Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2005, Az. IX ZB 269/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4571

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[X.][X.]/03
vom 10. März 2005 in dem [X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

DDR-[X.] § 6 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1

Die Anmeldung einer Forderung nach Ablauf der im [X.] ist unverschuldet, wenn der [X.] entgegen § 6 Abs. 3 [X.] dem bekannten Gläubiger den [X.] nicht übersandt hat.

[X.], [X.]uß vom 10. März 2005 - [X.] 269/03 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 10. März 2005 beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der [X.]uß der 3. Zivilkammer des [X.] vom 20. Oktober 2003 und der [X.]uß des [X.] vom 18. Juli 2003 aufgehoben.

Die von der Gläubigerin angemeldete Forderung wird zur Auf-nahme in die Tabelle zur späteren Prüfung zugelassen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der [X.] zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 16.025,18 • festgesetzt.

Gründe:
[X.] - 3 - Das [X.] - eröffnete mit [X.]uß vom 4. Oktober 1995 über das Vermögen der Schuldnerin das [X.] und bestellte den weiteren Beteiligten zu 1) zum [X.]. In dem [X.] wurden die Gläubiger [X.], ihre gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen bis zum 23. November 1995 bei dem Verwalter anzumelden. Der [X.] wurde im Oktober 1995 im [X.], im [X.] und in der Tageszeitung "[X.]" veröffentlicht.

Nachdem ein Pfändungsversuch der in [X.] ansässigen Gläu-bigerin gescheitert war, forderte sie den Verwalter mit Schreiben ihres [X.] vom 8. November 1995 zur Freigabe eines hinterlegten Betrages auf. Im Antwortschreiben vom 14. November 1995 wies der Verwalter darauf hin, daß nach der Eröffnung des [X.]s Maß-nahmen der Zwangsvollstreckung unzulässig seien. Auf den Ablauf der Anmel-defrist wies der Verwalter weder im Antwortschreiben vom 14. November 1995 noch in anderer Weise hin.

Im April 1996 meldete der [X.] der Gläubigerin gegenüber dem Verwalter eine Forderung gegen die Schuldnerin in Höhe von 90.791,85 DM zur Tabelle an. Der Verwalter beabsichtigt, die Forderung in [X.] von 78.356,31 DM zur Tabelle anzuerkennen.

Mit [X.]uß vom 18. Juli 2003 hat das Amtsgericht die Aufnahme der Forderung zur Tabelle wegen verschuldet verspäteter Anmeldung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit - 4 - der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Aufnahme ihrer Forderung in die Tabelle weiter.

- 5 - I[X.]

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statt-haft, weil Entscheidungen des Gesamtvollstreckungsgerichts nach § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 [X.] mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind ([X.], [X.]. v. 25. November 1993 - [X.] ZR 84/93, [X.], 157) und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat ([X.], [X.]. v. 15. Januar 2004 - [X.] 62/03, [X.], 490, 491). Die Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Sie erweist sich als begründet.

Die Forderungsanmeldung der Gläubigerin ging zwar erst im April 1996 und damit nach Ablauf der am 23. November 1995 endenden Anmeldefrist beim Gesamtvollstreckungsverwalter ein. Sie muß jedoch gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] vom Verwalter in die Tabelle zur späteren Prüfung aufgenommen werden, weil die verspätete Anmeldung unverschuldet war.

1. Das Beschwerdegericht meint, bei der Beurteilung des Verschuldens seien ausgehend von §§ 276, 278 BGB die zu § 233 ZPO entwickelten Grund-sätze zugrunde zu legen. Ob der Fortgang des Verfahrens durch die Prüfung der Forderung verzögert werde, sei im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift unerheblich. Die Gläubigerin sei verpflichtet gewesen, sich zumindest im Bun-desanzeiger darüber zu informieren, ob über das Vermögen des Geschäfts-partners das [X.] eröffnet worden sei. Daß sie erst mit dem ihr am 17. November 1995 zugegangenen Schreiben des Verwalters von der Eröffnung erfahren habe, schließe das Verschulden nicht aus. Die Gläubigerin habe sich in den verbleibenden Tagen im [X.] oder beim Verwalter über den Lauf der Anmeldefrist informieren können. Die entge-- 6 - gen § 6 Abs. 3 [X.] unterbliebene Mitteilung des [X.] an die Gläubigerin entlaste diese nicht, weil sie gleichwohl ein Verschulden treffe. Daß der Verwalter die Forderung in das Vermögensverzeichnis aufnehmen wolle, sei unerheblich, weil das Gericht bei seiner Entscheidung über die [X.] hieran nicht gebunden sei.

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Verspätet angemeldete Forderungen sind nach § 14 [X.] zu be-rücksichtigen, wenn die Verspätung unverschuldet war.

§ 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfolgt vor allem den Zweck, das [X.] zu straffen und zu beschleunigen. Dieser Zweck ist hinrei-chend gewichtig, um [X.] zu rechtfertigen. Das [X.], die am Verfahren teilnehmen und nur noch eine teilweise Erfüllung ihrer Forderungen erhoffen dürfen, geht dahin, nicht durch zeitliche Verzögerung Nachteile zu erleiden. Ohne die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestünde die Gefahr, daß zahlreiche Forderungen erst nachträglich [X.] würden. Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich und ver-stößt insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 GG ([X.] 92, 262, 271 ff = ZIP 1995, 923, 924).

b) Bei der Bestimmung des Verschuldens ist von § 276 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO auszugehen. Nach § 276 Abs. 2 BGB (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer [X.] läßt. Maßgebend ist danach ein objektiv abstrakter Sorgfaltsmaßstab, der an den - 7 - Bedürfnissen des Rechtsverkehrs ausgerichtet ist ([X.] 80, 186, 193; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 233 Rn. 12; [X.]/[X.], 2. Aufl. § 233 Rn. 21 f).

Ob dem [X.] darin zu folgen ist, daß hier ein individualisierter Maßstab anzulegen ist (dagegen etwa [X.]/[X.]/[X.], [X.] 4. Aufl. § 14 Rn. 67), kann dahinstehen. Wenn der Gläubiger, wie im vorliegenden Fall, an-waltlich vertreten ist, muß er sich das Verschulden des Anwalts gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Für den Anwalt gelten jedenfalls, wie bei § 233 ZPO, objektive [X.] ([X.], [X.]. v. 22. November 1984 - [X.], NJW 1985, 1710, 1711; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 233 Rn. 4).

c) Zwar ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], daß den Gläubiger re-gelmäßig ein Verschulden trifft, wenn er die Veröffentlichung der Anmeldefrist in den Veröffentlichungsblättern nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen hat ([X.] [X.], 1613, 1614). Indes war dem Verwalter mit Schreiben des [X.] vom 8. November 1995 bekannt geworden, daß der Gläubigerin Forderungen gegen die Schuldnerin zustehen. Er war deshalb ge-mäß § 6 Abs. 3 [X.] verpflichtet, der Gläubigerin den [X.] zu übersenden, in dem gemäß § 5 Satz 2 Nr. 3 [X.] die Anmeldefrist angegeben war. Gegen diese Verpflichtung hat der Verwalter verstoßen.

Damit wirkte sich ein etwaiges Verschulden der Gläubigerin nicht mehr aus (vgl. [X.] 93, 99, 115 f = NJW 1995, 3173, 3175; [X.] NJW 2001, 1343); der Kausalzusammenhang war unterbrochen. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Verwalter von ihrer Forderung gegen die Schuldnerin Kenntnis hatte, durfte sich die Gläubigerin darauf verlassen, daß der Verwalter seiner Verpflichtung - 8 - nach § 6 Abs. 3 [X.] nachkommen und den Ablauf der Anmeldefrist mitteilen würde (vgl. O[X.] ZIP 1993, 1826, 1827; [X.] [X.], 1288, 1289; [X.] [X.], 1613, 1615; [X.] ZIP 1996, 1708, 1711; [X.]/[X.]/[X.], aaO § 14 Rn. 76).

In der Rechtsprechung der [X.]e wird allerdings die Auffassung vertreten, die Mitteilung nach § 6 Abs. 3 [X.] sei im Hinblick auf den Vorrang der Verfahrensbeschleunigung als rein verfahrensrechtliche Ordnungsvor-schrift zu betrachten, ihre Nichtbeachtung lasse daher das Verschulden des Gläubigers nicht entfallen (z.B. [X.], ZIP 1997, 1166; [X.] ZIP 1996, 2176; ebenso [X.]/Wutzke/Förster, [X.] 4. Aufl. § 14 Rn. 21).

Dem kann nicht gefolgt werden. [X.] ist bereits, daß es sich bei § 6 Abs. 3 [X.] um eine Ordnungsvorschrift handelt. Das Gesetz sieht diese Übersendung in gleicher Weise zwingend vor wie die öffentliche Bekanntma-chung nach Absatz 1. Damit gleicht es die Strenge der Ausschlußfrist des § 14 [X.] aus. Der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung vermag an der Ver-bindlichkeit dieser Vorschrift schon deshalb nichts zu ändern, weil er in keiner Weise beeinträchtigt wird. Die Mitteilungen nach Absatz 3 sind nur an die Gläubiger zu übersenden, die bis zum Ablauf der Anmeldefrist bekannt werden. Dieser Zeitpunkt muß ohnehin für das weitere Verfahren abgewartet werden.

Sinn des § 6 Abs. 3 [X.] ist es, wenigstens die bereits bekannten Gläubiger in die Lage zu versetzen, ihre Rechte im Gesamtvollstreckungsver-fahren wahrzunehmen ([X.] aaO). Angesichts dieses Schutzzwecks wird ein etwaiges Verschulden des Gläubigers überlagert durch das [X.] des Verwalters. - 9 -

Die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] enthält - anders als § 142 Abs. 1 KO, § 177 Abs. 1 [X.] - eine Ausschlußfrist; § 6 Abs. 3 [X.] hat zum Ziel, daß die Gläubiger mit möglichst großer Sicherheit von ihr Kenntnis erhalten. Dies verbietet es, den Verstoß gegen § 6 Abs. 3 [X.] sanktionslos zu lassen (vgl. [X.] aaO).

Ganter [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZB 269/03

10.03.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2005, Az. IX ZB 269/03 (REWIS RS 2005, 4571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4571

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