Bundessozialgericht, Urteil vom 01.02.2022, Az. B 12 R 20/19 R

12. Senat | REWIS RS 2022, 1600

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH - Einrichtung eines Aufsichtsrats - Zustimmungserfordernis - Rechtsmacht - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit


Leitsatz

1. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats und die damit einhergehende Übertragung der Überwachung der Geschäftsführung einer GmbH führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers aufgrund seiner Gesellschafterstellung.

2. Dasselbe gilt bei einem Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats zu Maßnahmen des Geschäftsführers.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 25. Oktober 2019 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob die Kläger in ihrer jeweiligen Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der zu [X.] (im Folgenden: Beigeladene) aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlagen.

2

Die klagenden Geschäftsführer der [X.] hielten zunächst je ein Fünftel und halten seit 1.1.2016 je ein Drittel der Gesellschaftsanteile. Ihnen ist nach § 7 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit (iVm) § 8 Abs 1 Satz 1 und § 9 Abs 1 Satz 1 des Gesellschaftervertrags ([X.]) jeweils ein Sonderrecht zur einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführung eingeräumt. [X.] werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst (§ 16 Abs 2 [X.]). Die Beigeladene hat nach § 11 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 [X.] einen aus einem Mitglied bestehenden Aufsichtsrat, der durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter bestellt wird und mit einer 4/5-Mehrheit jederzeit abberufen werden kann. Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung und ist [X.] berechtigt - mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer 4/5-Mehrheit -, eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer ([X.]) festzulegen; diese regelt diejenigen Handlungen, Maßnahmen und Rechtsgeschäfte, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen (§ 12 Satz 1 bis 4 [X.]). Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat befugt, die Geschäftsführer oder einzelne von ihnen durch Beschluss oder Vereinbarungen im Anstellungsvertrag von der gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit zu befreien und eine dem Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) entsprechende Position des oder der Geschäftsführer zu regeln (§ 8 Abs 3 [X.]).

3

Der Aufsichtsrat der Beigeladenen schloss mit den Klägern zum [X.] jeweils gleichlautende Geschäftsführer-Dienstverträge ([X.]), wonach sie "frei von [X.]" handeln. Die von ihm erlassene [X.] sieht für jeweils aufgelistete Angelegenheiten vor, dass die Geschäftsführung in ihrer Gesamtheit entscheidet (§ 3 Abs 6 [X.]) und es der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (§ 5 Abs 1 [X.]).

4

Auf die Statusfeststellungsanträge der Kläger stellte die beklagte [X.] ([X.]) [X.] gegenüber der Beigeladenen und den Klägern fest, dass deren Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer seit dem [X.] im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheide vom 14. und 15.7.2016; Widerspruchsbescheide vom 7., 14. und 30.11.2016).

5

Nach Verbindung der von den Klägern erhobenen Klagen hat das [X.] die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass in den Zweigen der Sozialversicherung keine Versicherungspflicht bestehe (Urteil vom [X.]). Das [X.] hat dieses Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung von [X.] und [X.] hätten die Kläger nicht über eine Sperrminorität verfügt. Auch könne den Regelungen des [X.] iVm mit dem jeweiligen [X.] keine gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht der Kläger entnommen werden, unliebsame Weisungen an sich und insbesondere ihre Abberufung als Geschäftsführer zu verhindern. Zwar sei ihnen eine umfassende Unabhängigkeit von Weisungen der Gesellschafter eingeräumt. Allerdings sehe weder der [X.] noch der [X.] eine Sperrminorität der Kläger hinsichtlich ihrer Abberufung als Geschäftsführer vor. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats habe lediglich zum Ausschluss direkter Weisungen durch die Gesellschafterversammlung geführt. Durch die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung des Aufsichtsrates mit einer 4/5-Mehrheit habe sich die Beigeladene die Kontrolle des Aufsichtsrats vorbehalten (Urteil vom 25.10.2019).

6

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 7, 7a [X.], § 1 Satz 1 [X.] und § 25 Abs 1 SGB III. Das ihnen eingeräumte Sonderrecht auf Geschäftsführung habe eine noch stärkere Wirkung als eine Sperrminorität und verhindere ihre Abberufung. Die Möglichkeit, aus wichtigem Grund die [X.] eines Geschäftsführers aufzuheben, führe nicht zu einer die abhängige Beschäftigung begründenden Weisungsgebundenheit. Auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität oder Mehrheitsanteilen könne aus wichtigem Grund aus seiner Geschäftsführerposition durch Stimmrechtsausschluss abberufen werden. Zudem sei der Entzug der [X.] aus wichtigem Grund nur bei groben Verstößen und nur durch den Aufsichtsrat möglich. Selbst bei dessen Abberufung, die nur durch einstimmigen Beschluss herbeigeführt werden könne, verbleibe ihnen eine umfassende Unabhängigkeit von Weisungen der Gesellschaft. Die Gesellschafterversammlung könne daher weder direkt noch indirekt dem einzelnen Geschäftsführer Weisungen erteilen. [X.] seien sie gegenüber einem [X.] sogar besser oder mit diesem zumindest gleichgestellt. Schon wegen ihrer Einlage von je 15 000 Euro bestehe ein unternehmerisches Risiko. Auch wegen der ausgeschlossenen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, der Anrechnung des Unterhalts des Dienstwagens auf die Tantieme und fehlender Regelungen zu Ort, Zeit sowie Umfang der Dienstpflicht sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Oktober 2019 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. März 2018 zurückzuweisen, soweit die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung betroffen ist.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die das Rentenkonto des [X.] zu 1. führende [X.] Bayern Süd hat auf die Benachrichtigung des Senats keinen Antrag auf Beiladung gestellt (§ 75 Abs 2b, § 141 Abs 1 [X.] SGG).

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat zu Recht das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

Die Bescheide vom 14. und [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7., 14. und 30.11.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat gemäß § 7a [X.]B IV (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.11.2009, [X.], und des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des [X.], [X.]) zutreffend die Versicherungspflicht der Kläger in ihrer Tätigkeit als [X.]er-Geschäftsführer der [X.] in der [X.] (§ 1 Satz 1 Nr 1 [X.]B VI idF des [X.] vom [X.], [X.] 926) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 Satz 1 [X.]B III) festgestellt. Eine die Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht nach den vom [X.] entwickelten Maßstäben (dazu 1.) verlieh ihnen weder ihre Beteiligung von zunächst je einem Fünftel und später je einem Drittel der Anteile an der [X.] (dazu 2.) noch ihr Sonderrecht auf Geschäftsführung (dazu 3.), die Einrichtung eines Aufsichtsrats (dazu 4.), der Verzicht auf [X.] (dazu 5.), die auf wichtige Gründe beschränkte Abberufbarkeit (dazu 6.) oder die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu bestimmten Maßnahmen der Geschäftsführung (dazu 7.). Auch sonstige Regelungen in den [X.] stehen der abhängigen Beschäftigung nicht entgegen (dazu 8.). Schließlich sind die Kläger nicht gemäß § 1 Satz 3 [X.]B VI (idF des [X.] zur Änderung des [X.]B VI und anderer Gesetze vom 27.12.2003, [X.] 3013) oder § 27 Abs 1 [X.] [X.]B III versicherungsfrei (dazu 9.).

1. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, [X.]) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die hierzu für die Statusbeurteilung vom [X.] entwickelten [X.] (vgl B[X.] Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - B[X.]E 128, 191 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 14 f ) gelten grundsätzlich auch für die Geschäftsführer einer GmbH (stRspr; vgl zuletzt B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen; B[X.] Urteil vom [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 18/18 R - juris RdNr 14; B[X.] Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] KR 30/19 R - B[X.]E 130, 123 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 16).

Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als [X.]er am Kapital der [X.] beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die [X.] das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit (zu den ähnlichen Kriterien des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs [X.] Urteil vom 11.11.2010 - [X.]/09 - Slg 2010, [X.] - juris; [X.] Urteil vom 9.7.2015 - [X.]/14 - NJW 2015, 2481 [X.]; [X.] Urteil vom 10.9.2015 - [X.]/14 - [X.], [X.], 8 - juris Rd[X.], 47 (Holterman Ferho); [X.] Urteil vom [X.] - II ZR 244/17 - [X.]Z 221, 325 RdNr 20 ff, 32). Ein [X.]er-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine [X.]erstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die [X.]erversammlung die Geschicke der [X.] bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem [X.]er gegeben, der [X.] der Anteile am Stammkapital hält. Minderheitsgeschäftsführer wie die Kläger sind grundsätzlich abhängig beschäftigt. Sie sind ausnahmsweise nur dann als Selbstständige anzusehen, wenn ihnen nach dem [X.]svertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Der selbstständig tätige [X.]er-Geschäftsführer muss in der Lage sein, einen maßgeblichen Einfluss auf alle [X.]erbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit ist der [X.] nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in [X.] (§ 37 GmbHG), funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Deshalb ist eine "unechte", nur auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (stRspr; vgl zuletzt B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen; B[X.] Urteile vom 8.7.2020 - B 12 R 26/18 R - B[X.]E 130, 282 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 13, und - B 12 R 4/19 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 14, jeweils mwN).

2. Solche Einfluss- und Mitbestimmungsmöglichkeiten hatten die Kläger in der [X.] nicht. Die Kläger waren mit einer Kapitalbeteiligung von [X.] und später von einem Drittel keine Mehrheitsgesellschafter. Sie verfügten nach dem [X.] auch nicht über eine umfassende, dh die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität. Die Tätigkeit eines Geschäftsführers ist nur dann unternehmerisch, wenn er auf alle wesentlichen Grundlagenentscheidungen Einfluss nehmen kann. Jeder einzelne [X.]er-Geschäftsführer muss daher Gewinnchancen und Unternehmensrisiken der GmbH mitbestimmen und damit auf die gesamte Unternehmenstätigkeit einwirken können. Dazu gehört insbesondere die dem Unternehmenszweck Rechnung tragende Bilanz-, Finanz-, Wirtschafts- sowie Personalpolitik. Daher reicht es für die erforderliche Rechtsmacht nicht aus, wenn eine Sperrminorität nur für bestimmte, im Einzelnen im [X.]svertrag aufgeführte Angelegenheiten besteht, auch wenn diese (fast) die gesamte Unternehmenstätigkeit ausmachen sollten. Dem bei der [X.] zu beachtenden Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (stRspr; vgl zB B[X.] Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 24) kann nur Rechnung getragen werden, wenn klar erkennbar ist, dass dem [X.]er-Geschäftsführer bei allen Beschlüssen der [X.]erversammlung eine Sperrminorität eingeräumt ist (B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen).

Daran fehlt es hier. In der [X.]erversammlung der Beigeladenen bedurften Beschlüsse grundsätzlich der einfachen Mehrheit. Nur in den gesetzlich bestimmten Angelegenheiten (§ 16 Abs 2 [X.]), bei der Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats (§ 11 Abs 2 [X.]) sowie bei der Zustimmung zur [X.] (§ 12 Satz 3 [X.]) sieht der [X.] qualifizierte Mehrheiten vor, die es jedem der Kläger im Sinne einer Sperrminorität erlaubten, die Beschlussfassung zu verhindern. Eine umfassende Sperrminorität ergibt sich auch nicht aus der [X.]. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Geschäftsordnung geeignet ist, eine sozialversicherungsrechtlich relevante umfassende Sperrminorität zu begründen. § 3 Abs 6 [X.], wonach die Geschäftsführung in einzelnen aufgelisteten Angelegenheiten in ihrer Gesamtheit entscheidet, betrifft jedenfalls nicht die Beschlussfassung in der [X.]erversammlung.

3. Das in § 7 Abs 2 [X.] eingeräumte Sonderrecht ändert die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht. Es räumte den Klägern weder eine umfassende Sperrminorität noch eine damit vergleichbare oder sogar ihr gegenüber verbesserte Rechtsposition ein (dazu a). Dem steht nicht eine mit dem Sonderrecht evtl einhergehende Weisungsfreiheit in der gewöhnlichen Geschäftsführung entgegen (dazu b).

a) Den Klägern ist durch § 7 Abs 2 Satz 1 iVm § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] für die Dauer ihrer jeweiligen Beteiligung an der Beigeladenen jeweils das Sonderrecht auf (Einzel)Geschäftsführung eingeräumt worden. Der Entzug dieses Rechts bedurfte als Änderung des [X.] einer Dreiviertel-Mehrheit in der [X.]erversammlung (§ 16 Abs 2 [X.], § 53 Abs 2 GmbHG) und damit zumindest seit 1.1.2016 der Zustimmung jedes Klägers. Das Sonderrecht räumt jedem Kläger zwar eine gegenüber anderen [X.]n herausgehobene Rechtsposition ein, weil seine Bestellung als Geschäftsführer - abweichend vom Grundsatz des § 38 Abs 1 GmbHG - nicht jederzeit widerruflich ist (vgl [X.] Urteil vom 10.10.1988 - [X.] - juris RdNr 9; [X.] Urteil vom 4.11.1968 - [X.]/67 - juris RdNr 17; RG Urteil vom 21.10.1899 - [X.]/99 - [X.], 95, 99; vgl [X.] in [X.][X.] GmbH-Gesetz, 20. Aufl 2020, § 38 RdNr 35 mwN). Allein diese aus dem Sonderrecht resultierende Stellung gewährt ihnen jedoch noch keine ausreichende Sperrminorität. Die Möglichkeit, die eigene jederzeitige Abberufung zu verhindern, ist in der Regel eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für das Vorliegen einer beachtlichen Sperrminorität (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - juris RdNr 39). Die durch eine Sperrminorität eingeräumte Möglichkeit der Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten in der [X.]erversammlung verschafft das Sonderrecht den Klägern nicht (B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der nach § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] mit dem Sonderrecht verknüpften Befugnis zur "Einzelgeschäftsführung". Diese Regelung betrifft allein die Geschäftsführung, wirkt sich aber nicht auf die Rechtsmacht als [X.]er aus.

b) Es kommt nicht darauf an, ob das Sonderrecht - wie in der gesellschaftsrechtlichen Literatur vertreten wird - den Geschäftsführer regelmäßig von Weisungen, insbesondere bei der gewöhnlichen Geschäftsführung, freistellt (vgl [X.]/[X.] in [X.], GmbHG, 12. Aufl 2018, § 37 RdNr 104; [X.]/[X.] in [X.], 3. Aufl 2019, § 37 RdNr 116 mwN). Auch kann offenbleiben, ob das hier im [X.] eingeräumte Sonderrecht eine weisungsfreie Geschäftsführertätigkeit schon deshalb grundsätzlich nicht erlaubt, weil der Aufsichtsrat in § 8 Abs 3 [X.] ausdrücklich ermächtigt wird, die Geschäftsführer von der "gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit" zu befreien. Geschäftsführer einer GmbH unterliegen nach § 37 Abs 1, § 46 [X.] und 6 GmbHG grundsätzlich zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit der nur durch entsprechende Satzungsregelungen einschränkbaren (§ 45 Abs 1 GmbHG) Weisungsbefugnis der [X.]erversammlung der GmbH. Eine solche Einschränkung aufgrund eines von Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung befreienden [X.] entspricht lediglich einer "unechten", nur auf bestimmte Gegenstände begrenzten Sperrminorität, die zur Annahme einer die abhängige Beschäftigung ausschließenden Rechtsmacht nicht ausreicht.

Zwar ist in der [X.]srechtsprechung darauf hingewiesen worden, dass ein selbstständiger [X.]er-Geschäftsführer "zumindest" ihm nicht genehme Weisungen der [X.]erversammlung verhindern können müsse (vgl zB B[X.] Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 5/16 R - juris RdNr 16 f). Mit dieser Formulierung ist die erforderliche Rechtsmacht aber weder auf die ablehnende Haltung des [X.]s nur gegenüber Weisungsbeschlüssen der [X.]erversammlung reduziert noch auf dessen gewöhnliche Geschäftsführung eingeengt worden. Als wesentliches Betätigungsfeld des Geschäftsführers muss die gewöhnliche Geschäftsführung zwar von der Sperrminorität "insbesondere" (vgl zur Formulierung B[X.] Urteil vom [X.] - B[X.]E 38, 53, 58 = [X.] 4600 § 56 [X.] f = juris RdNr 17 f) im Sinn von "jedenfalls" umfasst sein, um eine abhängige Beschäftigung auszuschließen. Allein die Rechtsmacht, in der [X.]erversammlung Einfluss auf die gewöhnliche Geschäftsführung nehmen (oder diesen verhindern) zu können, reicht noch nicht, um die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen mitzubestimmen. Selbstständigkeit erfordert eine sich schon formal auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Sperrminorität.

4. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats und die damit einhergehende Überwachung der Geschäftsführung führte nicht zu einem Mehr, sondern zu einem Weniger an Rechtsmacht aufgrund der [X.]erstellung. Dadurch hatte nicht (mehr) die [X.]erversammlung, sondern nur der Aufsichtsrat, der selbst nicht [X.]er ist, die Möglichkeit, auf die Tätigkeit der Geschäftsführung unmittelbar Einfluss zu nehmen. Gleichwohl war die [X.]erversammlung nicht gehindert, einem Geschäftsführer nicht genehme Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zu fassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsmacht auch mittelbar durch Einflussnahme auf den Aufsichtsrat als zusätzliches Organ der Beigeladenen herbeigeführt werden könnte. Über eine maßgebliche Einflussmöglichkeit hat jedenfalls keiner der klagenden Geschäftsführer verfügt. Sowohl die Abberufung des Aufsichtsrats als auch eine Änderung der [X.] hätte der 4/5-Mehrheit bedurft.

5. Der durch den Aufsichtsrat erklärte Verzicht auf [X.] rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Formulierung in den Geschäftsführer-Dienstverträgen, dass die Geschäftsführer ausschließlich dem Wohle der [X.] verpflichtet seien und "insoweit frei von [X.]" handelten, lässt schon nicht erkennen, ob Weisungen einzelner [X.]er oder der [X.]erversammlung gemeint sind. Damit ist nicht dem Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände genügt (vgl zB B[X.] Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 24; B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen). Zudem würde auch eine Freiheit von Weisungen der [X.]erversammlung nicht ohne Weiteres zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit führen. Allein damit ist den Klägern noch keine umfassende Einflussmöglichkeit auf Beschlüsse der [X.]erversammlung und deren unternehmerische Entscheidungen eingeräumt. Auch insofern kann daher dahingestellt bleiben, welche Relevanz der Einrichtung eines "dazwischengeschalteten" Aufsichtsrats zukommt.

6. Die in § 7 Abs 2 Satz 3 [X.] auf wichtige Gründe beschränkte Abberufbarkeit der Kläger als Geschäftsführer führt ebenfalls nicht zu einer sozialversicherungsrechtlich relevanten Rechtsmacht. Dabei kann dahinstehen, ob bei deren Abberufung aus wichtigem Grund (§ 38 Abs 2 GmbHG) wegen des durch die Satzung eingeräumten [X.] besondere formelle Voraussetzungen zu beachten sind (so [X.] Urteil vom 10.11.1999 - 12 U 813/99 - juris; [X.], GmbHR 2017, 801, 807). Jedenfalls vermag das Sonderrecht eine Abberufung aus wichtigem Grund im Fall einer groben Pflichtverletzung - wie bei vorsätzlicher Missachtung von [X.]erbeschlüssen (vgl Beispiele bei [X.] in [X.], GmbHG, 10 Aufl 2021, § 38 RdNr 38) oder Anweisungen durch den Aufsichtsrat - letztlich nicht zu verhindern (vgl [X.] Urteil vom 30.11.1961 - [X.] - juris RdNr 23). Der Geschäftsführer darf bei Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes nicht in eigener Sache mitabstimmen (vgl B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen; B[X.] Urteil vom 8.7.2020 - B 12 R 26/18 R - B[X.]E 130, 282 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 22; OLG Düsseldorf Beschluss vom 9.6.1999 - 16 W 17/99 - juris).

Die "Gefahr" der außerordentlichen Abberufung als Geschäftsführer betrifft zwar alle Geschäftsführer, da es sich bei § 38 Abs 2 GmbHG um zwingendes, nicht disponibles Recht handelt. Der auf wichtige Gründe beschränkte Widerruf der Geschäftsführerbestellung ist daher allein nicht geeignet, die sich aus einer Kapitalbeteiligung oder umfassenden Sperrminorität ergebende Rechtsmacht in Frage zu stellen (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 18/18 R - juris RdNr 23). Die nur außerordentliche Kündbarkeit vermag aber bei einem aufgrund der Mehrheitsverhältnisse weisungsgebundenen Geschäftsführer die erforderliche Rechtsmacht andersherum auch nicht erst zu begründen, und zwar auch dann nicht, wenn sein weisungswidriges Verhalten im Übrigen "sanktionslos" bleibt (B[X.] Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen).

7. Schließlich führt die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats nach § 5 Abs 1 [X.] zu bestimmten Maßnahmen eines jeden Geschäftsführers nicht zu einer die Selbstständigkeit begründenden Rechtsmacht der beiden anderen Geschäftsführer. Unabhängig davon, ob eine Regelung (nur) in der [X.] überhaupt geeignet ist, eine mit der qualifizierten Sperrminorität vergleichbare Rechtsmacht zu begründen, vermag sich das lediglich dem Aufsichtsrat eingeräumte [X.] auch nur auf dessen Rechtsmacht auszuwirken. Eine Erweiterung der Rechtsmacht der Kläger im Sinn einer größeren unternehmerischen Freiheit ist damit nicht verbunden.

8. Der [X.] lässt offen, ob es im Rahmen der [X.] von [X.]er-Geschäftsführern, die mangels hinreichender Kapitalbeteiligung und Sperrminorität nicht über eine die abhängige Beschäftigung ausschließende, gesellschaftsrechtlich eingeräumte Rechtsmacht als das wesentliche Abgrenzungsmerkmal verfügen, noch auf die in einem Geschäftsführervertrag vereinbarten Arbeitsmodalitäten und den Gesichtspunkt des [X.] ankommen kann. Die von den Klägern geltend gemachten Verlust- und Haftungsrisiken sowie die vertragliche Ausgestaltung der jeweiligen Geschäftsführertätigkeit rechtfertigen es jedenfalls nicht, von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, die weder durch eine Weisungsgebundenheit noch eine Eingliederung gekennzeichnet ist.

9. Die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit gemäß § 1 Satz 3 [X.]B VI oder § 27 Abs 1 [X.] [X.]B III für Mitglieder des [X.] liegen nicht vor. Die Kläger sind als Geschäftsführer einer GmbH nicht mit Vorstandsmitgliedern einer AG gleichzusetzen. Dass der Aufsichtsrat von der Ermächtigung des § 8 Abs 3 [X.], "eine dem Vorstand einer Aktiengesellschaft entsprechende Position des oder der Geschäftsführer" zu regeln, Gebrauch gemacht hätte, ist weder vom [X.] festgestellt noch von den Klägern behauptet worden. Der [X.] kann deshalb dahinstehen lassen, ob eine solche Regelung die Versicherungsfreiheit nach § 1 Satz 3 [X.]B VI und § 27 Abs 1 [X.] [X.]B III begründen könnte.

10. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 12 R 20/19 R

01.02.2022

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Mannheim, 2. März 2018, Az: S 11 R 3713/16, Urteil

§ 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 7 Abs 1 SGB 4, § 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 37 Abs 1 GmbHG, § 38 Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 5 GmbHG, § 46 Nr 6 GmbHG, § 52 GmbHG, § 53 Abs 2 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 01.02.2022, Az. B 12 R 20/19 R (REWIS RS 2022, 1600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1600

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