Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.10.2021, Az. I R 43/19

1. Senat | REWIS RS 2021, 1910

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) VÖLKERRECHT EINKOMMENSTEUER DOPPELBESTEUERUNGSABKOMMEN

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Gegenstand

Steuerpflicht des Arbeitslohns aus einer Tätigkeit für die ISAF


Leitsatz

Der für eine Tätigkeit als International Civilian Consultant bei der ISAF in Afghanistan gezahlte Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer. Aus völkerrechtlichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch auf eine Steuerbefreiung.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 30.07.2019 - 5 K 1077/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) Einkünfte aus einer Tätigkeit bei der [X.] in [X.] ([X.] --[X.]--) der Besteuerung unterwerfen durfte.

2

Die verheirateten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnen im Inland. Der Kläger war zunächst Soldat im Dienst der [X.]. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war er u.a. in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) als International Civilian Consultant ([X.]) bei der [X.] in [X.] tätig. Sein Gehalt für diese Tätigkeit zahlte die [X.] ([X.]).

3

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben die Kläger an, dass die von der [X.] gezahlten Gehälter "ausländische Einkünfte ohne Progressionsvorbehalt" darstellen würden. Auf den Hinweis des [X.], dass das gezahlte Gehalt nicht steuerfrei sei, legten die Kläger ein Schreiben eines anderen Finanzamts an einen anderen Steuerpflichtigen vor, in dem dieses Amt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des [X.] [X.] von der Steuerfreiheit der Zahlungen ausgegangen war.

4

Das [X.] folgte dem nicht und setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Einbeziehung der ausländischen Einkünfte fest.

5

Im dagegen geführten Einspruchsverfahren beriefen sich die Kläger erfolglos darauf, dass die Problematik der steuerlichen Einordnung der Bezüge seinerzeit beim [X.] geklärt worden sei. Es bestehe kein Grund, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen.

6

Das anschließend angerufene Finanzgericht ([X.]) [X.] wies die Klage ab (Urteil vom 30.07.2019 - 5 K 1077/17, Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1515).

7

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beantragen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide vom 24.10.2013 für 2012 und vom 12.06.2015 für 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit um ... € in 2012 und um ... € in 2013 herabgesetzt werden.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[X.].]O--). Das [[X.].] hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Zahlungen der [[X.].] in vollem Umfang der Einkommensteuer unterliegen.

1. Die [[X.].]eteiligten ziehen zu Recht nicht in Zweifel, dass die Vorinstanz die [[X.].]-Zahlungen an den in den Streitjahren in der [[X.].] ([[X.].]) wohnhaften und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung --EStG--) als steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S. der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert hat.

2. Rechtsfehlerfrei ist das [[X.].] auch zu der Feststellung gelangt, dass das aus den Vorschriften des EStG resultierende [[X.].]esteuerungsrecht im Streitfall nicht ausgeschlossen oder beschränkt war. Völkerrechtliche Vereinbarungen über die [[X.].]esteuerung i.S. des § 2 Abs. 1 der Abgabenordnung ([[X.].]) sind auf den Kläger und dessen Tätigkeit für die [[X.].] aus verschiedenen Gründen nicht anzuwenden.

a) Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit [[X.].] besteht nicht; ein solches existierte auch nicht in den Streitjahren.

b) Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem sog. Ottawa-Abkommen.

aa) Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und [[X.].]efreiungen an die [[X.].], die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen vom 30.05.1958 ([[X.].] 1958, 117) finden die [[X.].]estimmungen des Abkommens über die Vorrechte und [[X.].]efreiungen der Sonderorganisationen der [[X.].] sinngemäß auf die [[X.].], die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von [[X.].] am 29.05.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der [[X.].], der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom [[X.].] (abgedruckt in [[X.].] 1958, 118 ff.) Anwendung.

bb) Nach Art. 19 Satz 1 des [[X.].] sind die [[X.].]ediensteten der [[X.].]. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren [[X.].]edienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des [[X.].] wiederum sieht vor, dass die Gruppen von [[X.].]ediensteten, auf die (u.a.) Art. 19 des [[X.].] Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil IV --u.a. Art. 17-- des [[X.].] haben die [[X.].] und [[X.].] am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen (abgedruckt in [[X.].] 1962, 114 ff.), die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der --in Ergänzung zur Verordnung vom 30.05.1958-- erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und [[X.].]efreiungen an internationale [[X.].]edienstete der [[X.].] vom [[X.].] ([[X.].] 1962, 113) für die Gewährung von Vorrechten und [[X.].]efreiungen an [[X.].]edienstete der [[X.].] maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge die Gruppen von [[X.].]ediensteten der [[X.].] und der nachgeordneten Stellen der [[X.].], auf welche u.a. Art. 19 des [[X.].] in [[X.].] Anwendung findet, die [[X.].]esoldungsgruppen A, [[X.].] und [[X.].] der [[X.].]-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden [[X.].]ediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der [[X.].] haben.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger im Streitfall ersichtlich nicht, da er nach den finanzgerichtlichen Feststellungen seinen Dienst im streitigen Zeitraum in [[X.].] ausübte. Hiernach kann es dahinstehen, wie das Verhältnis zwischen dem Kläger, der [[X.].] und der [[X.].] im Einzelnen zu qualifizieren ist.

cc) Auch die Voraussetzungen des Art. 19 Sätze 2 ff. des [[X.].] erfüllt der Kläger nicht. Hierzu wäre u.a. erforderlich, dass er seine Dienstbezüge aus [[X.].] Mitteln nach einem von [[X.].] festgesetzten Tarif bezogen hat, was nach den tatsächlichen Feststellungen des [[X.].] nicht der Fall ist. Der Kläger erhielt seine Zahlungen von der [[X.].].

c) Sonstige auf internationaler Vereinbarung basierende [[X.].]efreiungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt.

aa) Art. [X.] des Abkommens zwischen den Parteien des [X.] über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 ([[X.].]-Truppenstatut) --[[X.].]TrStat-- ([[X.].] 1961, 1190) spricht zwar die [[X.].]esteuerung an, regelt aber nur die Verhältnisse Entsandter einer [[X.].]-Vertragspartei im Hoheitsgebiet einer anderen [[X.].]-Vertragspartei (sog. Aufnahmestaat, vgl. Art. I [[X.].]TrStat) und ist daher bei einer Tätigkeit in [[X.].] ebenso wenig einschlägig wie das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des [X.] über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der [[X.].] stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.1959 ([[X.].] 1961, 1183, 1218), das nach dessen Art. 1 die Rechte und Pflichten bestimmter [[X.].]-[X.] im Gebiet der [[X.].] regelt.

bb) Eine Steuerbefreiung aus dem sog. "[X.]" (MTA) vom [X.] (abrufbar unter https://undocs.org/S/2002/117) ergibt sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Vereinbarung hinsichtlich der Mission in [[X.].] allein das Verhältnis [[X.].]s zur [[X.].] (vgl. Art. [X.]), nicht aber zu [[X.].] betrifft.

Die in Art. II Nr. 1 MTA i.V.m. Annex A Section 3 Nr. 8 formulierte Verpflichtung zur Steuerfreistellung betrifft darüber hinaus ausdrücklich und ausschließlich die [[X.].]esteuerung durch die afghanische Regierung ("exempt from taxation by the Interim Administration"). Der in Art. II Nr. 1 i.V.m. Annex A Section 1 Nr. 1 MTA enthaltene Verweis auf das Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der [[X.].] vom 13.02.1946 ([[X.].] 1980, 943) bezieht sich nach seinem Wortlaut allein auf dessen Art. VI ("experts on mission for the United Nations"), der aber bereits im Ausgangspunkt keine steuerrechtlichen Fragen anspricht.

cc) Aus den die [[X.].] und ihre Sonderorganisationen unmittelbar betreffenden Vereinbarungen ergeben sich für den Kläger ebenfalls keine Steuerbefreiungstatbestände. Die insoweit einschlägigen Art. V Abschn. 18 [[X.].]uchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der [[X.].] vom 13.02.1946 und der darauf [[X.].]ezug nehmende Art. VI § 19 [[X.].]uchst. b des Abkommens über die Vorrechte und [[X.].]efreiungen der Sonderorganisationen der [[X.].] vom 21.11.1947 ([[X.].] 1954, 640) sind nur auf [[X.].]edienstete der Organisation der [[X.].], [[X.].]eamte von [X.]. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und [[X.].]efreiungen der Sonderorganisationen der [[X.].] vom 21.11.1947 oder [[X.].]eamte solcher Organisationen, die gemäß Art. 57 und 63 der [[X.].]harta der [[X.].] ([[X.].] 1973, 431) angeschlossen sind, und von diesen gezahlte Gehälter und [[X.].]ezüge anwendbar (vgl. Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und [[X.].]efreiungen der Sonderorganisationen der [[X.].] vom 21.11.1947). Mangels erforderlichen Abkommens nach Art. 63 der [[X.].]harta der [[X.].] mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der [[X.].] sind weder die [[X.].] noch die [[X.].] (noch die daran beteiligten [X.]) Sonderorganisationen der [[X.].]. Dass die [[X.].] durch die Resolution 1386 (2001) des Sicherheitsrates der [[X.].] vom 20.12.2001 gemäß den Regelungen in Kapitel VII der [[X.].]harta der [[X.].] ("Maßnahmen bei [[X.].]edrohung oder [[X.].]ruch des Friedens und bei Angriffshandlungen") eingerichtet wurde (abrufbar unter [X.] (2001)), genügt demnach nicht. Die [[X.].] fällt im Übrigen auch nicht unter die Auflistung der Sonderorganisationen in Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und [[X.].]efreiungen der Sonderorganisationen der [[X.].] vom 21.11.1947 und das dazu ergangene Schreiben des [[X.].]undesministeriums der Finanzen ([[X.].]MF) vom 18.03.2013 ([[X.].]St[[X.].]l I 2013, 404). Entgegen dem (unsubstantiierten) Vortrag der Kläger besteht kein Anhaltspunkt dafür, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auflistung der Sonderorganisationen im [[X.].]MF-Schreiben zu zweifeln.

dd) An der nach diesen Darlegungen fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Steuerbefreiung ändert auch das vom Kläger vorgelegte "[[X.].]ertificate" vom 17.03.2013 nichts. Es handelt sich hierbei um eine Art Arbeitgeberbescheinigung, die lediglich auf das MTA verweist, welches aber für sich genommen als Rechtsgrundlage für eine [[X.].]efreiung von der [[X.].] Einkommensteuer ausscheidet.

3. Fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage für die von den Klägern reklamierte Steuerbefreiung, lässt sich aus einer (einen anderen Steuerpflichtigen betreffenden) behördlichen Sachbehandlung oder einer ministeriellen Stellungnahme kein Rechtsanspruch begründen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [[X.].]O.

Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [[X.].]O).

Meta

I R 43/19

13.10.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 30. Juli 2019, Az: 5 K 1077/17, Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 AO, Art 10 NATOTrStat, Art 17 NATOStatÜbk, Art 19 NATOStatÜbk, § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG 2009, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, § 1 Abs 1 NATOVorRV, Art 1 NATO/BRDVbg, § 1 Abs 1 S 1 NATOVorRV 1962, Art 1 NATOTrStatZAbk, Art 5 Abschn 18 Buchst b UNOImmÜbk, Art 6 § 19 Buchst b UNSOrgVorRAbk, § 85 S 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.10.2021, Az. I R 43/19 (REWIS RS 2021, 1910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1910

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