Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.09.2023, Az. X ZR 82/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8140

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats ([X.]) des [X.] vom 1. Juli 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Inhaber des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 251 475 ([X.]), das am 19. April 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der [X.] Patentanmeldung 101 19 244 vom 19. April 2001 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur Vermittlung und Überwachung einer Reise betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den 54 weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

Verfahren zur Vermittlung der Reise eines [X.], der einen Mitfahrwunsch hat, in dem Fahrzeug eines Transportwilligen als Mitnehmender, insbesondere in einem Kraftfahrzeug eines Transportwilligen, mit Hilfe eines Rechners, welcher mit dem [X.] und/oder dem Transportwilligen kommuniziert,

dadurch gekennzeichnet, dass die momentane Position des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelt wird und dass der Rechner die durch das Lokalisierungssystem ermittelte momentane Position des [X.] sowie ein Reiseziel des [X.] und des Transportwilligen für eine automatische Zuordnung eines [X.] zu einem Transportwilligen anhand von vorgegebenen Kriterien zur Vermittlung einer Reise verwendet.

3

Die Klägerin, die von dem Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des [X.] sei nicht patentfähig. Der Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in 29 geänderten Fassungen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er seine Anträge erster Instanz weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

6

I. [X.] betrifft ein Verfahren zur Vermittlung einer Reise in einem Fahrzeug, insbesondere einem Kraftfahrzeug.

7

1. Nach der Beschreibung ist es angesichts zunehmender Verkehrsdichte wünschenswert, vorhandene Transportkapazitäten besser zu nutzen. Während öffentliche Verkehrsmittel den Anforderungen an eine schnelle Beförderung meist nur entlang bestimmter Strecken und zu bestimmten Zeiten entsprächen, sei der Individualverkehr insofern ineffizient, als die Fahrten verschiedener Reisender nicht koordiniert seien. Dies führe dazu, dass Kraftfahrzeuge häufig nur mit ein oder zwei Personen besetzt seien. Die Bildung von Fahrgemeinschaften von Arbeitnehmern bereite Schwierigkeiten, wenn ihre Arbeitszeiten nicht übereinstimmten. Eine Koordination über Mitfahrzentralen erfordere einen erheblichen zeitlichen Vorlauf. Fahrgemeinschaften und Mitfahrgelegenheiten stießen zudem zum Teil auf Sicherheitsbedenken.

8

Aus dem US-Patent 5 945 919 sei ein computergesteuertes Verfahren zur Vermittlung von Taxen, die mit einem Ortungssystem ausgestattet seien, bekannt. Auf eine telefonische Kundenanfrage werde von der [X.] das Taxi ausgewählt, das am schnellsten zum Standort des Kunden gelangen könne. Die [X.] Anmeldung 2 341 261 offenbare ein System, bei dem [X.] und Reisewillige ihre jeweiligen Wünsche über einen [X.] eingeben und auf dieser Grundlage eine Mitfahrgelegenheit vermittelt werde.

9

2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, ein Verfahren zur Vermittlung der Reise eines [X.] bereitzustellen, das eine effiziente und sichere Nutzung privater Transportkapazitäten gestattet.

3. [X.] schlägt hierzu ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Verfahren zur Vermittlung der Reise eines [X.], der einen Mitfahrwunsch hat, in dem Fahrzeug eines [X.] als Mitnehmender, insbesondere in einem Kraftfahrzeug eines [X.], mit Hilfe eines Rechners, der mit dem [X.] und/oder dem [X.] kommuniziert; [[X.] bis M3]

2. die momentane Position des [X.] wird durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelt; [M4]

3. der Rechner verwendet

a) die durch das Lokalisierungssystem ermittelte momentane Position des [X.], [M5.1]

b) ein Reiseziel des [X.] [[X.] teilweise] und

c) ein Reiseziel des [X.] [[X.] Rest]

für eine automatische Zuordnung eines [X.] zu einem [X.] anhand vorgegebener Kriterien für die Vermittlung einer Reise. [[X.]-5]

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

a) Nach Merkmal 2 wird die momentane Position des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelt.

Die Beschreibung führt als Beispiele hierfür Satellitennavigationsverfahren oder terrestrische Verfahren an (Abs. 11).

Die Lokalisierung kann passiv oder aktiv erfolgen.

Als Beispiel für eine passive Lokalisierung nennt die Beschreibung die Lokalisierung mittels eines Satellitennavigationssystems wie GPS (Global Positioning System). Solche Systeme sind der Beschreibung zufolge zunehmend in Kraftfahrzeugen vorhanden. Es sei davon auszugehen, dass ein großer Teil der PKW in den nächsten Jahren mit einem solchen System ausgerüstet sei. Sie würden zunehmend auch von Individualreisenden genutzt (Abs. 11). Zudem gebe es bereits jetzt Mobilfunkgeräte mit einem implementierten Satellitennavigationssystem (Abs. 12).

Als Beispiel für eine aktive Ortung ist die Möglichkeit genannt, das Mobilfunkgerät des [X.] oder [X.] in einer Mobilfunkzelle zu lokalisieren. Die damit erzielte Genauigkeit sei für die Zwecke der Vermittlung einer Mitfahrgelegenheit ausreichend. Statt der üblichen Mobiltelefone, die nur eine geringe Sendeleistung besäßen, könne ein stärkerer Peilsender zur Lokalisierung des Reisenden verwendet werden (Abs. 11).

In beiden Fällen ist es nicht erforderlich, dass der Reisewillige selbst seine Position ermittelt und in das System eingibt.

Neben der Position des [X.] kann auch die Position des [X.] durch ein solches Lokalisierungssystem ermittelt werden (Abs. 10).

b) Nach Merkmal 3a verwendet der Rechner die so ermittelte Position des [X.] für die automatische Zuordnung eines [X.] zu einem [X.].

Wie die Information über die Position des [X.] von dem elektronischen Lokalisierungssystem zum Rechner gelangt, lässt der Anspruch offen.

c) Neben der durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelten momentanen Position des [X.] verwendet der Rechner gemäß Merkmalen 3b und 3c ein Reiseziel des [X.] und ein Reiseziel des [X.] für diese automatische Zuordnung. Wie der Rechner Kenntnis von diesen Reisezielen erlangt hat, gibt der Anspruch ebenfalls nicht vor.

Nähere Angaben dazu, wie die Reiseziele des [X.] und des [X.] für die automatische Zuordnung dieser beiden Personen verwendet werden, sind Patentanspruch 1 gleichfalls nicht zu entnehmen. Er gibt insbesondere nicht vor, dass das Reiseziel des [X.] unmittelbar für die automatische Zuordnung von [X.] und [X.] verwendet wird.

Die Beschreibung erwähnt den Fall, dass ein Reisewilliger und ein [X.]r hinsichtlich Startpunkt, Zielpunkt und Reisezeit übereinstimmen (Abs. 16). Sie spricht aber auch den Fall an, dass deren Start- oder Zielpunkt voneinander abweichen und sieht dazu vor, dass das System oder der [X.] Vorgaben dazu machen kann, inwiefern er zu einem Umweg bereit ist (Abs. 17). Diese Vorgaben werden bei der Vermittlung berücksichtigt.

Danach umfasst Patentanspruch 1 auch den Fall, dass das Reiseziel des [X.] mit dem des [X.] nicht übereinstimmt, aber mit dessen Reiseroute kompatibel ist.

d) Patentanspruch 1 schließt nicht aus, dass bei dem erfindungsgemäßen Verfahren neben der momentanen Position und dem Reiseziel des [X.] sowie dem Reiseziel des [X.] noch weitere Informationen verwendet werden.

Aus Merkmal 3 ergibt sich, dass die Vermittlung anhand - weiterer - vorgegebener Kriterien erfolgen kann. Nach der Beschreibung kann dies etwa die Reiseroute des [X.] sein (Abs. 10, 24). Nähere Angaben zu solchen Kriterien enthält Patentanspruch 1 nicht. Nach der Beschreibung kann hierfür auf bekannte Verfahren der Reiseplanung und der Vermittlung von Reisegelegenheiten zurückgegriffen werden (Abs. 15). Als Beispiele für mögliche Kriterien nennt die Beschreibung die Reisezeit, die Bereitschaft, einen Umweg oder eine Abweichung des Aufnahme- oder [X.]s von der momentanen Position oder dem Reiseziel in Kauf zu nehmen sowie persönliche Eigenschaften des [X.] oder des [X.].

e) Nähere Vorgaben bezüglich der automatischen Zuordnung macht Patentanspruch 1 nicht. Er ist insbesondere nicht beschränkt auf ein Verfahren, bei dem dem [X.] oder dem [X.] mehrere Mitfahrmöglichkeiten, unter denen eine Auswahl getroffen werden kann, angeboten werden.

Zwar ist in der Beschreibung die Möglichkeit angesprochen, dass der Rechner einem [X.] Angaben zu potentiellen Mitfahrern übermittelt, unter denen der [X.] dann eine Auswahl treffen kann (Abs. 23, 26). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dem [X.] und dem [X.] eine [X.] oder Mitnahmegelegenheiten zu übermitteln, aus denen diese auswählen können. In Patentanspruch 1 hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden. Die Möglichkeit, dass einem [X.] mehrere Reisewillige zugeordnet werden, ist nur als bevorzugte Ausführungsform beschrieben (Abs. 18).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die [X.] [X.] 101 13 803 ([X.]), die als nachveröffentlichte Anmeldung nur unter dem Aspekt der Neuheit zu berücksichtigen sei, offenbare ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung.

Entgegen der Auffassung des Beklagten seien auch Merkmale 5.2 und 5.3 vorweggenommen. [X.] beschreibe die Nutzung eines erweiterten [X.], das ein datenfähiges Autotelefon und ein damit verbundenes, herkömmliches Navigationssystem umfasse. Bei diesem System erfolge die Zieleingabe per Dialog. Dies löse ohne weiteres Zutun des [X.] die Übermittlung der Routendaten an den Server aus.

Auch das Merkmal [X.] gemäß Hilfsantrag 5 sei durch [X.] vorweggenommen. Dort sei offenbart, dass dem [X.] mithilfe der [X.] voraussichtliche Mitfahrmöglichkeiten zur Auswahl angeboten werden. [X.] nehme auch das Merkmal [X.]II gemäß Hilfsantrag 7 vorweg.

Merkmal [X.] gemäß Hilfsantrag 14 sei ebenfalls vorweggenommen. Nach Unterpunkt g) in Absatz 44 der [X.] könne die sogenannte Rendezvouskomponente so erweitert werden, dass auch Mitfahrten, die gewisse Umwege des [X.] verlangten, vermittelt werden. In diesem Fall erfolge durch den Rechner eine Auswertung und Überprüfung, ob [X.]e des [X.] innerhalb der Vorgaben des Systems liegen.

Schließlich sei auch Merkmal [X.] gemäß Hilfsantrag 15 durch Absatz 44 Unterpunkt g) der [X.] offenbart.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung und in der Fassung sämtlicher Hilfsanträge sei zudem ausgehend von der [X.]n [X.] 198 39 524 ([X.]) durch die [X.] [X.] 100 29 105 ([X.]) nahegelegt.

Das in [X.] beschriebene Verfahren unterscheide sich von dem Verfahren nach dem Streitpatent lediglich dadurch, dass ein vom [X.] in eine Eingabemaske eingegebener Reisestartpunkt verwendet werde. Zum Prioritätszeitpunkt habe es für den Fachmann, einen Informatiker mit vertieften Kenntnissen der Logistik, der über mehrjährige Erfahrung in der Programmierung von Anwendungen auf dem Gebiet der Organisation, Steuerung, Abwicklung und Überwachung von Waren- und Materialflüssen sowie der Koordination entsprechender Transportkapazitäten verfüge, nahgelegen, das aus der [X.] bekannte mobile Endgerät mit integriertem GPS-Empfänger einzusetzen. Die Anregung hierzu ergebe sich daraus, dass bereits [X.] auf eine möglichst spontane und flexible Auswahl einer Mitfahrgelegenheit ausgerichtet sei.

[X.] nehme zudem die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge, insbesondere auch die Merkmale [X.], [X.]II und [X.] vorweg. Die Entgegenhaltung offenbare auch, dass der Rechner Anfahrtswege des [X.] zu einem vom Startpunkt verschiedenen Aufnahmepunkt auswerte und anhand bestimmter Vorgaben prüfe (Merkmal [X.]). Es entspreche fachmännischem Handeln, das System so auszubilden, dass in Fällen, in denen der aktuelle Standort als Abholort ungeeignet sei, ein passender Abholort vorgeschlagen werde.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im [X.] - jedenfalls im Ergebnis - stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilen Fassung beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er war im Prioritätszeitpunkt durch [X.] und [X.] nahegelegt. Die Frage einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch [X.] bedarf damit keiner Erörterung.

a) [X.] beschreibt ein Verkehrsdienstesystem, das der besseren Auslastung der Transportkapazitäten in privaten Fahrzeugen dient.

Danach ist vorgesehen, dass ein Teilnehmer, der Transportkapazitäten anbietet, dem System seine [X.] mitteilt ([X.] 54-60). Diese umfassen die Identität des Teilnehmers, den Startpunkt und den Zielpunkt, die Startzeit, die angebotene Transportkapazität in Form freier Plätze in seinem Fahrzeug, den maximal von ihm in Kauf genommenen Umweg in Form einer Strecke in Kilometern oder eines Zeitraums in Minuten sowie Angaben zu den Kosten ([X.]. 3 [X.] 40-46).

Entsprechend geben Teilnehmer, die an einer Mitfahrt interessiert sind, ihre Identität, Start- und Zielpunkt, die Zeit, in der die gewünschte Fahrtstrecke zurückgelegt werden soll, die gewünschte Zahl freier Plätze und weitere Kriterien, z.B. die Kosten betreffend, an ([X.]. 3 [X.] 51-57).

Ein [X.] vergleicht die beiderseitigen Anfragen und erstellt Listen möglicher Mitfahrgelegenheiten, die er an die betreffenden Teilnehmer übermittelt. Diese können eine Auswahl unter den in diesen Listen aufgeführten Angeboten treffen ([X.]. 3 [X.] 58 bis [X.]. 4 [X.] 3).

b) Wie die Berufung nicht in Zweifel zieht, nimmt [X.] damit mit Ausnahme der Merkmale 2 und 3a sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung vorweg.

Eine Ermittlung der momentanen Position des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ist durch [X.] nicht offenbart. Der Reisewillige gibt den gewünschten Startpunkt der Fahrt in einen mit dem [X.] verbundenen Personalcomputer oder ein mobiles Endgerät, etwa einen PDA (Personal Digital Assistent), ein ([X.] 60-66).

c) Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Auffassung des Patentgerichts, dass es ausgehend von [X.] im Prioritätszeitpunkt durch [X.] nahelag, den Startpunkt des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem zu ermitteln.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats können neuere technische Entwicklungen Anlass geben, eine neu in den Blickpunkt getretene Komponente als Alternative für eine im Wesentlichen funktionsgleiche Komponente einer im Stand der Technik bekannten Vorrichtung in Betracht zu ziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie erkennbar alle wesentlichen Funktionen erfüllt, die der bislang verwendeten Komponente zukommen und keine grundlegenden Schwierigkeiten oder Wechselwirkungen erkennbar sind, die einem entsprechenden Austausch entgegenstehen ([X.], Urteil vom 16. Mai 2023 - [X.], [X.], 1265 - [X.]). Der Fachmann nimmt dabei auch in den Blick, eine zumindest teilweise manuell bewirkte technische Funktion durch einen weiter automatisierten Ablauf ersetzen zu können.

bb) Danach lag es im Prioritätszeitpunkt nahe, die Eingabe des Standorts des [X.] zur Ermittlung seiner aktuellen Position durch ein elektronisches Lokalisierungssystem zu ersetzen.

[X.] beruht auf einer Anmeldung vom 29. August 1998.

Nach [X.] soll das System optimiert werden, um möglichst spontan und flexibel reagieren zu können ([X.]. 2 [X.] 16-20). Als besonders vorteilhaft ist eine Gestaltung beschrieben, bei der der [X.] an ein im Fahrzeug eines [X.] enthaltenen Navigationssystem und eine Kommunikationseinrichtung angebunden ist ([X.]. 2 [X.] 28-41). Schließlich ist die Möglichkeit angesprochen, dass der Reisewillige die von ihm zu übermittelnden Parameter manuell über ein mobiles Endgerät eingibt ([X.] 64 f.) und damit funktional seinen Standort mitteilt, soweit es sich dabei zugleich um den Startpunkt der von ihm gewünschten Mitfahrt handelt.

Vor diesem Hintergrund gab die neue technische Entwicklung, die in der Freigabe der [X.] durch Privatpersonen im Mai 2000 und der daraufhin einsetzenden Markteinführung [X.] Mobiltelefone lag, dem Fachmann Anlass, das aus [X.] bekannte Verfahren dahin weiter zu entwickeln, dass die momentane Position des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelt und die so erlangte Information vom [X.] verarbeitet werden. Zugleich bietet die Verwendung eines solchen Geräts weiterhin die Möglichkeit, den Standort einzugeben Ein kombiniertes, internet- und [X.] Mobiltelefon war zum Prioritätszeitpunkt, wie etwa durch [X.] belegt ist, bekannt.

Grundlegende Schwierigkeiten, die einer solchen Weiterentwicklung entgegenstünden, zeigt die Berufung nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Dass die Ermittlung der genauen Position mit einem [X.] Mobilgerät zum Prioritätszeitpunkt, mithin im April 2001, möglicherweise noch mehrere Minuten in Anspruch nahm, begründet keine abweichende Beurteilung.

Eine solche ergibt sich auch nicht daraus, dass die Ermittlung der momentanen Position mit einem solchen Gerät unter bestimmten Umständen zusätzliche Maßnahmen erforderlich macht. So kann es in Fällen, in denen die momentane Position als Abholpunkt nicht geeignet ist - etwa weil sie nicht mit einem Kraftfahrzeug angefahren werden kann -, erforderlich sein, dass das System einen von der aktuellen Position abweichenden Abholort ermittelt oder ein solcher vom [X.] eingegeben wird. Darin liegt jedoch keine grundlegende Schwierigkeit, die dem in anderer Hinsicht vorteilhaften Einsatz eines [X.] Mobilgeräts entgegensteht.

2. Soweit das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der [X.] bis 4 zutreffend als nicht patentfähig angesehen hat, erhebt die Berufung keine Einwendungen.

3. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der [X.] und 7 nicht günstiger zu beurteilen ist.

Danach wird Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 wie folgt um folgende Merkmale ergänzt:

Mit den [X.] 5 und 7 um das Merkmal [X.]:

"wobei der Rechner für einen [X.] und/oder einen [X.] mehrere mögliche Reiserouten mit verschiedenen [X.] ermittelt und an den [X.] und/oder [X.] übermittelt."

sowie mit Hilfsantrag 7 um das Merkmal [X.]II:

"wobei der Rechner anhand eines festgestellten oder eingegebenen Startpunkts der Reise des [X.] und des festgestellten Ortes eines [X.] eine Reiseroute für den [X.] von dem Startpunkt über den Standort des [X.] oder einem vom Standort verschiedenen Aufnahmepunkt des [X.] zu dem Reiseziel des [X.] und gegebenenfalls von dort weiter zu dem Reiseziel des [X.] bestimmt."

a) Merkmal [X.] ist in [X.] offenbart.

[X.] lehrt, den Teilnehmern eine Liste mit angebotenen Transportkapazitäten zu senden, aus denen diese jene auswählen, welche ihren Wünschen am nächsten kommen, und diese sogleich buchen ([X.] [X.]. 3 [X.] 58 bis [X.]. 4 [X.] 3). Demnach erzeugt der Rechner eine Liste mit Transportmöglichkeiten, die im Hinblick auf die zuvor eingegebenen [X.] ([X.] [X.]. 3 [X.] 40 bis 51) auch die Start- und Zielpunkte für einen möglichen Transport umfassen. Dementsprechend ermittelt der Rechner mehrere Reiserouten, die den Teilnehmern übersandt und für eine Buchung zur Auswahl gestellt werden (Merkmal [X.]).

b) Merkmal [X.]II ist in [X.] gleichfalls offenbart.

Im dort beschriebenen Ausführungsbeispiel ([X.]. 4 [X.] 19-30) berechnet der [X.] die günstigste Fahrtroute für den [X.], der drei Reisewillige abholen möchte.

4. Soweit das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der [X.] sowie 8 bis 13 zutreffend als nicht patentfähig angesehen hat, erhebt die Berufung keine Einwendungen.

5. Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 14 ist nicht patentfähig.

a) In der Fassung von Hilfsantrag 14 wird der erteilte Anspruch um Merkmal [X.] ergänzt:

"wobei der Rechner An- und/oder [X.]e des [X.] zu einem von dem Startpunkt verschiedenen Aufnahmepunkt, an dem der Reisewillige von dem [X.] aufgenommen wird und/oder von einem [X.], an dem der Reisewillige von dem [X.] abgesetzt wird, auswerten und überprüfen kann, ob die entsprechenden Anfahrts- und/oder [X.]e hinsichtlich der Strecke oder der Reisedauer innerhalb bestimmter Vorgaben liegen, die vom System oder dem [X.] vorgegeben sind."

Nachdem das Streitpatent zugrunde legt, dass die momentane Position des [X.] durch ein elektronisches Lokalisierungssystem ermittelt wird, ist mit dem Startpunkt im Sinne dieses Merkmals diese Position gemeint. Das Merkmal berücksichtigt den Fall, dass der Reisewillige nicht an dieser Position, sondern an einem hiervon verschiedenen Aufnahmepunkt aufgenommen werden soll.

Es sieht ferner die Möglichkeit vor, dass der Reisewillige nicht genau an seinem Reiseziel abgesetzt wird, sondern an einem hiervon verschiedenen Ort, an dem ihn der [X.] absetzt ([X.]).

Fallen Startpunkt und Aufnahmepunkt auseinander, muss der Reisewillige eine Strecke zurücklegen, die in Merkmal [X.] als Anfahrtsweg bezeichnet ist. Entsprechend muss er bei Auseinanderfallen von [X.] und Reiseziel eine in Merkmal [X.] als [X.] bezeichnete Strecke zurücklegen.

Das Merkmal sieht vor, dass der Rechner Anfahrts- und/oder [X.]e, die sich bei einer möglichen Mitfahrtgelegenheit ergeben würden, ermittelt und prüft, ob sie innerhalb bestimmter Vorgaben liegen, die entweder vom System oder aber vom [X.] vorgegeben sind.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 14 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Eine Ausgestaltung des Verfahrens gemäß Merkmal [X.] lag ausgehend von [X.] nahe.

[X.] sieht für den [X.] insoweit lediglich vor, dass dieser als einen der [X.] den Startpunkt eingibt ([X.]. 3 [X.] 42). Dies ermöglicht es, dass der Reisewillige, dessen momentane Position mit einem Kraftfahrzeug nicht angefahren werden kann, einen hiervon abweichenden Ort als Startpunkt eingibt.

Der Übergang von einer Eingabe der gewünschten Startposition durch den [X.] zu deren automatischer Ermittlung durch ein elektronisches Lokalisierungssystem kann es mit sich bringen, dass die ermittelte momentane Position des [X.] als Aufnahmepunkt nicht geeignet ist, etwa weil sie nicht mit einem Kraftfahrzeug angefahren werden kann. In diesem Fall ist es erforderlich, einen von der momentanen Position abweichenden Abholort zu bestimmen. Wie dies im Einzelnen geschieht, ist durch Merkmal [X.] nicht vorgegeben.

Kommt es danach zu einer Abweichung zwischen der elektronisch ermittelten momentanen Position des Reisenden und einem Aufnahmepunkt, bedarf es, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, keiner erfinderischen Tätigkeit, um das Verfahren dahin weiter zu entwickeln, dass der Rechner den Anfahrtsweg ermittelt. Ferner liegt es im Bereich des erwartbaren fachmännischen Könnens, entsprechend der in [X.] bereits offenbarten Prüfung, ob ein für den [X.] anfallender Umweg dessen Vorgaben entspricht, auch für den [X.] die Prüfung vorzusehen, ob der [X.] den Vorgaben des Systems oder des [X.] entspricht.

6. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 15 unterliegt keiner anderen Beurteilung.

a) Nach Hilfsantrag 15 wird Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung am Ende um Merkmal [X.] ergänzt:

"wobei der Rechner einen Aufnahmepunkt und/oder einen [X.] unter Berücksichtigung der Vorgaben hinsichtlich des zulässigen [X.] für den [X.] sowie der Reiseroute des [X.] berechnet."

b) Der so gefasste Anspruch bedarf der Erläuterung:

Merkmal [X.] enthält keine näheren Angaben dazu, was unter der Berechnung eines [X.] bzw. eines [X.]s zu verstehen ist.

Zwar ist in der Beschreibung der Fall angesprochen, dass es sich bei dem Aufnahmepunkt um eine vom Startpunkt verschiedene Position handelt (Abs. 19). Im Anspruch hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden. Beim Aufnahmepunkt im Sinne von Merkmal [X.] kann es sich damit auch um die Verwendung der durch das elektronische Lokalisierungssystem ermittelten Position handeln, in der sich der Reisewillige momentan befindet.

c) Ausgehend von diesem Verständnis ist Merkmal [X.] durch [X.] offenbart.

[X.] sieht die Möglichkeit vor, dass der Rechner den Beteiligten unter Berücksichtigung des Startpunkts des [X.] und der Route des [X.] unter Einbeziehung seiner Bereitschaft, einen Umweg zu fahren, Vorschläge für Mitfahrgelegenheiten ermittelt ([X.]. 3 [X.] 40 ff.).

Dies schließt eine Vorgehensweise ein, bei der ein Aufnahmepunkt unter Berücksichtigung der Vorgaben des [X.] für einen Umweg und dessen Reiseroute ermittelt wird.

7. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der [X.]6 bis 29, in denen die Merkmale der [X.] bis 15 in verschiedener Weise kombiniert sind, unterliegt keiner anderen Beurteilung.

Dies gilt auch für die Fassung nach Hilfsantrag 18, der die Merkmale [X.], [X.], [X.] und [X.] kombiniert.

a) Merkmale [X.] und [X.] lauten wie folgt:

"wobei der Rechner vor Beginn der Reise des [X.] die Reisekosten für eine oder mehrere der von ihm errechneten Reiserouten ermittelt"

"wobei der [X.] und/oder der Reisewillige über ein Eingabegerät eine Nachricht an den Rechner senden, dass er mit einer von dem Rechner berechneten und an sie übermittelten Reiseroute und den zugehörigen Kosten einverstanden ist."

b) Diese Merkmale sind durch [X.] offenbart.

Zu den dort aufgeführten [X.]n, die der Reisewillige und der [X.] dem System mitteilen, gehört jeweils eine Kostenspanne ([X.]. 3 [X.] 46 und [X.] 56 f.).

Auch die Angabe der Beteiligten über diese Kostenspanne wird nach [X.] von dem dort beschriebenen System bei der Auswahl möglicher Mitfahrgelegenheiten berücksichtigt ([X.]. 3 [X.] 58-65). Bei Einverständnis mit einem entsprechenden Vorschlag übermittelt der Teilnehmer eine Buchung ([X.]. 3 [X.] 65 bis [X.]. 4 [X.] 3).

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Deichfuß     

  

Hoffmann     

  

Marx

  

Rombach     

  

Crummenerl     

  

Meta

X ZR 82/21

07.09.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 24. Mai 2022, Az: X ZR 82/21, Zwischenurteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.09.2023, Az. X ZR 82/21 (REWIS RS 2023, 8140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8140


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 82/21

Bundesgerichtshof, X ZR 82/21, 07.09.2023.

Bundesgerichtshof, X ZR 82/21, 24.05.2022.


Az. 2 Ni 32/20 (EP)

Bundespatentgericht, 2 Ni 32/20 (EP), 01.07.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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X ZR 49/21

VI ZB 7/13

XII ZB 573/18

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