Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2022, Az. VI ZR 68/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6438

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Gegenstand

Deliktshaftung des Motorenherstellers in einem sog. Dieselfall: Arglistige Täuschung gegenüber dem Käufer eines von der Tochtergesellschaft des Motorenherstellers hergestellten Fahrzeugs


Leitsatz

Zur Haftung eines Motorenherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer eines von dessen Tochtergesellschaft hergestellten Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. Januar 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Erstattung des vom Kläger gezahlten Kaufpreises in Höhe von 19.500 € nebst Zinsen, auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen und auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb im März 2013 von einem Autohaus ein Fahrzeug [X.] 2.0 [X.] als Gebrauchtwagen zum Preis von 19.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des [X.] ausgestattet. Die Beklagte ist Herstellerin des [X.]. Die [X.]teuerung war mit einer das Abgasrückführungsventil steuernden Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem [X.] unterzogen wurde, und in diesem Falle in einen Abgasrückführungsmodus mit niedrigem Stickoxidausstoß schaltete. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des [X.] schaltet der Motor dagegen in einen Abgasrückführungsmodus mit höherem Stickoxidausstoß.

3

Das [X.] ([X.]) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2015 verpflichtete es die [X.], die Abschalteinrichtung bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem [X.] zu entfernen. Ein daraufhin entwickeltes Software-Update wurde vom [X.] im Juni 2016 freigegeben und zwischenzeitlich auch beim Fahrzeug des [X.] durchgeführt.

4

Der Kläger nimmt die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises, Aufwendungsersatz, Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie Feststellung des Annahmeverzugs in Anspruch.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die [X.] zu. Hinsichtlich der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen fehle es an substantiiertem Vortrag eines konkreten "Täters", einer konkreten, der [X.]n zuzurechnenden Tathandlung sowie eines Schadens.

7

Vertragliche bzw. quasivertragliche Ansprüche sowie Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien schon deshalb nicht gegeben, weil die [X.] unstreitig nicht das Fahrzeug, sondern lediglich den Motor produziert habe. Deshalb gingen auch die Ausführungen des [X.] zu Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. Art. 3-5 Verordnung ([X.]) 715/2007 oder § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ins Leere, soweit sie darauf gestützt seien, dass die für das Inverkehrbringen des Fahrzeugs erforderliche Typgenehmigung durch Täuschung der Behörden erlangt und die darauf bezugnehmende Übereinstimmungsbescheinigung infolgedessen zu Unrecht ausgestellt worden sei. Unabhängig davon seien die eben genannten Normen nicht als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 [X.] anzusehen.

8

Auch ein Ersatzanspruch des [X.] aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 263 StGB sei nicht gegeben. Zunächst gehe der Klägervortrag auch in diesem Zusammenhang daran vorbei, dass die [X.] das Fahrzeug nicht hergestellt und in den Verkehr gebracht habe. Darüber hinaus seien weder eine aktive Täuschungshandlung in Form der Behauptung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung noch eine Täuschung durch Unterlassen gegeben, für die es bereits an einer Offenbarungspflicht aus einem besonderen Vertrauensverhältnis fehle. Abgesehen davon habe der Kläger schon keinen konkreten Täter des behaupteten Betruges benannt, wofür mit Rücksicht auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 [X.] auch keine sekundäre Darlegungslast der [X.]n bestehe. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands komme hinzu, dass eine mosaikartige Zusammenrechnung von Wissen verschiedener Verantwortlicher bzw. Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens der Darlegungslast für ein mit einem [X.] verbundenes Verhalten nicht gerecht würde. Im Übrigen sei weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich, wie der Kaufvertrag eines [X.] mit dem Kläger von einer stoffgleichen Bereicherungsabsicht der [X.]n umfasst sein könnte.

9

Schließlich seien auch Ansprüche aus § 826 [X.] zu verneinen. Ein bestimmter Verantwortlicher oder Mitarbeiter der [X.]n, der die subjektiven und objektiven Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht haben solle, werde vom Kläger nicht mit Substanz genannt, wobei auch hier keine sekundäre Behauptungslast der [X.]n bestehe. Darüber hinaus fehle es an der substantiierten Darlegung der Sittenwidrigkeit des Tuns oder Unterlassens. Zudem sei der [X.] auch hier nicht vom Schutzzweck des verletzten Verbots unzulässiger Abschalteinrichtungen aus Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Verordnung ([X.]) 715/2007 erfasst.

Unabhängig davon habe der Kläger für alle Anspruchsgrundlagen das Vorliegen eines Schadens gemäß §§ 249 ff. [X.] nicht dargelegt. Hieran fehle es schon deshalb, weil der Kläger die von ihm gerügte Beeinträchtigung, nämlich das Vorhandensein der [X.] Software, unstreitig durch die Installation des Software-Updates habe beseitigen lassen. Umstände, die eine Wertminderung durch den fortbestehenden Makel der ursprünglichen Ausstattung mit der [X.] Software erkennen lassen könnten, trage der Kläger nicht substantiiert vor.

Soweit der Kläger neben der Rückabwicklung des Kaufvertrags auch Ersatz von Aufwendungen für das Fahrzeug verlange, stehe ihm unabhängig von den vorstehenden Ausführungen kein Ersatzanspruch zu. Er habe den ursächlichen Zusammenhang mit der behaupteten unerlaubten Handlung der [X.]n nicht dargelegt. Nach den von ihm genannten Stichworten handele es sich um gewöhnliche, im Verlauf der Nutzung eines Kraftfahrzeugs anfallende Wartungs- und Reparaturkosten, die in keinem Zusammenhang mit dem behaupteten Fehlverhalten der [X.]n ständen und bei jeder Nutzung eines Pkw anfielen.

II.

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 10.913,69 € richtet. Insoweit fehlt es an der notwendigen Revisionsbegründung (§ 552 Abs. 1, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Bei einer umfassenden Anfechtung muss die Revisionsbegründung das gesamte Urteil in Frage stellen; soweit bezüglich quantitativ abgegrenzter Teile des Streitgegenstands oder hinsichtlich eines von mehreren Streitgegenständen kein konkreter Angriff erfolgt, muss wenigstens eine alle Ansprüche durchgehend erfassende Rüge erhoben werden. Ist die Klageabweisung (insoweit) auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung auch für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unrichtig sein soll (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1999 - [X.], [X.], 370, juris Rn. 5; für die Berufungsbegründung: Senatsbeschluss vom 21. Juni 2022 - [X.]/21, [X.], 1110 Rn. 6; [X.], Beschluss vom 27. Mai 2021 - [X.]/20, [X.], 1399 Rn. 8).

Das Berufungsgericht hat die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen für das Fahrzeug als unbegründet angesehen, weil es jedenfalls an der haftungsausfüllenden Kausalität fehle. Bei den geltend gemachten Kosten handele es sich um frustrierte Aufwendungen, die auch dann, wenn dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen die [X.] zustünden, nicht ersatzfähig seien. Diese die teilweise Abweisung der Klage selbständig tragende Begründung hat die Revision nicht angegriffen.

III.

Im Übrigen hat die Revision Erfolg. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch des [X.] wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 [X.] nicht verneint werden.

1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe ein [X.] Verhalten im Zusammenhang mit der Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware im Unternehmen der [X.]n nicht schlüssig dargetan.

a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das [X.] aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es maßgeblich darauf an, dass den Schädiger das [X.], sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 [X.] geltend macht. Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig im Sinne des § 826 [X.] ist, ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des [X.] unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 14 f.; vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 652 Rn. 14; jeweils mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Verhalten der für die [X.] handelnden Personen im Verhältnis zum Kläger auf der Grundlage des mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des [X.] als sittenwidrig zu qualifizieren.

aa) Wie die Revision zu Recht rügt, hatte der Kläger geltend gemacht, im Unternehmen der [X.]n sei eine komplette Motorserie systematisch mit [X.] ausgerüstet worden und unter Verschweigen dieses Umstands zum Zwecke des Weiterverkaufs unter anderem in Fahrzeugen der Marke [X.] in den Verkehr gebracht worden. Den Kunden sei vorgespiegelt worden, dass das Fahrzeug in einem gesetzeskonformen Zustand die Betriebserlaubnis erhalten habe. Die Täuschung der [X.]n habe dazu gedient, zur Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mithilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

bb) Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zum Kläger objektiv sittenwidrig und steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des [X.] in der Bewertung gleich (vgl. Senatsurteile vom 10. Mai 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1106 Rn. 10; vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 652 Rn. 18; jeweils mwN). Dabei wirkt es sich im Ergebnis nicht aus, dass es vorliegend um ein Fahrzeugmodell einer Tochtergesellschaft der [X.]n ([X.]) geht, die [X.] also nicht das Fahrzeug in den Verkehr gebracht, sondern den darin eingebauten Motor hergestellt und ihrer Tochtergesellschaft überlassen hat. Denn als sittenwidrig ist es auch zu beurteilen, wenn ein Motorenhersteller - wie vom Kläger in Bezug auf die [X.] vorgetragen - einen Motor auf der Grundlage einer für sein Unternehmen getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse mit einer unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielenden und eigens zu diesem Zweck entwickelten Steuerungssoftware ausstattet und diesen Motor in dem Bewusstsein in den Verkehr bringt, dass er von seiner Tochtergesellschaft in ein Fahrzeug verbaut und dieses an einen arglosen Käufer veräußert werden wird. Auch ein solches Verhalten steht [X.] einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Personen gleich, die ein mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug in Unkenntnis dieses Umstands - und vor den von der [X.]n im September 2015 ergriffenen Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit - erwarben (vgl. Senatsurteile vom 27. Juli 2021 - [X.], [X.], 1511 Rn. 12; vom 19. Oktober 2021 - [X.], [X.], 186 Rn. 13; jeweils mwN).

Darauf, ob die Regelungen der §§ 6, 27 [X.]-FGV nur dem Ersterwerber oder auch dem Kläger zugutekommen können, kommt es im Rahmen des Anspruchs aus § 826 [X.] nicht an (vgl. Senatsurteil vom 8. März 2022 - [X.], [X.], 654 Rn. 14 mwN). Ebenso wenig ist hier von Relevanz, ob im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Bindung eine Offenbarungspflicht der [X.]n hinsichtlich des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur bei erkennbar wertbestimmenden Faktoren besteht und ob im Streitfall ein merkantiler Minderwert vorliegt.

2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Anspruch aus § 826 [X.] scheide deshalb aus, weil der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, welche konkrete Person, deren Handeln sich die [X.] gemäß § 31 [X.] zurechnen lassen müsste, den deliktischen Tatbestand verwirklicht habe. Angesichts des vom Kläger erhobenen Vorwurfs durfte das Berufungsgericht keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der [X.]n tätige Person ein entsprechendes [X.] Verhalten an den Tag gelegt hat.

a) Zwar trägt im Grundsatz derjenige, der einen Anspruch aus § 826 [X.] geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 [X.]) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 [X.] verwirklicht hat (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 35; vom 30. Juli 2020 - [X.], [X.], 1331 Rn. 15; jeweils mwN).

b) Dieser Grundsatz erfährt aber eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete [X.] keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2015 - [X.], [X.], 953 Rn. 37). [X.] er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 37 ff.; vom 30. Juli 2020 - [X.], [X.], 1331 Rn. 16; vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 520 Rn. 13; jeweils mwN).

c) Nach diesen Grundsätzen traf die [X.] die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Fragen, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bei ihr getroffen und ob ihr Vorstand hiervon Kenntnis hatte.

aa) Wie die Revision mit Erfolg rügt, hat der Kläger konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese Entscheidung von den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der [X.]n verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist. Die Revision verweist zu Recht auf den Vortrag des [X.] in der Klageschrift, es sei schlichtweg unvorstellbar, dass die Vorstandsmitglieder der [X.]n über eine derart weitreichende Entscheidung, eine komplette Motorserie systematisch mit [X.] auszurüsten, nicht informiert gewesen seien. Die Täuschung der [X.]n habe dazu gedient, zur Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mithilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Angesichts der Tatsache, dass die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung die grundlegende strategische Frage betrifft, mit Hilfe welcher technischen Lösung die [X.] die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte, sind die entsprechenden Behauptungen des [X.] nicht von der Hand zu weisen.

bb) Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, dass der Kläger insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann. Die Fragen, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bei der [X.]n getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte, betreffen unternehmensinterne Abläufe und Entscheidungsprozesse, die sich der Kenntnis und dem Einblick des [X.] entziehen. Demgegenüber war der [X.]n Vortrag hierzu möglich und zumutbar (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 39 ff.; vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 520 Rn. 14 mwN).

3. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann auch der für einen Ersatzanspruch aus § 826 [X.] erforderliche Schaden nicht verneint werden.

a) Das Berufungsgericht hat zunächst übersehen, dass ein Schaden im Sinne des § 826 [X.] auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen kann. Nach deren Erfüllung setzt sich der Schaden in dem Verlust der aufgewendeten Geldmittel fort (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 46 ff.; vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 652 Rn. 20, 22; jeweils mwN).

b) [X.] hat das Berufungsgericht auch angenommen, an einem berücksichtigungsfähigen Schaden fehle es bereits deshalb, weil der Kläger die von ihm gerügte Beeinträchtigung, nämlich das Vorhandensein der [X.] Software, durch die Installation des Software-Updates habe beseitigen lassen. Liegt der Schaden - wie der Kläger geltend macht - in einem unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes - wie gegebenenfalls hier durch das Aufspielen des Software-Updates - nachträglich verändern. Diese Umstände führen nicht dazu, dass der ungewollte Vertragsschluss rückwirkend zu einem gewollten wird (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 58; vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 520 Rn. 18; vom 8. März 2022 - [X.], [X.], 654 Rn. 14 mwN).

c) Der vom Kläger geltend gemachte Schaden liegt auch nicht außerhalb des Schutzzwecks des § 826 [X.]. Auf den Schutzzweck der zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der [X.] kommt es im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 826 [X.] entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an (vgl. Senatsurteile vom 8. März 2022 - [X.], [X.], 654 Rn. 14; vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 652 Rn. 18; vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 520 Rn. 17; vom 26. Januar 2021 - [X.], [X.], 458 Rn. 24; vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2804 Rn. 24).

IV.

Das angefochtene Urteil war daher im tenorierten Umfang nach § 562 ZPO aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 68/20

25.10.2022

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 9. Januar 2020, Az: 7 U 239/18

§ 31 BGB, § 249 BGB, §§ 249ff BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2022, Az. VI ZR 68/20 (REWIS RS 2022, 6438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6438 WM 2022, 2395 REWIS RS 2022, 6438 MDR 2023, 292-293 REWIS RS 2022, 6438

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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