Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 01.02.2011, Az. 2 BvR 1236/10

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2011, 9926

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: teilweise wegen nicht hinreichender Substantiierung unzulässige, teilweise unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses gemäß § 335 HGB erfolgte


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses erfolgt ist.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Ihr oblag nach § 325 HGB, bis zum 31. Dezember 2007 [X.] für das Geschäftsjahr 2006 beim Betreiber des [X.] einzureichen. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, gab das [X.] der Beschwerdeführerin mit [X.]vom 12. März 2008 auf, die Unterlagen binnen einer Nachfrist von sechs Wochen offenzulegen und bekanntzumachen; zugleich drohte es die Verhängung eines Ordnungsgelds an. Der Androhungsverfügung beigelegt war ein zweiseitiges Merkblatt über das Ordnungsgeldverfahren. Die Verfügung wurde der Beschwerdeführerin zugestellt.

3

Mit Schreiben vom 18. März 2008 übersandte die Beschwerdeführerin ihre Bilanzen zum 31. Dezember 2006 und 31. Dezember 2007 statt an den Betreiber des [X.] an das [X.]. Mit Schreiben vom 6. August 2008 legte das [X.] den Irrtum der Beschwerdeführerin offen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

4

"Ihnen wird hiermit Gelegenheit gegeben, die Erfüllung ihrer [X.] […] bis zum 3. September 2008 nachzuholen. […] Sollten die erforderlichen Unterlagen nicht bis zum 3. September 2008 […] eingereicht werden, wird das angedrohte Ordnungsgeld festzusetzen sein."

5

Mit Schreiben vom 25. August 2008 übersandte die Beschwerdeführerin ihre Unterlagen für die [X.] und 2007 nunmehr an den Betreiber des [X.].

6

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 setzte das [X.] gegen die Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 € fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 5. November 2008 wies das [X.] mit Beschluss vom 11. März 2009 zurück. Zur Begründung führte es aus, mit der Einreichung der Unterlagen beim [X.]für Justiz habe die Beschwerdeführerin ihrer Offenlegungspflicht nicht Genüge getan. Auch wenn die Beschwerdeführerin nicht auf ihren Irrtum hingewiesen worden sei, treffe sie ein Verschulden. Die Unterlagen seien zudem unvollständig, da der Anhang für das [X.] fehle. Mit Schriftsatz vom 16. März 2009 legte die Beschwerdeführerin über ihren Rechtsanwalt "Rechtsmittel" gegen den Beschluss vom 11. März 2009 ein und erhob den Rechtsbehelf der Anhörungsrüge. Das [X.] habe nicht berücksichtigt, dass das [X.] mit Schreiben vom 6. August 2008 die mit Verfügung vom 12. März 2008 gesetzte Frist verlängert habe. Dieses Schreiben sei dem Gericht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 übersandt worden. Mit Schreiben vom 17. März 2009 wies das [X.] darauf hin, dass bislang lediglich die erste Seite des Schreibens vom 6. August 2008 bei Gericht eingereicht worden sei. Außerdem seien die [X.] immer noch unvollständig, da weiterhin der zwingend erforderliche Anhang fehle. Mit Schriftsatz vom 1. April 2009 übersandte der [X.] daraufhin das vollständige Schreiben an das Gericht. Unter dem gleichen Datum übersandte er an den Betreiber des Bundesanzeigers den Anhang 2006. Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 wies das [X.], mit Verweis unter anderem auf sein Schreiben vom 17. März 2009, die Anhörungsrüge zurück.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des [X.]s für Justiz und die Entscheidungen des [X.]s. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Der Beschwerdeführerin sei das rechtliche Gehör im Ordnungsgeldverfahren versagt worden, da das [X.] die der Beschwerdeführerin gewährte Fristverlängerung nicht berücksichtigt habe. Zudem verletze die Beschwerdeführerin die Auferlegung des Ordnungsgelds sowie dessen Höhe in ihren Rechten. Die Beschwerdeführerin treffe kein oder nur ein geringes Verschulden. Das Ordnungsgeld übersteige den jährlichen Gewinn und den jährlichen Ertrag um ein Vielfaches.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen der Annahme nicht vorliegen ([ref=4d79e8e1-2b61-466c-8c1a-bb79969454c5]§ 93a Abs. 2 [X.]]).

9

Die Verfassungsbeschwerde, die offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 93a Abs. 2 lit. a) [X.]), ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b) [X.]), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1. Soweit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die von ihr behauptete Verletzung ihrer Rechte nicht substantiiert dargelegt hat (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]).

Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargetan, worin der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen soll. Das [X.] hat spätestens bei seinem Beschluss vom 11. Mai 2010 den gesamten Sachvortrag der Beschwerdeführerin, insbesondere die von ihr behauptete zweite Fristverlängerung, zur Kenntnis genommen und gewürdigt.

Die Beschwerdeführerin hätte weiter vortragen müssen, weshalb die angegriffenen Entscheidungen auf diesem Verstoß beruhen (vgl. [X.] 28, 17 <20>; 77, 275 <281>; 82, 236 <256 ff.>; 91, 1 <25 f.>; 94, 1 <7>; 105, 252 <264>; Magen, in: [X.]/[X.], [X.], § 92 Rn. 18). Hierzu enthält die Beschwerdeschrift jedoch lediglich die pauschale Behauptung, die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf dem Verfassungsverstoß.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

Die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit die Beschwerdeführerin als juristische Person Trägerin von Grundrechten sein kann (Art. 19 Abs. 3 GG), greift die Auferlegung des Ordnungsgelds zwar in ihr verfassungsmäßiges Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], GG, Art. 12 Rn. 106 m.w.N.). Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Grundrecht vorliegend aber nicht verletzt, weil die Festsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 HGB gerechtfertigt war (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 11. März 2009 - 1 BvR 3413/08 -, NJW 2009, [X.]).

Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Offenlegungspflicht (§ 325 HGB) und deren Sanktionierung (§ 335 HGB). Auch verletzt die Anwendung von § 325 HGB im zugrunde liegenden Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB weder die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG noch ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG. Mögliche Eingriffe in diese Grundrechte sind durch die mit der Offenlegung der in § 325 Abs. 1 HGB bezeichneten Rechnungslegungsunterlagen verfolgten, in erheblichem Allgemeininteresse liegenden Zwecke eines effektiven Schutzes des [X.] durch Information der Marktteilnehmer und einer Kontrollmöglichkeit der betroffenen Gesellschaften vor dem Hintergrund deren nur beschränkter Haftung jedenfalls gerechtfertigt ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. September 2009 - 1 BvR 1636/09 -, juris). Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, eine gewährte Fristverlängerung habe der Auferlegung des Ordnungsgelds im vorliegenden Fall entgegengestanden, übergeht er die Feststellung des Gerichts, nach der die [X.] auch innerhalb der verlängerten Fristen nicht vollständig erfüllt wurde.

Auch die festgesetzte Höhe des Ordnungsgelds begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. Nach § 335 Abs. 1 Satz 4 HGB beträgt das Ordnungsgeld mindestens 2.500 € und höchstens 25.000 €. Das [X.] hat damit den geringstmöglichen Betrag festgesetzt.

Ein Unterschreiten der [X.] von 2.500 € sieht das Gesetz nur unter den Voraussetzungen des [ref=4c732bed-d00d-42c9-b5eb-60c22f2125fc]§ 335 Abs. 3 Satz 5 HGB[/ref] bei lediglich geringfügiger Überschreitung der gesetzten Nachfrist vor. Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, da die Beschwerdeführerin die erforderlichen [X.] in ordnungsgemäßer Form erst am 1. April 2009 eingereicht hat.

Billigkeitsgesichtpunkte rechtfertigen dagegen nach der einschlägigen fachgerichtlichen Rechtsprechung eine Herabsetzung des Ordnungsgelds nicht, da § 335 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5 HGB insoweit eine abschließende und zu dem - zum damaligen Zeitpunkt anwendbaren - § 135 Abs. 2 Satz 2 [X.] speziellere Regelung treffen ([X.], Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 37 [X.]-, juris; vgl. auch [X.]/Kurpat, [X.], [X.] 150 <154>). Diese Gesetzesauslegung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Selbst wenn man die Auffassung der Beschwerdeführerin als zutreffend unterstellt, es komme für die Höhe des Ordnungsgelds auch auf den Grad des Verschuldens an, wäre die Festsetzung der Mindesthöhe nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin hat trotz Hinweises auf den richtigen Adressaten sowohl in der Androhungsverfügung als auch im Merkblatt die Unterlagen an den falschen Adressaten übersandt, trotz Hinweises im Merkblatt auf den erforderlichen Umfang der Unterlagen den Anhang zweimal nicht ordnungsgemäß übersandt; nicht nur die gesetzliche Frist (31. Dezember 2007), sondern auch die ihr gesetzte Nachfrist und die von ihr behauptete zweite Nachfrist versäumt und die Unterlagen in der erforderlichen Form erst am 1. April 2009 eingereicht, und dies trotz anwaltlicher Beratung im Beschwerdeverfahren. Damit wäre für das [X.] der Justiz die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgelds - das bereits angedroht wurde - ohne Weiteres zulässig.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1236/10

01.02.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Bonn, 11. Mai 2010, Az: 31 T 620/08, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 325 HGB, § 335 Abs 1 S 4 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 01.02.2011, Az. 2 BvR 1236/10 (REWIS RS 2011, 9926)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9926

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 441/11

28 Wx 6/15

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