Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.08.2023, Az. 4 StR 125/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5950

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Gegenstand

Strafzumessung bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Strafschärfung wegen hoher Wirkstoffmenge; Strafmilderung wegen Einziehung


Tenor

1.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 19. September 2022 aufgehoben

a)mit den zugehörigen Feststellungen im Fall [X.]) der Urteilsgründe,

b)im gesamten Strafausspruch,

c)im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen im Fall [X.]) der Urteilsgründe,

d)im Ausspruch über den [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen vorsätzlichen unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einen [X.] angeordnet. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 687.550 € sowie die erweiterte Einziehung von [X.] in Höhe von 406.200 € angeordnet.

2

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und vom [X.] vertretenen Revision gegen den Schuldspruch in den Fällen [X.]) und [X.]) der Urteilsgründe sowie gegen den Strafausspruch.

3

Die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg und führt - zu Gunsten des Angeklagten ‒ zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.]) der Urteilsgründe sowie ‒ zu Ungunsten des Angeklagten ‒ zur Aufhebung des Strafausspruchs. Dies führt zur Aufhebung der Anordnung des [X.]s und zur teilweisen Aufhebung der [X.]. Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.

I.

4

Das [X.] hat, soweit für die Entscheidung von Bedeutung, im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5

1. Spätestens ab März 2020 betrieb der Angeklagte einen umfangreichen Handel mit Marihuana, Haschisch, Kokain und Amphetamin und erzielte erhebliche Gewinne, die er jedenfalls auch zur Finanzierung seines eigenen Kokainkonsums verwendete. Für die Abwicklung seines [X.] nutzte er den Kryptomessengerdienst EncroChat unter dem Pseudonym „n.     “. In einigen Fällen kaufte er Kokain (Fälle [X.]), d), e) und h)) bzw. Haschisch (Fall [X.])) zum gewinnbringenden Weiterverkauf an bzw. einigte sich mit einem Lieferanten verbindlich über dessen Ankauf (Fall II.1.a)). In weiteren Fällen verkaufte er Kokain (Fälle II.1.b), f), g) und k)), Haschisch ([X.])), Marihuana und Haschisch (Fall II.1.p)) sowie Amphetamin (Fall II.1.r)). Schließlich verfügte er in der Wohnung einer gesondert Verfolgten über einen speziell gesicherten Raum („Bunkerraum“), in dem er am 14. Januar 2022 unter anderem rund 3,3 Kilogramm Heroin, mehr als 22 Kilogramm Kokain, rund 34 Kilogramm Marihuana, 37,3 Kilogramm Haschisch, 982 Gramm Amphetamin sowie rund drei Kilogramm [X.] zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig hielt. Darüber hinaus bewahrte er dort unter anderem eine Maschinenpistole [X.] mit insgesamt fünf Magazinen und passender Munition sowie Bargeld in Höhe von 406.200 € auf (Fall [X.])).

6

2. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von März 2020 bis zum 26. April 2020 kam es weiterhin zu folgenden Taten:

7

a) Am 16. April 2020 erwarb der Angeklagte von dem [X.] „b.      “ aus [X.] drei Kilogramm cannabidiol-haltiges Marihuana (CBD), um es gewinnbringend an einen Abnehmer zu veräußern (Tat [X.])). Am 3. April 2020 verkaufte der Angeklagte an den gesondert verfolgten        S.    vier Kilogramm Marihuana und vier Kilogramm cannabidiolhaltiges Marihuana zum Preis von insgesamt 40.000 € (Tat [X.])). Am 14. April 2020 verkaufte der Angeklagte zehn Kilogramm Marihuana, wobei es sich bei einer Teilmenge von fünf Kilogramm um cannabidiol-haltiges Marihuana handelte, zum Preis von 48.000 € (Tat [X.])). Weiterhin verkaufte er am 24. April 2020 insgesamt acht Kilogramm Marihuana, wobei es sich bei sieben Kilogramm um cannabidiol-haltiges Marihuana handelte, sowie ein Kilogramm cannabidiol-haltiges Haschisch zum Preis von 43.200 € (Tat [X.])). Der THC-Gehalt des [X.] und des [X.] war in sämtlichen Fällen äußerst gering und überschritt 2 % jedenfalls nicht. Zur subjektiven Tatseite ist festgestellt, dass der Angeklagte es in allen Fällen für möglich hielt, dass seine Abnehmer das Marihuana bzw. Haschisch „zu berauschenden Zwecken einsetzen oder als Rauschmittel an Dritte weiterveräußern“ werden, und er damit einverstanden war.

8

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das [X.] festgehalten, dass sich der THC-Gehalt des cannabidiol-haltigen Marihuanas sowie des cannabidiol-haltigen Haschischs in den Fällen [X.]), [X.]), [X.]) und [X.]) der Urteilsgründe nicht genau habe bestimmen lassen, aber unterhalb der Schwelle von 0,2 % gelegen habe. Das [X.] finde gleichwohl auch insoweit Anwendung, weil der Handel mit diesen Pflanzenteilen nicht ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken diene und ein Missbrauch zu [X.] nicht auszuschließen sei.

9

b) Am 8. April 2020 verkaufte der Angeklagte an den gesondert verfolgten        S.    300 Gramm Crystal Meth zum Preis von 3.300 € (Tat [X.])). Feststellungen zum Wirkstoffgehalt oder der Wirkstoffmenge des gehandelten Betäubungsmittels sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

3. Das [X.] hat hinsichtlich der Taten [X.]), m), o) und q) jeweils den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sowie hinsichtlich der Tat [X.]) den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG als verwirklicht angesehen.

Bei der [X.] hat das [X.] jeweils die Annahme minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt und hinsichtlich der Tat [X.]) einen besonders schweren Fall im Sinne des § 29 Abs. 3 BtMG angenommen. Bei der [X.] sowie bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat das [X.] hinsichtlich sämtlicher Taten strafmildernd die gegen den Angeklagten ergangene „erhebliche“ [X.] berücksichtigt. Die erheblichen Wirkstoffmengen der verschiedenen Betäubungsmittel hat das [X.] nicht erkennbar strafschärfend in die Strafzumessung eingestellt.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.]) der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Dies zieht die Aufhebung der Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 3.300 € nach sich. Im Übrigen weist das Urteil keinen zur [X.] nötigenden Rechtsfehler auf. Insbesondere der Schuldspruch im Fall [X.]) der Urteilsgründe begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist ungeachtet des weitergehenden Antrags, das Urteil ‒ auch ‒ in den Fällen [X.]), o) und q) der Urteilsgründe sowie im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben, auf die Schuldsprüche in den Fällen [X.]) und [X.]) sowie auf den gesamten Strafausspruch beschränkt.

a) Eine an Nr. 156 Abs. 2 [X.] orientierte Auslegung der [X.] ergibt zweifelsfrei, dass die Staatsanwaltschaft nur in den Fällen [X.]) und [X.]) der Urteilsgründe den Schuldspruch beanstandet und in den [X.]), o) und q) der Urteilsgründe lediglich einen zu geringen Schuldumfang. Dieser betrifft allein den jeweiligen Einzelstrafausspruch. Darüber hinaus erhebt die Staatsanwaltschaft sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Strafausspruch im Ganzen, indem sie beanstandet, dass das Tatgericht die konkreten Wirkstoffgehalte der Betäubungsmittel und sich daraus ergebende Wirkstoffmengen nicht strafschärfend berücksichtigt habe. Zudem sei die angeordnete Einziehung des Wertes von [X.] rechtsfehlerhaft als Strafmilderungsgrund berücksichtigt worden. Hieraus entnimmt der [X.], dass die [X.] nach § 64 StGB und die [X.] (§ 73c StGB, § 73a StGB) - soweit diese Beträge aus den nicht angegriffenen Schuldsprüchen betrifft - vom Rechtsmittelangriff ausgenommen sein sollen.

b) Diese Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam, denn die angefochtenen Schuldsprüche sowie der Strafausspruch können losgelöst von den nicht angegriffenen Teilen des Urteils einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Weiterhin ist nicht zu besorgen, dass die infolge des Teilrechtsmittels stufenweise entstehende Gesamtentscheidung innere Widersprüche aufweisen könnte.

aa) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ist unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls wirksam vom Revisionsangriff ausgenommen. Zwar kann der [X.] regelmäßig nicht wirksam vom Revisionsangriff ausgenommen werden, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, weil die Feststellung der [X.] unerlässliche Voraussetzung für die [X.] ist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2023 ‒ 3 StR 154/22 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2010 ‒ 4 [X.], [X.], 171, 172). Richtet sich die Revision aber ‒ wie hier ‒ nur teilweise gegen den Schuldspruch und sind mehrere [X.]en von dem Revisionsangriff ausgenommen, welche die [X.] losgelöst von den mit dem Rechtsmittel angegriffenen Taten tragen, ist die Rechtsmittelbeschränkung auch insoweit als wirksam anzusehen.

bb) Gleiches gilt für die [X.], soweit sie den auf die Tat [X.]) entfallenden Tatertrag von 3.300 € übersteigt. Zwar hat das [X.] die Einziehung strafmildernd berücksichtigt. Daraus ergibt sich aber in Bezug auf die [X.] kein Trennbarkeitshindernis. Zwar hat die Strafkammer der [X.] - rechtsfehlerhaft - Einfluss auf die Bestimmung der Strafhöhe beigemessen. Dies bedeutet aber nicht, dass damit zugleich auch - etwa im Sinne einer Wechselwirkung - die Einziehung von der Bemessung der Strafe abhängig gemacht worden wäre.

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg und führt zu Gunsten (§ 301 StPO) des Angeklagten zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.]) der Urteilsgründe sowie ‒ zu Ungunsten des Angeklagten ‒ zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Damit ist auch der Entscheidung über den [X.] eines Teils der Strafe vor der angeordneten Maßregel die Grundlage entzogen.

a) Der Schuldspruch im Fall [X.]) der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Den Urteilsgründen lässt sich auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnehmen, mit welcher Art von Methamphetamin („Crystal Meth“) der Angeklagte Handel getrieben hat, und von welcher Wirkstoffkonzentration und Wirkstoffmenge das [X.] ausgegangen ist. Bei dieser Sachlage vermag der [X.] ungeachtet der erheblichen Handelsmenge von 300 Gramm Methamphetamin letztlich nicht sicher auszuschließen, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge, der für (2S)-Methamphetamin auf fünf Gramm Methamphetaminbase (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2008 ‒ 2 StR 86/08, [X.]St 53, 89, 90; Beschluss vom 25. Juni 2019 ‒ 1 StR 181/19 Rn. 11) festgelegt ist und für [X.] bei 10 Gramm der wirkungsbestimmenden Base liegt (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2011 ‒ 3 [X.], [X.]St 57, 60 Rn. 13), nicht überschritten ist. Die lückenhaften Feststellungen berühren daher nicht nur den Strafausspruch, sondern nötigen zur Aufhebung des Schuldspruchs. Der [X.] hebt auch die von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite insgesamt auf, um dem neu zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine widerspruchsfreie und stimmige Entscheidung der Schuld- und Straffrage zu ermöglichen. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.]) der Urteilsgründe führt auch zum Wegfall der hieran anknüpfenden [X.] in Höhe von 3.300 €.

b) Der gesamte Strafausspruch enthält Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten und war daher auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben.

Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in die Einzelakte der Strafzumessung kommt nur in Betracht, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft oder lückenhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist demgegenüber ausgeschlossen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. April 1987 ‒ [X.], [X.]St 34, 345, 349).

Gemessen hieran hält die Strafzumessung einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Die [X.] sind lückenhaft, weil das [X.] in den Fällen II.1.a) bis [X.]), [X.]) bis [X.]) sowie [X.]) bis [X.]) der Urteilsgründe die erheblichen Wirkstoffmengen nicht strafschärfend berücksichtigt hat, obwohl es sich dabei um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund handelt.

Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des [X.] werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Januar 2023 ‒ 5 StR 343/22 Rn. 14; Urteil vom 5. September 1991 ‒ 4 StR 386/91 Rn. 8). Die Gesamtmenge des Wirkstoffs ist ‒ bezogen auf die einfache nicht geringe Menge ‒ ein für die Strafzumessung wesentlicher Gesichtspunkt (vgl. [X.], Urteil vom 23. Dezember 1998 ‒ 3 StR 531/98 Rn. 3; Urteil vom 5. September 1991 ‒ 4 StR 386/91 Rn. 8). Eine erhebliche Überschreitung der nicht geringen Menge ist regelmäßig als Strafschärfungsgrund in die Strafzumessung einzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2017 ‒ 2 StR 294/16, [X.]St 62, 90, 94 f.; vgl. aber auch [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 ‒ 1 StR 181/19 Rn. 8 ff.). Das Tatgericht ist daher regelmäßig verpflichtet, konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel zu treffen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juli 2019 ‒ 4 StR 1/19 Rn. 3; Beschluss vom 7. Dezember 2011 ‒ 4 StR 517/11 Rn. 8; Beschluss vom 26. Mai 2021 ‒ 5 StR 529/20 Rn. 11; Beschluss vom 23. März 2021 ‒ 3 StR 53/21 Rn. 4; Beschluss vom 26. Mai 2020 ‒ 2 StR 44/20 Rn. 6; Beschluss vom 18. März 2020 ‒ 1 StR 600/19 Rn. 10).

Zwar hat das [X.] ‒ abstrakt ‒ Feststellungen zu den Wirkstoffgehalten der jeweiligen Betäubungsmittel getroffen, auf die sich die Taten des Angeklagten bezogen. Jedoch fehlen Feststellungen zu den konkreten Wirkstoffmengen hinsichtlich der festgestellten [X.]. Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] lediglich auf „die großen Mengen der Betäubungsmittel“ abgestellt, ohne ausdrücklich die Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge in den jeweiligen Einzelfällen um ein Vielfaches in den Blick zu nehmen. Bei dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] die aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ersichtliche vielfache Überschreitung der nicht geringen Menge nicht strafschärfend berücksichtigt hat.

bb) Weiterhin hat das [X.] bei allen Taten sowohl bei der [X.] als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafmildernd berücksichtigt, dass gegen den Angeklagten eine [X.] ergangen ist. Die Maßnahme ist aber, da sie allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung dient, regelmäßig kein Strafmilderungsgrund (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12. März 2020 ‒ 4 StR 537/19 Rn. 12; siehe auch [X.], Urteil vom 10. Februar 2021 ‒ 3 [X.]/20 Rn. 11; zum Verfall nach altem Recht vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2015 ‒ 5 StR 486/14 Rn. 6).

cc) Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen. Der [X.] kann ein Beruhen der äußerst milden Einzelstrafen auf diesen [X.] nicht ausschließen. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob sich einzelne oder ‒ wie die Staatsanwaltschaft meint ‒ alle Einzelstrafen als so milde erweisen, dass sie sich von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 1989 ‒ 3 StR 368/89 Rn. 4).

dd) Die Aufhebung der Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe sowie zur Aufhebung der Entscheidung über den [X.] eines Teils der Strafe vor der angeordneten Maßregel. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es insoweit nicht, da es sich um reine Wertungsfehler handelt.

3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Der Schuldspruch im Fall [X.]) der Urteilsgründe hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Den Urteilsgründen ist unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs zweifelsfrei zu entnehmen, dass das [X.] im Wege der Schätzung zu der Überzeugung gelangt ist, dass das cannabidiol-haltige Marihuana mit 0,2 % eine äußerst geringe Menge THC enthielt und ungeachtet der Ausnahmeregelung unter Buchstabe b zur Position Cannabis in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung dem [X.] unterfiel, weil der Missbrauch zu [X.] nicht ausgeschlossen war (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 23. Juni 2022 ‒ 5 StR 490/21 Rn. 3; Urteil vom 24. März 2021 ‒ 6 StR 240/20, NStZ 2021, 549, 550). Zwar ist ‒ worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen hat ‒ im Rahmen der Feststellungen festgehalten, dass der THC-Gehalt 2 % nicht überschritt. Die Feststellungen zum THC-Gehalt des cannabidiol-haltigen Rauschgifts sind ‒ entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ‒ jedoch weder widersprüchlich noch unklar. Denn die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte mit der Möglichkeit einer Weitergabe der Betäubungsmittel zu [X.] rechnete und ihm dies gleichgültig war, belegen, dass das [X.] geprüft hat, ob die Pflanzenteile der Ausnahmeregelung unter Buchstabe b zur Position Cannabis in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung unterfallen wären. Anlass zur Prüfung der Frage, ob die fraglichen Betäubungsmittel der genannten Ausnahmeregelung unterfielen, bestand aber nur, wenn der Gehalt an Wirkstoff THC, der ‒ anders als Cannabidiol ‒ psychoaktiv ist, den Grenzwert der Ausnahmevorschrift von 0,2 % nicht überschritt. Die Gesamtschau der Urteilsgründe belegt daher, dass das [X.] von einem Wirkstoffgehalt von unter 0,2 % ausgegangen ist.

Diese Überzeugung hat das [X.] unter Hinweis auf die Abwicklung des Betäubungsmittelgeschäfts sowie den von ihm bezahlten bzw. den von ihm geforderten und von seinem Abnehmer auch gezahlten Kaufpreis tragfähig begründet. Die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er sei von einem THC-Wirkstoffgehalt von 0,0 ausgegangen, hat es damit tragfähig widerlegt. Ausgehend von dem festgestellten Wirkstoffgehalt von 0,2 % THC ist das [X.] rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, dass insoweit der Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG erfüllt ist.

III.

Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Quentin     

        

     Bartel     

        

Rommel

        

Ri’in [X.] Dr. Momsen-
Pflanz ist in Urlaub und
deshalb an der Unterschriftsleistung
gehindert.

                          
        

Quentin

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 125/23

17.08.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 3. August 2023, Az: 4 StR 125/23, Beschluss

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 46 StGB, § 73 StGB, § 73c StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.08.2023, Az. 4 StR 125/23 (REWIS RS 2023, 5950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5950

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