Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. IX ZR 201/98

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2606

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 29. Juni 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

BGB § 768; [X.]-DVO; [X.] Zu möglichen Einreden des [X.]es gegen die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft im [X.]nverkehr mit [X.].

[X.], [X.]eil vom 29. Juni 2004 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2004 durch [X.] [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n und der Streithelferin wird das Ur-teil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, der Streithilfe und des Verfahrens vor dem [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende [X.] nimmt den beklagten Verein aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft für Zölle und andere Eingangsab-gaben im Rahmen des [X.]-Verfahrens in Anspruch.

Dieses beruht auf dem Zollübereinkommen vom 14. November 1975 über den internationalen [X.]ntransport mit [X.] ("Transport Internatio-nal des [X.] par la Route"), dem die Klägerin aufgrund Gesetzes vom - 3 - 21. Mai 1979 ([X.]) beigetreten ist. Dem Abkommen sind weiterhin die [X.] (fortan: [X.]) als [X.] und deren Mitglied-st[X.]ten beigetreten. Es soll das Zollverfahren für internationale [X.]ntrans-porte mit Hilfe eines einheitlichen [X.] ([X.]) vereinfa-chen, indem die Entrichtung oder Hinterlegung von Abgaben für die [X.] an den [X.] grundsätzlich entfallen (Art. 4, 5 TIR-Übereinkommen). Das [X.] wird einem Transportunternehmer von der "[X.] Transport [X.]" (auch "[X.] Internationale des Transports Routiers"; künftig: [X.]) - dem Dachverband (Verein nach [X.] Recht) der nationalen Transportverbände - über einen in seinem Heimatst[X.]t zugelasse-nen "[X.]" erteilt. Dieser Verband haftet für die Zollabgaben demjenigen St[X.]t, in dem eine Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit einem TIR-Transport festgestellt wird, als Gesamtschuldner neben anderen Abgaben-schuldnern (Art. 8 Abs. 1 TIR-Übereinkommen). Zur näheren Regelung des [X.]nverkehrs zwischen der [X.] sind Verordnungen des [X.] vom 12. Oktober 1992 ([X.]. 2913/92, [X.]. Nr. L 302) zur Festlegung des [X.] (fortan auch: [X.]) sowie der [X.] vom 2. Juli 1993 ([X.]. 2454/93, [X.]. Nr. L 253) mit Durchführungsvorschriften - Zollkodex-Durchführungsverordnung (künftig: [X.]-DVO) ergangen.

Der [X.] ist der von der Klägerin zugelassene "bürgende Verband" im Sinne des [X.]. Die "Bürgschaftserklärung" des [X.]n vom 23. Oktober 1961 wurde ersetzt durch die "Bürgschaftsurkunde" vom 3. August 1993 mit "Nachtrag" vom 31. August 1993, wonach der Bürgschafts-höchstbetrag bei Beförderung mit dem [X.] für Tabak der Gegenwert von 175.000 [X.] ist. Bei einer Inanspruchnahme hat der [X.] ein [X.] 4 - griffsrecht aus einem Garantievertrag mit der [X.], die ihrerseits einen [X.] mit einem internationalen Versichererpool abgeschlossen hat, dem die Streithelferin des [X.]n angehört.

Nach Einführung des [X.] am 1. Januar 1992 und der Liberalisierung des [X.]nverkehrs mit Osteuropa nahm der Miß-brauch des [X.]-Verfahrens - insbesondere beim Transport hochsteuer-barer [X.]n wie Zigaretten - zu. Nach der Behauptung des [X.]n stiegen die [X.]en von etwa 260.000 [X.] Franken 1993 auf mehr als 18. Mio. [X.] Franken 1994 und mehr als 34 Mio. [X.] Franken 1995.

Das [X.] Transportunternehmen [X.]

(künf-tig: [X.] ) ließ am 23. März 1994 unter Vorlage des [X.] Nr. , ausgegeben durch den [X.]n, der [X.] angehörenden Verband [X.] T. (fortan: [X.]. ), durch einen unbekannten Fahrer eine - aus der [X.] kommende - Ladung von 12,5 Mio. Zigaretten beim [X.]

(künftig: [X.]) abfertigen, die über die Bestimmungs zollstelle A. ([X.]) - Ausgangszollstelle der [X.] - nach [X.] be-fördert werden sollte. Zur Durchführung dieses Versandverfahrens innerhalb der [X.] wurde eine Frist bis zum 28. März 1994 gesetzt. Eine Erledigungsbe-stätigung ging beim [X.]nicht ein. Auf dessen Suchanfrage teilte die Bestim-mungszollstelle am 13. Juli 1994 mit, daß die [X.] dort nicht gestellt worden sei. In dem inzwischen aufgefundenen Original-[X.] befindet sich ein Stem-pel mit dem Abdruck dieser Zollstelle nebst Datum des 28. März 1994, der nach unbeanstandeter Feststellung des Berufungsgerichts gefälscht wurde. Die Klägerin teilte dem [X.]n mit Schreiben vom 16. August 1994 die - 5 - Nichterledigung des [X.] mit. Sie übersandte der [X.]

auf dem Postweg durch Einschreiben mit Rückschein einen Steuerbescheid vom 16. August 1994 über Abgaben von 3.197.500 DM wegen des streitgegenständlichen Transports. Die [X.] zahlte nicht.

Mit der im Februar 1996 erhobenen Klage hat die Klägerin vom [X.] wegen der Abgabenforderung aus dem unerledigten [X.] den Höchstbe-trag der Bürgschaft von 334.132,75 DM nebst Zinsen verlangt. Land- und [X.] haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstreben der [X.] und seine Streithelferin weiterhin die Abweisung der Klage.

Der Senat hat mit [X.]uß vom 11. Januar 2001 eine Vorabentschei-dung des [X.] zu den Fragen ein-geholt, ob die Frist in Art. 454 Abs. 3 Unterabsatz 1 [X.]-DVO auch für den Fall gilt, daß ein Mitgliedst[X.]t unter Berufung auf Art. 454 Abs. 2, 3 Unterabsatz 1, 2 [X.]-DVO eine Abgabenforderung gegen den bürgenden [X.] und dieser im Rechtsstreit nachweisen will, daß der Ort, an dem die Zuwiderhand-lung tatsächlich begangen wurde, in einem anderen Mitgliedst[X.]t liegt, und ob nach Art. 454, 455 [X.]-DVO derjenige Mitgliedst[X.]t, der eine Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit einem Transport mit [X.] feststellt, über die [X.] gemäß Art. 455 Abs. 1 der Verordnung und eine Suchanzeige an die [X.] hinaus zu ermitteln hat, wo die Zuwiderhandlung tat-sächlich begangen wurde und wer die Zollschuldner im Sinne des Art. 203 Abs. 3 der Verordnung sind. Für den Fall, daß der Gerichtshof die Fragen [X.], hat der Senat um die Beantwortung jeweils weiterer Fragen gebeten. Auf das [X.]eil des [X.] vom 23. September 2003 ([X.] 6 - sache [X.]/01) - unter anderem abgedruckt in [X.] 2004, 73 und [X.] 2004, 13 - wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

[X.]
Das Berufungsgericht hat den [X.] auf Punkt [X.] Nr. 2 der selbstschuldnerischen Bürgschaft des [X.]n vom 3. August 1993 in [X.] mit dem "Nachtrag" vom 31. August 1993 gestützt. Diese Bürgschaft hat ein privatrechtliches Verhältnis der Parteien im Sinne der §§ 765 ff BGB begründet, obwohl sie eine öffentlich-rechtliche Abgabenforderung der Klägerin gegen den Hauptschuldner sichert (vgl. [X.] 90, 187, 190 ff für die Verbür-gung von Sozialversicherungsbeiträgen; [X.]. [X.] 1964, 217, 219 und FG Karlsruhe EfG 1962, 239 für eine Steuerbürgschaft - § 241 Abs. 1 Nr. 7, § 244 [X.]; vgl. für eine Ausfuhrbürgschaft der Klägerin: [X.], [X.]. v. 7. November 1996 - [X.] ZB 15/96, [X.], 2299, 2300).

Aufgrund seiner unbeanstandeten Feststellung, daß die beförderte [X.] nicht an einer zuständigen Zollstelle (wieder-)"gestellt" worden ist (Art. 4 Nr. 19, Art. 92 [X.]), hat das Berufungsgericht angenommen, daß im Sinne der vorstehenden Bürgschaftsklausel eine verbürgte Zollschuld der [X.] als [X.]-Inhaber gegenüber der Klägerin entstanden sei (Art. 203, 204 [X.]). Dagegen - 7 - macht die Revision geltend, die Klägerin sei nicht nach Art. 454, 455 [X.]-DVO Gläubigerin der Abgabenforderung geworden und habe deswegen auch keinen Anspruch aus der Bürgschaft. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann dies nicht ausgeschlossen werden.

1. Die Bürgschaft sichert nach ihrer Ziff. [X.] einen Anspruch der Klägerin gegen einen "[X.]-Inhaber" auf "den Zoll und die sonstigen Eingangsabga-ben", der "nach den Vorschriften des Zollrechts und der [X.]" entstanden ist, weil "das Zollgut nicht oder nicht ordnungsgemäß [X.] wird". Diese Sicherungszweckerklärung ist gemäß dem Verständnis der Parteien und unter Einschränkung ihres Wortlauts dahin auszulegen, daß der verbürgte Anspruch der Klägerin nach dem - in der Bürgschaftsurkunde (Ziff. [X.], 3, 5, 8) mehrfach genannten - "TIR-Übereinkommen 1975" i.V.m. dem Zollkodex ([X.]) und der Durchführungsverordnung ([X.]-DVO) der [X.] gegen den Inhaber eines [X.]s zustehen muß.

Aus Ziff. [X.] der Urkunde ergibt sich nicht hinreichend deutlich eine Bürg-schaft auf erstes Anfordern, die den [X.]n mit seinen Einwänden auf einen späteren Erstattungsprozeß verweisen könnte. Eine solche Verschärfung der Bürgschaftshaftung hätte eindeutig gefaßt werden müssen, wie dies für die [X.] einer Bank in Ziff. II der Urkunde geschehen ist.

2. Danach kann der [X.] grundsätzlich einwenden, die Klägerin [X.] nicht gemäß Art. 454 Abs. 3 [X.]-DVO als [X.]in, weil sie die gebotenen Ermittlungsmaßnahmen nicht vorgenommen habe.

- 8 - Die Revision entnimmt Art. 454 Abs. 2, 3 i.V.m. Art. 455 Abs. 1 [X.]-DVO eine Pflicht der Klägerin und ihrer Zollbehörden, über die ergriffenen Maßnah-men hinaus zu ermitteln, in welchem Mitgliedst[X.]t der [X.] die von der Klägerin festgestellte Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit einem Transport mit [X.] begangen worden ist und wer tatbeteiligter Fahrer und [X.]nemp-fänger - beide neben [X.] Zollschuldner (Art. 203 Abs. 3 [X.]) - sind. Nach [X.] der Revision greift die Fiktion des Art. 454 Abs. 3 [X.]-DVO erst dann ein, wenn eine ordnungsmäßige Erfüllung einer solchen Ermittlungspflicht erfolglos geblieben ist. Nach dieser Bestimmung gilt die Zuwiderhandlung als in dem Mitgliedst[X.]t begangen, in dem sie festgestellt worden ist. Die - weiter-gehende - Ermittlungspflicht hat die Klägerin nach Auffassung der Revision verletzt.

Dieser Einwand ist im Streitfall unbegründet.

a) Wie der [X.] mit [X.]eil vom 23. September 2003 ([X.]O Rn. 80 bis 84) entschieden hat, verpflichten Art. 454 und 455 [X.]-DVO den Mitgliedst[X.]t, der eine Zuwiderhandlung im [X.] mit einem Transport mit [X.] feststellt, nicht, über die Mitteilungen gemäß Art. 455 Abs. 1 [X.]-DVO und eine Suchanzeige an die Bestimmungs-zollstelle hinaus zu ermitteln, wo die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde und wer die Zollschuldner sind, indem er einen anderen Mitgliedst[X.]t um Rechtshilfe bei der Aufklärung des Sachverhalts ersucht.

b) Das in Art. 454 und 455 [X.]-DVO geregelte Verfahren hat die Klägerin beachtet.
- 9 - [X.]) Unstreitig hat das [X.]der Klägerin mit Schreiben vom 16. August 1994 dem beklagten [X.] innerhalb eines Jahres nach der An-nahme des streitgegenständlichen [X.] durch die Zollbehörde mitgeteilt, daß im Verlauf oder anläßlich einer Beförderung mit diesem [X.] eine Zuwi-derhandlung begangen worden sei (Art. 455 Abs. 1 [X.]-DVO i.V.m. Art. 11 Abs. 1 TIR-Übereinkommen).

[X.]) Nach den [X.] tatrichterlichen Feststellungen hat das [X.]eine entsprechende fristgerechte und ordnungsmäßige Mitteilung auch [X.] als dem Inhaber des streitgegenständlichen [X.] mit dem [X.] vom 16. August 1994 (GA [X.]9 - Anlage) zugeleitet (Art. 454 Abs. 1 [X.]-DVO i.V.m. Art. 11 Abs. 1 TIR-Übereinkommen).

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die einge-hende Schilderung der festgestellten Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen [X.] in dem Bescheid den Zweck der vorge-schriebenen Mitteilung erreicht hat, den Inhaber des [X.] in die Lage zu ver-setzen, die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens oder den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung nachzuweisen (Art. 455 Abs. 1 i.V.m. Art. 454 Abs. 3 [X.] 1 [X.]-DVO; in diesem Sinne auch BFH [X.] 1998, 416, 418; FG Mün-chen [X.] 1997, 58, 59). Es hat weiterhin rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Steuerbescheid [X.] gemäß Art. 221 Abs. 1 [X.] spätestens am 21. September 1994 zugestellt worden ist.

(1) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Bekanntgabe des [X.] im vorliegenden Falle nicht nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu beurtei-len. Da die Zollbehörde die Bekanntgabe des Steuerbescheids durch Ein-- 10 - schreiben mit Rückschein angeordnet hat, richtet sich diese Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes - [X.] - (§ 122 Abs. 5 [X.]; [X.]. I[X.]994, 603, 606).

(2) Die postalische Zustellung des Steuerbescheids durch Einschreiben mit Rückschein gemäß §§ 1, 2, 4, 7 Abs. 2 [X.] hat das Berufungsgericht dahin gewertet, daß der Adressat den Steuerbescheid erhalten hat.

Die tatrichterliche Feststellung, die Zusendung des Steuerbescheids durch Einschreiben mit Rückschein in [X.] sei zulässig gewesen, wird von den Parteien nicht beanstandet. Bei einer solchen Zustellung gilt die Sendung mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren [X.]-punkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Schrift-stücks und den [X.]punkt des Zugangs nachzuweisen (§ 4 Abs. 1 [X.]). Die Fiktion des Zugangs greift nicht ein, wenn das Schriftstück - wie hier - nach tatrichterlicher Feststellung später als drei Tage nach Aufgabe zur Post zuge-gangen ist.

Die Revision stellt darauf ab, daß auf dem - im übrigen ausgefüllten - Rückschein das Feld
"Die vorgenannte Sendung wurde vorschriftsmäßig ausgehändigt"
nebst der entsprechenden [X.] Fassung dieses Satzes durch den [X.]n Zusteller nicht ausgefüllt worden ist. Die Revision meint, deswegen dürfe der Zugang nicht angenommen werden mit Rücksicht auf Art. 11 Abs. 3 - 11 - des [X.] ([X.] I[X.]992 S. 785, 792, mit Zustimmungsgesetz vom 31. August 1992, [X.] I[X.]992 S. 749); danach müssen Formblätter für den Verkehr zwischen Postverwaltungen so ausgefüllt sein, daß "die Eintragungen sehr gut zu lesen sind". Diese Ansicht ist unzutreffend. Die genannte Bestim-mung des [X.] regelt nur die Benutzung von Formblättern im Verkehr der Postverwaltungen. Sie besagt nichts darüber, ob und gegebenen-falls wann eine Zustellung erfolgt ist; das regeln Art. 55, 56 des [X.] ([X.] I[X.]992 S. 816 f) betreffend eine Einschreibsendung und eine Sendung mit Zustellnachweis.

Selbst wenn sich die formgerechte Zustellung des Bescheids nicht nachweisen läßt oder dieser unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschrif-ten zugegangen ist, so gilt er als in dem [X.]punkt zugestellt, in dem ihn der [X.] nachweislich erhalten hat (§ 9 Abs. 1 [X.]). Aufgrund der Indizwirkung des im übrigen ausgefüllten Rückscheins haben die Tatrichter rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Geschäftsführer der [X.] den Bescheid und die darin enthaltene Mitteilung gemäß Art. 455 Abs. 1 [X.]-DVO spätestens am 21. September 1994 erhalten hat (vgl. [X.]. I[X.]994, 603, 605).

[X.]) Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Klägerin das Suchverfahren, das nach ihrer unbestrittenen Behauptung zwi-schen den Mitgliedst[X.]ten der [X.] vereinbart und gängige Praxis ist, - gemäß ihrer damals geltenden Dienstanweisung - durchgeführt hat. Das [X.]hat, nachdem ihm der entsprechende Kontrollabschnitt durch die [X.] nicht übersandt worden war, an diese am 7. Juni 1994 eine Suchanzeige gerichtet und daraufhin am 13. Juli 1994 die Nachricht erhalten, daß die La-dung mit dem streitgegenständlichen [X.] dort nicht gestellt worden sei. - 12 - Nach ihrem unbestrittenen Vorbringen hat die Klägerin im Mai 1994 die [X.] in M. um Amtshilfe gebeten; auch dadurch konnte der Verbleib der Zigaretten nicht geklärt werden.

3. Die Revision rügt mit Erfolg die tatrichterliche Feststellung, es stehe nicht fest, daß die [X.] [X.] verlassen habe. Insoweit hat das [X.] die vom [X.]n angebotenen Beweise unter Verstoß gegen § 286 ZPO nicht erhoben.

a) Der [X.] hat behauptet, im Zusammenhang mit einem Strafver-fahren gegen den Geschäftsführer der [X.] habe der Fahrer [X.]. ausge-sagt, er habe an demselben Tage, an dem das streitgegenständliche [X.] abgefertigt worden sei, unter einem [X.] mit der nächsten Nummer einen weiteren Transport über Fr. eingeführt; die beiden Transporte hätten im Konvoi [X.] verlassen und seien in [X.] ent-laden worden. Zum Beweis für die Richtigkeit dieses Vorbringens hat der [X.] drei Zeugen - darunter den Fahrer [X.]. - benannt. Sollte dieser Vor-trag zutreffen, so hat die Klägerin keine verbürgte Zollforderung im Sinne der Ziffer [X.] der Bürgschaftsurkunde gegen den [X.]n erworben. Das [X.] hat die Vernehmung des Fahrers [X.]. aufgrund einer unzuläs-sigen vorweggenommenen Beweiswürdigung, diejenige der übrigen benannten Zeugen ohne Begründung zu Unrecht für entbehrlich gehalten (vgl. [X.], [X.]. v. 10. Oktober 1998 - [X.], [X.], 84). Für seine Erwägung, es sei jedenfalls nicht auszuschließen, daß die Zigaretten in [X.] geblieben seien, weil es damals in [X.]einen Schwarzmarkt für unverzollte und unver-steuerte Zigaretten gegeben habe, hat das Berufungsgericht keinen tragfähi-gen Anhaltspunkt festgestellt. - 13 -

b) Die unter Beweis gestellte Behauptung ist auch erheblich. Mit [X.] auf den ermittelten Sicherungszweck der Bürgschaft kann der [X.] grundsätzlich den - der [X.] als [X.]-Inhaberin und Hauptschuldnerin zuste-henden - Einwand erheben (§ 768 BGB), die Klägerin sei nicht [X.], weil - gemäß der durch Zeugen unter Beweis gestellten Behauptung des [X.]n - der streitgegenständliche Transport in [X.] entladen worden sei. Gegebenenfalls wäre nachgewiesen, daß nicht die Klägerin, sondern der spanische St[X.]t [X.] wäre (vgl. Art. 454 Abs. 3 Unterabsatz 1, 3 [X.]-DVO), so daß der beklagte Bürge der Klägerin die eingeklagte Forderung nicht schuldete. Der bestandskräftige Steuerbescheid der Klägerin gegen den Hauptschuldner bindet den beklagten Bürgen nicht (vgl. [X.] 76, 222, 230).

Dennoch konnte der Verfahrensrüge der Revision nicht ohne weiteres stattgegeben werden, nachdem das [X.]eil des [X.] ([X.]) vom 23. März 2000 in den verbundenen Rechtssachen [X.]/98 und [X.] ergangen war (vgl. [X.]E [X.]000, 1797 = [X.] 2000/457 = [X.] 2000, 196). Zwar ergibt sich daraus, daß der Nachweis gemäß Art. 454 Abs. 3, 455 Abs. 2, 3 [X.]-DVO nicht nur durch Urkunden geführt werden kann. Eine Vorlage an den [X.] war aber notwendig, weil die genannten Bestimmungen den Nachweis an eine Frist binden und insoweit ei-ne Unklarheit bestand.

[X.]) Nach Art. 454 Abs. 3 Unterabs. 1 [X.]-DVO i.V.m. Art. 455 Abs. 1 [X.]-DVO, Art. 11 Abs. 1 TIR-Übereinkommen gilt für den Nachweis der Ordnungs-mäßigkeit des Verfahrens und des Ortes, an dem die Zuwiderhandlung tat-sächlich begangen wurde, grundsätzlich eine Frist von einem Jahr; diese be-- 14 - ginnt mit der Mitteilung der Zollbehörden an den Inhaber des [X.] und an den [X.], daß eine Zuwiderhandlung begangen worden ist. Die Frist beträgt zwei Jahre, wenn die Erledigungsbescheinigung mißbräuch-lich oder betrügerisch erwirkt worden ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 TIR-Übereinkommen). Eine solche Fristverlängerung scheidet im vorliegenden Fall aus, weil hier keine "Erledigungsbescheinigung – erwirkt worden ist". Eine solche Bescheinigung der [X.] ist dem [X.]der Klägerin nicht zugegangen, weil die Ladung dort nicht gestellt worden ist; vielmehr ist lediglich nachträglich das gefälschte Original-[X.] aufgefunden worden.

Gemäß Art. 455 Abs. 2 [X.]-DVO i.V.m. Art. 11 Abs. 2 TIR-Überein-kommen ist der Nachweis für die ordnungsmäßige Durchführung der [X.] mit [X.] grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren nach Mitteilung der Zuwiderhandlung zu erbringen. Ist innerhalb dieser Frist die Sache zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht worden, so gilt eine Frist von einem Jahr nach dem Tage, an dem die gerichtliche Entscheidung rechts-kräftig geworden ist (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 TIR-Übereinkommen).

Der Generalanwalt hat in seinen Schlußanträgen in der genannten [X.] ausgeführt, sowohl für den Nachweis der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens als auch des Ortes der Zuwiderhandlung gelte die zweijährige Frist ([X.] [X.]O Rn. 31-44). Dem ist das Gericht jedoch nicht gefolgt ([X.] [X.]O Rn. 43-49, 3 der abschließenden [X.]eilsformel). Sollte die [X.] nach Art. 454 Abs. 3 Unterabsatz 1 [X.]-DVO eine Ausschlußfrist sein und auch für den vorliegenden Fall des [X.] in der Weise gelten, daß der [X.] sein Verteidigungsmittel, die [X.] sei in [X.] entladen worden, in-nerhalb dieser Frist in den Rechtsstreit hätte einführen müssen, so wäre der - 15 - [X.] mit seinem Einwand ausgeschlossen. Denn er hat sich erst kurz vor Ablauf der zweijährigen Frist, die mit dem Zugang des Schreibens der Klägerin vom 16. August 1994 begonnen hat, im vorliegenden Rechtsstreit auf sein Ver-teidigungsmittel mit dem am 8. Mai 1996 überreichten Schriftsatz von demsel-ben Tage berufen.

[X.]) Der [X.] hat diese Unklarheit in der vom Senat herbeigeführten Vorabentscheidung vom 23. September 2003 nunmehr zugun-sten des [X.]es entschieden: Art. 454 Abs. 3 Unterabsatz 1 [X.]-DVO hindert einen [X.], gegen den ein Mitgliedst[X.]t eine Abgabenforderung auf der Grundlage des Bürgschaftsvertrags einklagt, nicht, den Nachweis des Ortes der Zuwiderhandlung zu führen, sofern dieser Nach-weis innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist, bei der es sich um eine Ausschlußfrist handelt, geführt wird. Die Art. 454 Abs. 3 Unterabsatz 1 und 455 Abs. 1 [X.]-DVO sind hierbei dahin auszulegen, daß der bürgende [X.] für den Nachweis des Ortes der Zuwiderhandlung über eine Frist von zwei Jahren ab dem Tag der an ihn gerichteten Zahlungsaufforderung (Schrei-ben des [X.]v. 21. Dezember 1994) verfügt (vgl. [X.], [X.]O Rn. 58, 72, 73 und 2, 3 der abschließenden [X.]eilsformel).

Das Berufungsurteil kann daher nicht bestehen bleiben; es ist aufzuhe-ben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.[X.]).

I[X.] - 16 - Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Klage ist nicht abweisungsreif.

1. Falls der Klägerin die verbürgte Abgabenforderung zusteht, braucht sie nicht die Zollschuldner vor dem [X.]n als selbstschuldnerische Bürgen in Anspruch zu nehmen.

a) Nach Art. 8 Abs. 1 TIR-Übereinkommen haftet der bürgende Verband mit den Personen, welche die Abgaben schulden, gesamtschuldnerisch für die Entrichtung dieser Beträge. Gemäß Art. 8 Abs. 7 dieses Übereinkommens ha-ben die zuständigen Behörden "soweit möglich" die fälligen Beträge zunächst von den unmittelbaren Schuldnern zu verlangen, bevor der bürgende Verband zur Entrichtung dieser Beträge aufgefordert wird. Selbst wenn diese Regelung unter Gesamtschuldnern im vorliegenden Fall anzuwenden sein sollte, so hat der [X.] auf eine vorrangige Inanspruchnahme der [X.], indem er sich gegenüber der Klägerin selbstschuldnerisch verbürgt hat.

b) Diese Wertung wird durch das von der Revision angeführte Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des [X.] Rechts nicht ausgeschlos-sen (vgl. dazu [X.], in: [X.]/Kirchhof, Handbuch des St[X.]tsrechts - Bd. VII - 1992 § 172 Rn. 27 ff). Danach soll bei einem Spielraum möglicher Deutungen einer Rechtsregel diejenige bevorzugt werden, die gleichzeitig den Anforderungen des Völkerrechts gerecht wird ([X.], [X.]O Rn. 27). Die Anwendung dieses Gebots im Verhältnis von Art. 8 Abs. 7 TIR-Übereinkommen und § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB ergibt entgegen der Ansicht der Revision nicht, daß die selbstschuldnerische Verbürgung gegenstandslos ist.
- 17 - 2. Die Geltendmachung der [X.] stellt keine [X.] Rechtsausübung dar.

a) Hierzu haben die [X.] und ihre Streithelferin geltend gemacht, die [X.] Zollbehörden hätten schon im Februar 1994, spätestens seit dem 15. März 1994 gewußt, daß [X.] mindestens fünf [X.]s für Zigaretten-transporte von der [X.] nach [X.] mißbräuchlich verwendet und die entsprechenden Kontrollabschnitte mit gefälschten Stempeln an die [X.] Eingangszollstelle zurückgeschickt habe. Darüber hätte die Klägerin sogleich ihre Zollämter im deutsch/[X.] Grenzgebiet und den [X.]n unterrichten müssen. Außerdem hätte die Klägerin die [X.] vom [X.]-Verfahren nach Art. 38 TIR-Übereinkommen ausschließen oder deren Trans-porte gemäß Art. 23 dieses Abkommens begleiten lassen müssen. Dann wäre der vorliegende [X.] wegen des Transports der [X.] vom 23. März 1994 nicht eingetreten.

b) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann ausnahms-weise dazu führen, daß ein Vertragspartner wegen eigener Pflichtverletzungen nicht nur dem anderen Vertragsteil haftet, sondern einen eigenen vertraglichen Anspruch nicht durchsetzen kann, weil die Geltendmachung des Anspruchs unter besonderen Umständen als unzulässige Rechtsausübung wegen wider-sprüchlichen Verhaltens erscheint.

[X.]) Für einen solchen Rechtsmißbrauch mit [X.] genügt aber nicht jede Pflichtverletzung; vielmehr ist dafür regelmäßig eine besonders schwerwiegende, grobe Pflichtverletzung des treuwidrig handelnden Berechtig-ten erforderlich ([X.] 55, 274, 279 f; [X.], [X.]. v. 19. Oktober 1987 - II ZR - 18 - 97/87, NJW-RR 1988, 352, 353; v. 25. November 1996 - [X.], NJW-RR 1997, 348, 349). Das ist auch für Pflichtverletzungen des [X.] angenommen worden. Dem [X.] kann - auch mit [X.] auf den Rechtsgedanken des § 162 BGB - der Einwand der Arglist entge-gengehalten werden, wenn der Gläubiger treuwidrig den [X.] selbst herbeigeführt hat, indem er den Hauptschuldner veranlaßt hat, seine Leistung nicht zu erbringen ([X.], [X.]. v. 7. Februar 1966 - V[X.] ZR 40/64, [X.], 317, 319), einen dem Hauptschuldner gewährten Kredit fällig gestellt hat, um dem Bürgen einen Rückgriff bei einem Rückbürgen zu ermöglichen ([X.], [X.]. v. 20. März 1968 - V[X.] ZR 153/65, [X.] 1968, 853), oder den wirtschaftlichen Zusammenbruch des [X.] verschuldet und dadurch einen Rück-griff des Bürgen vereitelt hat ([X.], [X.]. v. 23. Februar 1984 - [X.] ZR 159/83, [X.], 586). Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung wird vom [X.] in Ziffer [X.] der Bürgschaftsurkunde nicht umfaßt (vgl. [X.], [X.]. v. 28. Mai 1991 - [X.], [X.], 1294, 1296).

[X.]) Eine solche rechtsmißbräuchliche, zum Verlust des [X.] führende Auslösung des [X.]es im März 1994 ergibt sich nicht aus den Pflichtverletzungen, die die Revision der Klägerin vorwirft. Eine schwere, grobe Pflichtverletzung unter Verstoß gegen Treu und Glauben ent-fällt schon deswegen, weil sowohl die Einführung eines zweckgerechten [X.] und [X.] nach Öffnung der Binnengrenzen Anfang 1992 als auch Maßnahmen zur Abwehr der Mißbrauchsgefahr nach den Erkenntnis-sen im Februar und März 1994 eine gewisse [X.] benötigten. Dabei ist zu be-rücksichtigen, daß nach dem eigenen Vorbringen des [X.]n die Zahlungs-anforderungen der Klägerin an den [X.]n 1992 noch etwa 149.000 [X.] Franken und 1993 etwa 261.000 [X.] Franken betragen ha-- 19 - ben; erst 1994 sind diese Anforderungen auf mehr als 18 Mio. [X.] Fran-ken gestiegen. Danach hat sich erst im Laufe des Jahres 1994 ein triftiger An-laß zu Vorkehrungen ergeben, so daß ein treuwidriges Verhalten der Klägerin bis zum Eintritt des vorliegenden [X.]es nicht dargelegt ist.

Daran ändert nichts, daß bereits am 2. Juli 1993 die Arbeitsgruppe [X.]/[X.] Zollfragen/Verkehr empfohlen hat, den Höchstbetrag der bürgenden Verbände bei Beförderung von Tabak und Alkohol auf 200.000 US-Dollar [X.], weil "in der letzten [X.]" eine "steigende Zahl von [X.]" im [X.] festzustellen sei. Rat und [X.] der [X.] haben im Jahr 1995 Maßnahmen gegen einen Mißbrauch dieses Verfahrens beschlos-sen. Angesichts dieser in angemessener [X.] erfolgten Reaktion kann der Klä-gerin ein grob pflichtwidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des [X.]s, die Geschäftsgrundlage der Bürgschaft sei nicht weggefallen (§ 242 BGB; vgl. dazu [X.] 128, 230, 236; [X.], [X.]. v. 17. März 1994 - [X.] ZR 174/93, [X.], 1064, 1065 f).

a) Sie verweist auf das Vorbringen des [X.]n, die Parteien seien bei Übernahme der Bürgschaft übereinstimmend davon ausgegangen, daß die jährliche Inanspruchnahme aus der Bürgschaft 1 Mio. DM nicht überschreiten werde; das sei einschließlich des Jahres 1993 auch nicht der Fall gewesen. Diese Geschäftsgrundlage sei nicht dadurch aufgegeben worden, daß der Bürgschaftshöchstbetrag, der für jedes [X.] nach der Ergänzung vom 9. Oktober 1985 zur Bürgschaftserklärung vom 23. Oktober 1961 von 200.000 [X.] Franken auf den Gegenwert von 60.024 [X.] herabgesetzt worden - 20 - sei, durch den Nachtrag vom 31. August 1993 zur Bürgschaft vom 3. August 1993 auf den Gegenwert von 175.000 [X.] je [X.] "Tabak/Alkohol" er-höht worden sei. Seit 1994 sehe sich der [X.] einer explosionsartig ge-stiegenen Inanspruchnahme gegenüber, die er auf insgesamt 135 Mio. DM schätze. In der "Vereinbarung" der Parteien vom 31. Juli 1996 seien die damals geltend gemachten Forderungen mit etwa 94 Mio. DM angegeben worden.

b) Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind auf den vorliegenden Fall schon deswegen nicht anzuwenden, weil der [X.] sich von seiner Bürgschaftsverpflichtung, die nach seiner Ansicht untragbar geworden ist, kurzfristig durch Kündigung gemäß Ziff. [X.] der Bürgschaftsur-kunde lösen konnte (vgl. [X.], [X.]. v. 20. Mai 1953 - [X.], [X.] § 242 - Bb - Nr. 15; v. 9. Oktober 1996 - V[X.] ZR 266/95, [X.], 257, 259). Nach dieser Klausel kann der [X.] seine Haftung durch Kündigung, die frühestens am 15. Tage nach Aufgabe zur Post wirksam wird, auf diejenigen Ansprüche begrenzen, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind. Eine solche Kündigung betreffend das mißbrauchsanfällige [X.] "Tabak/Alkohol" hat der [X.] erst am 11. November 1994 gegenüber der Klägerin zum 29. November 1994 erklärt.

4. Der von der Revision weiterverfolgte Gegenanspruch aus [X.] (§ 839 BGB, Art. 34 GG), mit dem der [X.] seinen durch die Inan-spruchnahme aus der Bürgschaft entstandenen Schaden beseitigen will, ist nicht gegeben, so daß es nicht darauf ankommt, ob es hierzu einer Aufrech-nung bedarf (vgl. [X.] 66, 302, 305) und ob einer solchen ein Aufrechnungs-ausschluß entgegensteht.
- 21 - a) Der [X.] und ihre Streithelferin werfen der Klägerin vor, der Bürg-schaftsfall infolge des Mißbrauchs des [X.] durch die [X.] am 23. März 1994 wäre vermieden worden, wenn die Klägerin den ab Februar 1994 erkann-ten Mißbrauch unverzüglich unterbunden hätte (vgl. vorstehend unter 2 a).

b) Die Untätigkeit der Klägerin begründet aus keinem rechtlichen Ge-sichtspunkt eine für den Schaden des [X.]n ursächlich gewordene [X.]verletzung.

[X.]) Hinsichtlich der vom [X.]n vermißten rechtzeitigen Einrichtung eines Kontroll- und Informationssystems ergeben sich gegenüber dem [X.] keine drittgerichteten Pflichten.

Ob einem Beamten eine Amtspflicht gegenüber einem [X.] im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegt, bestimmt sich in erster Linie nach dem Zweck, dem die Amtspflicht dient. Für die Drittgerichtetheit kommt es darauf an, ob die Amtspflicht - nicht notwendig allein, aber doch auch - den Zweck hat, das im Einzelfall berührte Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzuneh-men. Nur wenn sich aus den Bestimmungen, die die Amtspflicht begründen und umreißen, sowie aus der Natur des [X.] ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der recht-lichen Bestimmung des [X.] gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Es muß also eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten [X.] bestehen; dafür ist es nicht erforderlich, daß dieser unmittelbar an dem Amtsgeschäft beteiligt ist oder einen Rechtsanspruch auf - 22 - die Amtshandlung hat. Maßgeblich ist vielmehr der Schutzzweck der [X.]. Ist der Betroffene danach kein Dritter im vorstehenden Sinne, so entfällt eine Amtshaftung, selbst wenn sich die Amtspflichtverletzung für ihn nachteilig ausgewirkt hat ([X.] 93, 87, 91; 106, 323, 331; 108, 224, 227; 110, 1, 9; [X.], [X.]. v. 9. Oktober 1997 - [X.] ZR 4/97, NJW 1998, 138, 139).

Eine Amtspflicht der Beamten der Klägerin, ein Kontroll- und Informati-onsverfahren zur Verhinderung von Mißbräuchen des [X.]-Verfahrens einzurichten, besteht nicht gegenüber dem [X.]n. Dieser bürgt als nationa-ler Verband des [X.] im [X.] für die Zollschuld, die der Inhaber eines von ihm, dem internationalen Dachverband [X.] oder den übrigen nationalen Verbänden des [X.] ausgegebenen [X.] gegenüber der Klägerin ausgelöst hat. Aus der Natur der Sache ergibt sich nicht, daß das Interesse des [X.]n, dieser Haftung zu entgehen, zum Schutzzweck einer Amtspflicht der Klägerin zum Aufbau eines Kontroll- und Informationssystems gehört. Der Schutzzweck einer solchen Amtspflicht geht vielmehr ausschließlich dahin, das st[X.]tliche Abgabeninteresse gegen eine mißbräuchliche Erlangung der Abgabenbefreiung gemäß Art. 7 TIR-Übereinkommen zu sichern. Daran ändert es nichts, daß ein solches Kontroll- und Informationssystem die Bürgenhaftung des [X.]n verringern kann.

Auch Art. 454 Abs. 3 letzter Unterabsatz [X.]-DVO ergibt keine entspre-chende Amtspflicht gegenüber dem [X.]n. Nach dieser Bestimmung treffen die Zollverwaltungen der Mitgliedsst[X.]ten der [X.] die nötigen Vorkehrungen zur Bekämpfung von Zuwiderhandlungen und zu deren wirksamer Ahndung. Auch diese Vorschrift dient - ebenso wie die übrigen Regelungen des Art. 454 [X.]-DVO - allein dem st[X.]tlichen Abgabeninteresse; nach seinem Absatz 1 gilt - 23 - dieser Artikel "unbeschadet der die Haftung der bürgenden Verbände [X.] besonderen Bestimmungen des [X.]" (vgl. [X.], [X.]. v. 23. September 2003, [X.]O Rn. 82 f).

[X.]) Entsprechendes trifft für die Begleitung der Transporte, den [X.] der [X.] vom [X.] und die Unterrichtung der Zollämter im deutsch-[X.] Grenzgebiet zu. Eine Amtspflicht der zuständigen Beamten der Klägerin, gemäß Art. 23 TIR-Übereinkommen die Transporte der [X.] auf deren Kosten begleiten zu lassen oder nach Art. 38 dieses Abkom-mens die [X.] zumindest vorübergehend vom [X.] auszuschließen, bestand nicht gegenüber dem [X.]n.

Daran ändert Art. 8 Abs. 7 TIR-Übereinkommen nichts. Das gilt auch für Art. 38 Abs. 2 dieses Abkommens; danach ist ein Ausschluß sofort den [X.]n der Vertragspartei, in deren Gebiet die betreffende Person ihren Wohn- oder Geschäftssitz hat, sowie dem dortigen [X.] mitzuteilen, in dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Diese Bestimmungen besagen nur, daß die Zollschuldner möglichst vor dem [X.] zahlen sol-len und dieser Gelegenheit erhalten soll, seine Interessen beim Ausschluß ei-nes [X.]-Inhabers zu wahren.

Nichts anderes ergibt sich aus den von der Revision angeführten Dienst-anweisungen. Nach Nr. 8 der Dienstanweisung der Klägerin vom 2. Juni 1995 können Personen, die sich einer schweren Zuwiderhandlung im [X.]-Verfahren schuldig gemacht haben, von den damit verbundenen [X.] vorübergehend oder dauernd ausgeschlossen werden. Aufgrund Nr. 23h derselben Dienstanweisung kann die zuständige Zollstelle, soweit die - 24 - Sicherheitsleistung im einzelnen Fall das Abgabenrisiko nicht voll deckt, dem [X.]-Inhaber die Fahrtstrecke vorschreiben, die Gestellungspflicht möglichst kurz bemessen und einer [X.] [X.] den Transport an-kündigen; sofern der Verdacht einer beabsichtigten Zuwiderhandlung besteht, ist die zuständige Zollfahndungsstelle zu unterrichten.

Auch diese internen Dienstanweisungen dienen dem st[X.]tlichen [X.] an einer ordnungsmäßigen Amtsführung der Beamten und besagen nichts für die Frage, ob den Beamten der Klägerin gegenüber einem bürgenden [X.] eine Amtspflicht zu rechtzeitigen Maßnahmen nach Art. 23, 38 TIR-Übereinkommen obliegt.

[X.]) Ob mögliche weitergehende Mitteilungspflichten, die über diejenigen in Art. 455 [X.]-DVO hinausgehen, drittgerichteten Charakter haben (vgl. [X.], [X.]. v. 7. Dezember 1995 - [X.] ZR 141/94, [X.], 1015, 1017 f), kann [X.] offenbleiben wie die Frage, woraus diese Pflichten überhaupt hergeleitet werden könnten (vgl. [X.] 87, 9, 18; 120, 184, 188). Keinesfalls reichen die aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis herzuleitenden Amtspflichten weiter als Schutz- und Nebenpflichten aus einem zivilrechtlichen Bürgschafts-vertrag. Diese hat der Kläger nach dem von dem [X.]n behaupteten und unter Beweis gestellten zeitlichen Ablauf nicht verletzt.

Nach Nr. 6 der Bürgschaftserklärung vom 3. August 1993 ist der Kläger in erhöhtem Maße geschützt, wenn die Erledigungsbescheinigung mißbräuch-lich oder betrügerisch erwirkt worden ist. In einem solchen Fall können die Be-träge von dem Bürgen selbst dann verlangt werden, wenn ein [X.] ohne Vorbehalt erledigt worden ist; im Falle der Nichterledigung oder nicht vorbe-- 25 - haltlosen Erledigung erhöhen sich die Fristen für die Mitteilung der Nichterledi-gung durch die Zollstellen von einem Jahr auf zwei Jahre (entsprechend Art. 11 Abs. 2 TIR-Übereinkommen). Die Bemessung dieser vertraglich vereinbarten Fristen - gerade auch in [X.] - beeinflußt den dem Kläger bei [X.] vertraglicher Nebenpflichten zuzubilligenden [X.]raum in bezug auf vorausgegangene [X.]. Auch dieser ist so lang zu bemessen, daß den der Klägerin nachgeordneten Zollbehörden - gerechnet von der sicheren Kenntniserlangung von dem Mißbrauchstatbestand - genügend [X.] zur Verfü-gung steht, um in einem geordneten Verfahren geeignete Maßnahmen vorzu-bereiten und umzusetzen. Müßte die Klägerin sofort handeln, liefen die der Klägerin in der Bürgschaftsurkunde eingeräumten, dem TIR-Übereinkommen entsprechenden Fristen bei wiederholtem Mißbrauch weitgehend leer. Wie lang dieser [X.]raum zu bemessen ist, kann offenbleiben. Jedenfalls war er Ende März 1994 noch nicht abgelaufen.

5. Die von der Revision nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist [X.]nd gemachte Zahlungsverjährung (§§ 47, 228 [X.]), die zum Erlöschen des verbürgten Anspruchs geführt haben mag (§ 232 [X.]), kann im vorliegenden Fall im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Steuerschulden gegen [X.] wurden im Jahre 1994 festgesetzt und zugestellt. Die fünfjährige Verjährungsfrist begann somit gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit Ablauf des Jahres 1994 und war, falls kein Hemmungs- (§ 230 [X.]) oder [X.] (§ 231 [X.]) eingriff, Ende des Jahres 1999 vollendet. Diese neue Tatsache, die erst während des Revisionsverfahrens eingetreten ist, kann in das Revisionsurteil nur einfließen, wenn sie unstreitig ist und schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (vgl. [X.] 104, 215, 221; 139, 214, 221; [X.], [X.]. v. 10. Mai 1990 - [X.] ZR 246/89, [X.], 1642, 1643; v. - 26 - 11. Juli 1996 - [X.] ZR 81/94, [X.], 1599, 1601). Im Streitfall sehen §§ 230, 231 Abs. 1 [X.] vielfache Möglichkeiten der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung vor, zu denen der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht vorzu-tragen brauchte, weil die jetzt geltend gemachte Zahlungsverjährung bei Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 26. März 1998 weder eingetreten war noch unmittelbar bevorstand. Der Kläger muß deshalb noch Gelegenheit erhalten, zu möglichen Hemmungs- oder Unterbre-chungstatbeständen vorzutragen und gegebenenfalls Beweis anzubieten. - 27 - II[X.]
Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.[X.]), um diesem Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob die streitgegenständliche Transportware in [X.] entladen worden und/oder, ob hinsichtlich der verbürgten Forderung die jetzt geltend gemachte Zahlungsverjährung eingetreten ist.

[X.]

[X.]

Ganter

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 201/98

29.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. IX ZR 201/98 (REWIS RS 2004, 2606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2606

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 202/98 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 201/98 (Bundesgerichtshof)


I ZR 152/09 (Bundesgerichtshof)

Internationaler Straßengüterverkehr: Einordnung eines Carnet TIR als „notwendige Urkunde“; Schadensersatzanspruch auf Grund der Verlustvermutung beim …


I ZR 152/09 (Bundesgerichtshof)


3 U 153/08 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.