Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2004, Az. V ZR 222/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4024

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[X.]BESCHLUSS [X.]/03
vom 18. März 2004 in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2

a) Konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr [X.] sich auch daraus ergeben, daß das Berufungsgericht bei seiner Begründung erkennbar von einem - nicht formulierten - unrichtigen Obersatz ausgeht (Fortfüh-rung von Senat, [X.]. v. 31. Oktober 2002, [X.], NJW 2003, 754).
b) Ergibt sich die Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr auf diese Weise aus der rechtlichen Begründung des Berufungsgerichts oder aus offenkundigen Um-ständen (§ 291 ZPO), so sind entsprechende Darlegungen in der [X.] nicht erforderlich (Abgrenzung zu [X.] 152, 182).

[X.], [X.]. v. 18. März 2004 - [X.]/03 - KG

LG [X.]

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 18. März 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die [X.] gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 27. Juni 2003 zugelassen.

Gründe:
[X.] Mit notariellem Vertrag vom 27./28. April 1993 verkaufte die [X.] an die Beklagte zu 1 Teile ihrer Firmengrundstücke so-wie Anlage- und Vorratsvermögen zum Preis von 22.590.000 DM. Nach § 3 der Urkunde ergeben sich die einzelnen Gegenstände des Anlage- und Vor-ratsvermögens aus [X.], die als Anlagen 5 und 6 der Ur-kunde beigefügt sein sollen. Die Beklagte zu 2 übernahm in der [X.] im Wege des Schuldbeitritts die Mithaftung für die vertraglichen [X.] zu 1. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klä-gerin aus abgetretenem Recht der Verkäuferin die Beklagten auf Zahlung des restlichen Kaufpreises nebst Zinsen in Anspruch. Sie ist der Auffassung, die - 3 - - als Voraussetzung für einen Verzicht auf weitere Kaufpreiszahlungen - ver-einbarte Zahl von [X.] sei nicht erreicht.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben und die Beklagten als [X.] zur Zahlung von 5.172.444,44 DM verurteilt. In der Berufungs-instanz haben die Beklagten erstmals die [X.] des Kaufvertrages geltend gemacht. Die zur Spezifikation der Gegenstände des veräußerten [X.] und [X.] in § 3 Abs. 1 des Kaufvertrages erwähnten [X.] seien weder verlesen noch der Vertragsurkunde beigefügt worden. Die Berufung der Beklagten ist gleichwohl ohne Erfolg geblieben; [X.] hat das [X.] eine erst im zweiten Rechtszug erhobene [X.] auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages als unzulässig abgewiesen. Hierbei unterstellt das [X.] die [X.] des Kaufvertrages. Die damit begründete Einwendung der Beklagten sei aber [X.], weil das Verhalten der Beklagten angesichts der [X.] bis zur Geltendma-chung der [X.] und des wegen ihrer spezifischen Aufgabenstellung schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin gravierend illoyal sei. Der [X.] sei nicht entfallen, weil die erforderliche Zahl von Arbeitsplätzen nicht geschaffen worden sei. Die von den Beklagten erhobene Zwischenfest-stellungswiderklage sei unzulässig, weil die Frage der Unwirksamkeit des Kaufvertrages nicht mehr vorgreiflich für die Entscheidung des Rechtsstreits sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die vorliegende Beschwerde der Beklagten.

- 4 - I[X.]

Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache selbst Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulas-sung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) liegen vor.

1. Das Berufungsgericht geht zwar zu Recht von der [X.] des Kaufvertrages nach § 125 Satz 1 BGB aus, rechtsfehlerhaft ist jedoch sei-ne Auffassung, die Beklagten seien aus Gründen der Verwirkung gehindert, die [X.] des [X.] geltend zu machen. a) Zweifelhaft ist bereits, ob diese Einwendung überhaupt der [X.] zugänglich ist. In jedem Fall können die Verwirkungsregeln bei Verlet-zung gesetzlicher Formvorschriften deshalb keine Anwendung finden, weil die Rechtsprechung stets betont hat, daß die Einhaltung dieser Formerfordernisse im Interesse der Rechtssicherheit liegt und es deshalb nicht angeht, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen unbeachtet zu lassen (Senat, [X.] 45, 179, 182; [X.] 92, 164, 172). Um in den genannten Fällen der Formnichtig-keit einen Verstoß gegen § 242 BGB annehmen zu können, sind deshalb strengere Anforderungen entwickelt worden. Hiernach muß die [X.] zu einem Ergebnis führen, das für die betroffene [X.] nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (Senat, [X.] 138, 339, 348 m.w.N.). Diese Voraus-setzungen erfüllen insbesondere zwei Fallgruppen, nämlich zum einen die Fäl-le der Existenzgefährdung und zum anderen die Fälle einer besonders schwe-ren Treupflichtverletzung des begünstigten Teils. Da für den Eintritt einer [X.] geringere Anforderungen genügen, ist es fehlerhaft, wenn das [X.] - fungsgericht auf die Verwirkung zurückgreift, um den Beklagten die Einwen-dung der [X.] abzuschneiden.
b) Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungser-heblich. Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, daß die [X.] für eine Mißachtung des § 242 BGB im vorliegenden Fall erfüllt sind, weil die [X.] zu einem für die Klägerin nicht nur harten, sondern schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.
2. Die Revision ist zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert.
a) Es besteht die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Leitentschei-dung, weil eine Wiederholung des Rechtsfehlers durch das Berufungsgericht zu besorgen ist; darüber hinaus ist auch die ernsthafte Gefahr einer Nachah-mung durch andere Gerichte zu bejahen (vgl. Senat, [X.]. v. 27. März 2003, [X.], NJW 2003, 1943, 1945, zur Veröffentlichung in [X.] 154, 288 vorgesehen). Die Begründung des Berufungsurteils läßt sich nämlich zum ei-nen verallgemeinern, und zum anderen ist eine nicht unerhebliche Zahl künfti-ger Sachverhalte zu erwarten, auf welche die Argumentation übertragen wer-den kann (Senat, [X.]. v. 31. Oktober 2002, [X.], NJW 2003, 754, 755). Der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, Verstöße gegen gesetzli-che Formvorschriften nicht zu beachten, wenn auf Seiten der durch die Form-nichtigkeit begünstigten [X.] die Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind, kann ohne weiteres von dem vorliegenden Streitfall gelöst und auch für andere Fälle herangezogen werden, in denen die Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts zu prüfen ist. Dies ergibt sich letztlich daraus, daß das [X.] - fungsgericht seinen Überlegungen einen unrichtigen Obersatz zugrunde legt (vgl. Schultz, [X.], 1392, 1400). Das Berufungsgericht geht nämlich da-von aus, daß unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung weniger strenge Anfor-derungen genügen, als sie von der Rechtsprechung bisher entwickelt worden sind, um der [X.] zu begegnen. Auch wenn es an der Formulierung eines Rechtssatzes in einem Berufungsurteil fehlt, ist das Allgemeininteresse gleichwohl berührt, wenn der Argumentation des Berufungsgerichts erkennbar ein - unrichtiger - Obersatz zugrunde liegt, sie aus diesem Grunde verallge-meinerungsfähig ist und somit die Gefahr der Wiederholung oder Nachahmung eines Rechtsfehlers besteht.
b) Ergibt sich die Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr in der ge-schilderten Weise aus der rechtlichen Begründung des Berufungsgerichts, so kann das Revisionsgericht diese Voraussetzung unabhängig von den [X.] in der Beschwerdebegründung feststellen. Dem steht die Rechtspre-chung des X[X.] Zivilsenats des [X.] ([X.] 152, 182), wie die-ser auf Anfrage bestätigt hat, nicht entgegen. Zweck des Begründungserfor-dernisses nach § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist es, das Revisionsgericht von einer Ermittlung der Zulassungsvoraussetzungen anhand der Akten zu entlasten ([X.] 152, 182, 185). Dieser Gesichtspunkt erlangt daher nur Bedeutung, wenn die Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr hinsichtlich eines Rechts-fehlers aus - nicht ohnehin offenkundigen (§ 291 ZPO) - tatsächlichen Um-ständen, wie etwa einer ständigen Fehlerpraxis des Berufungsgerichts (vgl. [X.] 152, 182, 187), hergeleitet wird. - 7 - 3. Von einer Begründung im übrigen wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen. [X.]
Tropf
Lemke

Gaier

Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 222/03

18.03.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2004, Az. V ZR 222/03 (REWIS RS 2004, 4024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4024

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