Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VI ZR 526/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1364

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Gegenstand

Diesel-Abgasskandal: Deliktische Haftung des Motorenherstellers; Darlegungsanforderungen des Fahrzeugkäufers


Leitsatz

Zur deliktischen Haftung des Motorherstellers, der nicht zugleich Fahrzeughersteller ist, gemäß § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in einem sogenannten Dieselfall.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 5. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin eines Dieselmotors wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 19. Juli 2012 bei einem Händler einen nicht von der Beklagten hergestellten Neuwagen des Typs [X.] 3.0 [X.] (Schadstoffklasse Euro 5), der mit einem Dieselmotor vom Typ [X.], im Berufungsverfahren auch als Typ [X.] bezeichnet, ausgestattet ist. Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: [X.]) hat - auch nach Anhörung des Fahrzeugherstellers zum Emissionsverhalten - hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps keine verpflichtende Anordnung eines Rückrufs ausgesprochen. Im Wesentlichen mit der Behauptung, der in dem von ihm erworbenen Fahrzeug verbaute Motor sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung ausgestattet, und zwar zum einen mit einer Prüfstanderkennungssoftware vergleichbar mit den [X.] des Typs EA189, zum anderen mit einem sogenannten "[X.]", begehrt der Kläger die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung nebst Zinsen [X.] gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, den Ersatz von Finanzierungskosten und verschiedener auf das Fahrzeug getätigter Aufwendungen, die Feststellung des Annahmeverzuges sowie den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist vor dem [X.] ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner unter BeckRS 2020, 16626 veröffentlichten Entscheidung unter anderem ausgeführt, dem Kläger stünden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche auf Schadensersatz wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der [X.] des von ihm erworbenen Fahrzeugs gegen die [X.] zu. Zwar sei die [X.] Herstellerin des Dieselmotors im Pkw des [X.]. Der Kläger habe aber schon nicht mit Substanz darlegen können, dass die [X.] des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine gemäß Art. 5 Abs. 2 VO ([X.]) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Umschaltung zwischen Prüfstand- und Realbetrieb enthalte, wie sie das [X.] bei den im [X.] hergestellten Fahrzeugen mit dem Dieselmotor vom [X.] beanstandet habe. Eine Beweisaufnahme hierzu würde die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises darstellen. Soweit der Kläger die Verwendung eines sogenannten "[X.]s" bei der [X.]teuerung rüge, d.h. die Reduzierung der stickoxidmindernden Abgasrückführung in bestimmten Außentemperaturbereichen, handele es sich um eine von allen Herstellern verwendete [X.]chutzeinrichtung. Da auch das [X.] diese Schaltung bisher akzeptiert habe, insbesondere auch die verpflichtende Anordnung des Rückrufs von Fahrzeugen mit dem [X.] bekanntlich nicht darauf gestützt habe, sondern nur auf die unzulässige Prüfstanderkennung, könne im sogenannten "[X.]" keine unzulässige Abschalteinrichtung gesehen werden. Soweit der Kläger auch das im Fahrzeug eingebaute On-Board-Diagnosesystem ohne Anzeige der seiner Meinung nach im Realbetrieb unzulässigen Schadstoffwerte für fehlerhaft halte, würde es sich nur um einen Nebeneffekt einer unzulässigen Abschaltvorrichtung handeln, deren Vorhandensein der Kläger nicht habe dartun können.

5

Aber auch unabhängig davon, dass der Kläger das Vorhandensein einer unzulässigen, abgasbeeinflussenden Software in seinem Pkw nicht habe darlegen können, mithin bei einer Unterstellung des Vorhandenseins einer solchen zu seinen Gunsten, habe er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegen die [X.] als Herstellerin des [X.] in seinem Fahrzeug. Denn für die erhobenen Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung fehle es dem Grunde nach auch an weiteren objektiven wie subjektiven Tatbestandsmerkmalen.

II.

6

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

7

1. Das Berufungsgericht hat die Revision im Tenor seines Urteils ohne Einschränkungen zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Revision sei wegen Grundsatzbedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit die Ausführungen im Berufungsurteil unter Ziffer 4 betroffen seien. Diese befassen sich nicht mit dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern mit der Frage des Vorliegens weiterer Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des [X.] dem Grunde nach. Insoweit kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht damit die Zulassung der Revision beschränken wollte. Denn eine Beschränkung auf einzelne Rechtsfragen oder Elemente des Anspruchsgrunds wäre unzulässig (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 1922 Rn. 14 mwN).

8

2. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach dem Kläger gegen die [X.] aufgrund des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs bereits dem Grunde nach keine Schadensersatzansprüche zustehen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand. Insbesondere hat das Berufungsgericht deliktische Ansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) oder wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) zu Recht verneint. Dabei ist aufgrund der von der Revision insoweit als ihr günstig hingenommenen Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die [X.] zwar nicht Fahrzeughersteller, aber Hersteller des im Fahrzeug verbauten Dieselmotors i[X.]

9

a) Soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB aus der behaupteten Verwendung einer Prüfstanderkennungssoftware, vergleichbar mit der bei [X.] vom [X.] beanstandeten "Umschaltlogik" herleiten will, rügt die Revision zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast hinsichtlich einer Manipulationssoftware, die den Prüfstandzyklus erkennt und den [X.] dann in vergleichbarer Weise wie bei Motoren des [X.] optimiert, überspannt und so den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Vielmehr hat das Berufungsgericht - gemessen an den höchstrichterlich abstrakt geklärten Substantiierungsanforderungen - den Vortrag des [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise tatrichterlich dahin gewürdigt, dass dieser keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Existenz einer solchen Manipulationssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug dargelegt habe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht zu erkennen.

aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft offenkundig überspannte Anforderungen an den Vortrag einer [X.] gestellt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.], 601 Rn. 10; vom 2. Juli 2019 - [X.], [X.], 1385 Rn. 5; vom 25. Juni 2019 - [X.], [X.], 1372 Rn. 9; jeweils mwN).

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die [X.] Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der [X.] entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der [X.] zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende [X.] nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. zur [X.] Rspr. nur Senatsurteile vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 20; vom 18. Mai 2021 - [X.], [X.], 1046 Rn. 19; jeweils mwN).

Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die [X.] keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine [X.] darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von [X.] hat (vgl. zur [X.] Rspr. nur Senatsurteile vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 21; vom 18. Mai 2021 - [X.], [X.], 1046 Rn. 19; jeweils mwN). Gemäß § 403 ZPO hat die [X.], die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der [X.] sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe (Senatsbeschluss vom 14. Januar 2020 - [X.], [X.], 1069 Rn. 8).

[X.] ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer [X.] erst dann, wenn die [X.] ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (zur [X.] Rspr. vgl. nur Senatsurteile vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 22; vom 18. Mai 2021 - [X.], [X.], 1069 Rn. 20; jeweils mwN).

In den sogenannten "[X.]" bedeutet dies, dass der Erwerber eines möglicherweise betroffenen Fahrzeugs greifbare Anhaltspunkte anführen muss, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Dabei ist freilich zu beachten, dass er mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten [X.] einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung regelmäßig keine sichere Kenntnis von [X.] haben kann und letztlich auf Vermutungen angewiesen ist, die er nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält und auf ausreichend greifbare Gesichtspunkte stützen kann, so dass etwa - wie beim [X.] des [X.] - der Vortrag genügen kann, der Hersteller habe öffentlich zugegeben, der Motor weise eine illegale Abschalteinrichtung auf, und das [X.] habe eine aktuelle Überprüfung eingeleitet, weil es davon ausgehe, dass dieser Motor in das konkrete Fahrzeug eingebaut worden sei; dass das [X.] bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps bereits eine Rückrufaktion angeordnet hat, ist - wie die Revision zutreffend geltend macht - nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1122 Rn. 13 mwN).

bb) Nach diesen Grundsätzen verfehlt der Vortrag des [X.] die Substantiierungsanforderungen. Insbesondere ist der von der Revision in Bezug genommene Vortrag des [X.] zur Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach [X.] als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. Senatsurteile vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1122 Rn. 15; vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 23; [X.], Beschluss vom 15. September 2021 - [X.], juris Rn. 30).

Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe vorgetragen, durch eine "Und-Verknüpfung" verschiedener Parameter wie Außentemperatur, Lenkwinkel und bestimmter Lastzustände des [X.], die sich an den Prüfstandbedingungen orientierten, werde ein Prüfstandtest mit hoher Zuverlässigkeit erkannt und nur bei Erkennung dieser Prüfstandsituation bzw. -parameter werde die Abgasreinigung so konditioniert, dass die Emissionsgrenzwerte der [X.] eingehalten würden, während dies im realen Fahrbetrieb nicht der Fall sei, findet sich diese Behauptung einer Verknüpfung bestimmter Parameter mit einer "Umschaltlogik" an den von der Revision bezeichneten Fundstellen so schon nicht (vgl. zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung einer Verfahrensrüge Senatsurteil vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 16 mwN). Im Übrigen genügt die bloße Behauptung einer derartigen Abschalteinrichtung ohne greifbare Anhaltspunkte für deren Vorliegen nach den oben genannten Grundsätzen nicht.

Auch die von der Revision als vom Berufungsgericht übergangen gerügte Behauptung, das Fahrzeug unterscheide zwischen einem Warmlaufschaltprogramm und einem dynamischen Schaltprogramm, wobei ersteres ausschließlich im Fahrzyklus des [X.] aktiv sei, hat der Kläger an der von der Revision bezeichneten Stelle in dieser Form nicht aufgestellt. Vielmehr hat die [X.] - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - auf den dort zu findenden Vortrag des [X.], durch die Steuerung des Automatikgetriebes werde auf dem Prüfstand unrealistisch früh geschaltet, erwidert, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zwar über ein Warmlaufschaltprogramm und ein dynamisches Schaltprogramm verfüge, es zwischen den beiden Schaltprogrammen aber zu keinen relevanten Unterschieden bei den Schadstoffemissionen komme. Die Revision zeigt nicht auf, ob der Kläger diesen ersichtlich eine Reaktion erfordernden Sachvortrag der [X.] bestritten und wenn ja, was er darauf erwidert hat. Damit fehlt es jedenfalls an der für eine Verfahrensrüge erforderlichen Darlegung, dass das angeblich übergangene Vorbringen prozessual beachtlich war (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 17).

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch eine Haftung der [X.] gemäß § 826 BGB wegen des im Fahrzeug des [X.] zum Einsatz kommenden sogenannten [X.]s verneint. Es fehlt insoweit bereits an einem objektiv sittenwidrigen Verhalten der [X.].

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das [X.] aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das [X.], sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht. Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des [X.] unterliegt (vgl. zur [X.] Rspr. nur Senatsurteil vom 13. Juli 2021 - [X.], [X.], 1252 Rn. 11 f. mwN).

bb) Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des [X.] nach seinem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag bei kühleren Temperaturen ab 17 Grad Celsius zurückgefahren wird, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von 5 Grad Celsius erfolgt, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die [X.] handelnden Personen ein [X.] Gepräge zu geben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine derartige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO ([X.]) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2022 - [X.]/20, NJW 2022, 2605 Rn. 31 ff.). Wie der [X.] bereits mehrfach entschieden hat, reichte selbst ein solcher Gesetzesverstoß nicht aus, um das Gesamtverhalten der [X.] als sittenwidrig zu qualifizieren. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung des Software-Updates, die das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat und zu denen die Revision keinen relevanten übergangenen Tatsachenvortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 29 mwN) aufzeigt (vgl. näher Senatsbeschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 25 ff.; Senatsurteil vom 23. November 2021 - [X.] 839/20, NJW-RR 2022, 309 Rn. 19 f.; [X.], Urteile vom 23. September 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3725 Rn. 21 ff.; vom 28. Oktober 2021 - [X.], NJW-RR 2022, 243 Rn. 21 ff.; siehe auch Senatsurteil vom 22. Februar 2022 - [X.] 934/20, [X.], 852 Rn. 19).

Insbesondere folgen entgegen der Auffassung der Revision aus dem Klägervortrag zur unterbliebenen Offenlegung der Wirkungsweise des [X.]s gegenüber dem [X.] im [X.] keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die [X.] tätigen Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision weist insoweit auf das Vorbringen des [X.] hin, wonach davon auszugehen sei, dass alle Hersteller das [X.] vor Erteilung der Typgenehmigung nicht gegenüber dem [X.] offengelegt haben. Dies gehe aus Mitteilungen des [X.] hervor, aus denen sich ergebe, dass es sich stets auf die Aussagen des Herstellers verlassen habe. Diese Schlussfolgerung ist angesichts der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts, wonach das [X.] die Verwendung des [X.]s akzeptiert hat, bereits im Hinblick auf die in den vom Kläger vorgelegten Schreiben des [X.] genannten, am [X.] beteiligten Fahrzeughersteller nicht nachvollziehbar. Erst recht ergeben sich aus diesem Vorbringen keine Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der [X.], die nicht Hersteller des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, gegenüber dem [X.], die auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des [X.] und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. [X.], Beschluss vom 15. September 2021 - [X.], juris Rn. 17). Dass das On-Board-Diagnose-System ([X.]) nach dem Vortrag des [X.] Überschreitungen der Emissionsgrenzwerte im Realbetrieb bei Einsatz des [X.]s nicht als Fehlermeldung angezeigt haben soll, lässt ebenfalls nicht darauf schließen, dass für die [X.] tätige Personen das [X.] für eine unzulässige Abschalteinrichtung hielten (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2021 - [X.] 839/20, NJW-RR 2022, 309 Rn. 20; [X.], Urteil vom 28. Oktober 2021 - [X.], NJW-RR 2022, 243 Rn. 27).

c) Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 VO ([X.]) Nr. 715/2007, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV verneint hat, hält sein Urteil revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis ebenfalls stand.

Bei diesen Normen handelt es sich zwar - unter Zugrundelegung der Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in seinem Urteil vom 21. März 2023 ([X.]/21, NJW 2023, 1111) - um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, in deren persönlichen Schutzbereich der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs einbezogen i[X.]

Einer Inanspruchnahme der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 VO ([X.]) Nr. 715/2007, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV steht jedoch entgegen, dass es sich bei ihr nicht um den Fahrzeughersteller handelt, den die [X.] Abgasnormen - soweit ihnen drittschützender Charakter zukommt - allein in die Pflicht nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2023 - [X.] 1119/22, [X.], 1246 Rn. 20). Einen vorsätzlichen Verstoß des Herstellers des streitgegenständlichen Fahrzeugs gegen unionsrechtliche Vorgaben, an dem sich die [X.] im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB hätte beteiligen können (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2023 - [X.] 1119/22, [X.], 1246 Rn. 21), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der von der Revision als übergangen gerügte Klägervortrag zeigt - wie oben ausgeführt - insoweit ebenfalls keine Anhaltspunkte auf.

[X.]     

      

[X.]     

      

Müller

      

[X.]     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 526/20

06.02.2024

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 5. März 2020, Az: 7 U 189/18

§ 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VI ZR 526/20 (REWIS RS 2024, 1364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1364

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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