Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 02.08.2010, Az. 1 BvQ 23/10

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2010, 4327

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ÖFFENTLICHES RECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) RAUCHVERBOT

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer eA: Zulässigkeit eines strikten Rauchverbots in Gaststätten gem dem bayerischen "Gesetz zum Schutz der Gesundheit" (Gesundheitsschutzgesetz - juris: GesSchG BY 2010) - hier: Rauchverbot auch für sog Shisha-Bars


Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen das Rauchverbot in [X.] Gaststätten.

2

1. Am 1. August 2010 ist das durch einen Volksentscheid beschlossene neue [X.] ([X.]gesetz - [X.]) vom 23. Juli 2010 ([X.]) in [X.] getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes ([X.]) vor (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Nr. 8 [X.]).

3

Das neue Gesetz entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Fassung des [X.]gesetzes vom 20. Dezember 2007 (BayGV[X.] S. 919). Die mit Wirkung zum 1. August 2009 in dieses Gesetz aufgenommenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für [X.] kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen [X.] geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten. Beibehalten hat der Gesetzgeber aber eine Änderung des Anwendungsbereichs des Gesetzes. Die ursprüngliche Fassung galt nur für Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes, "soweit sie öffentlich zugänglich sind". Dieser Halbsatz wurde 2009 gestrichen und ist auch nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden.

4

2. Der Antragsteller ist Inhaber einer Gaststätte. Diese betreibt er in Form eines Bistros, in dem er vor allem Wasserpfeifen zum Rauchen anbietet. Nach Angaben des Antragstellers kommen mindestens 95 % seiner Gäste, um Wasserpfeife zu rauchen. Die Gaststätte besteht aus einem Raum mit einer Größe von 70 m

5

3. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht der Antragsteller eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 und Art. 20 Abs. 3 GG geltend. Er trägt vor, dass er seine Gaststätte schließen müsste, wenn das Rauchverbot in [X.] träte. Die früher zumindest nach der [X.] Verwaltungspraxis bestehende Möglichkeit, einen Raucherclub zu betreiben, sei weggefallen. Ihm sei es auch nicht möglich, das Konzept seiner Gaststätte umzustellen; im Übrigen würde eine Umstellung einige [X.] in Anspruch nehmen. Wegen der offenen Verbindlichkeiten drohe ihm die Insolvenz. Deshalb stelle sich die Frage, ob von [X.] wegen nicht zumindest eine Übergangsregelung oder ein finanzieller Ausgleich für besonders belastete Gaststätteninhaber geboten wären.

II.

6

Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Gemäß [ref=37786557-1dad-4fc6-9aeb-967b5c1bad39]§ 32 Abs. 1 [X.]] kann das [X.] im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf jedoch nicht ergehen, wenn sich das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erweisen würde (vgl. [X.] 92, 130 <133>; 103, 41 <42>). So liegt es hier. Es kann dahinstehen, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon deshalb ausscheidet, weil das angegriffene Gesetz bei Antragstellung noch nicht im [X.] und Verordnungsblatt verkündet worden war (vgl. [X.] 11, 339 <342>; [X.], Beschluss des [X.] vom 7. Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, NJW 2010, S. 1586 <1587>; Beschluss des [X.] vom 9. Juni 2010 - 2 BvR 1099/10 -, [X.], S. 1160 <1161>). Jedenfalls wäre eine [X.]beschwerde unbegründet.

7

Das [X.] hat bereits in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von [X.] wegen nicht gehindert ist, dem [X.] gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. [X.] 121, 317 <357 ff.>). Auf dieser Grundlage hat es auch das [X.]gesetz vom 20. Dezember 2007 in seiner ursprünglichen Fassung, der das hier angegriffene Gesetz weitestgehend entspricht, ausdrücklich gebilligt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. August 2008 - 1 BvR 3198/07, 1 BvR 1431/08 -, NJW 2008, [X.]).

8

Insoweit gilt - was der Antragsteller nicht in Zweifel zieht - für das Rauchen von Wasserpfeifen nichts anderes als für andere Formen des Tabakrauchens. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, diese Form des Rauchens ebenfalls in das Rauchverbot einzubeziehen (vgl. dazu [X.]/8603, [X.]). Angesichts des [X.], der dem Gesetzgeber zusteht, wenn er zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig wird (vgl. [X.] 121, 317 <350> m.w.N.), ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber auch den beim Rauchen von Wasserpfeifen entstehenden Tabakrauch in der Umgebungsluft als Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung ansieht (vgl. dazu [X.], Wasserpfeife - die süße Versuchung ; Bundesinstitut für Risikobewertung, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Wasserpfeifen, Aktualisierte FAQ des [X.] vom 1. Mai 2009 ).

9

Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten im Sinne von § 1 [X.], so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für solche Gaststätten einlassen, bei denen - wie bei so genannten Shisha-Bars - das Rauchen Teil des gastronomischen Konzepts ist. Auch die besondere Belastung des Antragstellers begründet keine verfassungsrechtlichen Zweifel am strikten Rauchverbot. Zwar kann ein die Berufsfreiheit beschränkendes Gesetz, das als solches dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, insoweit gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, als bei der Regelung Ungleichheiten nicht berücksichtigt wurden, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn [X.] nicht nur in einzelnen, aus dem Rahmen fallenden Sonderkonstellationen, sondern in bestimmten, wenn auch zahlenmäßig begrenzten typischen Fällen ohne zureichende sachliche Gründe verhältnismäßig stärker belastet werden als andere (vgl. [X.] 77, 84 <113> m.w.N.). Der Gesetzgeber kann dann gehalten sein, den unterschiedlichen Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung durch Härteregelungen oder weitere Differenzierungen wie Ausnahmetatbestände Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 34, 71 <80>). Auch wenn für den Antragsteller, der sich als ausländischer Staatsangehöriger für seine Berufstätigkeit auf die Verhaltensfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) berufen kann (vgl. [X.] 104, 337 <346>), das Gleiche gelten mag, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob Gaststätten, die überwiegend auf das Rauchen von Wasserpfeifen ausgerichtet sind, die beschriebenen Voraussetzungen einer besonderen Betroffenheit erfüllen (vgl. in diesem Zusammenhang [X.], Urteil vom 1. Dezember 2008 - Lv 2/08 u.a. -, [X.]. 20 ff. des Umdrucks; [X.], Beschluss vom 11. Juli 2008 - 93 A/08 -, juris). Denn eine stärkere Belastung von Inhabern bestimmter Arten von Gaststätten - bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz - ist angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt, weshalb weder Ausnahme- noch Härteregelungen erforderlich sind (vgl. [X.] 121, 317 <358>).

An der vom Antragsteller ebenfalls geltend gemachten Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) ist das Rauchverbot nicht zu messen (vgl. [X.] 121, 317 <344 f.>).

Meta

1 BvQ 23/10

02.08.2010

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

Art 12 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 BVerfGG, Art 2 Nr 8 GesSchG BY 2010, Art 3 Abs 1 S 1 GesSchG BY 2010, Art 6 Abs 1 S 2 GesSchG BY 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 02.08.2010, Az. 1 BvQ 23/10 (REWIS RS 2010, 4327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4327

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Referenzen
Wird zitiert von

AN 14 K 17.00178

Zitiert

2 BvR 1099/10

2 BvR 987/10

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