Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2004, Az. V ZR 328/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1292

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[X.]BESCHLUSS [X.]/03
vom 7. Oktober 2004 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2; GG Art. 3 Abs. 1
a) Das für die Zulassung der Revision maßgebliche Allgemeininteresse an einer [X.] Entscheidung des [X.] ist auch dann gegeben, wenn das Berufungsurteil auf einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrau-en in die [X.]echung zu beschädigen (Fortführung von Senat, [X.] 154, 288).
b) Die Revision ist aus diesem Grund zuzulassen, wenn das Berufungsurteil gegen das [X.]verbot verstößt. Hingegen ist nicht maßgebend, ob der Rechtsfehler offensichtlich oder schwerwiegend ist.
c) Eine gerichtliche Entscheidung ist objektiv willkürlich, wenn eine notwendige Ver-tragsauslegung unterblieben und die Entscheidung deshalb nicht verständlich ist.

[X.], [X.]. v. 7. Oktober 2004 - [X.]/03 - OLG Celle

LG Stade

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 7. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] beschlossen:
Auf die [X.] werden die Revisionen der
Kläger und der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 27. November 2003 zugelas-sen.

Gründe:
[X.] Mit notariellem Vertrag vom 23. September 1998 kauften die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einer noch zu errichtenden Anlage "mit zwei Häusern mit jeweils 9 und 10 Wohnungseinheiten" zum Preis von 310.000 DM. In der bei Vertragsschluß vorliegenden Teilungserklärung vom 5. Februar 1998 hatte sich die Beklagte u.a. vorbehalten, "eine Änderung bei der Aufteilung und der Zuordnung der Sondernutzungsrechte" vorzunehmen, falls dies "beim Verkauf der einzelnen Wohnungseigentumsrechte gewünscht sein" sollte. Unter Bezugnahme hierauf ist unter § 1 Abs. 2 des Kaufvertrages ver-merkt, den Käufern sei bekannt, daß "die Zuordnung der Sondernutzungsrechte - 3 - für die einzelnen Wohnungseigentumsrechte und deren Aufteilung durch den Verkäufer geändert werden" könne. Ferner wird unter § 1 Abs. 2 des [X.] bestimmt:
"Die Änderung der Teilungserklärung beinhaltet auch, daß eine gewerbli-che Nutzung, die den allgemeinen Wohnwert der Anlage mindert, ausge-schlossen wird. Die Käufer bevollmächtigen schon jetzt die in § 16 genannten [X.], eine Änderung der Teilungserklärung diesbezüglich vorzunehmen und bestätigen insbesondere die Befreiung gemäß § 181 BGB."
Die Teilungserklärung vom 5. Februar 1998 wies für das gesamte Objekt ausschließlich Wohnungseigentums- und mithin keine Teileigentumseinheiten aus. Ferner ist in der Teilungserklärung geregelt, daß

"– alle Wohnungen auch gewerblich genutzt werden können, ohne daß hierzu die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer eingeholt wer-den muß."

Am 29. September 1998 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Bau-behörde eine Nutzungsänderung für die im Erdgeschoß direkt unter der späteren Wohnung der Kläger gelegenen Räume, die nunmehr gewerblich als Büro einer Holzvertriebsgesellschaft genutzt werden sollten. Nachdem die Genehmigung erteilt worden war, änderte die Beklagte die Teilungserklärung dahin ab, daß die Einheit nun anstelle von Wohnungs- als Teileigentum ("Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden, gewerblich genutzten Räumen –") ausge-wiesen wurde. Nach Eintragung der Änderung der Teilungserklärung am 10. März 1999 wurde am 29. März 1999 zugunsten der Kläger eine - 4 - 1999 wurde am 29. März 1999 zugunsten der Kläger eine Auflassungsvormer-kung in das Grundbuch eingetragen. Wegen der Nutzung der betreffenden Einheit als Büro wollen die Kläger am Kauf nicht festhalten und machen im vorliegenden Rechtsstreit den "großen Schadensersatzanspruch" geltend. Sie haben zuletzt Zahlung von 168.842,81 • Zug um Zug gegen Rückgabe der Eigentumswohnung verlangt, während die [X.] im Wege der Widerklage eine restliche Vergütung in Höhe von 3.943,61 • geltend gemacht hat. Das [X.] hat der Klage in Höhe von 163.485,41 • stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dieses Urteil ist von der [X.] mit der Berufung und von den Klägern mit der Anschlußberufung angefochten worden. Das [X.] hat unter Zurückweisung der Anschlußberufung die Verurteilung der Beklagten auf 19.831,46 • unter Wegfall des Zug-um-Zug-Vorbehalts reduziert. Es geht dabei von einem "Sachmangel bzw. Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft" aus, weil der Kaufvertrag die Zusicherung enthalte, daß in der Anlage nur Wohnungseigentum begründet werde. Da aber ein Scha-densersatzanspruch außer Verhältnis zu den geringfügigen Nachteilen der Klä-ger durch die Büronutzung stehe, sei er nach § 242 BGB ausgeschlossen. [X.] sei nur eine Minderung, die nach § 287 ZPO in Höhe von 15 % des [X.] angemessen erscheine. Hiermit sei die mit der Widerklage verfolgte [X.] zu verrechnen, woraus sich der zuerkannte Betrag ergebe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil richten sich die vorliegenden Beschwerden der Kläger und der Beklagten.

I[X.] - 5 - Die beiderseitigen [X.] (§ 544 ZPO) sind zu-lässig und haben auch, gestützt auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, in der Sache selbst Erfolg.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist begründet, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheit-lichen [X.]echung erfüllt sind.
a) Zur Sicherung einer einheitlichen [X.]echung ist die Revision nicht nur in Fällen der Divergenz sowie dann zuzulassen, wenn schwer erträg-liche Unterschiede in der [X.]echung entstehen oder fortbestehen, die nicht den Charakter einer Divergenz im herkömmlichen Sinn haben. Vielmehr besteht das für die Zulassung der Revision maßgebliche Allgemeininteresse an einer korrigierenden Entscheidung des [X.] auch dann, wenn das Berufungsurteil auf einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das [X.] in die [X.]echung zu beschädigen (Senat, [X.] 154, 288, 295 unter Hinweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, [X.], 104; vgl. auch Müller, [X.], 1073, 1083). Für die Prüfung dieses Merkmals kann nicht darauf abgestellt werden, ob der Fehler des Berufungsgerichts offensichtlich (vgl. [X.], NJW 2004, 1371) oder von Gewicht ([X.] 152, 182, 188; Senat, [X.] 154, 288, 294; [X.]. v. 31. Oktober 2002, [X.], NJW 2003, 754, 755) ist. Maßgebend ist statt dessen, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Ge-rechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deshalb von [X.] wegen einer Korrektur bedarf (Senat, [X.] 154, 288, 296). - 6 -
b) Hiernach ist eine Revision auch dann zuzulassen, wenn die [X.] Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssat-zes in seiner Ausprägung als [X.]verbot (Art. 3 Abs. 1 GG) beruht. Dies ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, die sachlich schlechthin un-haltbar ist ([X.]E 58, 163, 167 f.), weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint und sich deshalb der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (std. [X.]. des [X.], vgl. nur [X.]E 4, 1, 7; [X.], NJW 2004, 151, 152 m.w.N.). Dabei enthält die Fest-stellung von [X.] keinen subjektiven Schuldvorwurf. [X.] ist hier vielmehr im objektiven Sinne zu verstehen als eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist ([X.]E 80, 48, 51).
c) Das Berufungsurteil stellt sich in diesem Sinne als objektiv willkürlich dar.
aa) Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte habe in dem Kaufver-trag den Klägern gegenüber zugesichert, in der Anlage nur Wohnungs- und kein Teileigentum zu begründen und die Teilungserklärung dahin abzuändern, daß eine gewerbliche Nutzung, die den allgemeinen Wohnwert mindere, aus-geschlossen sei. Eine Begründung für diese Auffassung enthält das Beru-fungsurteil nicht, insbesondere ist insoweit eine Bezugnahme auf die [X.] des erstinstanzlichen Urteils unterblieben. Das [X.] verweist lediglich in seinem tatbestandlichen Teil, nicht aber auch bei der Begründung auf die Entscheidung des [X.]s. Im übrigen hätte eine solche Bezugnahme daran scheitern müssen, daß das [X.] einen an-deren Rechtsstandpunkt vertreten und sein Urteil nicht mit einer zugesicherten - 7 - Rechtsstandpunkt vertreten und sein Urteil nicht mit einer zugesicherten [X.] begründet hat. Die mithin fehlende Begründung läßt nur den Schluß darauf zu, daß das Berufungsgericht die vertraglichen Vereinbarungen für ein-deutig und daher für nicht auslegungsbedürftig hält. Es hat hierbei jedoch nicht beachtet, daß der von ihm herangezogenen Vertragsklausel, die die Verkäu-ferseite zur Änderung der Teilungserklärung bevollmächtigt, kein entscheiden-der Hinweis dafür zu entnehmen ist, daß die Beklagte von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen mußte. Die Formulierung der Klausel kann wegen der Verwendung des Wortes "wird" als entsprechende Verpflichtung, aber auch als bloße Befugnis der Beklagten verstanden werden. Es kommt hinzu, daß auch die Beschreibung der zu errichtenden Anlage, die nach dem Kaufvertrag aus "zwei Häusern mit jeweils 9 und 10 Wohnungseinheiten" bestehen sollte, allein noch nicht erkennen läßt, daß die Beklagte hierfür in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr übernehmen wollte und damit die Bereitschaft zu erkennen gab, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. Nur unter dieser strengen Voraussetzung kann eine Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB a.F. vorliegen ([X.], Urt. v. 13. Dezember 1995, [X.], NJW 1996, 836, 837).
[X.]) Nachdem das Berufungsgericht auch keine Feststellungen zu einem übereinstimmenden Parteiwillen getroffen hat, der von dem Wortlaut des [X.] abweicht (vgl. dazu Senat, Urt. v. 7. Dezember 2001, [X.], [X.], 1038, 1039), ist es unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar, zur Zusicherung einer Eigenschaft ohne Auslegung des Kaufvertrages zu ge-langen. Der Fehler des Berufungsgerichts macht dessen Entscheidung derart unverständlich, daß sie sich als sachlich schlechthin unhaltbar und damit ob-jektiv willkürlich darstellt. Nach der [X.]echung des [X.] 8 - gerichts (NJW 1998, 2810, 2811) kann eine Entscheidung gegen das [X.]-verbot verstoßen, wenn bei der Auslegung einer Formularvertragsklausel durch das Gericht anerkannte Auslegungsgrundsätze in besonderem Maße außer acht gelassen wurden. Nichts anders kann gelten, wenn - wie im vorlie-genden Fall - eine sich als notwendig aufdrängende Vertragsauslegung unter-blieben ist und dies der Verständlichkeit des angefochtenen Urteils entgegen-steht.
2. Von einer Begründung im übrigen wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen. [X.]
Tropf [X.]

Gaier

Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 328/03

07.10.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2004, Az. V ZR 328/03 (REWIS RS 2004, 1292)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1292

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