Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.11.2013, Az. I ZR 104/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1381

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Gegenstand

Wettbewerbswidrigkeit einer selbstständigen Vergütungsvereinbarung des Versicherungsvertreters mit dem Versicherungsnehmer bei Offenlegung der Agenturbindung - Vermittlung von Netto-Policen


Leitsatz

Vermittlung von Netto-Policen

Lässt sich ein Versicherungsvertreter, der seine Agenturbindung gegenüber dem Versicherungsnehmer offenlegt, für die Beratung und die Vermittlung einer Netto-Police vom Versicherungsnehmer eine eigenständige Vergütung versprechen, verstößt dies nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1 GewO. Mit einer solchen Vereinbarung ist auch nicht notwendig eine Irreführung des Versicherungsnehmers über den Status des Vermittlers als Versicherungsvertreter verbunden.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 24. Mai 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind als Versicherungsvertreter im [X.] eingetragen und verfügen über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 [X.]. Sie streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Vermittlung von Lebensversicherungen zu Nettotarifen bei gleichzeitiger Vereinbarung einer von dem Versicherungsnehmer an den Versicherungsvertreter zu zahlenden selbständigen Vergütung.

2

Ein Mitarbeiter der [X.]n händigte der Kundin [X.] am 26. August 2010 eine „Erstkontaktinformation“ aus, die unter anderem folgenden Inhalt hatte:

Meldung und Eintrag ins Vermittlerregister: Die V.-GmbH ist im Vermittlerregister als erlaubnispflichtiger Versicherungsvertreter nach § 34d Abs. 1 [X.] bei der zuständigen [X.] gemeldet und nach § 34d Abs. 7 [X.] ... eingetragen.

3

Anschließend vermittelte er der Kundin eine fondsgebundene Rentenversicherung der A.-Lebensversicherung [X.] Dabei handelte es sich um eine sogenannte [X.], bei der die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vertragsvermittlung enthielt. Gleichzeitig schloss die [X.] im eigenen Namen mit der Versicherungsnehmerin eine separate Vergütungsvereinbarung, die unter anderem folgende Regelungen enthielt (Hervorhebungen im Original):

1. [X.] ist gewerberechtlich als Versicherungsvertreter von Lebensversicherungen für die A.-Lebensversicherung [X.] tätig. In dieser Eigenschaft vermittelt er den Kunden die fondsgebundene Rentenversicherung mit wählbaren Zusatzversicherungen.

2. [X.] erhält vom Kunden für die Vermittlung und für seine Beratungs- und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des nebenstehenden [X.] eine einmalige Vergütung. Der Versicherungstarif enthält keine Abschlusskosten; der Versicherungsvermittler erhält deshalb von der Versicherungsgesellschaft für seine Tätigkeit keine Provisionen oder sonstige Vergütungen.

...

4. Der Anspruch des [X.] auf Zahlung der Vergütung entsteht mit dem nachfolgend beschriebenen Zustandekommen des vom Kunden beantragten [X.]. Der Versicherungsvertrag kommt zustande, wenn die Versicherungsgesellschaft die Annahme des [X.] durch Zusendung des Versicherungsscheins erklärt und der Kunde sein gesetzliches Widerrufsrecht vom Versicherungsvertrag nicht wirksam ausgeübt hat.

5. Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit dieser Vergütungsvereinbarung vom Versicherungsvertrag ist der Kunde zur Zahlung der Vergütung auch im Falle der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des [X.] verpflichtet. Die Vergütung ist jedoch bei wirksamer Anfechtung oder bei einer wirksamen Ausübung des Widerrufs nicht geschuldet.

...

4

Die Klägerin hat das Vertriebsmodell der [X.]n als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie ist der Ansicht, die [X.] geriere sich als Versicherungsmaklerin, wenn sie mit einem Kunden eine selbständige Vergütungsvereinbarung abschließe. Dadurch verstoße sie gegen ihre typenspezifische Erlaubnis als Versicherungsvertreterin. Durch die Inanspruchnahme eines allein einem Versicherungsmakler zugewiesenen Vergütungsmodells weiche die formularmäßige Vergütungsvereinbarung zudem von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und führe die Kunden überdies in die Irre.

5

Die Klägerin hat beantragt,

es der [X.]n unter Androhung von [X.] zu verbieten, als registrierter Versicherungsvertreter gesonderte Vereinbarungen mit Versicherungsnehmern oder potentiellen Versicherungsnehmern zu schließen, wonach diese sich verpflichten, eine Provision für die Vermittlung eines [X.] an die [X.] zu zahlen.

6

Die [X.] hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die dispositiven gesetzlichen Regelungen erlaubten es ihr, anstelle einer überwiegend üblichen [X.] auch [X.]n zu vermitteln. In einem solchen Fall sei der Abschluss einer separaten Vergütungsvereinbarung zulässig. Daraus könne ein verständiger und aufmerksamer Kunde nicht den Schluss herleiten, sie werde als Versicherungsmaklerin tätig.

7

Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage abgewiesen ([X.], [X.], 1034 = [X.] 2012, 1174). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] verstoße durch den Abschluss einer gesonderten Vergütungsvereinbarung im Zusammenhang mit der Vermittlung einer [X.] weder gegen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG noch führe sie dadurch ihre Kunden im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irre. Dazu hat es ausgeführt:

9

Bei der Vorschrift des § 34d Abs. 1 [X.] handele es sich zwar um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Gegen diese Vorschrift habe aber die [X.] mit der Vermittlung von [X.]n und der gleichzeitigen Begründung eines eigenständigen Vergütungsanspruchs gegen den Versicherungsnehmer nicht verstoßen, weil sie den Umfang ihrer Erlaubnis als Versicherungsvertreterin nicht überschritten und ihre Agenturbindung gegenüber dem Kunden stets offengelegt habe.

Die von der [X.] abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen seien auch nicht nach §§ 307 ff. [X.] zu beanstanden. Die Versicherungsnehmer würden durch den Abschluss separater Vergütungsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von [X.]n nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Das Vertriebsmodell der [X.] stelle auch keine nach §§ 3, 5 UWG wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung dar. Es sei schon zweifelhaft, ob ein durchschnittlicher Verbraucher den Abschluss eines gesonderten Vergütungsvertrags als Hinweis auf die [X.] des Vermittlers verstehe. Die Begründung eines selbständigen Honoraranspruchs sei aus der Sicht eines solchen Verbrauchers im Übrigen allenfalls ein Indiz dafür, dass der Vermittler sich allein an den Kundeninteressen orientieren werde. Eine derartige Indizwirkung sei im Streitfall aber dadurch widerlegt, dass die [X.] ihre Eigenschaft als Versicherungsvertreterin in der „[X.]“ offenlege. Darüber hinaus ergebe sich die Agenturbindung der [X.] deutlich aus Nummer 1 der Vergütungsvereinbarung. Unter diesen Umständen bleibe auch kein Raum für eine Einstufung der [X.] als Pseudomaklerin im Sinne von § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.].

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegenüber der [X.] verneint, es zu unterlassen, mit (potentiellen) Versicherungsnehmern gesonderte Vergütungsregelungen zu vereinbaren.

1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einen Verstoß der [X.] gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1 [X.] verneint.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei § 34d Abs. 1 [X.] um eine Norm handelt, die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Die Erlaubnispflicht zur Ausübung bestimmter Gewerbe stellt zwar grundsätzlich (auch) eine Marktzutrittsregelung dar. Sie dient aber darüber hinaus dem Schutz der Verbraucher vor einer Gefährdung ihrer Rechtsgüter durch unzuverlässige Gewerbetreibende und ist daher zugleich eine Marktverhaltensregelung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des [X.], BT-Drucks. 16/1935, [X.], 17; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. Mai 2009 - [X.], [X.], 886 Rn. 17 = [X.], 1513 - Die clevere Alternative, zu § 34 Abs. 4 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.82; Harte/[X.]/[X.], UWG, 3. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 79; [X.].UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 135; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 11.59). Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken keinen den § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vergleichbaren [X.] kennt, steht der Anwendung dieser Vorschriften im Streitfall im Hinblick darauf nicht entgegen, dass es sich bei der Bestimmung des § 34d [X.] um eine unionsrechtskonforme Reglementierung der Berufsausübung handelt (vgl. Art. 3 Abs. 4 und 8 der Richtlinie 2005/29/[X.]; [X.], Urteil vom 18. September 2013 - [X.] Rn. 9 - Krankenzusatzversicherungen; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 11.6i und 11.6k).

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das angegriffene Vertriebsmodell der [X.] verstoße nicht gegen die Marktverhaltensregelung des § 34d Abs. 1 [X.].

aa) Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die [X.] eine Versicherungsvermittlung im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 1 [X.], der der Umsetzung von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung ([X.]. 2003 Nr. L 9/3) dient, erbringt. Die Vorschrift des § 34d Abs. 1 Satz 1 [X.] unterscheidet anders als die Richtlinie zur Klarstellung zwischen Versicherungsmaklern und Versicherungsvertretern. Sie enthält zwei unterschiedliche Erlaubnistatbestände. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein Versicherungsvermittler nicht zugleich als Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter tätig sein. Die Einordnung als Makler oder Vertreter soll für den Kunden zudem transparent sein und einer „Typenvermischung“ entgegenwirken (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2002/92/[X.]; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des [X.] aaO, [X.]4; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. November 1973 - [X.], [X.], 192, 193). Über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinausgehend muss ein Versicherungsvermittler deshalb von vornherein entscheiden, ob er als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter tätig sein will und dies im Antrag auf Erteilung der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 [X.] angeben. Dementsprechend wird die Erlaubnis gemäß § 34d Abs. 1 Satz 3 [X.] [X.] entweder für eine Tätigkeit als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter erteilt (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl., § 34d [X.] Rn. 30; [X.] § 59 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Gewerbeordnung, 8. Aufl., § 34d Rn. 27, 34). Dies bedeutet indessen nicht nur, dass der Wechsel in einen anderen Vermittlertyp einer geänderten Erlaubnis und Registrierung bedarf; vielmehr ergibt sich hieraus auch, dass eine Vermittlungstätigkeit, die die Grenzen der Erlaubnis überschreitet, ohne Gewerbeerlaubnis und damit in wettbewerbswidriger Weise erfolgt (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 34d [X.] Rn. 30, 32, 46; [X.]/Ostendorf, [X.], 154, 156 f.).

bb) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die [X.] mit der Begründung eines eigenständigen Vergütungsanspruchs gegen den Versicherungsnehmer den Umfang ihrer Erlaubnis als Versicherungsvertreterin nicht überschreitet.

(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die [X.] eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 [X.] besitzt, in das [X.] gemäß § 34d Abs. 7, § 11a [X.] eingetragen ist und ihre Agenturbindung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch die von ihr verwendete „[X.]“ und die Angaben in der Vergütungsvereinbarung offenlegt. Damit hat sie ihre Pflicht gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV, der Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/[X.] umsetzt, erfüllt. Diese statusbezogene Information, für die ausschließlich auf die Eintragung und nicht auf das konkrete Tätigwerden abzustellen ist, soll sicherstellen, dass die [X.] erteilte Gewerbeerlaubnis vom Kunden im Sinne der beabsichtigten Transparenz zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2002/92/[X.]; [X.], [X.], 114, 115; [X.]/Ostendorf, [X.], 154, 155; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 11 VersVermV Rn. 1). Dass die [X.] durch die Offenlegung ihres Status die erforderlichen Angaben mitgeteilt hat, wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

(2) Die Revision legt nicht dar, dass die [X.] - abgesehen von der streitgegenständlichen Vergütungsvereinbarung - Tätigkeiten entfaltet, die über den Umfang der ihr erteilten Erlaubnis hinausgehen, mithin solche, die ausschließlich einem Versicherungsmakler vorbehalten sind.

Entgegen der Ansicht der Revision macht der Umstand, dass die [X.] mit Kunden eigenständige Vergütungsvereinbarungen schließt, sie noch nicht zur Versicherungsmaklerin im Sinne von § 59 Abs. 3 [X.]. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt nach § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistung als Versicherungsmakler. Versicherungsvertreter im Sinne des § 59 Abs. 2 [X.] ist demgegenüber derjenige, der von einem Versicherer (oder von einem anderen Versicherungsvertreter) damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Ein Versicherungsvertreter ist demnach auf der Seite des Versicherers tätig, während der Versicherungsmakler seine Vermittlungstätigkeit im Allgemeinen im Auftrag des Kunden erbringt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 1985 - [X.], [X.]Z 94, 356, 359; Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1127, 1128; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 59 [X.] Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 34d [X.] Rn. 32). Die Abgrenzung richtet sich mithin - abgesehen vom Ausnahmefall des § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] (dazu sogleich unter Rn. 21) - objektiv danach, ob der Versicherungsvermittler von einem Versicherer mit der Vermittlung betraut wurde (vgl. [X.]/Ostendorf, [X.], 154, 155). Darauf, von wem der Versicherungsvermittler seine Vergütung erhält, kommt es für die Abgrenzung grundsätzlich nicht an.

Aus dem Umstand, dass der Versicherungsvertreter anders als der Versicherungsmakler im Lager des Versicherers steht, dessen Interessen er bei seiner Vermittlungstätigkeit im Auge zu behalten hat (vgl. § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 HGB), kann nicht geschlossen werden, dass ein Versicherungsvertreter aufgrund der gegenüber dem Versicherer bestehenden Loyalitätspflichten von vorneherein nicht in der Lage wäre, den Versicherungsnehmer in einer dessen Bedürfnissen und Interessen angemessenen Weise zu beraten. Einer derartigen Sichtweise steht schon entgegen, dass durch das - vorliegend bereits einschlägige - Gesetz zur Neuregelung des [X.] vom 19. Dezember 2006 ([X.]l. I, [X.]) dem Versicherungsvermittler allgemein (also sowohl dem Versicherungsmakler als auch dem Versicherungsvertreter, vgl. § 59 Abs. 1 [X.]) umfassende Beratungs- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer auferlegt worden sind (§§ 61, 62 [X.]). Diese Pflichten (auch) des [X.] sind derart zentral (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 61 [X.] Rn. 1), dass er im Falle ihrer Verletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber persönlich zum Schadensersatz verpflichtet ist (§ 63 [X.]). Im Hinblick auf diese gesetzliche Regelung wäre es wenig verständlich, wenn es dem Versicherungsvertreter verwehrt sein sollte, Beratungstätigkeiten - die in erheblichem Umfang schon gesetzlich vorgegeben sind - zum Gegenstand vertraglicher (entgeltlicher) Vereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer zu machen. Denn die durch eine Vereinbarung nochmals bekräftigten Beratungspflichten des [X.] unterscheiden sich - soweit sie die Frage betreffen, ob die (wahrheitsgemäß dargestellten) Eigenschaften des angebotenen Produkts den Bedürfnissen und Interessen des Versicherungsnehmers entsprechen - in ihrem Umfang und in ihrer Intensität nicht von Pflichten, die den Versicherungsmakler treffen.

(3) Der Status der [X.] wird - entgegen dem Inhalt der ihr erteilten Erlaubnis und ihrer Registrierung als Versicherungsvertreterin - auch nicht durch § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] als Versicherungsmakler fingiert. Die [X.] erweckt, indem sie sich eine eigenständige Vergütung versprechen lässt, nicht den (unzutreffenden) Anschein, sie sei Versicherungsmaklerin. Die Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 2 [X.] kommt zur Anwendung, wenn ein Versicherungsvertreter durch Vorlage einer unzutreffenden Statusinformation oder durch Abschluss eines [X.] oder unter Verschweigen seiner Agenturbindung gegenüber dem Kunden den Eindruck hervorruft, er wolle seine Vermittlung im Interesse des Kunden durchführen und seine Empfehlung für eine bestimmte Versicherung auf eine entsprechende Beratungsgrundlage gemäß § 60 Abs. 1 [X.] stützen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 59 [X.] Rn. 2 mwN; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des [X.] aaO S. 23).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass die [X.] sich in diesem Sinne als „Pseudomaklerin“ geriert hat. Sie hat vielmehr ihren Status und ihre Agenturbindung in hinreichender Weise sowohl mit der „[X.]“ als auch in Nummer 1 der beanstandeten Vergütungsvereinbarung offengelegt. Gegenüber einem derart informierten Kunden erweckt die [X.] nicht den Anschein, Versicherungsmaklerin zu sein (vgl. [X.], [X.], 645, 652; [X.], [X.] 2013, 74 f.). Einer weitergehenden, über die Erläuterungen im Vertragstext hinausgehenden Aufklärung über die Besonderheiten des von der bisherigen Praxis abweichenden Vergütungsmodells bedarf es dabei im Verhältnis der sich mit wechselseitigen Interessen gegenüberstehenden Vertragsparteien grundsätzlich nicht (vgl. [X.], [X.], 1127, 1128 f.; Urteil vom 18. Oktober 2012 - [X.]/11, [X.], 3718 Rn. 17, jeweils zur Vergütungsvereinbarung eines Versicherungsmaklers; [X.], [X.], 856, 859; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 168 [X.] Rn. 21; [X.] in [X.]/Langheid, [X.], 3. Aufl., § 59 [X.] Rn. 9; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.] aaO § 59 [X.] Rn. 53; abweichend [X.], [X.], 759, 760 f. mit kritischer Anmerkung von [X.], [X.], 762, 763; [X.], Urteil vom 3. April 2012 - 16 S 46/11, juris Rn. 24, 26).

Es ist auch nicht festgestellt, dass der Mitarbeiter der [X.] in sonstiger Weise den Eindruck erweckt hätte, er stünde als unabhängiger Berater auf der Seite der Kundin. Derartige Umstände sind dem in Rede stehenden Geschäftsmodell auch nicht immanent. Der Abschluss einer selbständigen Vergütungsvereinbarung durch den Versicherungsvertreter des Versicherers mag zwar im Blick auf die tatsächlich zu erbringende Vermittlungsleistung gewisse Gefahren für eine Irreführung des Kunden in sich [X.]. Allein deshalb kann die Begründung eines Vergütungsanspruchs zugunsten eines [X.] aber noch nicht als per se unzulässig und damit unlauter angesehen werden. Hierzu bedarf es weiterer, im Streitfall nicht festgestellter oder behaupteter Umstände.

2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft einen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verneint.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats können die Vorschriften der §§ 307 bis 309 [X.] als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG angesehen werden, da die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen regelmäßig den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt widerspricht ([X.], Urteil vom 31. Mai 2012 - [X.], [X.], 949 Rn. 45 ff. = [X.], 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 11.156e mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 31. März 2010 - [X.], [X.], 1117 Rn. 26 ff. = [X.], 1475 - Gewährleistungsausschluss im [X.]; Urteil vom 19. Mai 2010 - [X.], [X.], 1120 Rn. 20 = [X.], 1495 - Vollmachtsnachweis, jeweils zu § 475 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dies hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die „formularmäßigen [X.], welche die [X.] ihren Kunden vorlegt“, Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind und einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. [X.] standhalten. Ob diese Beurteilung zutrifft, kann im Streitfall offenbleiben, weil die Klage sich nicht gegen die Verwendung bestimmter Vertragsklauseln, sondern generell dagegen richtet, dass die [X.] mit (potentiellen) Versicherungsnehmern gesonderte Provisionsvereinbarungen schließt.

3. Revisionsrechtlich ist es ferner nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht - in anderem Zusammenhang - einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß der [X.] gegen die aus § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB folgende Pflicht des [X.] verneint hat, die Interessen des Versicherers wahrzunehmen. Die Vorschrift betrifft - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - (allein) das Innenverhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherer. Dementsprechend beschränken sich die Rechtsfolgen im Fall einer Pflichtverletzung auf die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche des Unternehmers (vgl. dazu [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86 Rn. 50 f.; [X.].HGB/v. [X.], 3. Aufl., § 86 Rn. 67 ff.). Einen Bezug im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG auf den hier in Rede stehenden Markt, auf dem sich Versicherungsvertreter und Versicherungsnehmerin gegenüberstehen, enthalt die Vorschrift nicht.

4. Die Revision wendet sich schließlich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht auch eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG verneint hat.

a) Eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist gemäß § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2000 - [X.], [X.], 911, 913 = [X.], 1248 - Computerwerbung; Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 442 = [X.], 474 - Direkt ab Werk, mwN). Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2004 - [X.], [X.], 438, 440 = [X.], 480 - Epson-Tinte; Urteil vom 7. April 2005 - I ZR 314/02, [X.], 690, 692 = [X.], 886 - [X.]-Versandhandel).

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erweckt die [X.] bei dem angesprochenen Verbraucher nicht den Eindruck, sie vertrete - wie ein Versicherungsmakler - bei der Auswahl der in Betracht kommenden Versicherungsprodukte allein seine Interessen. Der Verbraucher werde durch den Inhalt der überlassenen Beratungs- und Vertragsunterlagen hinreichend darüber informiert, dass die [X.] das fragliche Versicherungsprodukt in ihrer Eigenschaft als Versicherungsvertreter vermittle. Diese tatrichterliche Würdigung, die das Revisionsgericht nur darauf überprüfen kann, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99, [X.], 550, 552 = [X.], 527 Elternbriefe; Urteil vom 11. Dezember 2003 - [X.], [X.], 605, 606 = [X.], 735 - Dauertiefpreise), lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen.

Der Umstand, dass die [X.] sowohl in ihrer „[X.]“ als auch in Nr. 1 der Vergütungsvereinbarung auf ihren gewerberechtlichen Status zutreffend hinweist, schließt eine Irreführung allerdings nicht von vornherein aus. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine geschäftliche Angabe vielmehr auch dann irreführend und damit unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG sein, wenn sie objektiv richtig ist, ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit ihr aber (gleichwohl) eine unrichtige Vorstellung verbindet (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 1997 - [X.], [X.], 1043, 1044 = [X.], 294 - GS-Zeichen; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 2.70, jeweils mwN). Wie sich jedoch bereits aus den vorangegangenen Darlegungen (vgl. oben Rn. 22 bis 24) ergibt, erweckt die [X.] dadurch, dass sie mit Kunden Vergütungsvereinbarungen schließt, bei diesen nicht den Eindruck, sie werde als Versicherungsmaklerin tätig. Da dieses Vertriebsmodell bisher bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten durch Versicherungsvertreter ebenso unüblich ist wie bei der Vermittlung durch Versicherungsmakler, die ihre Vergütung regelmäßig ebenfalls vom Versicherer und nicht vom Versicherungsnehmer erhalten (vgl. dazu [X.]Z 94, 356, 359; [X.], Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.]Z 162, 67, 72; Urteil vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 404), kann nicht angenommen werden, der angesprochene Verbraucher sehe in dem Abschluss einer gesonderten Vergütungsvereinbarung einen Hinweis auf die [X.] und den damit verbundenen Pflichtenkreis, insbesondere im Blick auf weitergehende Beratungspflichten bei der Auswahl der abzuschließenden Versicherung (vgl. [X.], [X.], 645, 652). Sonstige, über den bloßen Abschluss einer selbständigen Vergütungsvereinbarung hinausgehende Umstände, die eine Irreführung über den Status oder die tatsächliche Vermittlungstätigkeit der [X.] begründen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.]                        Pokrant                    Schaffert

                   [X.]                      [X.]

Meta

I ZR 104/12

06.11.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. Mai 2012, Az: 9 U 218/11 (Hs), Urteil

§ 4 Nr 11 UWG, § 5 Abs 1 UWG, § 34d Abs 1 GewO, § 59 Abs 2 VVG, § 59 Abs 3 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.11.2013, Az. I ZR 104/12 (REWIS RS 2013, 1381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1381

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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