Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2022, Az. B 12 KR 16/20 R

12. Senat | REWIS RS 2022, 8801

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialversicherungspflicht - mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH mit zwei Gesellschaftern ohne Geschäftsführerstellung - Familiengesellschaft - Gesellschaftsanteil von 50 % - Verhinderungsrechtsmacht aufgrund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen - fehlende umfassende Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer - abhängige Beschäftigung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. August 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Betriebsleiter der zu [X.] (im Folgenden: die Beigeladene) seit dem [X.] der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

2

Der Kläger ist seit 1999 Gesellschafter der Beigeladenen. Seit [X.] sind er und sein Bruder, der seit 1996 alleiniger Geschäftsführer ist, zu [X.] am Stammkapital beteiligt. Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des [X.] für die Beigeladene existiert nicht. Als Betriebsleiter in den Bereichen Einkauf und Logistik hat er weitgehende Handlungsvollmacht, aber keine Prokura. Er erhält ein monatliches Gehalt von inzwischen 5500 Euro brutto sowie eine jährliche Gewinnbeteiligung. Der Kläger hat der Beigeladenen ein Darlehen iHv 175 660,79 Euro gewährt und selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung weiterer Kredite übernommen. Zur Mitarbeit von Gesellschaftern der Beigeladenen bestimmt § 5 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags ([X.]): "Der Abschluss von Verträgen mit Gesellschaftern zur Mitarbeit in der Gesellschaft, deren Änderung oder Beendigung sowie die Regelung sämtlicher aus diesen Verträgen resultierenden Folgen obliegen ausschließlich der Gesellschafterversammlung. Diese entscheidet hierüber durch Gesellschafterbeschluss, wobei der betreffende Gesellschafter in jedem Fall stimmberechtigt bleibt."

3

Im Statusfeststellungsverfahren stellte die beklagte [X.] fest, dass der Kläger seit dem [X.] aufgrund Beschäftigung bei der Beigeladenen in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung (Bescheid vom [X.]) sowie in der [X.] Pflegeversicherung ([X.]; Bescheid vom 23.10.2013; Widerspruchsbescheid vom 16.1.2014) versicherungspflichtig sei. Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit Januar 2007 nicht abhängig beschäftigt sei und nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliege (Urteil vom 22.11.2016). Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des [X.] insoweit geändert, als (nur) der Bescheid der Beklagten vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.1.2014 aufgehoben werde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung festgestellt. Ein etwaiger Mangel im Anhörungsverfahren sei jedenfalls durch das in der mündlichen Verhandlung durchgeführte [X.] über den Bedeutungsgehalt des § 5 Abs 4 [X.] geheilt worden. Der hälftige Geschäftsanteil an der Beigeladenen in Kombination mit der Bestimmung des § 5 Abs 4 [X.] versetze den Kläger zwar in die Lage, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren. Diese "Verhinderungsmacht" sei für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit aber nicht hinreichend. Es fehle im Hinblick auf die Unternehmensführung an der erforderlichen "Gestaltungsrechtsmacht". Die Darlehensgewährung und die selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärungen änderten daran nichts. Dass die Finanzverwaltung nicht von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen sei, präjudiziere die Statusprüfung der Beklagten nicht. Den ergänzenden Bescheid vom 23.10.2013 zur Versicherungspflicht in der [X.] habe das [X.] dagegen zu Recht aufgehoben (Urteil vom 26.8.2020).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 2, 7 [X.]B IV. Das Gesetz fordere keine "Gestaltungsrechtsmacht". Er sei bereits aufgrund seiner Sperrparität in der Gesellschafterversammlung selbstständig, weil nach dem [X.] die Dienstaufsicht und [X.] gegenüber mitarbeitenden Gesellschaftern der Gesellschafterversammlung zugewiesen seien. Damit könne er jegliche Weisungen an sich verhindern. Aus dem Urteil des B[X.] vom 24.11.2005 ([X.] - B[X.]E 95, 275 = [X.] 4-2600 § 2 [X.]) über den Status eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers mit unbeschränkter Gestaltungsmacht ergebe sich nur, dass dieser "erst recht" selbstständig sei. Darüber hinaus rügt der Kläger eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und Tatsachenfeststellung. Trotz seines Antrags habe das L[X.] die von ihm vorgelegten früheren [X.] nicht berücksichtigt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 26. August 2020 insoweit aufzuheben, als das Urteil des [X.] vom 22. November 2016 geändert und die Klage abgewiesen worden ist, sowie die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

7

Sie hat mit Änderungsbescheid vom [X.] das Nichtbestehen der Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] für die seit [X.] ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen festgestellt und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger unterlag in seiner Tätigkeit als Betriebsleiter der Beigeladenen seit [X.] der Versicherungspflicht in der [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Auf diese Versicherungszweige hat der Kläger aufgrund des Änderungsbescheids vom [X.] den Verfahrensgegenstand in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beschränkt. Das [X.] ist insoweit verfahrensfehlerfrei (dazu 1.) zu dem Ergebnis gelangt, dass der angegriffene Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.1.2014 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (dazu 2.).

9

1. Das [X.] hat keine Feststellungen (§ 163 SGG) hinsichtlich früherer Verwaltungsakte getroffen, die eine der angefochtenen Verwaltungsentscheidung entgegenstehende Bindungswirkung begründen könnten. Die vom Kläger insoweit erhobene Verfahrensrüge der unzureichenden Amtsermittlung (§ 103 SGG) iVm einer sinngemäß behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) ist nicht hinreichend substantiiert dargetan. Er macht zwar geltend, das [X.] habe die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen der Finanzverwaltung und [X.] von 2009, 2016 und 2019 nicht zur Akte oder überhaupt zur Kenntnis genommen. Damit sind aber nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben sollen (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Der [X.] kann sich nicht allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann, das [X.] also ohne den gerügten Verfahrensmangel möglicherweise anders entschieden hätte.

Der Kläger hätte danach aufzeigen müssen, zu welchem Ergebnis die weiteren Ermittlungen nach seiner Ansicht geführt hätten (stRspr; vgl bereits [X.] Beschluss vom 26.9.1957 - 4 RJ 214/56 - [X.] zu § 164 SGG Da 10 = juris Rd[X.]; [X.] vom [X.] - [X.] 4-1500 § 164 [X.] Rd[X.]3, 43). Sein Vorbringen, der Prüfdienst der [X.] Nord sei nach Auswertung von Lohnsteuerprüfungen zu der Entscheidung gekommen, dass für ihn und seinen Bruder keine Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern seien, und darin liege "ggf. ein Bescheid über die versicherungsrechtliche Beurteilung des [X.] als selbständig", genügt nicht. Denn nach der ständigen [X.]srechtsprechung kann sich eine Bindungswirkung aufgrund früherer Betriebsprüfungen nur insoweit ergeben, als Feststellungen zur Versicherungs- und/oder Beitragspflicht personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt getroffen worden sind (vgl zuletzt [X.]surteil vom 18.10.2022 - [X.] R 7/20 R - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen; [X.] vom [X.] - [X.] R 25/18 R - [X.] 129, 95 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]0, 32; [X.] Beschluss vom [X.] KR 24/16 B - juris Rd[X.]3). Dass durch einen Verwaltungsakt der [X.] Nord das Nichtbestehen der Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung für den hier streitigen Zeitraum konkret festgestellt worden wäre, hat der Kläger aber nicht aufgezeigt.

Abgesehen davon ist sein Vortrag zum Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] nicht hinreichend belegt. Der behauptete Antrag, die von ihm vorgelegten Unterlagen - sinngemäß als [X.] - zu berücksichtigen, ergibt sich nicht aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung. Ein solcher [X.] hätte als wesentlicher Vorgang der Verhandlung gemäß § 122 SGG iVm § 160 Abs 2 ZPO ins Protokoll aufgenommen werden müssen. Die unterbliebene Feststellung im Protokoll belegt umgekehrt, dass ein Beweisantrag nicht gestellt worden ist (vgl BVerwG Beschluss vom 26.4.2022 - 4 BN 28/21 - juris RdNr 8). Um die Unrichtigkeit des Protokolls - und damit auch den Gehörsverstoß - substantiiert darzulegen, hätte der anwaltlich vertretene Kläger aufzeigen müssen, alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten genutzt zu haben, um sich das [X.] zu erhalten. Dazu gehören Anträge auf Protokollergänzung in der mündlichen Verhandlung nach § 122 SGG iVm § 160 Abs 4 ZPO und auf Berichtigung des Protokolls nach § 122 SGG iVm § 164 ZPO (vgl BVerwG aaO Rd[X.]). Der Kläger hat hierzu jedoch nichts vorgetragen.

2. Der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.1.2014 ist formell rechtmäßig (dazu a). Unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Statusbewertung insbesondere von mitarbeitenden [X.]ern (dazu b) und ausgehend von den bindenden Feststellungen des [X.] überwiegen nach dem Gesamtbild die Indizien für die abhängige Beschäftigung (dazu c).

a) Die angefochtene Statusentscheidung ist nicht wegen eines Anhörungsmangels formell rechtswidrig. Die Beklagte hat gemäß § 7a Abs 4 Satz 1 SGB IV durch [X.] vom 20.6.2013 den Beteiligten die beabsichtigte Entscheidung mitgeteilt, die zugrunde liegenden Tatsachen bezeichnet und Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Darüber hinaus mag eine Anhörungspflicht zwar grundsätzlich miteinschließen, dass die Behörde das anschließende Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht (vgl BVerwG Urteil vom 17.8.1982 - 1 C 22/81 - BVerwGE 66, 111 = juris Rd[X.]8). Nicht anders als im gerichtlichen Verfahren, für das das spezielle Verfahrensgrundrecht des Art 103 Abs 1 GG gilt, ist die Behörde aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich oder umfangreich zu befassen. Auch im Rahmen der Begründungspflicht nach § 35 Abs 1 Satz 2 [X.] darf sich die Verwaltung auf die Angabe ihrer maßgebenden tragenden Erwägungen beschränken (vgl [X.] vom [X.] - 6 RKa 18/92 - [X.] 74, 70, 75 = [X.] 3-2500 § 106 [X.] = juris Rd[X.]1). Gemessen daran ist ein Mangel im Verwaltungsverfahren nicht ersichtlich. Denn die Beklagte hat die wesentlichen Einwände des [X.] im Hinblick auf § 5 Abs 4 [X.] im Bescheid vom [X.] dahingehend zusammengefasst, dass die Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt werde, eine Beteiligung von [X.] vorliege und kein Weisungsrecht des Geschäftsführers bestehe. In der rechtlichen Würdigung hat sie darauf abgestellt, dass die Arbeitsleistung fremdbestimmt bleibe, da sie sich in eine von der [X.]erversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingliedere. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie das [X.] meint - ein Anhörungsmangel nach § 41 Abs 1 [X.], Abs 2 [X.] (idF der Bekanntmachung vom 18.1.2001, [X.]) durch ein [X.] in der mündlichen Verhandlung (hier über § 5 Abs 4 [X.]) geheilt werden könnte oder ob für die Heilung ein mehr oder minder förmliches gesondertes Verwaltungsverfahren außerhalb des Gerichtsverfahrens erforderlich wäre (so [X.] vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - [X.] 122, 25 = [X.] 4-1500 § 114 [X.], Rd[X.]9 mwN; [X.] vom 20.12.2012 - B 10 LW 2/11 R - [X.] 4-5868 § 12 [X.] Rd[X.]9; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 24 Rd[X.]9 ff, Stand April 2012; Schütze in Schütze, [X.], 9. Aufl 2020, § 41 Rd[X.]7).

b) Der Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Im streitigen Zeitraum ab [X.] (bis zum [X.], dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.]) unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der [X.] (§ 1 Satz 1 [X.] SGB VI idF des [X.] vom [X.], [X.] 926) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, [X.] 3710). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "[X.] dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zB [X.] vom 1.2.2022 - [X.] KR 37/19 R - [X.] 133, 245 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]2 mwN).

Diese [X.] gelten grundsätzlich auch für in einer GmbH angestellte [X.]er (vgl [X.] vom 29.6.2021 - [X.] R 8/19 R - juris Rd[X.]2; Urteil vom [X.] KR 30/19 R - [X.] 130, 123 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]0 ff mwN). Ein GmbH-[X.]er, der in der [X.] angestellt und - wie hier - nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist regelmäßig abhängig beschäftigt. Allein aufgrund der gesetzlichen [X.]errechte besitzt er noch nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der [X.] aufzuheben. Denn das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliegt - sofern im [X.]svertrag nichts anderes vereinbart ist - nicht der [X.]erversammlung, sondern ist Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung. Erst unter besonderen Bedingungen, etwa wenn [X.]er kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position auch die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer haben, unterliegen sie nicht mehr dessen Weisungsrecht (stRspr; [X.] vom [X.]; [X.] vom [X.] aaO Rd[X.]2 mwN).

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und ausgehend von den bindenden Feststellungen des [X.] überwiegen nach dem Gesamtbild die Indizien für die abhängige Beschäftigung. Dem stehen arbeitsvertragliche Vereinbarungen (dazu aa), die mit der Kapitalbeteiligung von [X.] einhergehende Rechtsmacht (dazu [X.]) und ein unternehmerisches Risiko (dazu [X.]) nicht entgegen.

aa) Das Fehlen eines schriftlichen Anstellungsvertrags über die Tätigkeit als Bereichsleiter hat für die sozialversicherungsrechtliche Statuszuordnung keine Bedeutung. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann selbst dann vorliegen, wenn eine Tätigkeit allein auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ausgeübt wird (vgl zum Stiftungsvorstand [X.] vom [X.] - [X.] R 15/19 R - [X.] 131, 266 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]9). Hier ist allerdings ein konkludenter Vertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beigeladenen anzunehmen; davon geht offenbar auch der Kläger aus, der sich selbst auf die Klausel des § 5 Abs 4 [X.] über Verträge mit [X.]ern beruft.

Das Vorbringen des [X.], er sei sich mit der Beigeladenen über seine selbstständige Tätigkeit einig gewesen, ist unerheblich. Die wertende Zuordnung nach § 7 SGB IV kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden (vgl [X.] vom 19.10.2021 - [X.] R 6/20 R - juris Rd[X.]8; [X.], NJW 2022, 2785, 2790). Denn über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Die statusrechtliche Beurteilung richtet sich insoweit an den tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) über die Ausgestaltung der Tätigkeit und den gesellschaftsrechtlichen Regelungen aus. Daraus ergibt sich hier ein für eine Beschäftigung typisches Austauschverhältnis von Arbeits- und Entgeltleistung. Der Kläger setzt seine Arbeitskraft im Rahmen einer leitenden Tätigkeit für die Beigeladene ein und erhält dafür monatlich laufende Bezüge.

[X.]) Der Kläger verfügt dabei nicht über eine die abhängige Beschäftigung ausschließende ausreichende Rechtsmacht innerhalb der Beigeladenen; er ist vielmehr bei seiner Tätigkeit als Betriebsleiter in [X.] dienender Teilhabe in das Unternehmen eingegliedert.

§ 5 Abs 4 [X.] regelt zwar, dass "sämtliche" aus Verträgen mit [X.]ern über deren Mitarbeit "resultierenden Folgen" ausschließlich der [X.]erversammlung obliegen. Diese entscheidet insoweit durch [X.]erbeschluss, wobei der Kläger als betroffener [X.]er ausdrücklich stimmberechtigt bleibt. Daraus folgt, dass gegen den Willen des zu [X.] an der Beigeladenen beteiligten [X.] ein Beschluss zu seiner vertraglichen Mitarbeit nicht getroffen werden kann. Es kann dahinstehen, ob der an "resultierenden Folgen" anknüpfende Wortlaut des [X.] hinreichend bestimmt auch die Ausübung der Dienstaufsicht sowie des Weisungsrechts umfasst und damit dem Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (vgl hierzu [X.] vom 8.7.2020 - [X.] R 1/19 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]8 mwN) genügt. Denn selbst wenn der Kläger damit die Möglichkeit hätte, jegliche Weisungen im eigenen Tätigkeitsbereich abzuwenden, schließt allein diese Verhinderungsmacht die abhängige Beschäftigung nicht aus.

Aus den [X.]sentscheidungen, die von einer abhängigen Beschäftigung des mitarbeitenden [X.]ers ausgehen, weil dieser in der Regel nicht die Rechtsmacht hat, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der [X.] gegenüber dem Geschäftsführer aufzuheben oder abzuschwächen (vgl zB [X.] vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - juris Rd[X.]5; [X.] vom 25.1.2006 - [X.] KR 30/04 R - juris Rd[X.]3; [X.] vom 19.8.2015 - [X.] KR 9/14 R - juris Rd[X.]8 ff; [X.] vom 11.11.2015 - [X.] KR 13/14 R - [X.] 120, 59 = [X.] 4-2400 § 7 [X.]6, Rd[X.]1; [X.] vom 29.6.2021 - [X.] R 8/19 R - juris Rd[X.]2, 14 ff; vgl [X.], [X.] 2021, 310, 314), folgt nicht, dass im umgekehrten Fall bereits ohne Weiteres Selbstständigkeit anzunehmen ist. Grundsätzlich gilt, dass die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung weder in einem Rangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen ([X.] vom 27.4.2021 - [X.] KR 25/19 R - [X.] 132, 97 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]4 mwN). Die Weisungsgebundenheit kann insbesondere auch - wie allgemein bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "[X.] dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.

Auch bei der statusrechtlichen Einordnung von [X.]er-Geschäftsführern - mit dessen Rolle sich der Kläger hier vergleicht - kommt es nicht nur auf dessen [X.] an. Vielmehr muss ein nicht abhängig beschäftigter [X.]er-Geschäftsführer in der Lage sein, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken (vgl [X.] vom 28.6.2022 - [X.] R 4/20 R - juris Rd[X.]2, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.] vom 1.2.2022 - [X.] KR 37/19 R - [X.] 133, 245 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]3). Dafür braucht es grundsätzlich eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsmacht (vgl [X.] vom 28.6.2022 aaO Rd[X.]3). Andernfalls ist der [X.]er-Geschäftsführer nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in [X.] dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert (vgl [X.] vom 1.2.2022 - [X.] KR 37/19 R - [X.] 133, 245 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]3). Dies gilt grundsätzlich auch für im [X.] mitarbeitende, nicht zum Geschäftsführer bestellte [X.]er.

Entgegen der Auffassung des [X.] entspricht seine Position als mitarbeitender [X.]er nicht derjenigen eines [X.]er-Geschäftsführers, der nach der [X.]srechtsprechung deshalb als nicht beschäftigt beurteilt wird, weil er zumindest [X.] der Anteile am Stammkapital hält oder als Minderheitsgesellschafter über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität verfügt. Denn selbst wenn er über § 5 Abs 4 Satz 1 [X.] jegliche ([X.] im Rahmen des auf die [X.]erversammlung übertragenen Direktionsrechts abwenden könnte, fehlt ihm trotz dieser Besonderheit und seines hälftigen Anteils an der Beigeladenen die - mit eigenen organschaftlichen Rechten ausgestatte - Führungsfunktion des Geschäftsführers, um die Geschicke des Unternehmens wesentlich mitzubestimmen. Gerade die gewöhnliche Geschäftsführung als das wesentliche Betätigungsfeld des Geschäftsführers muss von der Sperrminorität jedenfalls umfasst sein, um dessen abhängige Beschäftigung auszuschließen (vgl [X.] vom 1.2.2022 - [X.] KR 37/19 R - [X.] 133, 245 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]8). Das mit "Einkauf und Logistik" festgestellte Tätigkeitsfeld des [X.] ist demgegenüber nur auf einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit der Beigeladenen beschränkt. Dem Kläger kommt auch nicht - wie im Fall des Alleingesellschafters (vgl [X.] vom 25.1.2006 - [X.] KR 30/04 R - juris Rd[X.]3) - die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer zu. Denn er kann trotz seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die durch seinen Bruder ausgeübte Geschäftsführertätigkeit ausüben; bei gegensätzlicher Stimmabgabe führt sein Stimmrecht zur Stimmengleichheit und damit nicht zu der für die Herbeiführung eines Beschlusses grundsätzlich erforderlichen Mehrheit in der [X.]erversammlung (vgl § 47 Abs 1 GmbHG). Damit kann er weder Weisungen an den Geschäftsführer herbeiführen noch die A[X.]erufung des Geschäftsführers jederzeit (§ 46 [X.]) durchsetzen.

Insoweit ist er zB auch nicht in der Lage, die Dienstaufsicht über die nicht an der [X.] beteiligten Angestellten, die unbeschadet des § 5 Abs 4 Satz 1 [X.] der laufenden Geschäftsführung des Geschäftsführers unterliegen, in Widerspruch zu seinem Bruder auszuüben. Er hat insgesamt nicht die gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht zu verhindern, dass der Geschäftsführer maßgebende Rahmenbedingungen vorgibt, in die sich die Erbringung seiner Arbeitsleistung eingliedert (vgl [X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom [X.]/19 - juris Rd[X.]0). Dass aufgrund familiärer Beziehungen faktisch eine gleichberechtigte Geschäftsführung des Unternehmens gelebt wird, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" außerhalb gesellschaftsvertragsrechtlicher Bindungen ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (stRspr; vgl zB [X.] vom 7.7.2020 - [X.] R 17/18 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.]5 mwN).

[X.]) Auch aus der Übernahme umfangreicher Bürgschaften ergibt sich hier kein anderes Ergebnis. Das mit Bürgschaften verbundene unternehmerische Risiko ist nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl [X.] vom [X.] - [X.] KR 23/19 R - juris Rd[X.]5 mwN). Eine mit einem beherrschenden [X.]er(-Geschäftsführer) vergleichbare Position lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten (vgl [X.] vom [X.] - [X.] R 25/18 R - [X.] 129, 95 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.]6). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Darlehensgewährung. Auch wenn der Kläger durch eine Kündigung des Darlehens auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers einwirken könnte (vgl [X.] vom 29.7.2015 - [X.] KR 23/13 R - [X.] 119, 216 = [X.] 4-2400 § 7 [X.]4, Rd[X.]7), räumt ihm dies noch keine umfassende Einflussmöglichkeit ein.

3. [X.] beruht auf § 193 SGG. Soweit der Kläger in Reaktion auf den Änderungsbescheid der Beklagten zur [X.] den Streitgegenstand in der mündlichen Verhandlung beschränkt hat, ist keine Kostenerstattung veranlasst.

[X.]

Meta

B 12 KR 16/20 R

13.12.2022

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Schleswig, 22. November 2016, Az: S 11 KR 20/14, Urteil

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 7a Abs 4 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2022, Az. B 12 KR 16/20 R (REWIS RS 2022, 8801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8801

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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