Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2019, Az. 1 BvR 1724/18

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2019, 6931

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zu den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 GG) an die Gewährung von Eilrechtsschutz gegen die Beitreibung einer Forderung im Wege der Amtshilfe gem § 9 EUBeitrG - hier: keine Verletzung der Rechtsschutzgarantie insb durch Handhabung der Ablehnungsgründe gem § 14 EUBeitrG


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem finanzgerichtlichen Verfahren, das die Leistung von Amtshilfe durch das Finanzamt bei der Beitreibung einer in [X.] gegen den Beschwerdeführer geltend gemachten Haftungsschuld zum Gegenstand hat.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer war von 1997 bis zum 30. Juni 2001 Geschäftsführer der [X.] S. A. ([X.]) in [X.]. Die [X.] Finanzbehörden führten in den Folgejahren bei der [X.] eine Betriebsprüfung durch, die zu [X.] in Höhe von circa 35 Millionen Euro führte. Die zwischenzeitlich umfirmierte [X.] ging in die Insolvenz.

3

2. Unter dem 28. Januar 2013 erhielt der Beschwerdeführer eine Zahlungsaufforderung über das Finanzamt [X.], wonach er der sogenannten "[X.]" in [X.] einen Betrag von circa 1 Million Euro Umsatzsteuer nebst Zinsen für den [X.]raum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 schulde. Als Rechtsgrundlage wurde auf die [X.] verwiesen. Dem Schreiben war ein einheitlicher Vollstreckungstitel vom 25. Januar 2013 beigefügt. Darin war als Datum der Festsetzung der Forderung der 14. Mai 2008 und als Datum des möglichen Vollstreckungsbeginns der 1. Juli 2008 angegeben. Als Datum der Zustellung des ursprünglichen Vollstreckungstitels war der 16. Mai 2008 aufgeführt. Ferner wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der [X.] als "[X.]" in Anspruch genommen werde.

4

Der Beschwerdeführer beantragte beim Finanzamt [X.] die Einstellung der Beitreibungsmaßnahmen und die Ablehnung der Amtshilfe nach § 14 Abs. 2 [X.] wegen Verjährung beziehungsweise wegen Unbilligkeit nach § 14 Abs. 1 [X.], hilfsweise die Vollstreckung nach § 258 [X.] einstweilen einzustellen. Er habe erstmals durch den einheitlichen Vollstreckungstitel von seiner vermeintlichen Haftungsschuld erfahren. Nachdem das Finanzamt [X.] die [X.] Behörden auf die Eingaben des Beschwerdeführers hin um Auskunft ersucht hatte, teilte es dem Beschwerdeführer im Januar 2017 mit, die Antwort erhalten zu haben, dass er für den gegen die [X.] ergangenen Umsatzsteuerbescheid betreffend den [X.]raum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 nach [X.] Recht gesamtschuldnerisch hafte und der Umsatzsteuerbescheid vom 23. April 2003 der [X.] über den Angestellten [X.] zugestellt worden sei. Das Unternehmen hätte den Beschwerdeführer unterrichten müssen. Dieser habe außerdem nach den Aufzeichnungen der Steuerverwaltung Herrn [X.] seit dem 8. April 2002 zu seinem Steuervertreter bestellt. Die Bekanntgabe der drohenden strafrechtlichen Verfolgung sei dem Beschwerdeführer von dem zuständigen Finanzamt in [X.] am 27. Oktober 2003 an die Anschrift "M. 21 - C.", die letzte von dem Beschwerdeführer gegenüber der Steuerverwaltung erklärte Wohnanschrift, gesandt worden. Rechtsmittel habe der Beschwerdeführer bei den [X.] Behörden nicht eingelegt.

5

Am 5. April 2018 erließ das Finanzamt [X.], in dessen Zuständigkeitsbereich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich verzogen war, eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffend seiner Konten, Depots und Schließfächer bei einer Bank.

6

3. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer beim [X.] einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO. Das [X.] der [X.] Behörden verstoße gegen § 14 Abs. 2 [X.], da es sich auf Forderungen beziehe, die zu diesem [X.]punkt bereits älter als fünf Jahre gewesen seien. Die Forderungen seien inzwischen auch älter als zehn Jahre. Zudem sei das [X.] unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 [X.] beziehungsweise verstoße gegen die öffentliche Ordnung (ordre public). Die [X.] Behörden hätten ihm, dem Beschwerdeführer, gegenüber keinen Haftungsbescheid erlassen, wie er nach [X.] Recht zwingend erforderlich sei. Von seiner persönlichen Haftungsinanspruchnahme habe er erstmals durch das Schreiben des Finanzamts [X.] vom 28. Januar 2013 erfahren. Auch der Umsatzsteuerbescheid gegen die [X.] sei ihm nicht bekannt gegeben worden. Durch die Herren [X.] und [X.], die nach ihm als [X.] für die [X.] tätig gewesen seien, sei ihm seinerzeit im Jahr 2003 lediglich mitgeteilt worden, dass es einen solchen Umsatzsteuerbescheid gegen die [X.] geben solle. Keinerlei Kenntnis habe er jedoch davon gehabt, dass er persönlich für die Umsatzsteuerschulden der [X.] hafte. Er habe damit keine Möglichkeit gehabt, Rechtsmittel gegen die Umsatzsteuerfestsetzung betreffend die [X.] einzulegen.

7

Die zu vollstreckende Forderung übersteige sein Vermögen. Im Fall der Beitreibung der Gesamtforderung drohe ihm die Privatinsolvenz. Bei seinem Vermögen handele es sich um seine komplette Altersvorsorge. Im Fall der Rechtswidrigkeit des [X.] sei nicht gewährleistet, dass er die an die [X.] Behörden ausgekehrten Gelder zurückerlange. Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags legte der Beschwerdeführer eine eidesstattliche Versicherung vor, in der er unter anderem angab, Herrn [X.] zu keinem [X.]punkt eine Vollmacht erteilt zu haben, ihn in steuerlichen Angelegenheiten zu vertreten oder als Empfangsbevollmächtigter für Abgabenbescheide jedweder Art zu fungieren.

8

Das Finanzamt beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen. Es legte unter anderem die Korrespondenz mit den [X.] Behörden vor, in der diese unter anderem mitgeteilt hatten, dass nach [X.] Recht neben dem Unternehmen, das für die Zahlung von Steuern verantwortlich sei, auch dessen Geschäftsführer hafte. Das Vollstreckungsverfahren gegen den Geschäftsführer als mithaftende Person könne ohne weitere Steuerfestsetzung gegen ihn persönlich eingeleitet werden. Des Weiteren teilten die Behörden mit, dass die [X.] gegen ihre Steuerveranlagung zunächst Rechtsmittel eingelegt gehabt habe, diese aber für das Unternehmen abschlägig entschieden worden seien. Auch nach Einleitung des [X.] in [X.] habe der Beschwerdeführer keine rechtlichen Maßnahmen zur Anfechtung des einheitlichen Vollstreckungstitels in [X.] ergriffen.

9

4. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 24. Mai 2018 wies das [X.] den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet zurück. Bei summarischer Prüfung bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

Die zu vollstreckenden Forderungen seien nicht verjährt. In dem einheitlichen Vollstreckungstitel sei als Fälligkeitsdatum der 1. Juli 2008 genannt. Damit habe das [X.] vom 25. Januar 2013 die relative Verjährungsfrist von fünf Jahren gewahrt. Die vom Finanzamt [X.] bei den [X.] Behörden eingeholte Auskunft habe ergeben, dass sowohl gegen die Bekanntgabe des [X.] gegenüber der [X.] als auch gegen die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers als früheren Geschäftsführer keine Einwände bestünden. Bei summarischer Prüfung erscheine die Stellungnahme der [X.] Behörden schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Dass das aufgeführte Fälligkeitsdatum in 2008 - wie vom Beschwerdeführer vorgetragen - einen anderen Geschäftsführer betreffen könne, erscheine unwahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen. Angesichts des Umstands, dass die Betriebsprüfung zu einer [X.] von rund 35 Millionen Euro geführt habe, spreche im Gegenteil viel dafür, dass die [X.] gegen die entsprechenden Bescheide zunächst Rechtsmittel eingelegt habe und die Forderung erst nach Beendigung des Rechtsmittelverfahrens in 2008 endgültig fällig geworden sei. Unter diesen Umständen sei bei Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung auch die zehnjährige Verjährungsfrist gewahrt. Maßgebend sei insoweit der [X.]punkt der Fälligkeit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 [X.].

Ein Verstoß gegen den ordre public sei bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, da die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers aufgrund eines ordnungsgemäßen Haftungsverfahrens erfolgt sei. Allein der Umstand, dass nach [X.] Recht die Haftungsinanspruchnahme keine gesonderte Festsetzung der Haftungsschuld durch einen Haftungsbescheid, wie er in § [X.] vorgesehen sei, voraussetze, mache die Haftungsinanspruchnahme nicht schrankenlos. Wie nach [X.] Recht setze die Haftungsinanspruchnahme nach [X.] Recht die Festsetzung der Steuerschuld gegen den Hauptschuldner voraus; auch seien die weiteren Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme offensichtlich im Einzelnen gesetzlich geregelt. Aus der Stellungnahme der [X.] Behörden gehe zudem hervor, dass vor der Vollstreckung noch die "Bekanntgabe der drohenden strafrechtlichen Verfolgung" durch das [X.] Finanzamt erfolgt sei, die Vollstreckung daher den Beschwerdeführer nicht unvorbereitet treffe. Im Normalfall sei der Geschäftsführer auf die Haftungsinanspruchnahme vorbereitet und könne entsprechende Rechtsmittel vor Ort einlegen.

Den Anordnungsgrund habe der Beschwerdeführer nicht schlüssig vorgetragen. Bei summarischer Prüfung bestünden Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihm erklärten Vermögensverhältnisse. Im Übrigen könne der Umstand, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den [X.] Finanzbehörden höher seien als das vorhandene Vermögen des Beschwerdeführers, nicht dazu führen, gänzlich auf eine Vollstreckung zu verzichten. Die [X.] der Zivilprozessordnung böten ausreichend Schutz.

5. Gegen den Beschluss des [X.]s vom 24. Mai 2018 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, die das [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 10. Juli 2018 als unbegründet zurückwies.

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Das [X.] habe in dem Beschluss, mit dem es den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, seine Prüfungspflichten und den durch Art. 19 Abs. 4 GG grundrechtlich verbürgten Prüfungsumfang missachtet. Es unterstelle, dass er, der Beschwerdeführer, über die Vollstreckung durch eine "Bekanntgabe der drohenden strafrechtlichen Verfolgung" in Kenntnis gesetzt worden sei. Er habe in dem Verfahren aber eidesstattlich versichert, dass ihm vor Einleitung des [X.]s im Jahr 2013 weder der Umsatzsteuerbescheid gegen die [X.] noch ein gesonderter Haftungsbescheid, eine sonstige Inkenntnissetzung von der Haftung oder eine Zahlungsaufforderung durch die [X.] Behörden bekannt gegeben worden sei.

Auch die Prüfung des [X.] gemäß § 14 Abs. 2 [X.] genüge nicht den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz. Das [X.] unterstelle, dass die [X.] gegen den Umsatzsteuerbescheid Rechtsmittel eingelegt habe und die Forderungen nach Beendigung der Rechtsmittelverfahren in 2008 endgültig fällig geworden seien.

b) Sein Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das [X.] ihm vor Beschlussfassung über seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Gelegenheit gegeben habe, zu der Erwiderung des Finanzamts Stellung zu nehmen. Das Gericht habe auch dadurch seinen Anspruch auf Akteneinsicht faktisch versagt, indem es einen noch ausstehenden Akteneinsichtstermin nicht abgewartet habe.

7. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen. Das [X.], das [X.], für Bau und Heimat, das [X.], das [X.], die Landesregierung [X.], der [X.] und das Finanzamt [X.] als Beteiligter des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>).

1. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s vom 24. Mai 2018 ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rügt.

a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. [X.] 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Wirksam ist Rechtsschutz dabei nur, wenn er innerhalb angemessener [X.] erfolgt. Daher sind die Fachgerichte gehalten, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn Antragstellenden sonst eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in ihren Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. [X.] 93, 1 <13 f.>; 126, 1 <27 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 -, juris, Rn. 12). Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gebietet eine Auslegung und Anwendung der die Einlegung von Rechtsbehelfen regelnden Vorschriften, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs nicht in unzumutbarer, durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. [X.] 77, 275 <284>; 78, 88 <99>). Die Fachgerichte dürfen den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts nicht durch eine übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften unzumutbar verkürzen (vgl. [X.] 84, 366 <369 f.>; 93, 1 <15>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 -, juris, Rn. 12).

Grundsätzlich ist für die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine summarische Prüfung verfassungsrechtlich unbedenklich; die notwendige Prüfungsintensität steigt jedoch mit der drohenden Rechtsverletzung. Sie kann so weit reichen, dass die Gerichte unter besonderen Umständen - wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen - dazu verpflichtet sein können, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. [X.] 79, 69 <74>; 93, 1 <13 f.>; 126, 1 <27 f.>). Droht einem Antragstellenden bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. [X.] 79, 69 <75>; 94, 166 <216>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 -, juris, Rn. 20).

b) Der Beschluss des [X.]s vom 24. Mai 2018 wird diesen Anforderungen noch gerecht. Das [X.] hat sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch eines [X.] summarisch geprüft und jeweils verneint.

aa) Soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe, hat es die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG an den Eilrechtsschutz nicht verkannt. Insbesondere hat es die Sach- und Rechtslage in Bezug auf die von den [X.] Behörden begehrte Beitreibungshilfe auch unter Berücksichtigung der dem Beschwerdeführer drohenden Nachteile eingehend genug geprüft.

(1) Das [X.] hat den ihm obliegenden Prüfungsauftrag nach dem Gesetz über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der [X.] ([X.]; [X.]), mit dem die Richtlinie 2010/24/[X.] des Rates vom 16. März 2010 ([X.]; [X.]BeitrRL) umgesetzt worden ist, beachtet.

(a) Nach der dort vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen den im Rahmen eines internationalen [X.]s beteiligten Mitgliedstaaten werden die beizutreibende Forderung, der ursprüngliche ausländische Vollstreckungstitel und der einheitliche Vollstreckungstitel in [X.] als dem ersuchten Mitgliedstaat grundsätzlich nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Nach Art. 14 Abs. 1 [X.]BeitrRL fallen Streitigkeiten in Bezug auf die Forderung, den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat oder den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sowie Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats in die Zuständigkeit der einschlägigen Instanzen dieses Mitgliedstaats. Entsprechende Rechtsbehelfe sind bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats nach dessen Recht einzulegen. Dem liegt zugrunde, dass die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaats hinsichtlich der einfachrechtlichen Voraussetzungen der Besteuerung im ersuchenden Mitgliedstaat grundsätzlich weder mit der Sachverhaltsaufklärung noch mit den gegebenenfalls komplexen ausländischen steuerrechtlichen Rechtsvorschriften befasst werden sollen (vgl. [X.], [X.] 2017, S. 595 <606>).

Bei Streitigkeiten, die sich dagegen auf die von dem ersuchten Mitgliedstaat ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen oder auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats beziehen, ist der Rechtsbehelf nach Art. 14 Abs. 2 [X.]BeitrRL bei der zuständigen Instanz des ersuchten Mitgliedstaats nach dessen Recht einzulegen. Diese Kompetenzverteilung erlaubt es dem Finanzamt als der ersuchten Behörde und ihm folgend dem [X.] grundsätzlich nicht, die materielle Richtigkeit der [X.] Forderung und die Vollstreckbarkeit des Vollstreckungstitels zu überprüfen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Februar 2015 - [X.]/14 -, [X.]/NV 2015, 801).

Von diesem Grundsatz besteht jedoch eine Ausnahme, wenn die beizutreibende Forderung mit [X.] Rechtsvorstellungen schlechthin unvereinbar ist (sogenannter ordre public-Vorbehalt). Ein Verstoß gegen den ordre public ist gegeben, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht mehr hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der [X.] Rechtsordnung steht, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach [X.] Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erscheint (vgl. [X.]E 231, 500 <506 f.>). Die [X.] Behörden und Gerichte müssen insoweit Anhaltspunkten eines von den Vollstreckungsmaßnahmen Betroffenen nachgehen (vgl. [X.], [X.] 2017, S. 595 <604>).

(b) Diesen Prüfungsauftrag hat das [X.] im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren beachtet.

(aa) Soweit das [X.] einen Verstoß gegen den ordre public abgelehnt hat, weil gegen den Beschwerdeführer in Bezug auf die Umsatzsteuerverbindlichkeiten der [X.] kein gesonderter Haftungsbescheid, wie er nach [X.] Recht in § [X.] vorgesehen ist, erlassen wurde, ist dies von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Dabei durfte das [X.] insbesondere auf die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers gegen seine Haftungsinanspruchnahme in [X.] abstellen.

Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht aus einer unterlassenen Auseinandersetzung des [X.]s mit den [X.] Rechtsvorschriften und den dort gegen die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten. Das Verfahren auf Gewährung vorläufigen finanzgerichtlichen Rechtsschutzes nach § 114 FGO stellt ein Eilverfahren dar, in dem wegen der Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung allein auf Grund des präsenten Vorbringens grundsätzlich eine summarische und damit eine abgekürzte Prüfung zu erfolgen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 1. August 2005 - I 189/05 -, juris). Angesichts bestehender [X.] und der Versicherung der [X.] Behörden bereits im [X.], den [X.] Betrag dem Beschwerdeführer bei Obsiegen in der Hauptsache zurück zu gewähren, musste das [X.] seine Prüfung auch nicht wegen einer drohenden, nicht mehr reparablen erheblichen Grundrechtsverletzung des Beschwerdeführers intensivieren. Eine solche Gefahr war nicht erkennbar. Ohne weitergehende Sachverhaltsermittlungen durfte das [X.] anhand der Aktenlage, dem substantiierten Vortrag der Beteiligten und aufgrund von präsenten Beweismitteln entscheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2005 - [X.]/04 -, [X.]/NV 2005, 1379; [X.], Beschluss vom 1. August 2005 - I 189/05 -, juris; [X.], Beschluss vom 18. September 1991 - 9 V 3812/91 K -, [X.], 605). Das anzuwendende [X.] Recht unterliegt gemäß § 293 ZPO in Verbindung mit § 155 Satz 1 FGO demgegenüber der Beweiserhebung, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht stattfindet.

Danach durfte das [X.] sich auf die Aktenlage und die sich darin befindliche ausführliche Korrespondenz des Finanzamts [X.] mit den [X.] Behörden stützen, in der diese die Rechtslage in [X.] umfänglich erläutert haben. Ebenso durfte das [X.] bei summarischer Prüfung von ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers gegen seine Haftungsinanspruchnahme in [X.] ausgehen. Zudem ergab sich aus der Korrespondenz des Finanzamts [X.] mit den [X.] Finanzbehörden, die der Beschwerdeführer selbst vorgelegt hat, dass der ebenfalls in Haftung genommene Vertreter und Vorsitzende des Verwaltungsrats der [X.] in [X.] mit Rechtsmitteln gegen seine Haftungsinanspruchnahme vorgegangen war. Daraus durfte das [X.] schließen, dass dies dem Beschwerdeführer ebenso möglich gewesen wäre.

Insoweit bestand auch mit Blick auf die unabdingbaren Vorgaben des Grundgesetzes kein Anlass, sich mit der [X.] Rechtslage auseinanderzusetzen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts kann zwar eine Grenze in den durch Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG für [X.] erklärten Grundsätzen der Verfassung finden (vgl. [X.] 140, 317 <336 ff. Rn. 40 ff.>). Doch ist einem Mitgliedstaat der [X.] im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich besonderes Vertrauen entgegenzubringen. Dieses Vertrauen wird nur dann erschüttert, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen grundrechtliche Mindeststandards darlegt werden (vgl. [X.] 140, 317 <349 ff. Rn. 68 ff.>). Solche Anhaltspunkte hat der Beschwerdeführer schon nicht dargelegt.

([X.]) Nicht verkannt hat das [X.] insofern auch, dass die um Beitreibung einer Forderung ersuchte Behörde auch dann zur Verweigerung der Amtshilfe angehalten sein kann, wenn der Betroffene von der [X.] Forderung keine Kenntnis erlangt hat, da die Kenntnis von ihr eine notwendige Vorbedingung dafür darstellt, dass gegen sie vorgegangen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2018 - [X.]/17 -, juris).

Das [X.] ist jedoch nicht von einer fehlenden Kenntnis des Beschwerdeführers von der [X.] Forderung ausgegangen. Es war insoweit nicht verpflichtet, den eidesstattlich versicherten Angaben des Beschwerdeführers uneingeschränkt Glauben zu schenken, sondern hatte nach § 96 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Den sich in Bezug auf die Bestellung des Herrn [X.] als Vertreter eidesstattlich versicherten Angaben des Beschwerdeführers standen die Angaben der [X.] Behörden entgegen. Insoweit hat das [X.] ausdrücklich festgestellt, dass nach Auskunft der [X.] Behörden der Umsatzsteuerbescheid gegen die [X.] am 23. April 2003 über den Angestellten [X.] zugestellt und dieser auch vom Beschwerdeführer als sein Steuervertreter benannt worden sei. Auch wird der Vortrag des Beschwerdeführers wiedergegeben, wonach ihm über die Herren [X.] und [X.] zugetragen worden sei, dass es einen solchen Umsatzsteuerbescheid gegen die [X.] gebe. Wenn sich das [X.] vor diesem Hintergrund auf die Aktenlage und die Korrespondenz des Finanzamts [X.] mit den [X.] Behörden stützt und auch berücksichtigt, dass vor der Vollstreckung noch eine "Bekanntgabe der drohenden Strafverfolgung" durch das [X.] Finanzamt erfolgt war, und es weiter darauf abstellt, dass im Normalfall davon auszugehen sei, dass ein Geschäftsführer einer [X.] Gesellschaft auf seine Haftungsinanspruchnahme vorbereitet sei, ist dies jedenfalls im Hinblick auf die in einem Eilverfahren lediglich erforderliche summarische Prüfung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer der Auffassung ist, dass das [X.] zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, ist dies als Frage der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts sowie der Würdigung des Sachverhalts der Prüfung durch das [X.] entzogen.

(2) Auch die finanzgerichtliche Prüfung des [X.] einer möglichen Verjährung nach § 14 Abs. 2 [X.] wird den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gerecht. Das [X.] konnte sich insoweit auf die Angaben im einheitlichen Vollstreckungstitel vom 25. Januar 2013 und die weitere Korrespondenz des Finanzamts [X.] mit den [X.] Behörden stützen. Der Vortrag des Beschwerdeführers, das [X.] habe ohne Prüfung angenommen, dass die [X.] gegen die Umsatzsteuerbescheide Rechtsmittel eingelegt habe und die Forderungen in 2008 endgültig fällig geworden seien, wird durch die vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen widerlegt.

[X.]) Auch die summarische Prüfung und Ablehnung des [X.] durch das [X.] ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat sich ausführlich mit den eidesstattlich versicherten Vermögensangaben des Beschwerdeführers in dem angegriffenen Beschluss vom 24. Mai 2018 befasst und nachvollziehbar Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben begründet. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nach § 114 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 920 ZPO dem Beschwerdeführer oblegen hat, Anspruch und Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu bezeichnen und glaubhaft zu machen.

Auch mit den übrigen Argumenten des Beschwerdeführers hat sich das [X.] hinreichend auseinandergesetzt. Der vom Beschwerdeführer vorgetragene, ihm drohende und nicht wieder gut zu machende Nachteil, dass nicht gesichert sei, dass er den [X.] Betrag bei Obsiegen in der Hauptsache vom [X.] Staat zurückerhalte, wird durch die gegenteilige Versicherung der [X.] Behörden relativiert und ist insoweit auch von dem [X.] nicht verkannt worden.

2. Im Hinblick auf die geltend gemachte Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, da sie nicht in einer den Erfordernissen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.] genügenden Weise begründet worden ist (vgl. [X.] 21, 359 <361>; 108, 370 <386 f.>). Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, was er im Ausgangsverfahren ergänzend vorgetragen hätte, wenn ihm weiteres rechtliches Gehör gewährt worden wäre. So kann nicht geprüft werden, ob die angegriffenen Entscheidungen auf dem vermeintlichen Verfassungsverstoß beruhen (vgl. [X.] 28, 17 <20>; 29, 183 <197>; 58, 1 <25 f.>; 72, 122 <132>; 91, 1 <25 f.>; 112, 185 <206 f.>). Überdies ist der Beschwerdeführer den Ausführungen des [X.]s in dem die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss, dass er einen Akteneinsichtstermin erst nach Erlass des angegriffenen Beschlusses vom 24. Mai 2018 vereinbart habe, nicht entgegengetreten.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1724/18

23.05.2019

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend FG Köln, 10. Juli 2018, Az: 12 V 1354/18, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 9 Abs 1 S 1 EUBeitrG, § 14 Abs 1 EUBeitrG, § 14 Abs 2 EUBeitrG, Art 14 Abs 1 EURL 24/2010, Art 14 Abs 2 EURL 24/2010, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 113 Abs 1 FGO, § 114 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2019, Az. 1 BvR 1724/18 (REWIS RS 2019, 6931)

Papier­fundstellen: WM2019,1179 REWIS RS 2019, 6931

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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