. April 2005 konnte es davon ausgehen, dass die [X.] - gerade im Hinblick auf ihre versicherungsrechtlichen Obliegenheiten - nicht in einen Meinungsaustausch über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensfall eintreten wollten. Aus der Formulierung der [X.], dass sie "zur Haftungssituation dem Grunde und der Höhe nach keinerlei Erklärungen abgeben" werden, war für die Klägerin als Handelsgesellschaft eindeutig erkennbar, dass die [X.] weder gegenwärtig noch zukünftig bereit sind, über die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu sprechen. Darin kann eine sofortige und eindeutige Ablehnung im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze, wie vom Berufungsgericht angenommen, gesehen werden. Im Hinblick auf diese Erklärung sowie die Ergänzung, dass die Prüfung der Sach- und Rechtslage ausschließlich durch die Haftpflichtversicherung erfolge, war ferner eindeutig geklärt, dass auch etwaige Erörterungen oder gar Verhandlungen zur Sache ausschließlich deren Angelegenheit seien. Die Bereitschaft, den Vorgang der Versicherungsgesellschaft vorzulegen, konnte unter diesen Umständen von der [X.] Klägerin nicht als Beginn von Verhandlungen oder einer entsprechenden Gesprächsbereitschaft gewertet werden.

Soweit die Revision den Aussagegehalt des Schreibens der [X.] vom 14. April 2005 im Sinne einer unmittelbaren Verhandlungsbereitschaft deutet, ersetzt sie im übrigen die in der Zuständigkeit des Tatrichters liegende Auslegung durch ihre eigene, was revisionsrechtlich nicht zulässig ist. Hinzu kommt, dass die [X.] mit ihrem Schreiben vom 15. April 2005, mit dem das Telefax der Klägerin vom selben Tag beantwortet wurde, darauf hingewiesen haben, ihnen sei nicht erkennbar, welche Forderung die Klägerin überhaupt geltend machen will. Auch hieraus konnte die Klägerin erkennen, dass mangels hinreichender Konkretisierung eine Gesprächsaufnahme auf Seiten der Haftpflichtversicherung unter diesen Umständen noch nicht in Erwägung zu ziehen war.

Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob unter dem Gesichtspunkt der Schadenseinheit die Verjährung auch für die Prozesskosten zu einem früheren Zeitpunkt als der Eingang des [X.] zu laufen begonnen hat.

[X.]                                     Vill

                   [X.]                                           Grupp

Meta

IX ZR 105/10

03.02.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 20. Mai 2010, Az: I-5 U 101/09, Urteil

§ 51b BRAO vom 02.09.1994, § 203 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.02.2011, Az. IX ZR 105/10 (REWIS RS 2011, 9854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9854

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 105/10 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 91/15 (Bundesgerichtshof)

Rechtsanwaltshaftung: Verjährung von zwei unterschiedlichen Ansprüchen gegen einen Rechtsanwalt; Verjährungshemmung durch Mahnbescheid


IX ZR 96/10 (Bundesgerichtshof)

Sekundärhaftung des Rechtsanwalts: Unterlassene Anordnung einer routinemäßigen Wiedervorlage


IX ZR 69/07 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 91/15 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.