Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 12/10 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 1554

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - bedarfsorientierte Grundsicherung bzw Grundsicherung bei Erwerbsminderung - behinderungsbedingter Mehrbedarf - kein Anspruch nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB 12 aF ohne Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G - Verfassungsmäßigkeit - abweichende Festlegung des Regelbedarfs)


Leitsatz

1. Bis 7.12.2006 bestand kein Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf wegen Behinderung, solange der Hilfeempfänger nicht im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war.

2. Ein tatsächlicher individueller Mehrbedarf rechtfertigte bis zum Besitz des Schwerbehindertenausweises lediglich unter den gesetzlichen Bestimmungen eine vom Regelsatz abweichende höhere Leistung.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den [X.]raum vom [X.] bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem [X.]rundsicherungsgesetz ([X.]), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom [X.]) nach dem [X.] ([X.]) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom [X.]) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen [X.]rad der Behinderung ([X.]dB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "[X.]" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (S[X.]) [X.] vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem [X.]dB von 50 und dem Nachteilsausgleich "[X.]", gültig ab [X.], wurde am [X.] ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des [X.] für die [X.] ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "[X.]", lehnte diesen aber für den [X.]raum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des S[X.] [X.] vom [X.]; Urteil des [X.] (LS[X.]) [X.] vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LS[X.] ausgeführt, Streitgegenstand seien nur [X.] wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "[X.]". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 [X.] und § 30 Abs 1 Nr 2 [X.] (in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch [X.] - (S[X.]B I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im [X.]esetz oder aufgrund eines [X.]esetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende [X.]en ab Feststellung des Merkzeichens "[X.]" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der [X.]esetzgeber aus; dies zeige die [X.]esetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 [X.], wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem [X.]punkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 [X.] und des § 30 Abs 1 Nr 2 [X.]. Die vom LS[X.] vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem [X.]ültigkeitsdatum genüge, das den [X.]raum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der [X.] Rechte, wie dies § 2 Abs 2 S[X.]B I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die [X.]en, in denen die [X.]ehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 [X.]rundgesetz ([X.][X.]) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 [X.][X.]) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen [X.]raum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LS[X.] und des S[X.] aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die [X.] von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 [X.] bzw § 30 Abs 1 Nr 2 [X.] zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Das [X.] hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen [X.]raum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 [X.] bzw nach § 30 Abs 1 [X.] hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines [X.] nach § 44 [X.] - ([X.]) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der [X.] mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht entscheiden.

[X.]egenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der [X.]estalt des Wi[X.]pruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 S[X.][X.]), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten [X.] für den streitbefangenen [X.]raum abgelehnt hat. Dabei hat der [X.] entgegen der Auffassung des [X.] nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 [X.] bzw nach § 30 Abs 1 [X.] zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines [X.] nach § 44 [X.] nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 [X.] bzw nach § 30 Abs 1 [X.] ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken (vgl nur [X.] in juris Praxiskommentar [X.]II, § 19 [X.]II Rd[X.] 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog [X.] (vgl hierzu nur: [X.]-3500 § 18 [X.] Rd[X.] 22; [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.], 2. Aufl 2008, § 37 Rd[X.] 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 [X.] oder an § 44 [X.] bzw (für die [X.] bis 31.12.2004) an den Vorschriften des [X.] (NVwVf[X.]) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.] (VwVf[X.]) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 S[X.][X.]. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des [X.] sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen ([X.], 299, 300 = [X.] 3-4300 § 137 [X.] [X.]; [X.], 213 ff Rd[X.] 9 mwN = [X.] 4-1300 § 44 [X.] 20).

Mangels in [X.] angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 [X.] 3 S[X.][X.]) richtet sich die Klage gemäß § 70 [X.] S[X.][X.] gegen die [X.]. Hieran ändert nichts, dass die [X.] den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des [X.] zum [X.]II (A[X.] [X.]II) vom 16.12.2004 ([X.]esetz- und Verordnungsblatt <[X.]VBl> 644) kann die [X.] zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige [X.]emeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch [X.]ebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und [X.]emeinden zur Durchführung der von der [X.] als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem [X.]II vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - [X.]emeinsames Amtsblatt für die [X.] und die Landeshauptstadt Hannover [X.]4 vom [X.]); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 A[X.] [X.]II (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt (vgl hierzu [X.]surteil vom [X.] [X.] 1/10 R - Rd[X.]3 mwN).

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 [X.]II in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 A[X.] [X.]II (und § 44 Abs 3 [X.]). Sie ist [X.]esamtrechtsnachfolgerin des [X.] und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 [X.]esetz über die [X.] vom 5.6.2001 - [X.]VBl 348). Die Heranziehung der [X.] nach § 99 Abs 1 [X.]II in Verbindung mit § 8 Abs 1 A[X.] [X.]II verändert nicht die Zuständigkeit (§ 9 Abs 4 A[X.] [X.]II). Der [X.] ist nicht gehindert, die dem [X.]runde nach nicht revisiblen (§ 162 S[X.][X.]) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das [X.] diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat ([X.] 102, 10 ff Rd[X.] 28 = [X.] 4-2500 § 264 [X.] 2; [X.]surteil vom [X.] [X.] 1/10 R - juris Rd[X.]4).

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 [X.]. § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.] findet - unabhängig von der Frage nach seiner [X.]eltung im Rahmen des [X.] - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die [X.] ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem [X.]punkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 [X.] zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 [X.] im Rahmen des [X.] Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

Nach § 3 Abs 1 [X.] umfasste die bedarfsorientierte [X.]rundsicherung einen Mehrbedarf von [X.] des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des [X.]sozialhilfegesetzes (BSH[X.]) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (Schwb[X.]) mit dem Merkzeichen "[X.]". Eine entsprechende Regelung sieht für die [X.] ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 [X.] (in der Normfassung des [X.]esetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - B[X.]Bl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von [X.] des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - [X.]esetzliche Rentenversicherung - (S[X.]B VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 [X.] behinderter Menschen - (S[X.]B IX) mit dem Merkzeichen [X.] besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem [X.] bzw [X.]II - in dem streitbefangenen [X.]raum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des [X.] nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den [X.]punkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "[X.]" - hier also auf die [X.] ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den [X.]punkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BS[X.] [X.] 3-2600 § 93 [X.] 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden [X.]raum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

§ 3 Abs 1 [X.] stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 [X.] nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "[X.]" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im [X.]esetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" ([X.] in jurisPK-[X.]II, § 30 [X.]II Rd[X.] 44; [X.]/[X.], BSH[X.], 16. Aufl 2002, § 23 Rd[X.]3). Der [X.] hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 [X.] [X.]II tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "[X.]" verbunden ist ([X.], 200 ff Rd[X.]4 = [X.] 4-3500 § 30 [X.]); allein der [X.]punkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "[X.]" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. An[X.] als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "[X.]" selbst, die für die [X.] ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das [X.] in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 S[X.]B I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im [X.]esetz oder aufgrund eines [X.]esetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser [X.] kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSH[X.] (vom [X.] - B[X.]Bl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BS[X.], aaO, Rd[X.]5). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 Schwb[X.] mit dem Merkzeichen "[X.]" erfolgte durch das [X.]esetz zur Reform des [X.] (B[X.]Bl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten [X.]ehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BS[X.], aaO, Rd[X.]7 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, [X.] f).

Soweit der [X.]esetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "[X.]" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das [X.]esetz zur Änderung des [X.] und anderer [X.]esetze vom 2.12.2006 (B[X.]Bl I 2670) zeigt, [X.]en und damit der [X.] und der Verwaltungsvereinfachung. Den [X.] sollte - jedenfalls für die [X.]ewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der [X.]ehfähigkeit zu prüfen. An[X.] etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 S[X.]B VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung (vgl § 45 Abs 1 [X.]II) - hat der [X.]esetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 [X.]II (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 [X.] der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der [X.]ültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem [X.] bzw [X.]II auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies wi[X.]präche nicht nur den [X.]rundsätzen der [X.], sondern auch der Absicht des [X.]esetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem S[X.]B IX (früher Schwb[X.]) gestellt wird bzw dem [X.] gestellt worden war, im [X.]esetz bereits angelegt wäre.

Dass der [X.]esetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere [X.]esetzesentwicklung. Durch das [X.]esetz zur Änderung des [X.] und anderer [X.]esetze vom 2.12.2006 (B[X.]Bl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 [X.]II mit Wirkung vom [X.] die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des [X.] mit dem Merkzeichen [X.] besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des [X.] zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des [X.] die Feststellung des Merkzeichens [X.] nachweisen" ersetzt. In der [X.]esetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die [X.]esetzesänderung erst ab dem [X.]punkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, [X.] zu [X.] 8). Ob die vom [X.] vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 [X.]II auch für die [X.] ab [X.] gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: [X.] in jurisPK-[X.]II, § 30 [X.]II Rd[X.] 44; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]II, 8. Aufl 2008, § 30 [X.]II Rd[X.] 6; [X.]rube in [X.]rube/[X.], [X.]II, 3. Aufl 2010, § 30 [X.]II Rd[X.]1; bejahend: [X.] in Kommentar zum Sozialrecht <[X.]>, 2. Aufl 2011, § 30 [X.]II Rd[X.] 3; nicht ganz eindeutig: [X.] in Linhart/[X.], [X.]/[X.]II/AsylbL[X.], § 30 [X.]II Rd[X.] 4, Stand Januar 2008).

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 S[X.]B I enthaltene [X.]ebot, bei der Auslegung der Vorschriften des [X.] sicherzustellen, dass die [X.] Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: [X.], S[X.]b 1984, 7 ff; [X.], Festschrift 50 Jahre [X.]sozialgericht, 139 ff; [X.], S[X.]b 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 S[X.]B I genannten [X.] Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 S[X.]B I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 S[X.]B I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen [X.]ehalt des jeweils betroffenen [X.] Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur [X.]eltung gebracht werden sollen (BS[X.] [X.] 3-4100 § 134 [X.] 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des [X.]esetzgebers zu überspielen ([X.] in jurisPK-S[X.]B I, 2. Aufl 2011, § 2 Rd[X.] 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die [X.] Rechte zur [X.]eltung bringt und optimiert (vgl [X.], S[X.]b 2011, 301, 302; [X.], aaO, § 2 Rd[X.] 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

Die auf die [X.] des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen [X.]leichheitssatz (Art 3 Abs 1 [X.][X.]). Art 3 Abs 1 [X.][X.] ist nur dann verletzt, wenn eine [X.]ruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten an[X.] behandelt wird, obwohl zwischen beiden [X.]ruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem [X.]ewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerf[X.]E 55, 72, 88; BVerf[X.]E 117, 272, 300 f = [X.] 4-2600 § 58 [X.] 7 Rd[X.] 70; BVerf[X.]E 112, 50, 67 = [X.] 4-3800 § 1 [X.] 7 Rd[X.] 55). Bei der Überprüfung eines [X.]esetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen [X.]leichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der [X.]esetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen [X.]renzen seiner [X.]estaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerf[X.]E 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerf[X.]E 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerf[X.]E 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative [X.]ehalt der [X.]leichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerf[X.]E 75, 108, 157 = [X.] 5425 § 1 [X.] [X.]). Das [X.]verfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerf[X.]E 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = [X.] 3-1100 Art 3 [X.]76 S 173).

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der [X.]esetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" fordert.

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der [X.]esetzgeber die verfassungsrechtlichen [X.]renzen seiner [X.]estaltungsfreiheit nach oben [X.]esagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende [X.] mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren [X.]punkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der [X.]esetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe wi[X.]präche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog [X.]egenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) [X.]eldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft ([X.], 213 ff Rd[X.]3 = [X.] 4-1300 § 44 [X.] 20 mwN). Zwar hat der [X.] im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 [X.] ausgeführt (BS[X.] aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 [X.][X.]). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der [X.] der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im [X.]rundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BS[X.] [X.] 3-2200 § 1304b [X.]; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem [X.]erziehungsgeldgesetz [X.] 70, 197 ff = [X.] 3-7833 § 1 [X.] 7).

Der [X.]efahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "[X.]" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSH[X.] bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]II vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs ([X.] in LPK-[X.]II, 8. Aufl 2008, § 30 [X.]II Rd[X.] 8; [X.] in [X.], 2. Aufl 2011, § 30 [X.]II Rd[X.] 3; ähnlich auch [X.]rube in [X.]rube/[X.], [X.]II, 3. Aufl 2010, § 30 [X.]II Rd[X.]9), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen [X.]ründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerf[X.]E 125, 175 ff = [X.] 4-4200 § 20 [X.]2).

§ 28 Abs 1 Satz 2 [X.]II ist im Rahmen der [X.]rundsicherung der §§ 41 ff [X.]II anzuwenden; denn § 42 [X.]II verweist durch die Bezugnahme auf § 28 [X.]II auf dessen gesamtes Leistungsspektrum ([X.] in [X.]rube/[X.], aaO, § 42 [X.]II Rd[X.] 2), wie der [X.] bereits entschieden hat ([X.] 99, 252 ff Rd[X.] 20 f = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem [X.] erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 [X.] [X.] wird zwar zur Bemessung der [X.]rundsicherungsleistung nach dem [X.] allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSH[X.] abgestellt, weil der [X.]esetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem [X.]esichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, [X.]). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem [X.] nachrangige Leistung ([X.], 207 ff Rd[X.]6 = [X.] 4-3530 § 6 [X.]; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 [X.]II) den nach den Vorschriften des [X.] ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSH[X.] den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt ([X.] in LPK-[X.], § 3 Rd[X.]1; zum [X.]II BS[X.], Urteil vom [X.] [X.] 11/10 R -, sowie [X.] in jurisPK-[X.]II, § 19 [X.]II Rd[X.] 43 ff; zu der im [X.] nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSH[X.] [X.]-3500 § 30 [X.] 2 Rd[X.]8). Das [X.] beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden ([X.]/[X.], BSH[X.], 2. Aufl 2003, Rd[X.] 4 f Vor [X.]).

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 [X.][X.] aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 [X.][X.] nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die [X.]erichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes ([X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.] 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BS[X.], aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]II bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSH[X.] drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 S[X.][X.] zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 [X.] (dazu unten) offen.

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem S[X.]B IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 [X.] bzw § 30 Abs 1 [X.] muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem [X.]II funktional einbezogen ist (vgl dazu [X.] 71, 217 f mwN = [X.] 3-1200 § 14 [X.] 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der [X.] nach § 839 Bürgerliches [X.]esetzbuch iVm Art 34 [X.][X.], der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 [X.]. Ob für das [X.] § 44 [X.] - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVf[X.] iVm § 1 NVwVf[X.] zu rekurrieren ist (offen gelassen [X.]-1300 § 44 [X.]5 Rd[X.]4 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSH[X.] gewährt hat und erst durch Bescheid vom [X.] (im Rahmen eines [X.] nach § 44 [X.]) Leistungen nach dem [X.] unter Berücksichtigung bereits nach dem BSH[X.] erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren [X.] ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 [X.], mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSH[X.], für das der [X.] die Anwendung des § 44 [X.] bereits angenommen hat (BS[X.], aaO, Rd[X.]9).

Nach § 44 Abs 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der [X.] angesichts fehlender Feststellungen des [X.] zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das [X.] nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSH[X.] bzw § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]II zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSH[X.]; § 18 [X.]II) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl [X.], 207 ff Rd[X.]6 = [X.] 4-3530 § 6 [X.]). § 18 [X.]II bzw § 5 BSH[X.] sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist ([X.]-3500 § 18 [X.] Rd[X.] 23). Sollte das [X.] zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem [X.] in seinem Urteil vom [X.] ([X.], 213 ff = [X.] 4-1300 § 44 [X.] 20) aufgestellten [X.]rundsätze beachten müssen.

Für den [X.]raum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem [X.] bezogen hat, wird das [X.] zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem [X.]runde nach leistungsberechtigt nach dem [X.] war. Dann scheiden nach § 21 [X.]II Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 [X.] für den genannten [X.]raum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare [X.] nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 [X.]), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem [X.]II zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.] 2 [X.]) Leistungen nach dem [X.] bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom [X.] gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die [X.] vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 [X.] zugänglich ist.

Das [X.] wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Wi[X.]pruchsverfahren (§ 116 Abs 2 [X.]II) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu [X.] 106, 62 ff Rd[X.]2 = [X.] 4-3500 § 82 [X.] 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 12/10 R

10.11.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Hannover, 31. August 2007, Az: S 53 SO 197/07, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG, § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG, § 42 S 1 Nr 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 42 S 1 Nr 3 SGB 12 vom 27.12.2003, § 30 Abs 1 Nr 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 30 Abs 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 vom 09.12.2004, § 23 Abs 1 BSHG vom 30.06.1961, § 23 Abs 1 BSHG vom 23.07.1996, § 22 Abs 1 S 2 BSHG, § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB 1, § 40 Abs 1 SGB 1, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 10, § 6 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 12/10 R (REWIS RS 2011, 1554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1554

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