Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2019, Az. AK 56/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2540

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fortdauer der Untersuchungshaft: Dringender Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, schwere Entziehung Minderjähriger und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

[X.]

1

Die Angeschuldigte wurde am 4. April 2019 festgenommen und befindet sich seit dem 5. April 2019 in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des [X.]ftbefehls des [X.] vom 28. März 2019 (27 [X.]), seit dem 6. Juni 2019 aufgrund des [X.]ftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. Mai 2019 (2 [X.] 236/19). Gegenstand dieses [X.]ftbefehls sind folgende Vorwürfe:

2

Die Angeschuldigte habe sich von Oktober 2015 bis zum 4. April 2019 in [X.] und in [X.] durch drei rechtlich selbständige [X.]ndlungen als Mitglied an der Gruppierung "[X.]" ([X.]) und damit an einer außereuropäischen terroristischen [X.] beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen. In einem der Fälle habe sie in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ein Kind einem Elternteil entzogen, um es in das Ausland zu verbringen, wobei sie das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht und in einem der Fälle durch die Tat den Tod des Opfers verursacht habe, zugleich eine andere Person körperlich misshandelt, in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe eingegliedert. In einem Fall habe die Angeschuldigte [X.] die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem [X.] beruht habe (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171, 223 Abs. 1, § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.], § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG [X.]. Teil [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG).

3

Der [X.] hat unter dem 4. Oktober 2019 wegen dieser Tatvorwürfe Anklage zum [X.] erhoben.

I[X.]

4

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

5

1. Die Angeschuldigte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

6

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

8

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 [X.] inne. Bei der Ausrufung des "Kalifats" erklärte der Sprecher des [X.] [X.] zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "[X.]’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "[X.] - [X.] - [X.]", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

9

Die [X.] unterteilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Organisation immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.

Im [X.] gelang es dem [X.] im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt [X.], die bis zu der Offensive der von [X.] unterstützten [X.] Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.] [X.] war. Seit Januar 2015 wurde die [X.] schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von [X.], die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.] aus seiner letzten nord[X.] Hochburg in Tal Afar verdrängt.

bb) Die Angeschuldigte, die bereits im Jahr 2005 zum [X.] Glauben konvertiert war, ist seit dem [X.] nach [X.] Recht mit dem Zeugen [X.]verheiratet, der ebenfalls [X.] Glaubens ist. Mit ihm hat die Angeschuldigte die gemeinsamen Kinder [X.], geboren am 18. Februar 2008, und [X.].   , geboren am 5. Februar 2012; das dritte gemeinsame Kind [X.]m.  , geboren am 8. Juli 2009, kam am 7. Dezember 2018 in [X.] bei einem Raketenangriff ums Leben.

Die Angeschuldigte verfolgte während der Ehe zunehmend das Ziel, mit [X.]und ihren Kindern in das Herrschaftsgebiet des [X.] in [X.] auszureisen, weil sie der Ansicht war, nur dort ihren Glauben ausleben zu können. Da [X.]die Ideologie des [X.] und eine Ausreise nach [X.] stets abgelehnt hatte, begab sich die Angeschuldigte im Oktober 2015 während einer berufsbedingten Abwesenheit von [X.]sowie gegen dessen Willen mit den Kindern in die [X.] und von dort weiter nach [X.] in das Herrschaftsgebiet des [X.]. Dadurch hinderte sie [X.]bewusst und gewollt daran, sein ihm hinsichtlich der Kinder zustehendes Recht der Personensorge auszuüben, im Hinblick auf die Töchter [X.] und [X.].   bis zu deren Rückkehr nach [X.] am 4. April 2019 und im Hinblick auf den [X.] [X.]m.  bis zu dessen Tod am 7. Dezember 2018.

Die Angeschuldigte lebte in [X.] zunächst von Oktober bis November 2015 gemeinsam mit ihren Kindern in einem Frauenhaus des [X.] in [X.]. Spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus schloss sie sich der Organisation an; sie identifizierte sich mit deren Ideologie, [X.]ndlungsweisen und Zielen und unterwarf sich im Einvernehmen mit Personen, die für den [X.] verantwortlich handelten, dem Willen der [X.]. Das Frauenhaus wurde bombardiert, während sich die Angeschuldigte mit ihren Kindern dort aufhielt; dadurch wurden die Kinder in die konkrete Gefahr des Todes gebracht, was die Angeschuldigte schon bei ihrer Ausreise aus [X.] vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hatte.

Ab November 2015 wohnte die Angeschuldigte mit den Kindern in [X.] in einem [X.]us, das von ihrer Bekannten    [X.]     und deren Ehemann nach islamischem Recht genutzt wurde. Auch dort waren sie Bombardierungen und Beschuss ausgesetzt. Während dieser [X.] nahm die Angeschuldigte mit ihren Kindern an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihr [X.] [X.]m.  sah überdies mit an, wie einem Dieb zur Strafe eine [X.]nd abgetrennt wurde.

Während der ersten Monate ihres Aufenthalts beim [X.] forderte die Angeschuldigte ihren Ehemann bei Telefongesprächen wiederholt auf, ihr nach [X.] zu folgen, sich dort in einem Ausbildungslager des [X.] drei Monate lang paramilitärisch ausbilden sowie ideologisch unterweisen zu lassen und anschließend für die Organisation zu kämpfen. Weil sie ihn nicht von einer Ausreise nach [X.] überzeugen konnte, heiratete sie im Frühjahr 2016 nach islamischem Recht das [X.]-Mitglied           [X.]    alias [X.]          ", der aus [X.] oder [X.] stammte, und zog mit diesem in eine Drei-Zimmer-Wohnung in [X.], für die eine monatliche Miete in Höhe von 50 US-Dollar zu zahlen war.           [X.]    hatte sich bei einem Kampfeinsatz eine Schussverletzung an der Hüfte zugezogen und konnte deshalb nicht mehr an Kämpfen teilnehmen. Er war jedoch nach wie vor für den [X.] tätig, indem er logistische Aufgaben übernahm. Er unterwies die Angeschuldigte zum Zweck der Selbstverteidigung im Umgang mit einer in seinem Besitz befindlichen [X.]. Gemeinsam mit ihm betreute die Angeschuldigte über den [X.] durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des [X.] in [X.]. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts zahlte der [X.] ihr monatlich 100 US-Dollar.

Im Jahr 2016 brachte die Angeschuldigte ihren zu dieser [X.] sechs bzw. sieben Jahre alten [X.] [X.]m.  entsprechend ihrer mit der Organisation übereinstimmenden Ideologie mehrmals in ein Ausbildungslager des [X.]. Dort wurde er körperlich trainiert und im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen; außerdem leistete er Wachdienste. Daneben ließ die Angeschuldigte alle drei Kinder durch eine [X.] Lehrerin im Sinne des [X.] unterrichten. Als [X.]m.  die Ideologie des [X.] kritisch hinterfragte, teilte sie dies der "Religionspolizei" mit, deren Mitglieder ihren [X.], wie von ihr beabsichtigt, züchtigten.

Die Angeschuldigte war zudem Mitglied der [X.]", bei der es sich um eine Kampfeinheit des [X.] handelte, der ausschließlich Frauen angehörten. Da die Angeschuldigte über ein Kraftfahrzeug verfügte, hatte sie innerhalb der [X.] die Aufgabe, Frauen zum Schießtraining zu fahren.

Zu einem nicht näher bekannten [X.]punkt war sie im Besitz einer [X.]ndgranate. Diese wollte sie im Falle eines Angriffs zünden, um möglichst viele Gegner des [X.] sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.

Nachdem die Angeschuldigte im Mai 2017 ein von           [X.]    abstammendes Kind zur Welt gebracht hatte, verließ sie [X.] im Juni 2017 mit ihren vier Kindern, weil die Bombardierungen der Stadt zunahmen.           [X.]    blieb in [X.] zurück und kam dort ums Leben. Daraufhin erhielt die Angeschuldigte im Februar 2018 vom "Witwenbüro" des [X.] eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 US-Dollar. Später heiratete sie das [X.]-Mitglied                N.   und wurde dessen Zweitfrau. Nachdem sie [X.] verlassen hatte, flüchtete sie parallel zum Frontverlauf in jeweils noch vom [X.] kontrollierte Gebiete.

Am 7. Dezember 2018 kam ihr [X.] [X.]m.  ums Leben, als das in der Nähe der Front gelegene [X.]us, in dem die Angeschuldigte mit ihren Kindern lebte, bombardiert wurde. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Angeschuldigte erkennen können, dass ihre Kinder zu Tode kommen könnten, nachdem sie diese in ein Gebiet verbracht hatte, in dem seinerzeit schwere kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden und eine ständige Bedrohung durch Waffengewalt bestand.

b) Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die terroristische [X.] [X.] auf den diesbezüglichen Gutachten, insbesondere denjenigen der Sachverständigen Dr. St.     und [X.]    , sowie Auswerteberichten des [X.]s.

In Bezug auf die der Angeschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Angaben des Zeugen [X.]. Er hat insbesondere bei seiner Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des [X.] am 25. April 2019 eingehend geschildert, dass die Angeschuldigte ihn zunehmend drängte, gemeinsam mit ihr und den Kindern nach [X.] zu gehen und sich dort dem [X.] anzuschließen. Seiner Darstellung zufolge forderte sie ihn nach ihrer Ausreise telefonisch wiederholt auf, ihr nach [X.] zu folgen, um sich dort vom [X.] militärisch ausbilden zu lassen und für die Organisation zu kämpfen. Ferner ergeben sich aus seinen Angaben tragfähige Hinweise darauf, dass die Angeschuldigte ihren [X.] [X.]m.  in einem Ausbildungslager des [X.] im Umgang mit Schusswaffen unterweisen ließ und dass sie zeitweise eine [X.]ndgranate besaß, um diese im Falle eines Angriffs zu zünden und dadurch möglichst viele Gegner des [X.] sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.

Die Bekundungen des Zeugen [X.]stehen teilweise im Einklang mit den Angaben der Angeschuldigten. Diese hat sich zwar bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des [X.] nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen, sie hat sich aber bei verschiedenen anderen Gelegenheiten zur Sache geäußert. Insbesondere berichtete sie den Zeuginnen [X.]und N.    , die sie während ihrer Rückreise aus [X.] über die [X.] nach [X.] am 4. April 2019 begleiteten, über ihr Leben in [X.]. Sie erzählte ihnen unter anderem von ihren Aufenthalten im Frauenhaus des [X.] sowie im [X.]us ihrer "Freundin" in [X.], von den [X.], von ihren Ehemännern nach islamischem Recht sowie davon, vom [X.] zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts 100 US-Dollar pro Monat und nach dem Tod ihres Ehemanns nach islamischem Recht 1.000 US-Dollar vom "Witwenbüro" der [X.] ausgezahlt bekommen zu haben.

Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die eingehenden Ausführungen in dem [X.]ftbefehl vom 28. Mai 2019 und die Anklageschrift Bezug genommen.

c) Danach hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Fällen als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.]), mit schwerer Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB), mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§§ 171, 52 StGB) sowie mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB), und in einem weiteren Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit einem Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG in Verbindung mit Teil [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffK[X.]

aa) Die Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am [X.] dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).

Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs (s. dazu etwa [X.], Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, [X.]St 18, 296, 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 [X.]. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB), die im Hinblick auf die Organisationsstruktur und die Willensbildung geringere Anforderungen stellt und den Begriff dadurch ausgeweitet hat. Es sollen nunmehr nicht nur Personenzusammenschlüsse erfasst werden, deren Mitglieder sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen, sondern auch hierarchisch organisierte Gruppierungen mit bloßer Durchsetzung eines autoritären Anführerwillens ohne "Gruppenidentität" (BT-Drucks. 18/11275, [X.], 11).

Auch nach der Legaldefinition handelt es sich bei einer [X.] indes um einen organisierten Zusammenschluss von Personen, was zumindest eine gewisse Organisationsstruktur sowie in gewissem Umfang instrumentelle Vorausplanung und Koordinierung erfordert; notwendig ist darüber hinaus das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse (BT-Drucks. 18/11275, [X.] f., 11). Wenngleich die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer [X.] auf der Grundlage der Legaldefinition anders als nach früherem Verständnis nicht erfordert, dass sich der Täter in das "[X.]" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt sie nach wie vor eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des [X.] in die Organisation voraus ([X.], Beschluss vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 11). Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die [X.] von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der [X.] einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die [X.], mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der [X.] zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer [X.] nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die [X.] und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.] getragen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 128).

Daran gemessen hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied am [X.] beteiligt. Es liegen Umstände vor, denen zu entnehmen ist, dass sie sich spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus des [X.] im Oktober 2015 in die Organisation eingliederte. So reiste sie aus eigenem Antrieb mit ihren Kindern nach [X.], um dort den Kampf gegen das syrische Regime zu unterstützen und am Aufbau eines [X.] Staates nach den Regeln der Sharia mitzuwirken. Sie bemühte sich darum, ihren Ehemann als Kämpfer für den [X.] zu gewinnen, und heiratete nach islamischem Recht einen [X.]-Kämpfer, der sie im Umgang mit der [X.] unterwies. Überdies wurde sie von der Organisation alimentiert und erhielt nach dem Tod ihres Ehemannes nach islamischem Recht vom "Witwenbüro" der [X.] eine Einmalzahlung von 1.000 US-Dollar. Ferner war sie Mitglied einer Kampfeinheit des [X.], der nur Frauen angehörten, und übernahm in diesem Rahmen die Aufgabe, die Frauen zum Schießtraining zu fahren. Sie betreute gemeinsam mit ihrem Ehemann nach islamischem Recht über den [X.] durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des [X.] in [X.] und besaß zeitweise eine [X.]ndgranate, um damit im Falle eines Angriffs unter anderem möglichst viele Gegner des [X.] zu töten. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Angeschuldigte einvernehmlich in die [X.] aufgenommen wurde.

Sie förderte das Ziel des [X.], in [X.] dauerhaft ein eigenes staatsähnliches Gebilde unter Geltung der Sharia zu errichten, nicht nur, indem sie versuchte, ihren Ehemann dazu zu bewegen, ebenfalls nach [X.] zu kommen und sich der Organisation anzuschließen, indem sie Geldtransaktionen für Mitglieder der [X.] betreute und indem sie sich in der [X.]" engagierte, sondern auch durch die von ihr veranlasste Aufnahme ihres [X.]es [X.]m.  in dem Ausbildungslager des [X.] sowie dadurch, dass sie ihre Kinder im Sinne der Organisation unterrichten und ihren [X.] von Mitgliedern der "Religionspolizei" züchtigen ließ, als er Zweifel an der Ideologie des [X.] äußerte.

bb) Die Angeschuldigte ist zudem dringend verdächtig, in einem Fall [X.] ein Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.]) begangen zu haben, indem sie ihren [X.] [X.]m.  mehrfach in ein Ausbildungslager des [X.] schickte, um ihn dort im Umgang mit Waffen unterweisen zu lassen.

(1) Bei den im Tatzeitraum in [X.] stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen [X.] Armee und oppositionellen Gruppierungen, insbesondere dem [X.], handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 [X.].

(2) Die Angeschuldigte gliederte ihren damals sechs bzw. sieben Jahre alten [X.] [X.]m.  und damit ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe ein.

(a) Durch die Verwendung des Merkmals der bewaffneten Gruppe neben demjenigen der (staatlichen) [X.] wollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5 [X.] - den Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) [X.]tGH-Statut entsprechend - auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt erstrecken, der nicht notwendigerweise eine Beteiligung von [X.]n voraussetzt (MüKoStGB/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 8 [X.] Rn. 163; BT-Drucks. 14/8524, [X.] f.). Aus der Orientierung an den Bestimmungen des [X.]tGH-Statuts ergibt sich, dass das Merkmal der bewaffneten Gruppe im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 [X.] ein Mindestmaß an Organisationsstruktur erfordert (vgl. MüKoStGB/[X.]/[X.], aaO). Denn die entsprechende Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (vii) [X.]tGH-Statut findet gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. f [X.]tGH-Statut nur Anwendung, wenn an einem im Hoheitsgebiet eines Staates stattfindenden bewaffneten Konflikt - gegebenenfalls neben staatlichen [X.]n - "organisierte" bewaffnete Gruppen beteiligt sind, nicht dagegen in Fällen bloßer innerer Unruhen, Spannungen oder Tumulte.

Der [X.] wies zur Tatzeit eine Organisationsstruktur auf, die über das insoweit erforderliche Mindestmaß deutlich hinausging. Die Organisation verfügte über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert waren. Dadurch war eine Struktur geschaffen worden, die es ermöglichte, unter einer verantwortlichen Führung die Kontrolle über ein Gebiet auszuüben, für die Ausbildung neuer Rekruten Sorge zu tragen und anhaltende sowie koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen.

(b) Unter Eingliederung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.] ist jede Aufnahme in eine bewaffnete Einheit zu verstehen. Das ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Begriff "Eingliedern" das sinnvolle Einfügen oder Einordnen in ein größeres Ganzes bezeichnet (vgl. [X.]). Dieses Verständnis entspricht demjenigen der Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) [X.]tGH-Statut, an denen sich § 8 Abs. 1 Nr. 5 [X.] orientiert. Der in diesen Bestimmungen verwendete Begriff der Eingliederung erfasst ebenfalls jede faktische Aufnahme in eine bewaffnete Einheit; ein formaler Aufnahmeakt ist ebenso wenig erforderlich wie eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen (vgl. [X.], Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1304 f.).

Hier stellte das Ausbildungslager des [X.], in das der [X.] der Angeschuldigten auf deren Veranlassung aufgenommen wurde, eine bewaffnete Einheit dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass er dort im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde.

(3) Die Tat stand auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt. Das Merkmal ist funktional zu verstehen. Der Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konflikts für die Fähigkeit des [X.], die Tat zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden. Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (vgl. etwa [X.], Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, [X.]St 62, 272 Rn. 55 mwN).

Hier bildete der bewaffnete Konflikt, an dem der [X.] beteiligt war, den maßgeblichen Hintergrund für die Entscheidung der Angeschuldigten, ihren [X.] in dem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen zu lassen.

cc) Die Angeschuldigte ist außerdem der [X.] begangenen schweren Entziehung Minderjähriger in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 52 StGB) sowie der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, § 52 StGB) dringend verdächtig, indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des [X.] in [X.] begab.

Dadurch, dass sie gegen den Willen des gemeinsam mit ihr sorgeberechtigten Zeugen [X.]mit den Kindern nach [X.] reiste, um dort dauerhaft zu leben, hinderte sie ihren Ehemann während ihres Aufenthalts in [X.] daran, sein Recht der Personensorge auszuüben. Die Kinder wurden aufgrund der Bombardierungen mehrfach einer konkreten Lebensgefahr ausgesetzt, was die Angeschuldigte billigend in Kauf nahm. Ihr [X.] wurde schließlich bei dem Raketenangriff am 7. Dezember 2018 getötet, wodurch sich ein Risiko verwirklichte, das für die Angeschuldigte vorhersehbar und vermeidbar war.

dd) Es besteht überdies der dringende Tatverdacht, dass die Angeschuldigte in drei [X.]en Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzte (§§ 171, 52 StGB), indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des [X.] in [X.] begab, dort dauerhaft mit ihnen im Kriegsgebiet lebte und ihren [X.] [X.]m.  in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen sowie von der "Religionspolizei" des [X.] züchtigen ließ.

Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die betreffende [X.]ndlung objektiv in einem besonders deutlichen Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Erziehung steht und subjektiv, gemessen an den Möglichkeiten des [X.], ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennen lässt. Insoweit kann bei einer besonders folgenschweren Pflichtverletzung eine einmalige [X.]ndlung ausreichen, bei Wiederholungen oder längerer Dauer können aber auch Verstöße, die für sich gesehen von geringer Art sind, das Ausmaß einer gröblichen Verletzung annehmen ([X.]/[X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 171 Rn. 4 mwN).

Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Nach dem Willen der Angeschuldigten mussten die Kinder im Herrschaftsgebiet des [X.] und damit unter einer Willkürherrschaft sowie in einem Kriegsgebiet leben. Sie waren wiederholt Bombardierungen ausgesetzt und besuchten keine Schule. Außerdem nahm die Angeschuldigte mit ihnen an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihren [X.] [X.]m.  ließ die Angeschuldigte überdies in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen und von der "Religionspolizei" des [X.] züchtigen, als er Zweifel an dessen Ideologie äußerte. Darin kommt zumindest insgesamt ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit der Angeschuldigten zum Ausdruck, wodurch die Kinder, was die Angeschuldigte erkannte und zumindest billigend in Kauf nahm, in die konkrete Gefahr gerieten, in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden.

ee) Die Angeschuldigte ist ferner dringend verdächtig, eine Körperverletzung begangen zu haben, indem sie ihren [X.] [X.]m.  , als dieser Zweifel an der Ideologie des [X.] äußerte, zur "Religionspolizei" der Organisation brachte und dort züchtigen ließ (§ 223 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB). Die von den Angehörigen der "Religionspolizei" vorgenommenen Züchtigungshandlungen sind der Angeschuldigten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Sie wollte [X.]m.  von den Mitgliedern der "Religionspolizei" körperlich misshandeln lassen und leistete dazu einen wesentlichen Tatbeitrag, indem sie ihn zu diesem Zweck der "Religionspolizei" überließ.

ff) Schließlich besteht gegen die Angeschuldigte dringender Tatverdacht wegen eines Verstoßes gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffK[X.] Sie übte zeitweise die tatsächliche Gewalt über eine [X.]ndgranate aus, bei der es sich um eine Kriegswaffe im Sinne von Teil [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG handelte.

gg) Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt:

(1) Die zum Nachteil mehrerer Kinder begangenen Verletzungen des § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB stehen - wie die Gefährdung mehrerer Schutzbefohlener (§ 171 StGB) durch dieselbe [X.]ndlung - zueinander in Tateinheit, ebenso der mit dem Eintritt des Todes des Kindes [X.]m.  verwirklichte Verstoß gegen § 235 Abs. 5 StGB. § 235 Abs. 4 und Abs. 5 StGB sind gegenüber § 235 Abs. 2 StGB lex specialis (vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 235 Rn. 103 mwN); § 235 Abs. 5 verdrängt § 235 Abs. 4 StGB.

§ 235 StGB ist ein [X.] ([X.], Urteil vom 28. Januar 1887 - 3310/86, [X.]St 15, 340, 341; MüKoStGB/[X.], aaO Rn. 10); es ist mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands der Entziehung des Minderjährigen vollendet und erst dann beendigt, wenn der rechtswidrige Zustand nicht mehr andauert (MüKoStGB/[X.], aaO Rn. 101). Andere Straftaten, die während des [X.] begangen werden, stehen in Tateinheit mit dem [X.], wenn sich die Ausführungshandlungen der Taten wenigstens teilweise decken; demgegenüber ist [X.] anzunehmen, wenn die andere Straftat nur gelegentlich des [X.]s begangen wird (vgl. MüKoStGB/von [X.], 3. Aufl., § 52 Rn. 33).

Ein [X.] wie § 235 StGB verbindet andere Straftaten, die bei isolierter Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stünden, zu Tateinheit, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten [X.] zusammentrifft und in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung Ausdruck findet, nicht deutlich hinter den während seiner Begehung zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt ([X.], Urteil vom 8. November 2007 - 3 [X.], [X.], 209, 210 mwN).

(2) Hier liegen sich überschneidende [X.] vor, soweit die Angeschuldigte die Aufnahme ihres [X.]es [X.]m.  in dem Ausbildungslager des [X.] veranlasste und ihn zum Zweck der körperlichen Züchtigung zur "Religionspolizei" brachte. Dadurch wurde der rechtswidrige Zustand im Sinne des § 235 StGB weiter vertieft. Zudem erfüllte das Verbringen von [X.]m.  in das Ausbildungslager und zur "Religionspolizei" aufgrund des damit einhergehenden Umgangs mit Waffen, der erhöhten Gefahr von Bombardements und der dort drohenden körperlichen Misshandlungen den Qualifikationstatbestand des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB. Die durch diese [X.]ndlungen verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB steht jeweils mit § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB in Tateinheit. Dies gilt im Hinblick auf das Verbringen von [X.]m.  in das Ausbildungslager auch für den zugleich verwirklichten Verstoß gegen § 171 StGB in drei [X.]en Fällen und das Kriegsverbrechen gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.]. Hinsichtlich der von der Angeschuldigten veranlassten Züchtigung ihres [X.]es durch die "Religionspolizei" gilt Gleiches für die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) und die auch dadurch verwirklichte Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB).

Zwar bestünde zwischen den durch die Verbringung von [X.]m.  in das Ausbildungslager des [X.] einerseits und zur "Religionspolizei" andererseits verwirklichten Straftatbeständen bei isolierter Betrachtung Tatmehrheit. Hier begründet aber die Verklammerung durch das damit jeweils in Tateinheit stehende Delikt des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB die Annahme von Idealkonkurrenz. Der strafrechtliche Unwert des - gleichermaßen wie die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] (§ 129a Abs. 1 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) - mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohten Verstoßes gegen § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB bleibt lediglich hinter demjenigen des [X.] gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 [X.] zurück, das mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu ahnden ist.

Demgegenüber beging die Angeschuldigte die Straftat nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG [X.]. Teil [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und die dadurch zugleich verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB nur bei Gelegenheit des [X.]s der Entführung Minderjähriger (§ 235 StGB). Sie steht deshalb zu den übrigen Gesetzesverstößen ebenso in Tatmehrheit wie die Gesamtheit der daneben verwirklichten, keinen anderen Straftatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte der Angeschuldigten (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 23 ff.).

d) [X.] Strafrecht ist anwendbar.

Im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] kann offenbleiben, ob sich die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB ergibt, weil die Angeschuldigte [X.] ist (siehe dazu [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Jedenfalls ist [X.] Strafrecht insoweit - ebenso wie in Bezug auf die Entziehung Minderjähriger, die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, die Körperverletzung und den Verstoß gegen das [X.] - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des [X.] und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt.

Im Hinblick auf das Kriegsverbrechen gegen Personen folgt die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts aus § 1 [X.].

e) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.

f) Die Zuständigkeit des [X.]s für die Verfolgung von Straftaten nach den §§ 129a, 129b StGB und damit auch für die [X.] verwirklichten Delikte ergibt sich aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG [X.]. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG, für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Übrigen aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG [X.]. § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG.

2. Es besteht der [X.]ftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.

Die Angeschuldigte hat im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Die Angeschuldigte verfügt in [X.] weder über einen festen Wohnsitz noch über eine geregelte Erwerbstätigkeit. Eine familiäre Bindung hat sie lediglich zu ihrer Mutter, wodurch sie sich indes bereits im [X.] nicht davon abhalten ließ, nach [X.] auszureisen. Im Übrigen äußerte die Angeschuldigte bei ihrer Befragung am 4. April 2019, dass sie sich als streng gläubige Muslima ein Leben in [X.] nicht vorstellen könne.

Jedenfalls begründen diese Umstände die Gefahr, dass die Ahndung der Taten ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick darauf, dass die Angeschuldigte unter anderem der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] dringend verdächtig ist, auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO ([X.], Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) auf den [X.]ftgrund der [X.] zu stützen ist.

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Nach der Festnahme der Angeschuldigten bei ihrer Wiedereinreise nach [X.] im April 2019 mussten zunächst die bei der Durchsuchung ihrer Person aufgefundenen Asservate ausgewertet werden, insbesondere Mobiltelefone, die teilweise umfangreiche Bild-, Text-, Audio- und Videodateien in [X.] und [X.] enthielten. Nachdem der Zeuge [X.]vernommen worden war und den Ermittlungsbehörden Anfang Mai 2019 sein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hatte, waren auch die darin gespeicherten Daten zu sichern und auszuwerten. Zur Vervollständigung der Erkenntnisse über die Ehemänner der Angeschuldigten nach islamischem Recht, zu ihren sonstigen Kontaktpersonen in [X.], zu den in der Region [X.] vom [X.] betriebenen Ausbildungscamps für Kindersoldaten und zu der ausschließlich aus Frauen bestehenden [X.]" wurden Erkenntnisanfragen an das [X.] und den [X.] gerichtet. Antworten der Behörden sind noch nicht zu den Akten gelangt. Zudem waren weitere Ermittlungen, insbesondere Zeugenvernehmungen, erforderlich. Gleichwohl hat der [X.] bereits unter dem 4. Oktober 2019 Anklage zum [X.] erhoben.

Vor diesem Hintergrund ist das Verfahren bislang mit der in [X.]ftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Schäfer                      Tiemann                     Berg

Meta

AK 56/19

17.10.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 25 Abs 2 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 S 1 StGB, § 129b Abs 1 S 2 StGB, § 171 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 235 Abs 2 Nr 1 StGB, § 235 Abs 4 Nr 1 StGB, § 8 Abs 1 Nr 5 Alt 2 VStGB, § 1 Abs 1 Anlage Teil B Nr 46 KrWaffKontrG, § 22a Abs 1 Nr 6 KrWaffKontrG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2019, Az. AK 56/19 (REWIS RS 2019, 2540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2540

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AK 17/22 (Bundesgerichtshof)

Dringender Tatverdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mitwirkung der deutschen Ehefrau eines IS-Kämpfers an der …


AK 10/23 (Bundesgerichtshof)


AK 22/19 (Bundesgerichtshof)

Strafbare Handlungen zur Förderung einer terroristischen Vereinigung


AK 30/21 (Bundesgerichtshof)

Strafbare Beteiligung an Aktivitäten des Islamischen Staates: Voraussetzungen mitgliedschaftlicher Beteiligungsakte; Bezug von Wohnraum im IS-Gebiet …


AK 32/22 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 57/17

3 StR 537/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.