Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 3 StR 424/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4591

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STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) RECHTSEXTREMISMUS NATIONALSOZIALISMUS

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Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und B.     wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2022 in den [X.] dahin geändert, dass schuldig sind

a) der Angeklagte [X.]der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in 55 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung und in 54 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung,

b) der Angeklagte B.     der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in 22 Fällen, davon in 21 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung.

2. Ihre weitergehenden Revisionen sowie die Revision des Angeklagten [X.].    werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

2

den Angeklagten [X.]wegen [X.]er Beteiligung an einer kriminellen [X.] in 66 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen [X.] und in 65 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren,

3

den Angeklagten [X.] wegen [X.]er Beteiligung an einer kriminellen [X.] in 57 Fällen, davon in 56 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,

4

den Angeklagten [X.].    wegen [X.]er Beteiligung an einer kriminellen [X.] in zwölf Fällen, davon in elf Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

5

Außerdem hat der [X.] getroffen. Die von allen Angeklagten erhobenen Sachrügen haben für die Angeklagten [X.]und [X.] den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen dringen sie ebenso wie die von den Angeklagten [X.]und [X.] geltend gemachten Verfahrensrügen aus den in den [X.] des [X.] aufgezeigten Gründen in der Sache nicht durch (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

6

1. Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte [X.]ab dem [X.] im [X.] antisemitische Hassbotschaften verbreitete. Er entwarf und veröffentlichte insbesondere eine Vielzahl von Karikaturen, die mit einem schlagwortartigen Text versehen waren, der unter anderem eine vorgebliche weltweite Unterdrückung von [X.] durch [X.] thematisierte. Auf diese Weise wollte er [X.]nutzer zum Hass auf [X.] anstacheln und Mitstreiter gewinnen.

7

Nachdem er auf anderen Social-Media-Kanälen gesperrt worden war, bewegte sich der Angeklagte weitgehend auf der [X.] Plattform [X.], die über etwa eine Million aktive Nutzer verfügte. Dort veröffentlichte er die genannten Inhalte unter der von ihm erdachten Bezeichnung „[X.]“. Für mindestens 30 vermeintliche nationale Untergruppen der „[X.]“ ([X.]) erstellte er eigene Social-Media-Seiten, denen er länderspezifische Namen wie „[X.] Deutschland“ ([X.]), „[X.] Gojim Arbetareparti“ ([X.]) oder „[X.]“ ([X.]) gab. Dadurch wollte er den Anschein einer weltweit aktiven politischen Bewegung erzeugen. Außerdem legte er Goyim-Themen-Seiten an, auf denen zum Beispiel judenfeindliche Filme und Musiktitel verbreitet und heruntergeladen werden konnten. Alle Seiten waren für jedermann öffentlich zugänglich. Er verwendete einheitlich ein von ihm entworfenes Logo, das einem Hakenkreuz ähnelte (eckiges schwarzes „G“ in einem weißen Kreis auf rotem Hintergrund), verlinkte die Seiten untereinander und errichtete Gruppen, denen unter [X.] registrierte Nutzer durch einen Klick beitraten, im Fall der [X.]-Seite allein zuletzt 459 Personen. Die Gruppenmitglieder konnten ihrerseits auf den [X.] Beiträge einstellen, herunterladen oder kommentieren.

8

Ab dem [X.] mobilisierte der Angeklagte außerdem erfolgreich Gleichgesinnte, die zu einer Zusammenarbeit mit ihm bereit waren. Dazu gehörten der Angeklagte [X.], welcher der rechtsextremen Szene angehörte und nationalsozialistisch eingestellt war, eine [X.], ein [X.] und eine [X.]. Mit ihnen diskutierte [X.]in bilateralen Chats und [X.] über die ideologische Ausrichtung der Bewegung, wobei man sich gegenseitig im Hass auf [X.] bestärkte. [X.]band sie alle ihrem Wunsch entsprechend in den Betrieb und die Bestückung der [X.] mit neuen Inhalten ein und teilte mit ihnen die Administratorenrechte für die Seiten, um bei einer möglichen Sperrung seiner [X.]-Accounts deren Fortbetrieb abzusichern. Gemeinsames Bestreben aller war, so viele judenfeindliche Beiträge auf so vielen [X.] wie möglich einzustellen. Dadurch wollten sie tatsächlich eine weltweite antijüdische Bewegung etablieren, Nutzer zu gewaltsamen Angriffen auf [X.] motivieren und letztlich [X.] weltweit vernichten. Diese Ziele wurden in einem Manifest niedergeschrieben, das [X.]auf der [X.]-Seite veröffentlichte. Es sollte zu einem „Parteiprogramm“ ausgebaut werden, zu dessen gemeinsamer Erarbeitung er eine Chatgruppe bei Skype eröffnete.

9

Während sich die drei ausländischen Mitstreiter vornehmlich um den Betrieb und die inhaltliche Ausgestaltung ihrer jeweiligen Goyim-Länderseiten kümmerten, stand der Angeklagte [X.], der über die Einbindung der anderen Personen im Bilde war, in besonders intensivem online-Kontakt mit [X.]. Unter anderem übermittelte er ihm zahlreiche antisemitische Dokumente aus der [X.]. [X.]leitete [X.] bei technischen Fragen an und verlieh ihm ab Januar 2016 die Administratorenrechte für insgesamt 24 [X.]. Ab diesem Zeitpunkt stellten nunmehr beide Angeklagte auf diesen Seiten [X.] diskreditierende und diffamierende sowie teilweise zur Gewalt gegen sie anstachelnde Inhalte ein, von denen einige außerdem den [X.] guthießen, dementierten oder bagatellisierten. Soweit die Angeklagten den [X.] („Sidebar“) der [X.] [X.]-Seite, um deren Ausgestaltung sich [X.] in besonderer Weise kümmerte, mit Inhalten dieser Art befüllten, sprachen sie die Posts im Einzelnen untereinander ab. Im Übrigen stellten sie entsprechend der gemeinsamen Zielsetzung antisemitische Beiträge auf die Seiten, ohne zuvor miteinander darüber zu kommunizieren. Teilweise nutzten sie hierfür den Administratoren- oder einen sogenannten Editoren-Account, weshalb in einigen Fällen nicht feststellbar gewesen ist, wer von beiden die antisemitischen Inhalte [X.] (Fälle II. 47, 69, 70, 72 bis 75, 77, 80 und 81 der Urteilsgründe). Ab April 2019 bis in das [X.] bestückte der Angeklagte [X.] die [X.]-Seite als alleiniger Verantwortlicher. Er veröffentlichte außerdem einige Goyim-Inhalte auf einer von ihm selbst angelegten [X.]-Seite.

Der rechtsextremistisch eingestellte Angeklagte [X.].    stand ab Februar 2017 über das [X.] in Kontakt mit [X.]. Er wusste, dass [X.]das antisemitische Kommunikationsnetzwerk der [X.] mit Gesinnungsgenossen betrieb, und tauschte sich im September und Oktober 2017 in über 1.400 Nachrichten mit ihm darüber aus. Beide erörterten unter anderem die Gründung einer [X.] sowie eine Unterwanderung der [X.] Sie kamen überein, dass [X.].    Beiträge zur Veröffentlichung auf den [X.] erstellen und sich technisch-administrativ am Betrieb der Seiten beteiligen sollte. [X.].    erklärte sich dazu bereit, einen [X.] zu übernehmen, schickte [X.]den [X.] zu einer von ihm erstellten [X.] mit rechtsextremistischen Dokumenten und leitete auf der [X.]-Seite veröffentlichte Beiträge an verschiedene Empfänger weiter. Von August bis Oktober 2017 erstellte er in neun Fällen eigene judenfeindliche Posts, die er auf seine [X.]-Seite [X.], von der aus [X.]sie abredegemäß auf den [X.] veröffentlichte. In zwei Fällen hinterließ der Angeklagte [X.].    in eben diesem Zeitraum antisemitische Hasskommentare auf der [X.]-Seite.

2. Der Staatsschutzsenat hat diese Feststellungen rechtlich dahin gewürdigt, dass es sich bei der [X.] um eine kriminelle [X.] im Sinne des § 129 Abs. 1, 2 StGB handelte, die der Angeklagte [X.]gründete und an der sich alle drei Angeklagten [X.] beteiligten, [X.]und [X.] als Rädelsführer im Sinne des § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB. Wegen dieser Tat hat er den Angeklagten [X.]zu einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, den Angeklagten [X.] zu einer solchen von drei Jahren und den Angeklagten [X.].    zu einer solchen von einem Jahr und drei Monaten.

Die einzelnen Posts hat das [X.] jeweils als einen Fall der Volksverhetzung bewertet, begangen in Tateinheit mit einer [X.]en Beteiligung an der kriminellen [X.]. Dabei hat es alle auf den [X.] hochgeladenen Beiträge als persönliche Äußerungsdelikte nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB und zugleich als Schriften im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c StGB (in der Fassung vom 21. Januar 2015) gewürdigt und es dabei belassen, soweit die Inhalte „nur“ zum Hass gegen [X.] aufstachelten und diese böswillig verächtlich machten. In diesen Fällen hat es für [X.][X.] von zehn Monaten, für [X.] von acht Monaten und für [X.].    von sechs Monaten verhängt.

Soweit die Inhalte außerdem zur Gewalt gegen [X.] aufforderten, hat es auch § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StGB als erfüllt angesehen und [X.]zu [X.] von einem Jahr verurteilt, [X.] zu solchen von je zehn Monaten und [X.].    zu solchen von je sechs Monaten.

In neun Fällen, in denen die Veröffentlichungen darüber hinaus unter der [X.] begangene Handlungen billigten, verleugneten oder verharmlosten, hat es überdies die Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 StGB bejaht. Hier hat es [X.]mit [X.] von einem Jahr und zwei Monaten belegt, [X.] mit solchen von einem Jahr und [X.].    mit solchen von acht Monaten.

Das [X.] hat im Grundsatz jeden Angeklagten nur in den Fällen schuldig gesprochen, in denen er selbst die inkriminierten Inhalte auf den Seiten einstellte. Soweit [X.]und [X.] jedoch nicht ihre persönlichen, sondern von beiden geteilte Administratoren- oder Editoren-Accounts für eine Veröffentlichung nutzten, hat es die Taten gemäß § 25 Abs. 2 StGB auch dem jeweils anderen zugerechnet.

II.

1. Die rechtliche Einordnung der [X.] als kriminelle [X.] begegnet keinen Bedenken. Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher maßgeblichen [X.]sbegriffs (zu dessen Voraussetzungen s. etwa [X.], Urteile vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 116 ff.; vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216 Rn. 23 ff.) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (zu dessen Voraussetzungen s. etwa [X.], Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, [X.]St 66, 137 Rn. 19 ff. [X.]). Die Gruppe um die Angeklagten stellte trotz ihres eher niedrigen Organisationsgrades angesichts der willensmäßigen Einbindung der Beteiligten, der koordinierten Vorgehensweise, der Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung, dem gemeinsam verfolgten Zweck der massiven Bestückung der [X.] mit antisemitischen, volksverhetzenden Posts, dem Fernziel der gewaltsamen weltweiten [X.]vernichtung und schließlich der tatsächlichen Umsetzung des Zwecks in Gestalt einer jahrelangen, intensiven Veröffentlichung einer sehr hohen Anzahl gravierendster antisemitischer Inhalte durch alle Beteiligten eine [X.] sowohl nach altem als auch nach neuem Recht dar (vgl. bereits [X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - AK 3/21 u.a., [X.]R StGB § 129 [X.] 9 [X.]). Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beteiligten lediglich über das [X.] in Kontakt standen und sich nie persönlich trafen. Die für die Gründung oder Mitgliedschaft in einer [X.] erforderliche Kommunikation setzt nicht generell Zusammenkünfte in Präsenz voraus. Es ist rechtlich nicht entscheidend, ob der Austausch in persönlichen Begegnungen oder über andere Dialogformen stattfindet. Ein [X.] kann sich ebenso in virtuellen (Chat-)Räumen abspielen. So sind etwa bei anderen, insbesondere ausländischen terroristischen [X.]en das Anwerben und die Eingliederung von Neumitgliedern allein über das [X.] inzwischen nicht unüblich (s. etwa zum „[X.]“ die Sachverhalte in [X.], Beschlüsse vom 5. Oktober 2022 - StB 41/22, juris; vom 9. Februar 2023 - AK 1/23, juris; vom 5. April 2023 - AK 11/23 u.a., juris).

2. Auch der Angeklagte [X.].    beteiligte sich [X.] an der [X.]. Er wurde erst ab August 2017 in der Gruppe aktiv, so dass für diesen Angeklagten nur das am 22. Juli 2017 in [X.] getretene Recht maßgeblich ist (§ 2 Abs. 1 StGB). Die [X.]e Beteiligung an einer [X.] setzt nach diesem, soweit hier von Bedeutung, zum einen eine gewisse einvernehmliche Eingliederung des [X.] in die Organisation (die Mitgliedschaft) und zum anderen eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele (die Beteiligungshandlungen) voraus (s. im Einzelnen etwa [X.], Beschluss vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 4 ff.). Die getroffenen Feststellungen tragen beide Erfordernisse. Danach zeigte [X.].    den Willen zur dauerhaften Mitwirkung an den Aktivitäten und der Verfolgung der Ziele der Gruppe und erzielte mit [X.]Einvernehmen darüber, dass er eine Stellung innerhalb der [X.] einnehmen soll. Zur Durchsetzung der Ziele trug er unter anderem dadurch unmittelbar bei, dass er wie die anderen Beteiligten judenfeindliche Beiträge für die [X.] erstellte, die für die Bestückung des [X.] Verwendung fanden. Durch den intensiven Austausch mit [X.]über mögliche politische Bestrebungen der Bewegung förderte er zudem Aufbau, Zusammenhalt und Tätigkeit der Organisation durch ein vereinigungstypisches Verhalten von Gewicht.

3. Die Würdigung der einzelnen auf den [X.] hochgeladenen Beiträge als Volksverhetzungen in den verschiedenen Tatvarianten des § 130 StGB ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dadurch, dass die Fälle ungleichartiger Tateinheit im Tenor nicht zum Ausdruck kommen, sind die Angeklagten nicht beschwert (zum konkurrenzrechtlichen Verhältnis mehrerer [X.] desselben Absatzes von § 130 StGB sowie zwischen § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB s. [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 [X.], [X.]R StGB § 130 Konkurrenzen 1 [X.]; zwischen § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB s. LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 130 Rn. 177 [X.]; MüKoStGB/[X.]/Anstötz, 4. Aufl., § 130 Rn. 116 [X.]).

4. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die vom [X.] vorgenommene gegenseitige Zurechnung von Einzelfällen zwischen den Angeklagten [X.]und [X.] nach § 25 Abs. 2 StGB, soweit sie Beiträge unter einem Editoren- oder [X.] ins Netz stellten, ohne das im Einzelnen vorher abzusprechen. Insoweit haben die Schuldsprüche keinen Bestand und bedürfen der Änderung.

a) Werden Taten aus einer [X.] heraus begangen, können sie dem einzelnen [X.]smitglied nicht allein aufgrund dessen Zugehörigkeit zu der Organisation als eigene zugerechnet werden. Vielmehr ist für jede Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, inwieweit sich das betreffende Mitglied daran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt oder ob es insoweit keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet hat (st. Rspr., s. etwa [X.], Beschluss vom 12. August 2021 - 3 [X.], [X.]St 66, 226 Rn. 49 [X.]).

aa) Nach den allgemeinen Kriterien der Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB (s. zu diesen etwa [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, [X.]R StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 41 Rn. 4 f. [X.]) bedarf es grundsätzlich eines Mitwirkungsakts an der konkreten Einzeltat, der hier nicht festgestellt ist. Soweit [X.]Inhalte postete, ohne dies zuvor mit dem Angeklagten [X.] zu besprechen, war dieser weder an der konkreten Planung noch an der Ausführung der Taten beteiligt. Er hatte zudem keine Kenntnis vom Inhalt der Beiträge oder vom Tatzeitpunkt. Gleiches gilt umgekehrt für Taten von [X.], über die [X.]zuvor nicht informiert war. Beide hatten keinen Einfluss auf die konkreten Veröffentlichungen des jeweils anderen und deren Frequenz. Die gegenseitige Bestärkung in der antisemitischen Hassideologie allein ist hier kein ausreichend relevanter Beitrag zur individuellen Tat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB. Zwar kann eine psychische Förderung, insbesondere die Bestärkung des Tatwillens des Handelnden, die Annahme von Mittäterschaft begründen, wenn ihr erhebliches Gewicht zukommt ([X.], Beschluss vom 12. August 2021 - 3 [X.], [X.]St 66, 226 Rn. 51 [X.]). Nach der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände war das hier jedoch nicht der Fall (vgl. [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 [X.], [X.], 104 zu einer insoweit entgegengesetzten Sachverhaltskonstellation). Die generelle Abrede zwischen [X.]und [X.], zur gemeinsamen Zweckerreichung so viel wie möglich auf den [X.] einzustellen, vermag die Herrschaft oder den Willen zur Herrschaft über die Einzeltaten des anderen nicht zu begründen.

bb) Wie der [X.] in seinen [X.] zutreffend ausgeführt hat, tragen die getroffenen Feststellungen jedoch die Annahme einer Organisationsherrschaft in Bezug auf die Taten des jeweils anderen (zum uneigentlichen [X.] s. etwa [X.], Beschluss vom 5. August 2021 - 2 StR 307/20, NJW 2021, 3735 Rn. 27). Denn sowohl [X.]als auch [X.] beteiligten sich im Vor- und Umfeld der Taten am Betrieb, an der Gestaltung und der Absicherung der [X.] auf [X.]. Auf diese Weise leisteten beide einen wesentlichen Beitrag zur tatnotwendigen Infrastruktur. Das rechtfertigt es, dem „[X.]“ eine einzige Tat für die gesamten Posts des jeweils anderen pro jeweiliger Goyim-Seite zuzurechnen, auf der die Beiträge erschienen. Im Ergebnis ist demnach die konkurrenzrechtliche Würdigung dahin zu ändern, dass dem nicht unmittelbar Handelnden die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten des anderen als tateinheitlich begangen zuzurechnen sind, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (zu den Konkurrenzen beim [X.] s. etwa [X.], Beschluss vom 24. Januar 2023 - 3 StR 427/22, juris Rn. 8 [X.]).

b) Der Schuldspruch für [X.]ist mithin von vier Taten der [X.]en Beteiligung an einer kriminellen [X.] in Tateinheit mit Volksverhetzung auf eine solche Tat zu reduzieren, soweit er wegen der vier Veröffentlichungen von [X.] auf der [X.]-Seite verurteilt worden ist (Fälle II. 24, 28, 30 und 64 der Urteilsgründe).

Für den Angeklagten [X.] ermäßigt sich der Schuldspruch von 28 Taten der [X.]en Beteiligung an einer kriminellen [X.] in Tateinheit mit Volksverhetzung auf eine Tat, soweit er wegen der Veröffentlichungen von [X.]auf der [X.]-Seite verurteilt worden ist (Fälle II. 6, 7, 9, 10, 12 bis 18, 21, 37, 39 bis 43, 52 bis 56, 60, 62, 65 bis 67 der Urteilsgründe).

In den Fällen, in denen nicht festgestellt worden ist, ob [X.]oder [X.] die Beiträge einstellte, ist zugunsten eines jeden davon auszugehen, dass es der jeweils andere war. Statt jeweils vierfacher [X.]er Beteiligung an einer kriminellen [X.] in Tateinheit mit Volksverhetzung wegen vier Veröffentlichungen auf der [X.]-Seite (Fälle II. 47, 69, 70, 72 der Urteilsgründe) sind beide Angeklagte deshalb nur einer solchen Tat schuldig. Anstelle der sechsfachen [X.]en Beteiligung an einer kriminellen [X.] in Tateinheit mit Volksverhetzung in den sechs Fällen der Veröffentlichungen auf der [X.]-Seite (Fälle II. 73 bis 75, 77, 80, 81 der Urteilsgründe) ergibt sich ebenfalls für beide Angeklagte nur eine Tat.

§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nach § 354 Abs. 1 StPO analog nicht entgegen, weil sich die in tatsächlicher Hinsicht geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

c) Die vom [X.] für die betroffenen Fälle verhängten Einzelstrafen entfallen. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO setzt der Senat für die für beide Angeklagten jeweils verbleibenden drei Fälle der [X.]en Beteiligung an einer kriminellen [X.] in Tateinheit mit Volksverhetzung für den Angeklagten [X.][X.] von je zehn Monaten fest, für den Angeklagten [X.] von je acht Monaten. Dieses Strafmaß orientiert sich an den vom Staatsschutzsenat jeweils niedrigsten verhängten Einzelstrafen.

d) Die vom [X.] gebildeten Gesamtstrafen können bestehen bleiben. Angesichts der ohnehin nur maßvoll erhöhten Einsatzstrafen und der zahlreichen verbleibenden Einzelstrafen ist auszuschließen, dass es ohne die entfallenden Einzelstrafen auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.

5. Ergänzend ist anzumerken, dass es mit Blick auf die Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zumindest untunlich sein kann, Ablichtungen der inkriminierten [X.] in die [X.] aufzunehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2013 - 3 StR 50/13, juris [X.]).

Schäfer     

  

Paul     

  

Anstötz

  

Erbguth     

  

Kreicker     

  

Meta

3 StR 424/22

28.06.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG Düsseldorf, 27. Mai 2022, Az: 6 StS 2/21, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 3 StR 424/22 (REWIS RS 2023, 4591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4591

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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