Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.01.2014, Az. 4 StR 528/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8362

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Gegenstand

Banküberfall mit Vor-und Nachbereitung: Tateinheit bei Herstellen und Gebrauchen einer unechten zusammengesetzten Urkunde; Konkurrenzverhältnis bei Handlungen vor tatsächlicher Beendigung einer räuberischen Erpressung; Verklammerung bei tateinheitlichem Zusammentreffen mehrerer Delikte mit einheitlicher Urkundenfälschung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. August 2013

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl, Urkundenfälschung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist,

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls zugleich mit Urkundenfälschung, wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Urkundenfälschung zugleich mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Maßregelentscheidung nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Die Revision des Angeklagten ist nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Zwar begehrt der Beschwerdeführer mit seinem ausdrücklich formulierten Revisionsantrag die Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich im Rechtsfolgenausspruch. Die Einzelausführungen zur Revisionsbegründung lassen jedoch erkennen, dass mit dem Rechtsmittel auch die dem Schuldspruch zugrunde liegende Beurteilung des materiell-rechtlichen [X.] angegriffen wird. Der nicht auflösbare Widerspruch zwischen ausdrücklichem Revisionsantrag und erkennbar verfolgtem Rechtsschutzziel hat zur Folge, dass die Revision im Wege der Auslegung mangels eines eindeutig zum Ausdruck gebrachten Beschränkungswillens als unbeschränkt zu behandeln ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Februar 1984 - 2 StR 725/83, bei [X.]/[X.], NStZ 1985, 13, 17; Urteil vom 10. April 1959 - 4 StR 56/59, [X.], 47; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 344 Rn. 10 [X.]).

3

2. Die Annahme mehrerer selbständiger, real konkurrierender Taten durch die [X.] hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte spätestens am Tag seiner Entlassung aus dem Strafvollzug dazu, einen Banküberfall zu begehen. Zur Verwirklichung seines Tatvorhabens entwendete er die amtlichen Kennzeichen eines geparkten Pkws und brachte diese an seinem nicht zugelassenen Fahrzeug an. Mit dem so präparierten Fahrzeug fuhr der Angeklagte zur Filiale der [X.] , wo er unter Vorhalt einer nicht ausschließbar ungeladenen [X.] die Übergabe von Bargeld in Höhe von 800 € erzwang. Anschließend verließ er die Bankfiliale, stieg in sein unmittelbar vor dem Gebäude abgestelltes Fahrzeug und flüchtete vom [X.]. Als er im Zuge der eingeleiteten Fahndung von der Besatzung eines Polizeifahrzeugs auf der [X.] gesichtet wurde, setzte er, um sich der Verfolgung durch die Polizei zu entziehen, seine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fort, bis er auf der [X.] im Bereich einer unübersichtlichen Baustelle auf Grund stark überhöhter Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geriet und frontal mit der Zugmaschine eines Sattelzugs kollidierte. Infolge des Unfalls erlitt der Angeklagte lebensgefährliche Verbrennungen, die dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen und Entstellungen zur Folge haben.

5

b) In der Nutzung des mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr, durch die den anderen Verkehrsteilnehmern die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglicht wurde (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1988 - 2 StR 613/88, [X.]St 36, 64, 65), liegt ein einheitliches Gebrauchmachen von einer unechten zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 1962 - 4 StR 266/62, [X.]St 18, 66, 71; [X.], 369, 370), das nicht nur die Fahrten zu und von der Bankfiliale, sondern auch das kurzzeitige Abstellen des Fahrzeugs vor dem Bankgebäude umfasste. Da diese Nutzung des Fahrzeugs dem vom Angeklagten bereits beim Anbringen der falschen Kennzeichen verfolgten Tatvorhaben entsprach, bilden das durch das Anbringen der Kennzeichen verwirklichte Herstellen der unechten Urkunde und deren nachfolgender Gebrauch als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 [X.], [X.], 589, 590).

6

Die Urkundenfälschung steht nicht nur mit der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung sowie im Wege der natürlichen Handlungseinheit mit dem Diebstahl der Kennzeichen, sondern auch mit der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit. Die schwere räuberische Erpressung war, als der Angeklagte mit seinem unmittelbar vor dem Bankgebäude abgestellten Fahrzeug die Flucht antrat, vollendet aber nicht beendet, weil der Angeklagte bis dahin noch keinen gesicherten Gewahrsam an der erpressten [X.] erlangt hatte. Die anschließende Fahrt mit am Fahrzeug angebrachten falschen amtlichen Kennzeichen zielte gerade auch auf die Sicherung der Beute ab. Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung einer (schweren) räuberischen Erpressung, aber vor deren tatsächlichen Beendigung vorgenommen werden, begründen nach der Rechtsprechung des [X.] Tateinheit, wenn sie der Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht dienen und zugleich weitere Strafgesetze verletzen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. November 2003 - 2 [X.], [X.], 329; Urteil vom 6. November 1974 - 3 StR 200/74, [X.]St 26, 24, 27).

7

Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen der übrigen Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung hat schließlich zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., § 52 Rn. 28 ff. [X.]). Dass eines der von der Zusammenfassung betroffenen Delikte - die schwere räuberische Erpressung - einen höheren Unrechtsgehalt als das die Verbindung begründende Delikt - die Urkundenfälschung - aufweist, steht einer Verklammerung nicht entgegen (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 4. April 2012 - 2 StR 70/12, [X.], 158; Urteil vom 14. Juli 1992 - 1 [X.], [X.], 39, 40; Beschluss vom 26. März 1982 - 2 StR 700/81, [X.]St 31, 29).

8

c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 [X.] steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Der rechtsfehlerfreie Maßregelausspruch bleibt hiervon unberührt.

[X.][X.]

                         Bender                          [X.]

Meta

4 StR 528/13

28.01.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bamberg, 21. August 2013, Az: 2 KLs 1105 Js 10967/12

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 242 StGB, § 250 StGB, § 253 StGB, § 255 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 315c StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.01.2014, Az. 4 StR 528/13 (REWIS RS 2014, 8362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8362

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