Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2020, Az. VII B 73/20 (AdV)

7. Senat | REWIS RS 2020, 3299

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Gegenstand

Zur Beitreibung nach dem EUBeitrG unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens betreffend "Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2" vom 19.03.2020


Leitsatz

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Finanzbehörden das BMF-Schreiben betreffend "Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2" vom 19.03.2020 nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen anwenden, die bereits vor Bekanntgabe dieses Schreibens durchgeführt worden sind .

2. Steuerschuldner, gegen die bereits vor Bekanntgabe dieses Schreibens vollstreckt worden ist, können um Rechtsschutz nach den allgemeinen Regeln (z.B. § 258 AO) ersuchen .

Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 19.05.2020 - 4 V 540/20 wird aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (AdV) von zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.

2

Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) betreibt Seeschiffe ([X.]ontainer- und Massegutschiffe) und verchartert dabei u.a. Transportkapazitäten der in ihrem Eigentum stehenden Schiffe. Sie ist eine in der [X.] gegründete Kapitalgesellschaft, die das streitgegenständliche Verfahren ebenso wie auch schon das Verwaltungsverfahren unter ihrer dortigen Adresse führt. Ihr Geschäftsführer ist in der [X.] geschäftsansässig. Nach Angaben der Antragstellerin hat sie ihren Geschäftssitz gleichwohl in der [X.], einem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]), ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft eines Unternehmens mit Sitz in diesem Staat und gehört wirtschaftlich mittelbar --über [X.] zu mehr als 75 Prozent einer in der [X.] ([X.]) ansässigen Kommanditgesellschaft (KG).

3

Der [X.], der gegenüber der Antragstellerin im [X.] fällige Steuern festgesetzt hat, richtete mit Schreiben vom 09.01.2020 (Eingang am 10.02.2020) ein [X.] gemäß § 9 des Gesetzes über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der [X.] ([X.]) an das [X.] (BZSt) als Verbindungsbüro i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] [X.]. § 5 Abs. 1 Nr. 5 des [X.] Insgesamt begehrt der [X.] die Beitreibung von rund 6 Mio. € (5.925.562,02 €).

4

Das BZSt leitete das [X.] an die [X.] Finanzverwaltung, letztendlich an den Antragsgegner, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --[X.]--) weiter. Dieser erließ über den in dem einheitlichen Vollstreckungstitel ausgewiesenen Betrag in Höhe von 5.869.272,52 € (insgesamt drei Hauptforderungen zuzüglich der bis zum Datum der Übermittlung des Ersuchens fällig gewordenen Zinsen) zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 56.289,50 € und [X.] in Höhe von 86,28 € unter dem Datum 05.02.2020 die auf den Gesamtbetrag von 5.925.648,30 € lautenden streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen die X-Bank (Geschäftszeichen --[X.]--: ...) und die Z-Bank ([X.]: ...). Eine weitere Kontenpfändung ([X.]: ...) ging ins Leere. Als Gläubiger war das [X.] ausgewiesen.

5

Nach Aktenlage war den Schreiben an die Banken jeweils eine Rückstandsaufstellung beigefügt, aus der sich ersehen ließ, dass --von den [X.] in Höhe von 86,28 € abgesehen-- die Forderung auf ein [X.] des [X.]s zurückging. Diese Rückstandsaufstellungen unterschieden sich nur in einer Ziffer des jeweiligen [X.] Den [X.] für die Vollstreckungsschuldnerin war ausweislich der Akten auch bzw. nur eine Rückstandsaufstellung beigefügt. Diese trug das [X.] der an die X-Bank adressierten Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

6

Die X-Bank erkannte die Pfändung an und überwies am 06.03.2020 einen Teilbetrag in Höhe von 1.456,89 € und am 02.04.2020 einen Teilbetrag in Höhe von 604.394,64 € an das [X.].

7

Die Z-Bank teilte mit, dass die Pfändung hinsichtlich einer Forderung in Höhe von 447.540 USD aus einem Kontokorrentguthaben grundsätzlich anerkannt werde, dass das Konto jedoch bereits vorrangig verpfändet sei.

8

Die Antragstellerin legte gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen am 14.02.2020 Einsprüche ein und beantragte [X.] Den [X.] lehnte das [X.] mit Schreiben vom 19.02.2020 ab.

9

Nach einem weiterem Schriftwechsel beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.03.2020 von den Vollstreckungsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 19.03.2020 - IV A 3 - S 0336/19/1007 ([X.], 262) bis zum 31.12.2020 abzusehen. Dies lehnte das [X.] am 01.04.2020 ab, da das [X.]-Schreiben nur Geschädigte im [X.] und nur die von den [X.] verwalteten Steuern betreffe.

Mit unter dem Datum 15.04.2020 bekanntgegebener Einspruchsentscheidung (in der neben diesem Datum als Erlassdatum der 08.04.2020 genannt wird; im Folgenden: Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020), zugestellt am 30.04.2020, wies das [X.] die Einsprüche der Antragstellerin zurück.

Am 13.05.2020 erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.02.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 und beantragte die Rückzahlung der bereits eingezogenen Beträge.

Zuvor, am 23.04.2020, stellte die Antragstellerin außerdem gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) den streitgegenständlichen [X.] und beantragte, die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsermächtigungen vom 05.02.2020 - ... und ... (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein Klageverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen bzw. deren Vollziehung aufzuheben.

Sie trug vor, ihren Geschäftsbetrieb einstellen und Insolvenz anmelden zu müssen, sollte der Antrag abgelehnt werden; sie sei bereits zum 31.12.2019 überschuldet gewesen (vgl. Beschluss des Finanzgerichts --[X.] S. 23). Sicherheiten könne sie nicht stellen. Bis zur Entscheidung über ihre Klage auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sei AdV aus Billigkeitsgründen gemäß § 258 der Abgabenordnung ([X.]) zu gewähren.

Die Antragstellerin begründete ihren Antrag mit folgenden Argumenten, auf die sie auch ihre streitgegenständliche Beschwerde stützt:

Die Aufrechterhaltung der Vollstreckungsmaßnahmen verstoße gegen den ordre public (Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs --EGBGB--) und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V).

Wegen der [X.] habe sie (die Antragstellerin) derzeit erhebliche Einnahmeausfälle insbesondere im [X.]hartergeschäft. Zu ihren Gunsten sei zumindest in entsprechender Anwendung des [X.]-Schreibens in [X.], 262 [X.]. § 14 Abs. 1 [X.] von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen; bereits eingezogene Mittel seien ihr zu erstatten. Auch in dem ersuchenden [X.] seien alle Steuervollstreckungsverfahren ab dem Inkrafttreten eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der [X.]OVID-19-Pandemie im April 2020 automatisch ausgesetzt worden. Die dortige Finanzbehörde habe den Antrag der Antragstellerin, das [X.] zurückzunehmen, zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, das Gesetz sei nur auf Vollstreckungsmaßnahmen im Staatsgebiet anzuwenden. Da die Weigerung der Finanzverwaltung des [X.]s jedoch willkürlich erscheine, seien die Aufrechterhaltung des [X.]s und die Fortsetzung der Vollstreckung durch das [X.] unbillig.

Die unterlassene Anwendung des [X.]-Schreibens in [X.], 262 stelle außerdem einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 ff. A[X.]V dar. Die [X.] vom 05.02.2020 hätten gemäß § 309 Abs. 3 Satz 1 [X.] [X.]. § 833a der Zivilprozessordnung (ZPO) zu einer faktischen Kontosperre geführt, so dass die von der Pfändung betroffenen Girokonten ihre [X.] im bargeldlosen Zahlungsverkehr verloren hätten (vgl. etwa Senatsurteil vom 16.05.2017 - VII R 5/16, [X.], 105, BStBl II 2018, 735, Rz 11; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 309 Rz 39). Die Auslegung des [X.]-Schreibens in [X.], 262 durch das [X.] --bzw. ihm folgend durch das [X.] und die hierdurch verursachte unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Vollstreckungsschuldnern, die in [X.] Kapital angelegt hätten, stelle eine Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S. des Art. 63 Abs. 1 A[X.]V dar. Diese Beschränkung sei nicht nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V gerechtfertigt. Bei dieser sog. [X.] handele es sich nicht um eine Bereichsausnahme für das Steuerrecht. Vielmehr bringe diese Regelung zum Ausdruck, dass steuerliche Ungleichbehandlungen nur dann keine Beschränkungen bewirkten, wenn sich die Steuerpflichtigen wegen ihrer Ansässigkeit oder des [X.] in keiner vergleichbaren Situation befänden. Im Streitfall befinde sich die Antragstellerin in Bezug auf die gepfändeten Forderungen in einer mit einem inländischen Vollstreckungsschuldner vergleichbaren Situation. Eine unterschiedliche Behandlung sei demnach nicht gerechtfertigt. Von Vollstreckungsmaßnahmen sei somit bis zum 31.12.2020 abzusehen.

Der mit Hauptforderung I bezeichnete Steueranspruch beruhe außerdem auf einem verfassungswidrigen Gesetz. Dies sei ein weiterer Grund dafür, dass die Vollstreckung gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) verstoße. Sie (die Antragstellerin) unterliege in dem [X.] einer optionalen Tonnagebesteuerung. Sie sei davon ausgegangen, dass bei der Veräußerung von Schiffen ohne entsprechende Neuanschaffung innerhalb der gesetzlichen Reinvestitionsfrist nur auf den Nettogewinn (Verkaufserlös abzüglich Anschaffungskosten, die um etwaige Abschreibungen zu vermindern wären) Steuern zu entrichten seien. Die Steuerverwaltung des ersuchenden [X.]s habe jedoch im April 2019 für das [X.] auf die Bruttoerlöse Steuern erhoben, also die Anschaffungskosten nicht abgezogen, und deshalb um mehr als 4 Mio. € höhere Steuern festgesetzt. Die Besteuerung des [X.] beim Verkauf eines Wirtschaftsguts verstoße gegen den in [X.] gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geltenden Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der Gewinn des Jahres 2017 liege weit unter dem, was die Steuerverwaltung des um Beitreibung ersuchenden [X.]s für dieses Jahr an Steuern festgesetzt habe. Auch in den Vorjahren sei es zu Verlusten gekommen.

Die weiteren in dem [X.] genannten Hauptforderungen datierten gleichfalls aus dem [X.], wobei in Bezug auf einen Teil der Forderungen (Hauptforderung II) der Zugang des die Forderung festsetzenden Bescheids bestritten werde. Dies führe dazu, dass das [X.] insgesamt (nicht nur teilweise) rechtswidrig sei und eine Vollstreckung in [X.] ausscheide (vgl. Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 26.04.2018 - [X.], [X.]:[X.]:2018:282, [X.] [X.] --ABl[X.]-- 2018, Nr. [X.] 211, 5, Rz 48, 52, 57).

Ein weiterer Verstoß gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) bestehe darin, dass der um Beitreibung ersuchende [X.] seinen Zinsforderungen einen Jahreszinssatz von 7 Prozent zugrunde gelegt habe. Der [X.] ([X.]) habe bereits gegen den Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Höhe von 6 Prozent pro Jahr für Veranlagungszeiträume ab 2012 verfassungsrechtliche Bedenken geäußert ([X.]-Beschluss vom 04.07.2019 - VIII B 128/18, [X.]/NV 2019, 1060).

Den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sei der einheitliche Vollstreckungstitel (Uniform Instrument Permitting Enforcement, [X.]) gemäß § 10 Abs. 3 [X.] bzw. gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2010/24/[X.] des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen ([X.]BeitrRL), der im ersuchten [X.] (hier [X.]) die alleinige Grundlage für die zu ergreifenden Beitreibungsmaßnahmen sei, nicht beigefügt gewesen. Es werde bezweifelt, dass er zum Zeitpunkt der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vorgelegen habe.

Für die Vollstreckung angefochtener Steuerforderungen sei nach § 13 Abs. 3 Satz 2 [X.] eine qualifizierte Begründung der Finanzverwaltung des ersuchenden [X.]s erforderlich. Diese liege nicht vor.

Darüber hinaus habe die Finanzbehörde des ersuchenden [X.]s gegen Art. 21 Abs. 1 der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 1189/2011 der [X.] vom 18.11.2011 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2010/24/[X.] des Rates über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl[X.] Nr. L 302, 16) verstoßen, weil zunächst versäumt worden sei, die gegen die Steuerforderungen eingelegten Rechtsbehelfe mitzuteilen. Dieses Vorgehen bzw. die Vollstreckung nicht bestandskräftiger Forderungen verstoße gegen den in Art. 11 Abs. 1 [X.]BeitrRL geregelten Grundsatz, wonach die ersuchende Behörde kein [X.] stellen könne, falls und solange die Forderung und/oder der Titel für ihre Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat angefochten worden seien.

Dass in dem ersuchenden [X.] generell kein vorläufiger Rechtsschutz gewährt werde, sei gleichfalls mit dem ordre public (Art. 6 EGBGB) unvereinbar.

Entgegen dem [X.]-Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung) vom 23.01.2014 - IV B 6 S 1320/07/10011:011, [X.] (BStBl I 2014, 188, Nr. 4.2.4.) sei vor Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen keine Zahlungsaufforderung mit 14-tägiger Frist ergangen, weshalb diese rechtswidrig und aufzuheben seien.

Im Übrigen seien die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen schon deshalb rechtswidrig, weil das [X.] für deren Erlass örtlich unzuständig gewesen sei.

In den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sei als Vollstreckungsgläubiger zu Unrecht das [X.] und nicht der um Beitreibung ersuchende [X.] angegeben worden. Auch deshalb seien die Verfügungen aufzuheben.

Die ihr (der Antragstellerin) übersandte Rückstandsanzeige verweise auf eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 04.02.2020. Den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.02.2020 sei keine Rückstandsanzeige mit diesem Datum beigefügt gewesen, weshalb ihnen nicht zu entnehmen sei, welche Forderungen vollstreckt werden sollten. Sie seien deshalb wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig oder nichtig und jedenfalls aufzuheben.

Das [X.] setzte die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.02.2020 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020) mit dem streitgegenständlichen Beschluss vom 19.05.2020 - 4 V 540/20 hinsichtlich der Einziehung bis zu einem Monat nach Zustellung einer das Klageverfahren abschließenden Entscheidung, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft der Verfügungen, aus und hob sie hinsichtlich der Pfändung mit Wirkung ab Leistung einer Sicherheit in Höhe von 450.000 € bis zum selben Zeitpunkt auf. Außerdem gab das [X.] dem [X.] auf, gegenüber den Banken unverzüglich für die Zukunft die Vollziehung der Einziehung auszusetzen und --sobald die Sicherheitsleistung eingegangen ist-- unverzüglich auch die Vollziehung der Pfändungen aufzuheben.

Das [X.] stützte seine Entscheidung darauf, dass das [X.] in den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen das [X.] als Gläubiger der Forderung angegeben habe und den tatsächlichen Inhaber der vollstreckten Steuerforderungen, den [X.], nicht benannt habe, was unter Berücksichtigung der Entscheidung des [X.] Münster vom 21.01.2020 - 11 V 3213/19 [X.] (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.] 2020, 419) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen begründe. Im Übrigen liege kein weiterer offensichtlicher Verstoß gegen Vollstreckungsvorschriften vor, weshalb AdV nur gegen Sicherheitsleistung mit Wirkung ex nunc gewährt werden könne.

Die geforderte Sicherheitsleistung entspreche in ihrer Höhe in etwa der von der Z-Bank anerkannten Pfändung des [X.] in Höhe von 447.540 USD. Trotz der bestehenden vorrangigen Pfändung einer anderen Gläubigerin der Antragstellerin habe das [X.] insoweit ein [X.], da es möglich sei, dass das vorrangige Pfandrecht erlösche. Da das Anliegen der Antragstellerin auf Rückerstattung der von der X-Bank an das [X.] ausgezahlten Beträge nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens, sondern eines gesonderten [X.] sei, für das die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht bindend seien, sei insoweit keine weitergehende Sicherheitsleistung erforderlich. Dies gelte umso mehr, als wegen des Vorrangs des [X.] die Vollziehung der Einziehung nicht rückwirkend aufzuheben, sondern nur (mit Wirkung für die Zukunft) auszusetzen sei. Im Übrigen sei mit weiteren Zahlungseingängen auf den gepfändeten Konten nicht mehr zu rechnen, weshalb keine über das gepfändete Kontoguthaben bei der Z-Bank hinausgehende Sicherheiten festzusetzen seien.

Gegen den Beschluss des [X.] vom 19.05.2020 - 4 V 540/20, welcher der Antragstellerin am 23.05.2020 und dem [X.] am 25.05.2020 zugestellt worden ist, haben sowohl die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.06.2020 als auch das [X.] mit Schreiben vom 03.06.2020 (Begründung mit Schreiben vom 09.06.2020) Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr Vorbringen gegenüber dem [X.] und trägt vor, dieses sei auf ihre Argumente nur unvollständig eingegangen. Bei zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage und des Umstands, dass sie zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage sei, weshalb die geforderte Sicherheitsleistung einer Rechtsverweigerung gleichkomme, sei --wie von ihr beantragt-- vollumfänglich AdV zu gewähren.

Sie beantragt, den [X.]-Beschluss vom 19.05.2020 - 4 V 540/20 aufzuheben und die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsermächtigungen vom 05.02.2020 ... und ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen bzw. aufzuheben.

Das [X.] hält die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsermächtigungen nach wie vor für rechtmäßig und trägt vor, das [X.] habe zu Unrecht teilweise AdV gewährt. Gemäß § 252 [X.] gelte im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehöre. Deshalb sei in den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu Recht das [X.] als Gläubigerin angegeben worden.

Es beantragt, den [X.]-Beschluss vom 19.05.2020 - 4 V 540/20 aufzuheben sowie den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsermächtigungen vom 05.02.2020 - ... und ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Klageverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen bzw. deren Vollziehung aufzuheben, zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des [X.] gegen den [X.] vom 19.05.2020 - 4 V 540/20 ist begründet, die Beschwerde der Antragstellerin ist zurückzuweisen.

1. Die Beschwerden sind zulässig. Das [X.] hat die Beschwerde zugelassen; gemäß § 128 Abs. 1 [X.]O stand den Beteiligten somit die Beschwerde an den [X.] zu. Beide Beschwerden wurden innerhalb der [X.] des § 129 Abs. 1 [X.]O eingelegt.

2. Die Beschwerde des [X.] ist begründet. Das [X.] hat die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu Unrecht teilweise von der Vollziehung ausgesetzt und zu Unrecht teilweise die Vollziehung aufgehoben. Bei der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Akten bestehen keine Zweifel daran, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rechtmäßig sind. Die Vollziehung hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Klageverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen bzw. aufzuheben, zulässig ist.

aa) Pfändungs- (§ 309 [X.]) und Einziehungsverfügungen (§ 314 [X.]) sind Verwaltungsakte, deren Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 [X.]O vom Gericht der Hauptsache ausgesetzt werden kann, wenn das [X.] die AdV der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O) oder die Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 [X.]O). Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O kann das Gericht auch ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Der [X.] kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 [X.]O).

bb) Hiernach ist der Antrag im Streitfall zulässig, die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 3 [X.]O sind erfüllt. Die AdV wurde vom [X.] abgelehnt. Die Vollstreckung drohte bzw. war im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] bereits im Gange. Der [X.] wurde zulässigerweise vor Erhebung der Klage gestellt. Da diese fristgerecht erhoben wurde, sind die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nach wie vor angefochtene Verwaltungsakte i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.].

b) Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Das [X.] hat zu Unrecht teilweise AdV gewährt.

aa) Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.

Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. u.a. [X.]-Beschluss vom 25.11.2005 - V B 75/05, [X.]E 212, 176, [X.], 484, m.w.N.). Ernstliche Zweifel bestehen jedoch nur dann, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund präsenter Beweismittel und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte ([X.]-Beschluss vom 31.01.2002 - V B 108/01, [X.]E 198, 208, [X.], 622, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

(1) Nach dem [X.] wird Amtshilfe im Bereich der Beitreibung in Bezug auf Forderungen im Zusammenhang mit Steuern (i.S. des § 3 Abs. 1 [X.]) und Abgaben einschließlich der Forderungen aus [X.] und steuerlichen Nebenleistungen (i.S. des § 3 Abs. 4 [X.]), wie etwa Säumniszuschlägen (vgl. Senatsurteil vom 21.07.2009 - VII R 52/08, [X.]E 226, 102, [X.], 51, unter [X.]), geleistet (§ 1 [X.], Art. 2 [X.]BeitrRL), wenn der Mindestbetrag von 1.500 € (§ 14 Abs. 1 [X.], Art. 18 Abs. 3 [X.]BeitrRL) überschritten wird und die Forderungen nicht betagt sind (§ 14 Abs. 2 [X.], Art. 18 Abs. 2 [X.]BeitrRL).

Diese allgemeinen Voraussetzungen lagen im Streitfall vor. Der [X.] ersuchte um Beitreibung einer der Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer sowie der hierauf entfallenden Zinsen und Säumniszuschläge. Der Mindestbetrag ist überschritten. Die Forderungen waren nicht älter als fünf bzw. zehn Jahre.

(2) Das [X.] war für den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] sachlich und gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 25 Satz 1 [X.] örtlich zuständig, da für die Vollstreckung aufgrund des [X.]s im Hinblick auf einen fehlenden Geschäftssitz im Inland und die bei verschiedenen Banken unterhaltenen Guthaben im Grundsatz mehrere Ämter zuständig waren und das [X.] durch das Verbindungsbüro beim BZSt zuerst mit der Sache befasst worden ist. Eine vorrangige andere Zuständigkeit gemäß §§ 19 ff. [X.] bestand nicht. § 20 Abs. 3 [X.] betrifft das Besteuerungs- und nicht das Vollstreckungsverfahren.

Das BZSt musste eine Auswahl treffen, um eine unabgestimmte Vollstreckung mehrerer Finanzbehörden aus einem einheitlichen Vollstreckungstitel zu verhindern; entgegen der unsubstantiierten Behauptung der Antragstellerin hat es diese auch getroffen, denn es hat die [X.] Finanzverwaltung und letztlich das [X.] mit der Vollstreckung beauftragt. Dies war nicht willkürlich, da für eine etwaige Einziehungsklage gegen die [X.] nach den Feststellungen des [X.] Frankfurt am Main der allgemeine Gerichtsstand (§ 17 ZPO) gewesen wäre, und da das BZSt wusste oder es zumindest nahelag, dass ein international tätiges Unternehmen wie die Antragstellerin bei dieser Bank ein Konto unterhält. Dass sich später herausgestellt hat, dass die gepfändete Forderung das Guthaben einer Zweigniederlassung betraf, dass die [X.] eine sog. Pfändungsabteilung in [X.] unterhält, an welche die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen adressiert wurden, oder dass bei einer anderen Bank letztlich am meisten beigetrieben werden konnte, ändert an der Zuständigkeit des [X.] gemäß § 25 Satz 1 [X.] nichts, weil die Zuständigkeit vor Erlass des Verwaltungsaktes feststehen muss.

Im Übrigen findet im Streitfall auch § 127 [X.] Anwendung, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 125 [X.] nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht die Beitreibung aufgrund des [X.] nicht im Ermessen der ersuchten Behörde, sondern ist auf Antrag der ersuchenden Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend durchzuführen (vgl. Urteil des [X.] Hamburg vom 04.02.2010 - 3 V 254/09, E[X.] 2010, 848 zur Vorgängervorschrift). Angesichts der finanziellen Situation der Antragstellerin, die nach ihren Angaben bereits zum 31.12.2019 überschuldet war, hatte sie objektiv keine Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung durch Zahlung oder Sicherheitsleistung zu vermeiden; dies behauptet sie auch nicht. Im Hinblick auf die Höhe der [X.] Forderungen sowie mangels sonstigem Vermögens der Antragstellerin bestand auch kein Auswahlermessen des [X.]. Es musste gegenüber allen kontoführenden Banken im Inland eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen.

(3) Der Vorwurf der Antragstellerin, die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen seien zu unbestimmt und in sich widersprüchlich, trifft nicht zu. Gleiches gilt für den Einwand, das [X.] habe als Vollstreckungsgläubiger das [X.] angegeben und gegen den Grundsatz verstoßen, dass die Adressaten der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erfahren müssen, um welche Ansprüche es sich handelt, um über Zahlungen und bzw. oder das Ergreifen von Rechtsmitteln entscheiden zu können (vgl. etwa Senatsurteil vom 18.07.2000 - VII R 101/98, [X.]E 192, 232, [X.] 2001, 5).

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind, wie jeder Verwaltungsakt, nach dem objektiven [X.] auszulegen. Adressaten waren mehrere [X.] Großbanken, die eigene Vollstreckungsabteilungen unterhalten, sowie die Antragstellerin --ein weltweit tätiges größeres [X.], die nach ihren Angaben mittelbar einer [X.]n KG gehört. Geht einem derartigen Unternehmen eine Pfändung in einer Größenordnung von rund 6 Mio. € zu, ist der objektive [X.] eines einschlägig Rechtskundigen maßgeblich, denn ein solcher wird (objektiv betrachtet) von einem derartigen Unternehmen mit der Angelegenheit befasst werden. Der objektive [X.] ist somit im Streitfall bei allen Beteiligten der eines im Geschäfts- und Rechtsverkehr einschlägig erfahrenen Adressaten.

Vor diesem Hintergrund war die Angabe in den Verfügungen, die Antragstellerin schulde dem [X.] 5.925.648,30 € i.V.m. der jeweils beigefügten Rückstandaufstellung eindeutig. Denn gemäß §§ 250 Abs. 1 Satz 1, 252 [X.], deren Kenntnis nach dem im Streitfall zu berücksichtigenden objektiven [X.] unterstellt werden kann, gilt im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehört. Aus der beigefügten Rückstandsaufstellung ergab sich, dass es sich bei den [X.] Forderungen um solche des [X.]s handelte und dass das [X.] bzw. das [X.] aufgrund eines [X.]s dieses Staates tätig wurde. Unklar oder in sich widersprüchlich ist das nicht.

Daran ändert nichts, dass der Antragstellerin nach Aktenlage zusätzlich zu den [X.] der --vom jeweiligen Adressaten (Drittschuldner bzw. Bank) und jeweils einer Ziffer des [X.]. abgesehen-- wortgleichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nur eine einzige Rückstandsaufstellung übermittelt worden ist, die das [X.]. einer der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen trug.

Dass die der Antragstellerin und den Banken übermittelten [X.] außerdem einen Schreibfehler im Datum aufwiesen (04.02. statt 05.02.2020) spielt gleichfalls keine Rolle. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Verweis auf eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 04.02.2020 in den [X.], die den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.02.2020 beigefügt waren, erkennbar um einen bloßen Schreibfehler oder um eine sonstige, jederzeit berichtigungsfähige offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 [X.] handelt. Unklar oder widersprüchlich waren die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen deshalb nicht.

Entscheidend ist, dass die Schriftstücke nach Aktenlage zusammen verschickt wurden und jeweils auf Forderungen in Höhe von 5.925.648,30 € bezogen waren.

Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des [X.] Münster in E[X.] 2020, 419 zugrunde lag, in einem wesentlichen Punkt. Denn dort war es ausweislich der Feststellungen des [X.] nicht ersichtlich, dass Ansprüche der luxemburgischen Finanzverwaltung Gegenstand der Pfändung sein sollten. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Beschluss des [X.] Münster in E[X.] 2020, 419 erübrigt sich somit im Streitfall.

(4) Die unsubstantiierte Behauptung der Antragstellerin, die formalen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 [X.], § 10 Abs. 3 [X.] bzw. Art. 12 Abs. 1 [X.]BeitrRL hätten nicht vorgelegen, weil in dem [X.] schon kein Titel i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der in dem einheitlichen Vollstreckungstitel ausgewiesenen Höhe vorgelegen habe oder weil der einheitliche Vollstreckungstitel gemäß § 10 Abs. 3 [X.] bzw. Art. 12 Abs. 1 [X.]BeitrRL am 05.02.2020 noch nicht vorgelegen habe, sind nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu wecken. Da der einheitliche Vollstreckungstitel aus den Daten im übermittelten elektronischen Formblatt "Ersuchen um Beitreibung oder Sicherungsmaßnahmen" von der ersuchten Behörde generiert wird (vgl. auch Senatsurteil vom 11.12.2012 - VII R 70/11, [X.]E 239, 501, [X.] 2013, 475, Rz 10, 19 ff.), geht er zwangsläufig mit dem [X.] zu. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 [X.] gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel als vollstreckbarer Verwaltungsakt, weshalb die ersuchte Behörde nicht kontrollieren muss, ob dieser mit der Bescheidlage im ersuchenden Mitgliedstaat übereinstimmt. Vielmehr verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten von jedem Mitgliedstaat, dass er --abgesehen von außergewöhnlichen Umständen-- davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Dieses Vertrauen wird nur dann erschüttert, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen grundrechtliche Mindeststandards darlegt werden (vgl. Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 23.05.2019 - 1 BvR 1724/18, [X.]/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2019, 1179, m.w.N.; [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2018:282, ABl[X.] 2018, Nr. [X.] 211, 5, m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für Auslandssachverhalte liegt bei den Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 [X.]O i.V.m. § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]; vgl. auch Senatsurteil in [X.]E 239, 501, [X.] 2013, 475, Rz 26).

Der von der Antragstellerin vorgelegte Abdruck einer Entscheidung der zuständigen Behörde des ersuchenden [X.]s vom 26.04.2019, wonach die Antragstellerin wohl aus der Hauptforderung I zum damaligen Zeitpunkt bereits rund 4,8 Mio. € zuzüglich Zinsen, zusammen also rund 5,3 Mio. € schuldete, ist nicht geeignet, derartige Zweifel in Bezug auf das [X.] vom 09.01.2020, welches drei Hauptforderungen zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen betrifft, zu wecken. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, der ersuchende Mitgliedstaat könne versucht haben, durch ein [X.] mehr Steuern beizutreiben, als festgesetzt worden waren, wie die Antragstellerin behauptet. Im Übrigen bleiben die von den streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erfassten Kontoguthaben weit hinter dem Betrag von rund 5,3 Mio. € zurück, welche auch nach dem Vortrag der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Hauptforderung I festgesetzt worden sind.

(5) Die Antragstellerin kann die Aufhebung der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht deshalb verlangen, weil im Streitfall --entgegen dem [X.] in [X.], 188, Nr. 4.2.4.-- vor deren Erlass keine Zahlungsaufforderung mit 14-tägiger Frist ergangen ist, auch wenn der Senat mit Urteil in [X.]E 226, 102, [X.], 51 zum früheren Recht entschieden hat, dass ein derartiges Merkblatt Außenwirkung entfaltet.

Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob er hieran festhält, denn gemäß § 127 [X.] kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 125 [X.] nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist. Wie ausgeführt, stand die Beitreibung im Streitfall nicht im Ermessen des [X.].

(6) Die Vollstreckung aufgrund eines [X.]s ist möglich, auch wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt angefochten ist (§ 10 Abs. 1 [X.], Art. 11 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 4 [X.]BeitrRL).

(7) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, soweit der ersuchende [X.] das [X.] des § 13 Abs. 3 Satz 2 [X.] zunächst nicht beachtet hat.

Nach der im Streitfall gebotenen summarischen Prüfung spricht viel dafür, dass das [X.] in erster Linie dazu dient, dem ersuchenden Mitgliedstaat vor Augen zu führen, dass eine Vollstreckung angefochtener Forderungen mit einem Haftungs- bzw. Entschädigungsrisiko (§ 13 Abs. 3 Satz 3 [X.]) verbunden ist und deshalb nur aus guten Gründen angestrengt werden sollte. Auch sind Einwendungen in Bezug auf Fehler des ersuchenden Mitgliedstaats --insbesondere gegen die Abgaben- und Steuerfestsetzung sowie das [X.] gemäß § 13 Abs. 1 und 2 [X.] (Art. 14 Abs. 1 und 2 [X.]BeitrRL)-- grundsätzlich nur gegenüber dem ersuchenden Staat (hier dem [X.]) geltend zu machen.

Im Streitfall kann jedoch letztlich dahinstehen, ob das [X.] drittschützend ist. Denn ein etwaiger Verstoß gegen die Begründungspflicht durch die ersuchende Behörde kann jedenfalls nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 [X.] bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des finanzgerichtlichen Verfahrens geheilt werden. Im Streitfall hat der ersuchende [X.] somit Gelegenheit, seine bisherigen Schreiben (insbesondere das Schreiben vom 13.02.2020) vor dem Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob sie eine ausreichende Begründung enthalten, und diese gegebenenfalls nachzuholen bzw. zu ergänzen.

(8) Es bestehen außerdem auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, weil das [X.] das BMF-Schreiben in [X.], 262 nicht (analog) angewandt hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie die Finanzgerichte die Verwaltungsanweisung verstehen, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Die Finanzgerichte dürfen daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist ([X.]-Urteil vom [X.] - V R 36/17, [X.]/NV 2020, 86, Rz 13).

Ist in einer Norm, in einer eine Norm ersetzenden Verwaltungsvorschrift oder in einem Erlass kein Zeitpunkt angegeben, ab dem die Regelung gelten soll, und lässt sich ein derartiger Zeitpunkt auch nicht durch Auslegung ermitteln, tritt die Regelung regelmäßig mit ihrer Bekanntgabe in [X.]. Im BMF-Schreiben in [X.], 262 ist kein spezieller Zeitpunkt angegeben, ab dem die Regelungen gelten sollen. Nr. 3 Satz 2 des Schreibens lässt sich jedoch entnehmen bzw. bestätigt, dass maßgeblicher Zeitpunkt, ab dem die Verwaltung in [X.] Zurückhaltung üben will, die [X.] des Schreibens (in elektronischer Form) am 19.03.2020 ist. Der Begriff des "Absehens" i.S. der Nr. 3 Satz 1 dieses Schreibens deutet auch darauf hin, dass Maßnahmen gemeint sind, die noch nicht durchgeführt worden sind (vgl. auch Beschluss des [X.]n [X.] vom 08.06.2020 – 12 V 643/20, E[X.] 2020, 1056, Rz 25). Jedenfalls kann dem Schreiben nicht entnommen werden, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor [X.] dieses Schreibens ergriffen worden sind, wieder aufzuheben oder rückabzuwickeln sind. Bei diesem Befund ist davon auszugehen, dass die Verwaltungsanweisung mit ihrer Bekanntgabe in [X.] getreten ist. Ließe sich dieses Ergebnis nur durch Auslegung ermitteln, hält der beschließende Senat ein solches Verständnis des [X.] zumindest für möglich.

Somit könnten auch Inländer in einer vergleichbaren Situation eine AdV nicht unter Berufung auf dieses Schreiben erreichen. Die unterlassene Anwendung dieses Schreibens stellt deshalb keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 ff. A[X.]V dar (die, was das [X.] übersehen hat, auch zugunsten von in Drittstaaten ansässigen Personen zu beachten ist).

Die Annahme der Finanzbehörde, das BMF-Schreiben in [X.], 262 betreffe nur Vollstreckungsmaßnahmen, die nach seiner Bekanntgabe am 19.03.2020 ergriffen werden, führt auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn Art. 3 GG lässt Stichtagsregelungen zu, sofern diese nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen. Wird eine Begünstigung eingeführt, so ist es regelmäßig nicht geboten, bereits verwirklichte Sachverhalte in die Begünstigung mit einzubeziehen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass Vollstreckungsschuldner in derartigen Fällen rechtsschutzlos gestellt sind. Vielmehr gelten insoweit die allgemeinen Regeln, insbesondere § 258 [X.]. Der Antragsteller ist dann, wenn die Verwaltung die Regelung in Nr. 3 des [X.] in [X.], 262 nicht zu seinen Gunsten anwendet, lediglich stärker gefordert, darzulegen, weshalb die Aufrechterhaltung der Vollstreckungsmaßnahme wegen der [X.]orona-Pandemie oder aus anderen Gründen unbillig ist bzw. weshalb ihm einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist. Diese Verteilung der Darlegungslast ist gerechtfertigt, denn in den Fällen, in denen vor dem 19.03.2020 Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden sind, kann die [X.]orona-Pandemie und die zu ihrer Eindämmung ergriffenen Maßnahmen für die der Vollstreckung vorangehende Nichtbegleichung von Abgaben- und Steuerschulden (trotz Mahnung) kaum ursächlich sein.

Es gibt keinen Grund, Schuldner, die vor und völlig unabhängig von der [X.]orona-Pandemie und den staatlichen Beschränkungen ihre Steuer- und Abgabenschulden nicht getilgt haben --denen gegenüber somit Vollstreckungsmaßnahmen erforderlich waren--, besser zu stellen als diejenigen, die ihren Zahlungsverpflichtungen (gegebenenfalls erst nach Aufnahme eines [X.]) nachgekommen sind, indem man zu ihren Gunsten die Regelung in Nr. 3 des [X.] in [X.], 262 generell auf vor dem 19.03.2020 ergriffene Maßnahmen der Zwangsvollstreckung anwendet. Dies widerspräche dem aus Art. 3 GG abgeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Finanzbehörden sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die wegen Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestands entstandenen [X.] (§ 38 [X.]) festzusetzen und die Steuer zu erheben. Einen im Belieben der Finanzverwaltung stehenden, freien Verzicht auf Steuerforderungen gibt es nicht. Auch im Wege von [X.] dürfen die Finanzbehörden Ausnahmen von der gesetzlich vorgeschriebenen Besteuerung nicht zulassen, denn auch der Verzicht auf den Steuereingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Fehlt diese, können die Finanzbehörden von der Festsetzung und Erhebung gemäß § 38 [X.] entstandener [X.] nicht absehen ([X.]-Beschluss vom 28.11.2016 - GrS 1/15, [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393).

Selbst wenn man in Bezug auf die Geltung des [X.] eine andere Auffassung vertreten würde (vgl. Beschluss des [X.] Düsseldorf vom 29.05.2020 – 9 V 754/20 AE([X.]), [X.], 1365, Rz 34; Rothbächer, [X.] gemäß § 258 [X.] als Teil des [X.] in der [X.]orona-Krise, [X.], 1014, 1020; Katemann, [X.] und Vollstreckungsmaßnahmen in Zeiten der [X.]orona-Krise, [X.]-StB 2020, 223, 228), könnte der [X.] der Antragstellerin (unabhängig davon, wo sie geschäftsansässig ist) abgelehnt werden. Denn nach diesem Schreiben "soll" nur von der Vollstreckung abgesehen werden, d.h. in besonders gelagerten Fällen kann die Vollstreckung durchgeführt werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die angestrebte AdV mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einem bloßen Zahlungsaufschub führen würde und zur Vermeidung einer vermeidbaren Insolvenz beitragen kann, sondern im Ergebnis lediglich dazu führt, dass andere Gläubiger oder die Gesellschafter bzw. Anteilseigner des bereits vor der "[X.]orona-Krise" überschuldeten oder zahlungsunfähigen Steuerschuldners zu Lasten des (hier ausländischen) Fiskus begünstigt werden. Dies entspricht auch nicht der Intention des [X.] in [X.], 262 und der Rechtsprechung zu § 258 [X.] (vgl. etwa die Nachweise bei [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 258 Rz 13), deren Rechtsgedanken auch im Verfahren gemäß § 69 [X.] Berücksichtigung finden können.

Die Antragstellerin war nach ihrem eigenen Vortrag bereits zum 31.12.2019, also vor Ausbruch der [X.]orona-Pandemie, überschuldet, hat seither zusätzliche, massive Einnahmeausfälle zu verzeichnen und will mit dem Geld nach eigenen Angaben Schiffshypothekendarlehen bei den kreditgebenden Banken und andere Forderungen bedienen. Angaben dazu, wie eine Tilgung der Forderungen des um Beitreibung ersuchenden Mitgliedstaats nach dem 31.12.2020 möglich sein soll oder wie sie ihre Zahlungsunfähigkeit überwinden will, hat die Antragstellerin nicht gemacht. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zu der Annahme, dass es in ihrem Fall um einen bloßen Zahlungsaufschub oder die Verhinderung einer vermeidbaren Insolvenz geht, sondern dass das antragsgemäße Gewähren einer AdV lediglich einzelne Gläubiger oder die Anteilseigner bzw. Gesellschafter begünstigen würde und zu einem endgültigen Forderungsausfall des Fiskus --hier dem des ersuchenden Staats-- und damit letztlich zu einem Erlass (§ 227 [X.]) führen würde. Eine derartige Entscheidung widerspräche auch der Kompetenzverteilung bei der Amtshilfe. Sollte --aus welchen Gründen auch [X.] eine in ihren Wirkungen einem Erlass gleichkommende AdV in Betracht kommen, müsste hierüber regelmäßig von der ersuchenden Behörde entschieden werden und nicht von einer um Amtshilfe bzw. Beitreibung ersuchten Behörde.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass das auch einem Inländer unter im Übrigen gleichgelagerten Umständen nicht aufgrund des [X.] in [X.], 262 AdV zu gewähren wäre. Dass das [X.] (wenn auch mit anderer Begründung) das genannte Schreiben nicht zugunsten der Antragstellerin angewandt hat, stellt deshalb im Ergebnis (vgl. hierzu den Rechtsgedanken des § 126 Abs. 4 [X.]O) keine nach Art. 63 A[X.]V unzulässige Diskriminierung dar. Deshalb ist eine Stellungnahme zum weiteren Vortrag der Antragstellerin zu Art. 63 ff. A[X.]V, insbesondere zu Fragen der faktischen Kontosperre und zu Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V entbehrlich.

(9) Im Streitfall ist die Vollstreckung weder i.S. des § 14 Abs. 1 [X.] unbillig noch stört sie die öffentliche Ordnung [X.]. Sie verstößt nicht gegen den [X.]. 6 [X.]BGB und ist nicht geeignet, i.S. des Art. 18 [X.]BeitrRL erhebliche wirtschaftliche oder [X.] Schwierigkeiten in [X.] zu bewirken.

(a) Die Verpflichtung der ersuchten Behörde, Amtshilfe zu leisten, besteht nicht schrankenlos. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung unbillig wäre. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie gegen den ordre public (Art. 6 [X.]BGB) verstoßen, die öffentliche Ordnung des ersuchten Mitgliedstaats stören oder erhebliche wirtschaftliche oder [X.] Schwierigkeiten in [X.] bewirken würde. Gemäß Art. 6 Satz 1 [X.]BGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.]n Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist (Art. 6 Satz 2 [X.]BGB). Der [X.] (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 14.01.2010 - [X.]-233/08, [X.]:[X.]:2010:11, Slg. 2010, [X.]) und ihm folgend der Senat (Senatsurteil vom 03.11.2010 - VII R 21/10, [X.]E 231, 500, [X.] 2011, 401) sind deshalb in Bezug auf die frühere Rechtslage davon ausgegangen, dass eine Ausnahme von dem --der Kompetenzverteilung folgenden-- Grundsatz, die Wirksamkeit und die Vollstreckbarkeit der [X.] Forderung sei von der ersuchten Behörde nicht zu prüfen, zuzulassen ist, wenn die Vollstreckung dieses Titels unbillig wäre, gegen den ordre public gemäß Art. 6 [X.]BGB verstoßen würde oder die öffentliche Ordnung des ersuchten Mitgliedstaats stören würde. Durch das Inkrafttreten des [X.] ist diese Rechtsprechung nicht überholt ([X.], 1179, m.w.N.; Senatsurteil vom 28.11.2017 - VII R 30/15, [X.]/NV 2018, 405, Rz 16; [X.] in [X.], § 256 [X.] Rz 20).

Der Beschluss des [X.] ([X.]) vom 24.04.2014 - VII ZB 28/13 ([X.]Z 201, 22, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2363), wonach eine ordre public-Überprüfung im [X.] nicht stattfindet, wenn in einem Mitgliedstaat der [X.] ein Titel als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt wird, betrifft nicht das [X.], sondern die Vollstreckung zivilrechtlicher Forderungen. Aus dem dort maßgeblichen Regelungswerk sind Steuerforderungen und andere "acta jure imperii" ausdrücklich ausgenommen (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 des [X.] und des Rates vom 21.04.2004 zur Einführung eines [X.] [X.] für unbestrittene Forderungen), weshalb eine weitere Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des [X.] insoweit nicht erforderlich ist.

Ein Versagungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 [X.] kann etwa dann gegeben sein, wenn der Vollstreckungstitel aus einem Verfahren hervorgegangen ist, das von den Grundsätzen des [X.]n Verfahrensrechts in einem solchen Maß abweicht, dass er nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann ([X.]-Urteil in [X.]E 231, 500, [X.] 2011, 401; [X.]-Beschluss vom 26.08.2009 - XII ZB 169/07, [X.]Z 182, 188, m.w.N.). Im Übrigen verlangt --wie bereits ausgeführt-- der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten von jedem Mitgliedstaat, dass er --abgesehen von außergewöhnlichen Umständen-- davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Wird keine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des [X.]s als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts dargetan, prüft die ersuchte Behörde die materielle Richtigkeit der Forderung und die Vollstreckbarkeit des [X.] nicht. Entsprechende Fehler sind dann allein im ersuchenden Staat geltend zu machen (§ 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.]; Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]BeitrRL; vgl. Senatsurteile vom 24.02.2015 - VII R 1/14, [X.]/NV 2015, 801; in [X.]E 239, 501, [X.] 2013, 475; [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2010:11, Slg. 2010, [X.]).

(b) Nach diesen Grundsätzen war das [X.] im Streitfall nicht gehindert, dem [X.] nachzukommen. Denn die Vollstreckung aufgrund dieses Ersuchens ist nicht mit wesentlichen Grundsätzen des [X.]n Rechts offensichtlich unvereinbar und auch nicht aus anderen Gründen i.S. des § 14 Abs. 1 [X.] unbillig.

(aa) Es verstößt nicht gegen den ordre public (Art. 6 [X.]BGB), wenn die zuständige Behörde des um Beitreibung ersuchenden [X.]s die dortige, dem BMF-Schreiben in [X.], 262 entsprechende Regelung, die erst im April 2020 erlassen worden ist, nicht rückwirkend auf das [X.] vom 09.01.2020 bezieht, dem das [X.] durch Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.02.2020 bereits nachgekommen war, bevor die [X.]orona-Pandemie wirtschaftliche Auswirkungen entfalten konnte. Auch in [X.] ist eine Anwendung des [X.] in [X.], 262 auf vor seiner Bekanntgabe erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen nicht geboten.

(bb) Die für den Auslandssachverhalt darlegungs- und beweispflichtige Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt, weshalb der mit Hauptforderung I bezeichnete Steueranspruch auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht, wie sie behauptet. Sie hätte zumindest den Gesamtzusammenhang der Regelung und die konkreten Auswirkungen auf ihre Besteuerung über die Veranlagungszeiträume hinweg darstellen müssen. Unterschiedliche Auffassungen zur Auslegung der maßgeblichen Regelungen, etwaige Rechtsirrtümer oder (wirtschaftliche) Fehlprognosen der Antragstellerin bei der Wahl der Tonnagebesteuerung in dem [X.] stehen einer Vollstreckung jedenfalls nicht entgegen. Bei der Tonnagesteuer zahlt der Reeder im Regelfall direkt auf die betriebene Tonnage eine Steuer, unabhängig von den tatsächlichen Einkünften, Gewinnen oder Verlusten. Sollte sich die Wahl im Nachhinein als ungünstig erweisen, besteht nicht ohne Weiteres ein Grund zu der Annahme, dass die Vollstreckung einer in der Folge entstandenen Steuerforderung des [X.]s unbillig wäre, zumal nach den Leitlinien der [X.] (BStBl I 2000, 1049, 1053) davon auszugehen ist, dass das Ersetzen der Körperschaftsteuer durch eine Tonnagesteuer eine staatliche Beihilfe ist und diejenigen, die für die Tonnagebesteuerung optieren, im Ergebnis regelmäßig begünstigt.

(cc) Die bloße Behauptung der Antragstellerin, in Bezug auf einen Teil der Forderungen (Hauptforderung II) sei ihr kein Bescheid zugegangen, rechtfertigt im Streitfall gleichfalls nicht die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public und folglich eine AdV der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.

Zwar hat der [X.] entschieden, dass die ersuchte Behörde die Beitreibung einer Forderung ablehnen kann, wenn die Entscheidung, auf der die Forderung beruht, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2018:282, ABl[X.] 2018, Nr. [X.] 211, 5). Auch hat der Senat bei einem --immerhin zugegangenen-- Vollstreckungsersuchen in ausländischer Sprache unter Hinweis auf die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung, die kurze Rechtsbehelfsfrist und die mangelnde Möglichkeit, bei Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, einen Verstoß gegen den ordre public für möglich gehalten (Senatsurteil in [X.]E 231, 500, [X.] 2011, 401).

Im Streitfall hat die Antragstellerin den mangelnden Zugang jedoch lediglich unsubstantiiert behauptet und keine Anstrengungen zur Glaubhaftmachung unternommen. Dies wäre geboten gewesen, da nach dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten davon auszugehen ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt und das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachtet hat. Das bloße Bestreiten des Zugangs steht einer Beitreibung aufgrund eines [X.]s nicht entgegen (vgl. [X.], 1179, Rz 33).

([X.]) Ein Verstoß gegen den ordre public (Art. 6 [X.]BGB) besteht auch nicht darin, dass der um Beitreibung ersuchende [X.] seinen Zinsforderungen angeblich einen Jahreszinssatz von 7 Prozent zugrunde gelegt hat. Erforderlich wäre vielmehr, dass die Vollstreckung einer derartigen Forderung in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des [X.]s stünde, was nicht erkennbar ist.

Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt und das [X.] hat auch nicht festgestellt, dass in den [X.] Forderungen überhaupt Zinsansprüche enthalten sind, die mit einem Zinssatz von 7 Prozent berechnet worden sind.

Es ist völlig offen, ob es sich um Zinsen handeln soll, welche denen vergleichbar sind, die in [X.] einhalb Prozent pro Monat betragen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 [X.]) oder um etwa den Säumniszuschlägen vergleichbare Zinsen, die in [X.] 1 Prozent pro Monat betragen (§ 240 Abs. 1 Satz 1 [X.]), also 12 Prozent pro Jahr. Verglichen damit stünde die Vollstreckung einer mit einem Zinssatz von 7 Prozent berechneten Zinsforderung ohnehin nicht in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung [X.], unabhängig von etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zinshöhe. Auch darf eine (Zins-)Vorschrift nicht isoliert betrachtet, sondern muss im Gesamtzusammenhang mit den übrigen einschlägigen Vorschriften des Mitgliedstaats gesehen werden. Auch dazu äußert sich die Antragstellerin nicht. Im Übrigen hat die Vollstreckung auch nach [X.]m Recht erst dann zu unterbleiben, wenn das [X.] die Verfassungswidrigkeit der Norm festgestellt hat (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über das [X.] --[X.]G--); Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit genügen nicht. Sie rechtfertigen somit auch nicht die Annahme, dass die Vollstreckung einer derartigen Forderung in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung [X.] stünde.

(ee) Dass in dem ersuchenden [X.] generell kein vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird, wurde von der Antragstellerin weder belegt noch vom [X.] festgestellt. Die Antragstellerin hat auch nicht aufgezeigt, welcher nicht hinnehmbare Gegensatz zur Rechtsordnung [X.] hieraus resultieren würde, wenn man unterstellt, dass es in dem [X.] keine Möglichkeit gibt, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

(10) Im Streitfall bestehen somit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O.

bb) Die Vollziehung der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist eine Vollstreckung unbillig, wenn sie oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen, der durch kurzfristiges Zuwarten oder eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden kann. Die Härten, die mit jeder Vollstreckung verbunden sind, sind dabei nicht gemeint.

Im Streitfall ist die Vollstreckung nicht unbillig, da in Betracht kommende alternative Vollstreckungsmaßnahmen nicht ersichtlich sind, die Antragstellerin nach eigenen Angaben auch zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist, die von der Antragstellerin begehrte AdV ohne Sicherheitsleistung --wie ausgeführt-- zu einer isolierten Begünstigung anderer Gläubiger oder der Anteilseigner bzw. Gesellschafter führen würde und voraussichtlich zu einem endgültigen Forderungsausfall bei dem ersuchenden Staat. In einem derartigen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Beitreibung.

cc) Da hiernach keine AdV zu gewähren ist, muss der Senat auch nicht über eine Sicherheitsleistung entscheiden. Bei Änderung der Umstände, insbesondere wenn die Antragstellerin die für eine Sicherheitsleistung erforderlichen Mittel aufbringen oder für sie weniger belastende, gleichwertige andere Vollstreckungsmaßnahmen aufzeigen kann, bleibt es ihr unbenommen, einen neuen [X.] zu stellen und vorzutragen, dass die Vollziehung der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen unter den geänderten Umständen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Soweit sie jedoch weiterhin der Sache nach einen Erlass begehrt, müsste sie dieses Anliegen an den ersuchenden Staat herantragen.

3. Aus diesen Darlegungen folgt, dass die Beschwerde der Antragstellerin unbegründet ist. Denn hiernach bestehen bei der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Akten keine Zweifel daran, dass die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rechtmäßig sind. Die Vollziehung hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). Eine AdV der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen kommt somit nicht in Betracht.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 und 2 [X.]O.

Meta

VII B 73/20 (AdV)

30.07.2020

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 19. Mai 2020, Az: 4 V 540/20, Beschluss

§ 309 AO, § 314 AO, § 19 AO, § 19ff AO, § 20 Abs 3 AO, § 25 S 1 AO, § 250 Abs 1 S 1 AO, § 252 AO, § 126 Abs 1 Nr 2 AO, § 127 AO, § 90 Abs 2 S 1 AO, § 258 AO, § 79 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 1 EUBeitrG, § 3 EUBeitrG, § 4 EUBeitrG, § 9 EUBeitrG, § 10 EUBeitrG, § 13 EUBeitrG, § 14 EUBeitrG, Art 2 EURL 24/2010, Art 11 EURL 24/2010, Art 12 EURL 24/2010, Art 14 EURL 24/2010, Art 18 EURL 24/2010, Art 6 BGBEG, § 69 FGO, § 128 FGO, § 128ff FGO, § 5 Abs 1 Nr 5 FVG, Art 3 Abs 1 GG, § 38 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2020, Az. VII B 73/20 (AdV) (REWIS RS 2020, 3299)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3299

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