Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.03.2016, Az. B 10 ÜG 22/15 B

10. Senat | REWIS RS 2016, 15125

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - Rückschluss von der Erfolglosigkeit des Ausgangsverfahrens auf dessen geringe Bedeutung - unklare Tatsachengrundlage - tatsächlich einfach gelagerter Fall - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Sachaufklärungspflicht - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. September 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1400 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt eine höhere Entschädigung für die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens beim [X.] Schwerin.

2

Die Klägerin erhob am [X.] nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage beim [X.] Schwerin, weil die [X.] ihr Arbeitslosengeld mit einer 7-tägigen Verspätung ausgezahlt habe. Das Verfahren endete mit einem klagabweisenden Urteil des [X.], der Klägerin zugestellt am 18.6.2014.

3

Auf die [X.] der Klägerin hat das L[X.] mit dem angefochtenen Urteil vom 24.9.2015 eine überlange Verfahrensdauer von 20 Monaten festgestellt, den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1200 Euro nebst Zinsen verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Verfahrensdauer habe die äußerste Grenze des [X.] um 20 Monate überschritten und deshalb das Recht der Klägerin auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt. Allerdings sei ein niedrigerer Entschädigungsbetrag als 100 Euro pro Monat festzusetzen, weil das Ausgangsverfahren von geringer Schwierigkeit und von unterdurchschnittlicher Bedeutung gewesen sei. Zudem habe die Klägerin mit dem Rechtsstreit keinen hohen wirtschaftlichen Wert verfolgt und schon frühzeitig kein [X.] Vertrauen in den Erfolg ihrer Klage ausbilden können.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum B[X.] eingelegt, mit der sie rügt, das L[X.] habe das Verfahrensrecht verletzt, sei von der Rechtsprechung des B[X.] abgewichen und habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

5

II. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Eine Ausnahme für nicht vertretene Kläger sieht das Gesetz nicht vor. [X.] die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 [X.]G), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das L[X.] nicht gefolgt ist. Daran fehlt es hier. Mit ihrer Kritik an angeblich fehlenden Feststellungen des L[X.] etwa zur Bedürftigkeit der Klägerin oder zu einzelnen ihrer Verfahrenshandlungen kann die Beschwerde deshalb von vornherein nicht durchdringen.

6

Ebenso wenig kann sie sich mit Erfolg auf die gerügte Verletzung von § 128 Abs 1 [X.]G stützen, weil § 160 Abs 2 [X.] [X.]G die Beweiswürdigung der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. [X.] der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden ([X.] in: [X.]/[X.], [X.]G, 2014, § 160 RdNr 58 mwN). Der Vorwurf der Beschwerde, das L[X.] habe unter anderem Bedeutung und Schwierigkeitsgrad des Rechtsstreits falsch bewertet, zeigt daher keinen Verfahrensmangel auf.

7

Auch eine Abweichung des L[X.] von der Rechtsprechung des B[X.] hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Eine solche Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] KR 31/09 B - RdNr 4; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 26/10 B - RdNr 4; B[X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das L[X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 B - RdNr 4; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN).

8

Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht dargelegt. Sie hat schon keinen abstrakten Rechtssatz herausgearbeitet, mit dem sich das L[X.] in Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats gesetzt hätte. Soweit die Beschwerde dem L[X.] vorwirft, es sei durch seine unterlassenen Feststellungen zur Bedürftigkeit der Klägerin von der Rechtsprechung des B[X.] abgewichen, liegt darin ebenfalls keine zulässige [X.]. Eine Divergenz kann nicht auf einen anderen als den vom L[X.] festgestellten Sachverhalt gestützt werden, an den der Senat mangels zulässiger Verfahrensrügen hier nach § 163 [X.]G gebunden ist.

9

Soweit die Beschwerde ausführt, das L[X.] habe zu Unrecht auf die Erfolgsaussichten der Klage abgestellt und deshalb eine unterdurchschnittliche Bedeutung des Rechtsstreits angenommen, hat sie nicht substantiiert dargelegt, warum das L[X.] damit der Rechtsprechung des Senats widersprechen sollte. Danach verbietet es der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit zumindest dann, im Nachhinein das Ergebnis des Verfahrens als von vornherein feststehend und daher seine Bedeutung für den Kläger als gering anzusehen, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits von tatsächlichen Grundlagen abhängt, die nicht schon zu Beginn des Verfahrens objektiv völlig außer Zweifel standen (Senatsurteil vom 12.2.2015 - [X.]0 ÜG 7/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] RdNr 31). Die Beschwerde hat aber nicht dargelegt, inwieweit der nach den Feststellungen des L[X.] tatsächlich einfach gelagerte Fall der Klägerin sich unter die zitierte Senatsrechtsprechung fassen lässt. Diese bezog sich - im Unterschied zum hiesigen Verfahren - auf einen auch tatsächlich umstrittenen Sachverhalt aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (angebliche Lärmschwerhörigkeit). Unabhängig davon zeigt die Beschwerde ohnehin keine Divergenz im Grundsätzlichen auf, sondern rügt die Rechtsanwendung durch das L[X.] im Einzelfall. Diese ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a Nr 7).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die [X.] folgt aus § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 52 Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 [X.], Abs 3 GKG, weil die Klägerin in der genannten Höhe durch das L[X.]-Urteil beschwert ist.

Meta

B 10 ÜG 22/15 B

03.03.2016

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 24. September 2015, Az: L 11 SF 52/14 EK AL, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 103 SGG, § 198 Abs 1 S 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.03.2016, Az. B 10 ÜG 22/15 B (REWIS RS 2016, 15125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15125

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