Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.04.2018, Az. B 3 KR 48/17 B

3. Senat | REWIS RS 2018, 10967

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Beweiswürdigung des LSG - Beweisantrag


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. August 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, von der beklagten Krankenkasse für die [X.] vom 1.1.2013 bis 6.6.2014 Krankengeld zu erhalten, bei der [X.] und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des [X.] vom 18.8.2017).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil und beruft sich auf Divergenz, einen Verfahrensmangel des [X.] sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin alle geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4

1. Wer sich auf eine Divergenz ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]) beruft, muss darlegen, dass die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des [X.] nicht den Kriterien entspricht, die das [X.] aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das [X.] diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der [X.] der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung "beruht" (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das [X.] die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: [X.] [X.]-1500 § 160 [X.] Rd[X.]; [X.] [X.]-1500 § 160 [X.] RdNr 4; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.] ff; [X.] [X.] 1500 § 160a Nr 14 S 22).

5

Solche Umstände können dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden. Sie macht geltend, dass Ausführungen des [X.] in seiner Urteilsbegründung "im Widerspruch zum Urteil des [X.] vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R" (zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 46 [X.] und [X.]E vorgesehen) stünden und dass das [X.] ausgehend von dem vorliegenden Sachverhalt entsprechend dem genannten Urteil hätte "einen Ausnahmefall ... annehmen müssen"; sie (die Klägerin) habe nämlich - wie unter Darlegung der in ihrem Fall vorliegenden Umstände näher geltend gemacht wird - alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über den 31.12.2012 hinaus zu erhalten. Mit diesem Vortrag wird eine Divergenz indessen nicht aufgezeigt. Denn es fehlt bereits an einer Gegenüberstellung von sich einander widersprechenden abstrakten Rechtssätzen aus dem zitierten Urteil des [X.] einerseits und aus dem Berufungsurteil andererseits. Anstelle dessen subsumiert die Klägerin die Sachverhaltskonstellation ihres Falls lediglich anhand der vorgenannten Rechtsprechung des [X.] und zieht daraus den Schluss, dass das [X.] auf der Basis dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ihren Fall "falsch entschieden" habe. Eine solche bloße "[X.]" erfüllt aber nicht die [X.] für eine Rechtsprechungsabweichung iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] (stRspr, vgl nur [X.] Beschluss vom [X.] [X.]/09 B - Juris RdNr 16 mwN). Denn es fehlt an der Darlegung der Nichtübereinstimmung der Urteile im Grundsätzlichen. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, führt demgegenüber nicht schon zur Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zB [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]).

6

2. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung wegen eines [X.] ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]) werden in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Nach § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann die Geltendmachung eines [X.] auf eine - hier sinngemäß vorgebrachte - Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den damit verbundenen besonderen Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge genügt die Beschwerdebegründung nicht. Hierzu muss die Beschwerdebegründung nämlich folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen zB [X.] [X.]-1500 § 160a [X.] RdNr 5 mwN). Die Klägerin richtet sich daran nicht aus, sondern bezeichnet schon keinen prozessordnungskonformen, bis zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag, dem das [X.] nicht gefolgt ist.

7

Die in diesem Zusammenhang auch vorgebrachte Rüge der Verletzung von § 106 Abs 1 [X.], das [X.] habe versäumt, darüber aufzuklären, dass die - schon im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesene - Klägerin zu Protokoll einen Beweisantrag stellen solle, bezeichnet gleichermaßen keinen Verfahrensmangel. Denn die [X.]e sind verfahrensrechtlich nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken ([X.] [X.] 1500 § 160 [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - Juris Rd[X.]). Hält das [X.] Beweiserhebungen für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (vgl [X.] aaO; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]2 mwN).

8

3. Auch die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.]) werden nicht prozessordnungskonform dargelegt. Eine solche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl zB [X.] [X.] 1500 § 160 [X.] und § 160a [X.], 11, 13, 31, 39, 59, 65).

9

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheb-lichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage,
"Kann § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in der Fassung des [X.] (BGBl. I. Seite 2854) mit Wirkung vom 01.04.2012, verfassungskonform insoweit ausgelegt werden, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Urlaubsabgeltung (§ 157 Abs. 2 SGB III) ab dem 1. Tag der Urlaubsabgeltung und nicht erst ab Beginn des 2. Monats besteht, wenn anderenfalls Familienversicherung gemäß § 10 [X.] eintreten (§ 19 Abs. 2 S. 2 [X.] i.V.m. § 10 [X.]) und dies zum Ausschluss von Ansprüchen auf Krankengeld führen würde (§ 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 [X.])."

Die Klägerin führt hierzu näher aus, dass bei einer wortlautgenauen, § 5 Abs 1 [X.] [X.] aF nicht einschränkenden Auslegung mit Blick auf § 19 Abs 2 iVm § 10 und § 44 Abs 2 S 1 Nr 1 [X.] ein verfassungsrechtlich bedenkliches Systemversagen vorläge. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin insoweit eine hinreichend klare, aus sich heraus verständliche und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserhebliche, vom Senat zu beantwortende abstrakte Rechtsfrage formuliert hat. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt nämlich jedenfalls in der Regel, wenn die aufgeworfene Frage - wie hier mit Blick auf den geänderten § 5 Abs 1 [X.] [X.] idF des [X.] ([X.] 778) - bereits außer [X.] getretenes Recht betrifft (vgl zum Ganzen und zu den [X.] in solchen Fällen zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]d mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dies nimmt die Beschwerdebegründung in ihrem Vorbringen nicht genügend in den Blick.

Darüber hinaus muss dann, wenn die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet wird, unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des [X.], aber auch des [X.] - im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB [X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu sind zum einen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzuzeigen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung zu erörtern und zum anderen die Verfassungsverletzung darzulegen. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage dagegen nicht - wie hier - darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des [X.] zu benennen ([X.] Beschluss vom [X.] [X.] B - Juris RdNr 5 mwN).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 3 KR 48/17 B

11.04.2018

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dresden, 18. Juli 2014, Az: S 47 KR 660/13, Urteil

§ 103 SGG, § 106 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.04.2018, Az. B 3 KR 48/17 B (REWIS RS 2018, 10967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10967

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 29/10 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht - Beschwerdebegründung - …


B 12 KR 60/14 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - Unverzichtbarkeit der Bezeichnung einer abstrakten, aus …


B 12 R 6/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches V erfahren - Nichtzulassungsbeschwerde – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache – Grundrechtsverstoß – Divergenz


B 13 R 372/14 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweisantrag im Rahmen eines Rentenverfahrens - zusammenfassendes Gutachten


B 13 R 73/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - hinreichende Sachverhaltsdarstellung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.