Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2021, Az. B 12 R 8/19 R

12. Senat | REWIS RS 2021, 4529

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Betriebsprüfung - Beitragsnachforderung - mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH ohne Geschäftsführerbestellung - Anstellungsvertrag - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für jeden Rechtszug auf 57 908,40 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von (iHv) 57 908,40 Euro für die Tätigkeit des zu 1. beigeladenen Gesellschafters als kaufmännischer Angestellter der klagenden GmbH (im Folgenden: [X.]) in der [X.] vom [X.] bis zum 31.12.2015 sowie dessen Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung bis zum 20.11.2016.

2

Der Beigeladene ist zur Hälfte am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Ihm hatte der weitere und zum alleinigen Geschäftsführer bestellte Gesellschafter eine "Generalhandlungsvollmacht" in Bezug auf "branchenübliche Geschäfte" erteilt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen der einfachen Mehrheit, bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. Der Gesellschaftsvertrag vom 21.3.2012 ([X.]) sieht außerdem vor, dass die Geschäftsführung für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf und insoweit eine Geschäftsordnung beschlossen werden kann (§ 6 Abs 3 und 4 [X.]). Die nicht notariell beurkundete Geschäftsordnung vom 21.12.2012 ([X.]) ordnet die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu allen Maßnahmen an, die in ungewöhnlichem Ausmaß in den Vermögensstand, die Organisation oder den Charakter der GmbH eingreifen; sie legt [X.] den Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit Gesellschaftern sowie die Wahrnehmung hieraus resultierender Rechte und Pflichten, insbesondere etwaiger Weisungsrechte aus Anstellungs- oder Dienstverträgen als Aufgabe der Gesellschafterversammlung und zustimmungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahmen fest (Abschn 1 Satz 1 und 3 [X.], Abschn 2 Satz 1 und 2 Nr 8 [X.]). Verstöße gegen die [X.] bilden nach dem ihr zugrunde liegenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 21.12.2012 einen wichtigen Grund, das Geschäftsführungsverhältnis außerordentlich zu beenden.

3

Der Beigeladene wurde zum [X.] durch "Anstellungsvertrag" als kaufmännischer Angestellter der Klägerin eingestellt und durch Beschluss vom 21.11.2016 zum (weiteren) Geschäftsführer bestellt. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte [X.] die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung für die [X.] vom [X.] bis zum 20.11.2016 aufgrund Beschäftigung fest; zudem forderte sie von der Klägerin Beiträge und Umlagen [X.] 908,40 Euro für den [X.] 2012 bis 2015 nach (Betriebsprüfungsbescheid vom 15.12.2016, Widerspruchsbescheid vom 1.8.2017, Änderungsbescheid vom 5.12.2018).

4

Das [X.] hat den Betriebsprüfungsbescheid aufgehoben (Urteil vom 7.6.2018). Das [X.] hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Der Beigeladene sei gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen. Ein mitarbeitender Gesellschafter ohne [X.] unterliege grundsätzlich der Dienstaufsicht und dem Weisungsrecht des Geschäftsführers gegenüber Angestellten als Teil der laufenden Geschäftsführung. Nur eine im [X.] selbst unmittelbar angelegte Regelung sei in der Lage, eine die Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht zu gewährleisten. Der [X.] sehe aber eine generelle Zustimmung der Gesellschafter nicht vor. Auch nach der [X.] seien nur Geschäfte mit hinreichender Relevanz für die Gesellschaft zustimmungsbedürftig. Ihr lasse sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit ein Vorbehalt für jegliche Weisungen der Geschäftsführung entnehmen. Ebenso wenig vermittle die Generalhandlungsvollmacht eine sozialversicherungsrechtlich relevante Rechtsmachtverschiebung (Urteil vom 5.12.2018).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §§ 2, 7, 7a, 28d und 28e SGB IV sowie der §§ 37 Abs 1, 38, 45 und 46 GmbHG. Das [X.] habe entgegen den Vorschriften des GmbHG die [X.] zu Unrecht als unbeachtlich angesehen und teleologisch reduziert. Sie ändere nicht die Stimmverteilung, sondern beschränke die [X.]. Mit der Forderung, die Zustimmungspflicht müsse sich aus dem [X.] ergeben, werde unzulässig ein Formerfordernis begründet. Das [X.] habe die Grenzen zulässiger Vertragsauslegung überschritten, wenn es annehme, dass nach der [X.] nur Angelegenheiten mit einer hinreichenden Relevanz für die Gesellschaft zustimmungspflichtig seien. Vielmehr sei mit der [X.] bezweckt worden, alle aus der Sicht der Gesellschafter maßgeblichen Geschäftsführerhandlungen einem Zustimmungserfordernis zu unterwerfen. Schließlich habe das [X.] die Bedeutung der Generalhandlungsvollmacht verkannt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2018 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Juni 2018 zurückzuweisen und den Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2018 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,
 die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Betriebsprüfungsbescheid vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.8.2017 und in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erlassenen Änderungsbescheids vom 5.12.2018 (vgl § 153 Abs 1, § 96 [X.]G; B[X.] Urteil vom 28.9.2011 - [X.] R 17/09 R - juris RdNr 13) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragsforderung ist § 28p Abs 1 Satz 1 und 5 [X.]B IV in der Fassung (idF) der Bekanntmachung vom 12.11.2009 ([X.]). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem [X.]B IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a [X.]B IV) mindestens alle [X.] (Satz 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz ([X.]) stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) gleich (B[X.] Urteil vom [X.] [X.] R 9/18 R - B[X.]E 129, 247 = [X.]-2500 § 223 [X.], RdNr 12). Ausgehend von den zu § 7 [X.]B IV geltenden Maßstäben (dazu 1.) unterlag der Beigeladene in seiner Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter der Klägerin aufgrund Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt der Versicherungspflicht in den hier streitigen Zweigen der Sozialversicherung (dazu 2.). Dem steht nicht die [X.] (dazu 3.) oder die Generalhandlungsvollmacht (dazu 4.) entgegen. Die Beklagte hat deshalb zu Recht die geforderten Beiträge festgesetzt (dazu 5.).

1. Im streitigen [X.]raum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der [X.], gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs 1 Nr 1 [X.]B V; § 1 Satz 1 Nr 1 [X.]B VI und § 20 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1 [X.]B XI, jeweils idF des [X.] vom [X.], [X.] 926, sowie § 25 Abs 1 Satz 1 [X.]B III). Nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem [X.], Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] R 15/19 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

Diese [X.] gelten grundsätzlich sowohl für die Geschäftsführer einer GmbH (vgl zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] R 18/18 R - juris RdNr 14 f; B[X.] Urteil vom 8.7.2020 - [X.] R 2/19 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 13 f) als auch für in einer GmbH angestellte [X.]er (B[X.] Urteil vom [X.] KR 30/19 R - B[X.]E 130, 123 = [X.]-2400 § 7 [X.], Rd[X.]0 ff mwN). Allerdings ist ein GmbH-[X.]er, der in der [X.] angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, regelmäßig abhängig beschäftigt. Er besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen [X.]errechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der [X.] aufzuheben. Das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliegt - sofern im [X.]svertrag nichts anderes vereinbart ist - nicht der [X.]erversammlung, sondern ist Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung. Erst wenn [X.]er kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztlich auch die Leitungsmacht gegenüber der Geschäftsführung haben, unterliegen sie nicht mehr deren Weisungsrecht (stRspr; B[X.] Urteil vom [X.] KR 30/19 R - B[X.]E 130, 123 = [X.]-2400 § 7 [X.], Rd[X.]2 mwN).

2. Nach diesen Maßstäben war der Beigeladene bei der Klägerin beschäftigt. Zum einen ist der seiner Tätigkeit zugrunde liegende "Anstellungsvertrag" durch typische Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses geprägt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) war eine "Vollzeitbeschäftigung mit 40 Wochenstunden" und festgelegten Arbeitszeiten, ein festes Monatsgehalt und ein Jahresurlaub von 24 Tagen vereinbart. Darüber hinaus waren dem Beigeladenen Reisekosten zu erstatten. In Ausübung seiner Tätigkeit war er in die betriebliche Organisation der Klägerin eingegliedert. Ein wesentliches unternehmerisches Risiko, dem entsprechende unternehmerische Freiheiten gegenüberstanden, lag nicht vor. Er setzte angesichts des festen Monatsgehalts seine Arbeitskraft auch nicht mit der Gefahr des Verlusts ein.

Zum anderen versetzte die Stellung als [X.]er der klagenden GmbH den Beigeladenen nicht in die Lage, in seiner Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall zu verhindern. Trotz seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital war er rechtlich an die Weisungen des bis zum 20.11.2016 allein bestellten Geschäftsführers gebunden. Allein dieser führte zunächst die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der [X.] gehörte. Der [X.]svertrag der klagenden GmbH sieht weder eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung (vgl § 37 GmbHG) noch ihres Weisungsrechts gegenüber Angestellten der [X.] vor. Insbesondere ist der [X.]erversammlung im [X.]svertrag nicht das Weisungsrecht gegenüber dem Beigeladenen im Allgemeinen oder für bestimmte Einzelfälle vorbehalten (B[X.] Urteil vom [X.] KR 30/19 R - B[X.]E 130, 123 = [X.]-2400 § 7 [X.], Rd[X.]3 mwN). Er war damit weder in der Lage, diese Zuständigkeitsverteilung zu ändern, noch konnte er im Einzelfall eine Weisung des Geschäftsführers an sich verhindern. Wegen der für einen Beschluss der [X.]erversammlung notwendigen Mehrheit der Stimmen aller [X.]er konnte er keinen, eine Weisung abwendenden Beschluss der [X.]erversammlung herbeiführen. Bei gegensätzlicher Stimmabgabe führte sein Stimmrecht zur Stimmengleichheit und damit zur Ablehnung des Antrags (§ 7 [X.]). Allein die bloße Möglichkeit, einen [X.]erbeschluss zu verhindern, schließt die Dienstaufsicht der Geschäftsführung über die Angestellten nicht aus.

3. Auch die [X.] vom 21.12.2012 hat die rechtliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen nicht entfallen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Regelungen außerhalb des [X.]svertrags nicht geeignet, die gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht in sozialversicherungsrechtlich relevanter Art zu verändern. Das gilt für Stimmbindungsvereinbarungen (B[X.] Urteil vom [X.] R 17/18 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 22) ebenso wie für im Geschäftsführervertrag vereinbarte Vetorechte (B[X.] Urteil vom 11.11.2015 - [X.] KR 10/14 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 26), (notarielle) Treuhandvereinbarungen (B[X.] Urteil vom [X.] [X.] KR 9/18 R - B[X.]E 129, 254 = [X.]-2500 § 7 [X.], RdNr 17 ff; B[X.] Urteile vom [X.] KR 30/19 R - B[X.]E 130, 123 = [X.]-2400 § 7 [X.], RdNr 18 ff, - [X.] R 5/18 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 16 ff und - [X.] R 11/19 R - juris RdNr 17 ff), die Ausübung von [X.] in Tochtergesellschaften (B[X.] Urteile vom 8.7.2020 - [X.] R 26/18 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 16, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen, - [X.] R 4/19 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 19, - [X.] R 1/19 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 23, - [X.] R 2/19 R - [X.]-2400 § 7 [X.] RdNr 20 und - [X.] R 6/19 R - juris RdNr 16) und [X.]erbeschlüsse herrschender Unternehmen (Urteil vom [X.] - [X.] R 18/18 R - juris RdNr 21 ff). Die [X.] könnte daher allenfalls dann geeignet sein, die [X.] in der GmbH in sozialversicherungsrechtlich relevanter Weise zu verschieben, wenn sie die Voraussetzungen einer Änderung des [X.] erfüllt oder zumindest bereits im [X.] getroffene Regelungen zu den Weisungsbefugnissen konkretisiert. Beides ist hier nicht der Fall.

Dabei kann offenbleiben, ob mit der [X.] die Befugnisse des Geschäftsführers zur laufenden Geschäftsführung zugunsten der [X.]erversammlung eingeschränkt und dadurch der [X.] geändert werden sollte. Die Übertragung der [X.] der Geschäftsführung auf die [X.]erversammlung hätte einer notariell beurkundeten (§ 53 Abs 2 Satz 1 GmbHG idF des Beurkundungsgesetzes vom 28.8.1969, [X.] 1513) und ins Handelsregister eingetragenen 54 Abs 1 und 3 GmbHG idF des Gesetzes zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des [X.]srechts vom 15.8.1969, [X.] 1146) Änderung des [X.] (§ 45 Abs 1 GmbHG) bedurft (B[X.] vom [X.] - [X.] R 18/18 R - juris RdNr 22; [X.]/Schnüttgen, Die [X.]erversammlung der GmbH, 2013, [X.]; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 10. Aufl 2021, § 37 RdNr 14), an der es vorliegend fehlt. Dasselbe gilt für die von der Klägerin sinngemäß geltend gemachte allgemeine Weisung der [X.]erversammlung an den Geschäftsführer, dem Beigeladenen nur nach Zustimmung der [X.]erversammlung Weisungen zu erteilen (vgl B[X.] aaO). Soweit die [X.] den Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit [X.]ern sowie die Wahrnehmung der hieraus resultierenden Rechte und Pflichten, insbesondere auch etwaiger Weisungsrechte aus Anstellungs- und Dienstverträgen als Aufgabe der [X.]erversammlung und zustimmungsbedürftige [X.] bezeichnet, scheidet eine Konkretisierung des [X.] aus. Denn der [X.] sieht Regelungen zur Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführung und [X.]erversammlung durch die [X.] nicht vor.

Die [X.] konkretisiert zwar § 6 Abs 4 [X.], der zum Erlass einer die Geschäftsführung regelnden [X.] ermächtigt, hebt dadurch aber nicht die Weisungsgebundenheit des Beigeladenen gegenüber der Geschäftsführung auf. Das [X.] hat die Regelungen der [X.] zu den Aufgaben der [X.]erversammlung und den zustimmungsbedürftigen [X.]n ohne Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze und damit für den Senat bindend ausgelegt (§ 163 [X.]G; zur bindenden Auslegung von Willenserklärungen vgl B[X.] Urteil vom 29.10.2020 - B 3 KR 6/20 R - [X.]-2500 § 46 [X.] RdNr 16 mwN). Sie betrifft demnach nur Maßnahmen, die eine wesentliche Bedeutung für die [X.] haben. Davon werden nicht jegliche Weisungen der (gewöhnlichen) Geschäftsführung an den mitarbeitenden [X.]er erfasst, sondern nur solche, die in ungewöhnlichem Ausmaß in die Geschicke der [X.] eingreifen. Nur in dieser Auslegung ist die [X.] auch mit dem [X.] vereinbar und in diesem angelegt. Denn danach bedürfen die Geschäftsführer nur der Zustimmung zu Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der [X.] hinausgehen. Ein umfassendes Zustimmungserfordernis der [X.]erversammlung für jegliche Weisungen der Geschäftsführung an den beigeladenen [X.]er fehlt sowohl im [X.] als auch in der [X.]. Nur dadurch könnte aber der Beigeladene Weisungen der Geschäftsführung an sich kraft seiner [X.]erstellung verhindern. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob der die [X.] regelnde Beschluss der [X.]erversammlung vom 21.12.2012 einseitig durch den Beigeladenen hätte aufgehoben werden können. Dass nach diesem Beschluss ein Verstoß gegen die [X.] zur außerordentlichen Beendigung des [X.] berechtigt, ist ebenso irrelevant. Da die [X.] nur außergewöhnliche Maßnahmen erfasst, stellt es keinen Verstoß dar, wenn im Rahmen der laufenden branchenüblichen Geschäftsführung Weisungen erteilt werden.

4. Die dem Beigeladenen erteilte notariell beglaubigte Generalhandlungsvollmacht änderte die [X.] ebenfalls nicht. Sie berechtigte zwar zu allen branchenüblichen Geschäfts- und Rechtshandlungen und damit insoweit auch zur Verpflichtung der GmbH im Außenverhältnis, räumte dem Beigeladenen jedoch keine besondere Stellung im Hinblick auf das Weisungsrecht der Geschäftsführung ein. Zudem hätte die Vollmacht widerrufen werden (§ 168 Satz 2 BGB) und der Beigeladene dies kraft seiner [X.]erstellung nicht verhindern können.

5. Auch die Beitragsfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Arbeitgeber haben für versicherungspflichtig Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen (§ 28d Satz 1 und 2, § 28e Abs 1 Satz 1 [X.]B IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, [X.]). Der Beitragsbemessung liegt in der [X.], [X.], [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde (§ 162 Nr 1 [X.]B VI idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 754; § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.]B V; § 57 Abs 1 Satz 1 [X.]B XI idF des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, [X.] 378, und des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.12.2014, [X.] 2462; § 342 [X.]B III). Darüber hinaus haben die Arbeitgeber die Mittel zur Durchführung der [X.] und U2-Verfahren durch gesonderte Umlagen aufzubringen, die sich nach dem Entgelt richten, nach dem die Beiträge zur [X.] für die im Betrieb Beschäftigten bemessen werden 1 Abs 1 und 2 Satz 1 [X.]). Dass die Beklagte die Beiträge und Umlagen fehlerhaft berechnet hätte, ist weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

6. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 Vw[X.].

7. Der Streitwert ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 GKG in Höhe der streitigen Beitragsforderung festzusetzen und war nicht gemäß § 52 Abs 3 Satz 2 GKG anzuheben. Der Antrag der Klägerin hat nicht offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftig zu erlassende Beitragsbescheide. Die beanstandete Beitragspflicht für die [X.] vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2015 umfasst die - bis 20.11.2016 unverändert bestehende - Versicherungspflicht des Beigeladenen aufgrund seiner Beschäftigung. Ob und in welchem Umfang Beiträge für die [X.] vom 1.1.2016 bis 20.11.2016 zu zahlen sind, ist von weiteren Tatbestandsmerkmalen abhängig.

Meta

B 12 R 8/19 R

29.06.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Köln, 7. Juni 2018, Az: S 2 R 1226/17, Urteil

§ 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 342 SGB 3, § 7 Abs 1 S 2 SGB 4, § 28e Abs 1 SGB 4, § 28p Abs 1 S 1 SGB 4, § 28p Abs 1 S 5 SGB 4, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5, § 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 162 Nr 1 SGB 6, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 11, § 57 Abs 1 S 1 SGB 11, § 45 Abs 1 GmbHG, § 53 Abs 2 GmbHG, § 54 Abs 1 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2021, Az. B 12 R 8/19 R (REWIS RS 2021, 4529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4529

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