Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2017, Az. IX ZR 91/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16228

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:020217UIXZR91.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX [X.]/15

Verkündet am:

2. Februar 2017

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 204, 675 Abs. 1
Der Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt, der pflichtwidrig eine For-derung des Mandanten hat verjähren lassen, verjährt unabhängig von der Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz des Kostenschadens gegen denselben Rechtsanwalt wegen pflichtwidrigen Führens eines aussichtslosen Prozesses gegen einen [X.].

[X.], Urteil vom 2. Februar 2017 -
IX [X.]/15 -
OLG Rostock

[X.]

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2
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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2017
durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, die Richterin [X.], [X.] Schoppmeyer und Meyberg

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 18. März 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagenden Eheleute verlangen Schadensersatz wegen anwaltlicher Schlechtberatung. Die Kläger hatten im Jahr 2000 eine GmbH mit der Sanie-rung ihres Wohn-
und Geschäftshauses in B.

beauftragt. [X.] waren ein Festpreis von 1,3 Mio. DM und ein fester Fertigstellungstermin; der Vertrag enthielt zudem eine Vertragsstrafenregelung. Der Geschäftsführer der GmbH übernahm
eine so bezeichnete Erfüllungsbürgschaft für die termingerechte [X.]. Die GmbH hielt den Termin nicht ein. Die Kläger beauf-tragten Rechtsanwältin A.

mit der Wahrnehmung ihrer Rechte. Diese 1
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setzte der GmbH mit Schreiben vom 19. Juni 2001 eine Nachfrist bis zum 25.
Juni 2001
und kündigte sodann mit Schreiben vom 27. Juni 2001 den Werkvertrag.

Die Kläger, zunächst vertreten durch Rechtsanwältin A.

, dann durch Rechtsanwalt [X.]

, klagten in der Folgezeit gegen die GmbH und gegen den Geschäftsführer auf Schadensersatz sowie Vertragsstrafen in Höhe von insgesamt 48.000 DM ([X.]). Gegen die bereits zahlungsunfähige GmbH erging Versäumnisurteil. Die Klage gegen den Geschäftsführer wurde nach einem Hinweis des Gerichts, die Klage sei derzeit unbegründet, ebenfalls durch Versäumnisurteil abgewiesen. In einem [X.]. Sie wurden zunächst von Rechtsanwalt [X.]

, dann von der jetzt beklagten Rechtsanwältin vertreten. Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen ([X.]/03).

Die Kläger, vertreten durch die Beklagte, nahmen sodann Rechtsanwalt [X.]

auf Schadensersatz in Anspruch, weil er im Rechtsstreit [X.] die Klage gegen den Geschäftsführer
nicht alsbald zurückgenommen habe. Dieser Rechtsstreit endete am 3. Dezember 2004 mit dem Abschluss eines Vergleichs, in welchem Rechtsanwalt [X.]

sich [X.] 2 O 19/04).

Die Kläger, vertreten durch die Beklagte, gingen sodann erneut gegen Erlass eines Mahnbescheids über diesen Betrag datiert vom 14. Dezember 2004.
Am 27. Januar 2005 erging ein entsprechender Vollstreckungsbescheid. Die Klage wurde schließlich durch Urteil vom 13. Dezember 2007 abgewiesen. 2
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Die Berufung gegen dieses Urteil nahmen die durch die Beklagte vertretenen Kläger im Jahre 2010 zurück ([X.] 7 O 126/05).

Nunmehr
nehmen die Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in [X.].
In ihrem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides, der am [X.] 2010 beim zuständigen [X.] eingegangen ist, haben sie "Schaden-ersatz aus Dienstvertrag -
Vertrag gem. Vertrag vom 14.12.07"
bezeichnet. In ihrer Anspruchsbegründung vom 25. Januar 2012, bei Gericht eingegangen am selben Tage, werfen sie der Beklagten
vor, den aussichtslosen Rechtsstreit [X.] 7 O 126/05 gegen den Geschäftsführer angestrengt und es
zudem
versäumt zu haben, Rechtsanwältin A.

wegen der unwirksamen Fristset-zung im Jahre 2001 auf Schadensersatz
in Anspruch genommen zu haben. Hinsichtlich der Prozesskosten haben
sie einen
näher beschriebenen
Teilbetrag sichtlich der
entgangenen Schadensersatzforderung gegen Rechtsanwältin A.

einen
näher beschriebenen

verlangt. Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung der [X.] ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Mit ihrer vom Senat zugelas-senen Revision wollen die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

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I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch insgesamt verjährt. Die Verjährung richte sich nach § 51b [X.]
a.[X.], weil der durch die aussichts-lose Klage entstandene Kostenschaden am 14. Dezember 2004 entstanden sei.
Es komme auf den Zeitpunkt der Absendung des Antrags auf Erlass des Mahn-bescheids an, nicht auf den die Gerichtskosten auslösenden Eingang bei [X.], weil mit der Absendung
des Antrags
der notwendig zu einem Schaden führende Geschehensablauf unwiderruflich
in Gang gesetzt
worden sei.

[X.] sei der Anspruch damit am 15. Dezember 2007. Ein möglicher
Sekun-däranspruch sei ebenfalls verjährt.

II.

Diese
Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang die geltend gemachten Ansprüche der Kläger verjährt sind.

1.
Welchem Recht die Verjährung eines Anspruchs auf Schadensersatz aus Anwaltshaftung unterliegt, richtet sich gemäß Art. 229 § 12 Abs.
1 Satz
1 Nr. 3, Art. 229 §
6 EGBGB danach, wann der Anspruch entstanden ist. Ein [X.], der nach dem 14. Dezember 2004 entstanden ist, verjährt
insgesamt
nach den Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Für einen
Anspruch, der vor dem
15. Dezember 2004
entstanden ist, gilt dagegen §
51b [X.] a.[X.] ([X.], Urteil vom 13. November 2008 -
IX ZR 69/07, [X.], 283 Rn. 8). Bestimmt sich die Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs 7
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nach § 51b [X.], gilt diese Vorschrift auch für den [X.], weil dieser lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet ([X.], Urteil vom 13. November 2008, aaO;
vom 3.
Februar 2011 -
IX ZR 105/10, [X.], 796 Rn. 9;
vgl. auch [X.], Urteil vom 15. November 2012 -
IX [X.], [X.], 93 Rn. 5 zu § 68 StBerG a.[X.]).
Die Verjährung
gemäß § 51b [X.] a.[X.]
beginnt
taggenau und [X.] mit der Entstehung des Anspruchs.

2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die Kläger zwei unterschiedliche Ansprü-che geltend gemacht haben, die unabhängig voneinander verjähren.

a) Der Grundsatz
der Schadenseinheit, auf welchen das Berufungsge-richt sich bezogen hat,
besagt nur, dass derjenige Schaden, der aus einem be-stimmten Ereignis erwachsen ist, als einheitliches Ganzes aufzufassen ist. Es gibt nur einen
Anspruch
auf Ersatz dieses Schadens und nur eine [X.]
([X.], Urteil vom 14. März 1968 -
VII ZR 77/65, [X.]Z 50, 21, 23 f; vom 23.
März 1987 -
II ZR 190/86, [X.]Z 100, 228, 232; vom 4. April 1991
-
IX ZR
215/90, [X.]Z 114, 150, 153). Im Bereich der Anwaltshaftung
gilt
dieser Grundsatz
für alle Schäden, die aus einem bestimmten Beratungsfehler er-wachsen. Liegt die Pflichtverletzung des Anwalts
in der Erhebung einer aus-sichtslosen Klage, läuft für den
Anspruch auf Ersatz des hieraus folgenden Kos-tenschadens
einschließlich aller weiterer adäquat verursachter, zurechenbarer und voraussehbarer Nachteile
eine einheitliche Verjährungsfrist ([X.], Urteil vom 3. Februar 2011 -
IX ZR 105/10, [X.], 796 Rn. 10).

b) Die Kläger haben der Beklagten jedoch nicht nur die Klage gegen den Geschäftsführer vorgeworfen, die von vornherein keine Aussicht auf Erfolg ge-10
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habt und zu dem
(teilweise)
geltend gemachten Kostenschaden geführt habe. Sie haben außerdem (teilweise) Ersatz desjenigen Schadens verlangt, der dadurch entstanden sei, dass die Beklagte Schadensersatzansprüche gegen die Rechtsanwältin A.

habe verjähren lassen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Pflichtverletzung, die
zu einem anderen Schaden -
der Ver-jährung des Schadensersatzanspruchs
-
geführt haben soll als
die Erhebung der
Klage gegen den Geschäftsführer. Damit liegen zwei materiell-rechtliche Ansprüche vor. Die Verjährung des Anspruchs hinsichtlich des Kostenschadens hätte gesondert geprüft werden müssen. Das ist zu Unrecht unterblieben.

c) Die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht die Entstehung des aus der Klage gegen den Geschäftsführer
([X.] 7 O 126/05) fol-genden Schadens bereits am 14. Dezember 2004 und die hieraus folgende Anwendbarkeit von § 51b [X.] a.[X.] angenommen hat, lässt sich
ebenfalls
nicht halten.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird die Verfahrensgebühr
(KV-GKG Nr. 1100)
mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs-
oder Rechtsmittelschrift fällig (§ 6 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 GKG). Vor Eingang des [X.] auf Erlass eines Mahnbescheids
ist keine Gebühr, damit auch kein hie-raus
folgender Schaden der Kläger
entstanden. Entgegen der Ansicht der Revi-sionserwiderung hat das Berufungsgericht nicht bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass der Antrag am 14. Dezember 2004 bei Gericht eingegangen ist. Im Tatbestand heißt es zwar, die Beklagte habe "am 14.12.2004 einen ". In den Entscheidungsgründen hat das Berufungs-gericht jedoch begründet, warum der Schaden bereits vor Zugang des Antrags beim Mahngericht entstanden sei. Wäre das Wort "beantragt"
im Tatbestand so zu verstehen, dass der Antrag am 14.
Dezember 2004 bereits bei Gericht vor-lag, wären diese Ausführungen unnötig. Aus den Akten ergibt sich nicht, wann 13
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der Antrag bei Gericht eingegangen
ist. Es ist nur eine Kopie des Antrags zu den Akten gereicht worden.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat weist auf folgende rechtlichen Gesichtspunkte hin, die im bisherigen Verlauf des Prozesses noch nicht erörtert worden sind:

1. Aus der behaupteten fehlerhaften Beratung hinsichtlich der Klage ge-gen den Geschäftsführer könnte bereits vor Eingang des Antrags bei Gericht ein erster Teilschaden in Form von Anwaltskosten entstanden sein. Die 1,0-Gebühr nach VV-RVG Nr. 3305, welche der Anwalt für einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids erhält, entsteht mit dem unbedingten Auftrag
(vgl. jetzt Vorbemerkung 3 Abs. 1 VV-RVG), spätestens aber gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV-RVG mit dem Betreiben des Geschäfts, hier also
der Erstellung des Antrags am 14. Dezember 2004.

2. Hinsichtlich beider Ansprüche wird zu prüfen sein, ob der am 29. [X.] 2010
beantragte, am 30. Dezember 2010 erlassene und am 4. Januar 2011 zugestellte Mahnbescheid geeignet war, die Verjährung des jeweiligen Anspruchs zu hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Ein Mahnbescheid hemmt die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nur, wenn dieser Anspruch nach §
690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert ist. Er muss in der Weise 14
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bezeichnet sein, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch
oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden ([X.], Urteil vom 12. April 2007 -
VII ZR 236/05, [X.]Z 172, 42 Rn. 39).
Mangelt es hieran und wird die Individualisierung erst im anschließenden Streitverfahren nachgeholt, wird die Verjährung nicht durch den Mahnbescheid gehemmt. Das gilt auch dann, wenn der Mahnbescheid trotz der fehlenden Individualisierung des [X.]s erlassen worden ist ([X.], Urteil vom 10. Juli 2008 -
IX [X.], [X.], 1935 Rn. 16; vom 21.
Oktober 2008 -
XI [X.], [X.], 420 Rn.
20; Beschluss vom 3. Dezember 2015 -
IX ZR 11/14, [X.], 656 Rn.
14).

Kayser
Gehrlein
[X.]

Schoppmeyer
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.10.2012 -
4 O 518/11 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 18.03.2015 -
1 [X.] -

Meta

IX ZR 91/15

02.02.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2017, Az. IX ZR 91/15 (REWIS RS 2017, 16228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16228

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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