Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014, Az. 2 BvR 939/14

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2014, 2866

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Parallelentscheidung


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wurde als Kind [X.] Staatsangehöriger am 27. Dezember 2013 in der [X.] geboren. Ihre Eltern reisten im Jahr 2013 in die [X.] ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in [X.] einen Asylantrag gestellt. Sie wendet sich gegen einen am selben Tage zugestellten Beschluss des [X.] vom 27. März 2014, mit dem ihr Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des [X.] ([X.]) vom 13. März 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der neugefassten Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem [X.]sangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ([X.] III-Verordnung) gemeinsam mit ihren Eltern nach [X.] abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung ab, dass eine Verpflichtung der [X.] zum Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 der [X.] III-Verordnung nicht bestehe. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des [X.] im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.] , Urteil vom 21. Dezember 2011, [X.], verb. [X.]. [X.]/10, [X.]/10, NVwZ 2012, [X.]) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der [X.] ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der [X.] ([X.]) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des [X.] im Falle von [X.] aufgrund der [X.] derzeit nicht erkennbar (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 2013, [X.] u.a. v. Niederlande und [X.], Nr. 27725/10, [X.], [X.]).

3

2. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer am 28. April 2014, einem Montag, erhobenen [X.]beschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 [X.] sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführerin befürchtet unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der [X.] zu den Aufnahmebedingungen in [X.] vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach [X.] wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige [X.]-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in [X.] nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht gemeinsam mit ihren Eltern als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des [X.] aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihr jedoch nach Art. 8 [X.] nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf sie als neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in [X.]-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die [X.]-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - [X.] Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die [X.] den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer [X.] Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die [X.] sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der [X.]-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepu-blik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden [X.] die Rolle eines "Ausfallbürgen". [X.] Asylstandards würden in [X.] jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der [X.] und der [X.].

6

Aus der Pflicht der [X.] zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführerin bei Überstellung an einen [X.]-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erleide, folge, dass die [X.] sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lasse müsse. Ihr drohe in [X.] Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der [X.] verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 [X.] zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie ver-letze Art. 6 GG.

7

Die [X.]beschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt. Die [X.]beschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten [X.] Behörden in dem vorliegenden Einzelfall angesichts des geringen Alters der Beschwerdeführerin geeignete Vorkehrungen zu ihrem Schutz zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 [X.] rügt, zeigt sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur [X.] 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.] , Urteil vom 21. Dezember 2011, [X.], verb. [X.]. [X.]/10, [X.]/10, NVwZ 2012, [X.]) und des [X.] (vgl. [X.] , Urteil vom 21. Januar 2011, M.[X.][X.] v. [X.] und [X.], Nr. 30696/09, NVwZ 2011, [X.] 413; Beschluss vom 2. April 2013, [X.] u.a. v. Niederlande und [X.], Nr. 27725/10, [X.], [X.]) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung von ihren Eltern bei einer Abschiebung geltend macht, legt sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in [X.] mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen hat und ihr als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des [X.] bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der [X.] einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur [X.]/[X.], [X.], [X.] ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. [X.] 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der [X.] verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf [X.] der [X.] zu bewältigen sind (vgl. [X.] 128, 224 <226>).

3. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren [X.] ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die [X.] Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. [X.] 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, [X.] 1998, [X.] 241 <242>).

a) Nach der - von [X.] wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des [X.] zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das [X.] hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene [X.] zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 [X.] kein Raum verbleibt (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2011 - [X.] 1523/11 -, [X.] 2011, [X.], dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; [X.], Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; [X.], Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, [X.] 2012, [X.]; [X.], Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; [X.], Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des [X.], Beschluss vom 25. April 2014 - 2 [X.]/14 -, juris; zuletzt [X.], Beschluss vom 19. Mai 2014 - [X.] K 3615/13 -, juris).

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden [X.] und [X.]. Gegebenenfalls hat das [X.] die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; [X.], Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des [X.], Beschluss vom 25. April 2014 - 2 [X.]/14 -, juris, Rn. 7; [X.], Beschluss vom 19. Mai 2014 - [X.] K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 [X.] in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des [X.] - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher [X.] Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum [X.] sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen [X.] Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des [X.] mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, [X.] 2008, [X.] 213 <214> unter Verweis auf [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, [X.] 1998, [X.] 241).

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, [X.] 2011, [X.] 390 <392>).

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere [X.]en können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle [X.]s - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des [X.] belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren [X.], hat die auf [X.] Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

Bei Vorliegen einer solchen [X.] hat das zuständige [X.] angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem [X.]-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten [X.] III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 der [X.] III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 939/14

17.09.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend VG Kassel, 27. März 2014, Az: 6 L 635/14.KS.A, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014, Az. 2 BvR 939/14 (REWIS RS 2014, 2866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2866

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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