Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2022, Az. AK 17/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2947

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Gegenstand

Dringender Tatverdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mitwirkung der deutschen Ehefrau eines IS-Kämpfers an der Versklavung und der Ausübung sexueller Gewalt gegen eine aus dem Nord-Irak verschleppte jesidische Kurdin


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] in [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

[X.] wurde am 7. Oktober 2021 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] in [X.] vom 23. April 2020 festgenommen. [X.]ither befindet sie sich ununterbrochen in Untersuchungshaft, ab dem 8. Februar 2022 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag (2 [X.] 46/22).

2

Gegenstand des nunmehr vollzogenen Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe im Zeitraum von April 2014 bis Oktober 2017 in [X.] in fünf selbständigen Fällen sich als Mitglied an einer [X.] im Ausland - dem sogenannten "[X.]" ([X.]) - beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 [X.]), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, davon in vier Fällen jeweils zugleich sich im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei angeeignet, die der Gewalt der eigenen Partei unterlegen hätten, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten gewesen sei, in einem dieser vier Fälle außerdem zugleich

- im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung

□ einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm angemaßt,

□ einen Menschen gefoltert, der sich im Gewahrsam der Angeschuldigten oder in sonstiger Weise unter ihrer Kontrolle befunden habe, indem sie ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zugefügt habe, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen gewesen seien,

□ eine identifizierbare Gruppe oder [X.] verfolgt, indem die Angeschuldigte ihr aus religiösen Gründen und aus Gründen des Geschlechts grundlegende Menschenrechte entzogen oder diese wesentlich eingeschränkt habe,

- im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem die Angeschuldigte ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zugefügt, insbesondere sie gefoltert habe,

- Beihilfe geleistet zu einem durch

□ Mitglieder des [X.] begangenen

• Völkermord nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.],

• Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.],

□ das [X.]-Mitglied         [X.].   begangenen

• Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.],

• Kriegsverbrechen gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 [X.],

strafbar gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, 6 und 10, § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 9 Abs. 1 Alternative 2 [X.], § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB.

3

Der [X.] hat am 23. März 2022 wegen dieses Vorwurfs Anklage zum [X.] in [X.] erhoben.

II.

4

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

5

1. [X.] ist jedenfalls dringend verdächtig eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland sowie drei weiterer Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 und 6, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB). Dieser dringende Tatverdacht trägt die Anordnung der [X.]. Deshalb kann für die Haftfrage dahinstehen, ob und inwieweit sich die Angeschuldigte mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad wegen weiterer Delikte strafbar gemacht hat.

6

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Die in [X.] seit Februar 2011 gegen die Regierung von [X.] schwelenden Proteste eskalierten ab März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens [X.] Sicherheitskräfte, Milizen sowie der [X.] gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten [X.], der Anfang 2012 schließlich weite Teile des [X.] erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete.

8

bb) Die [X.]" ([X.]) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu das Regime des [X.] Präsidenten [X.] und die schiitisch dominierte Regierung im [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

9

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte, wodurch sie von der territorialen [X.]lbstbeschränkung Abstand nahm, hatte von 2010 bis zu seinem Tod Ende Oktober 2019 [X.] inne. Bei der Ausrufung des Kalifats erklärte der Sprecher des [X.] [X.] zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Kurz nach dem Tod [X.]s berief die [X.] zu dessen Nachfolger.

Dem Anführer des [X.] unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden von eigenen Medienstellen produziert und verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift "[X.] - [X.] - [X.]") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert. Zwischen 2014 und 2017 bildete der [X.] in großem Umfang männliche Kinder militärisch aus, deren wichtigste Aufgaben der bewaffnete Kampf, Wachdienste, Hinrichtungen (als Teil der Öffentlichkeitsarbeit des [X.]) und [X.]lbstmordanschläge waren.

Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des [X.] in Frage stellten, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht er immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.

[X.] gelang es dem [X.], große Teile der Staatsterritorien von [X.] und dem [X.] zu besetzen. Er kontrollierte die aneinander angrenzenden Gebiete [X.] und des [X.]. Ab dem [X.] geriet die [X.] militärisch zunehmend unter Druck und musste schrittweise massive territoriale Verluste hinnehmen. Im August 2017 wurde sie aus ihrer letzten nord[X.] Hochburg in [X.] verdrängt. Im März 2019 galt der [X.] - nach der Einnahme des von seinen Kämpfern gehaltenen ost[X.] [X.] - sowohl im [X.] als auch in [X.] als militärisch besiegt, ohne dass aber die [X.] als solche zerschlagen wäre.

cc) In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 griffen hunderte Milizionäre des [X.] die Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s an. Dort lebten vornehmlich [X.] [X.]n Glaubens, die nach den radikal-sunnitischen Vorstellungen des [X.] als Ungläubige und "Teufelsanbeter" angesehen wurden. Ziel der [X.] war die vollständige Vernichtung der [X.]n Religion, des [X.] als solchem und seiner Angehörigen in den vom [X.] besetzten Gebieten, unter anderem durch [X.] und religiöse Umerziehung aller [X.], durch sofortige Hinrichtung der nichtkonversionsbereiten Männer und durch [X.] und Kinder.

Dementsprechend wurden diejenigen Männer hingerichtet, die sich weigerten, zum Islam zu konvertieren; diejenigen, die sich - um zu überleben - bereit erklärt hatten, zum Islam überzutreten, wurden gefangengenommen, verschleppt und in der Folgezeit zumeist als Zwangsarbeiter eingesetzt. Frauen und Kinder wurden zunächst an Sammelstellen zusammengetrieben und in Gruppenunterkünfte verbracht. Später wurden sie unter Androhung von Gewalt in Gebiete verschleppt, die schon länger vom [X.] besetzt waren, insbesondere nach [X.] in [X.] und nach [X.] im [X.]. Dort wurden Frauen und Mädchen in Unterkünften zusammengelegt, in denen [X.]-Kämpfer sich einzelne der Gefangenen entweder aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion, als Auszeichnung für besondere Leistungen, als Besoldungssurrogat oder gegen Geld aussuchen und mitnehmen konnten. Die jüngeren Frauen und Mädchen wurden sodann überwiegend als [X.]xsklavinnen gehalten und missbraucht, die älteren Frauen zumeist in Privathäusern als Haushaltssklavinnen eingesetzt. Soweit die Frauen und Mädchen nicht direkt aus den Unterkünften "vermarktet" wurden, wurden sie über zentrale Sklavenmärkte verkauft, vor allem in [X.] oder [X.], teilweise auch über Online-Auktionen.

dd) [X.], die sich mit der Ideologie des [X.] identifizierte, verließ im April 2014 gemeinsam mit der damaligen Ehefrau ihres Bruders     [X.],     [X.].  , und deren Kindern ihren Wohnort B.    und reiste über die [X.] nach [X.] aus. Sie folgte ihrem Bruder, der sich bereits zuvor in das Herrschaftsgebiet des [X.] begeben hatte und für die Organisation als Kämpfer tätig war. Dort angekommen, schloss sie sich vorgefasster Absicht entsprechend der [X.] an.

Am 17. Mai 2014 heiratete die Angeschuldigte nach islamischem Ritus         So.   , einen Freund ihres Bruders. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in einem Hotel in [X.] lebte sie mit ihm zunächst in [X.]. Der vom [X.] militärisch ausgebildete So.    nahm während der Ehe mit der Angeschuldigten an Kampfeinsätzen der [X.] teil, wobei er eine unbekannte Anzahl von Menschen tötete. Sie wohnte gemeinsam mit ihm als Zuschauerin regelmäßig nach dem Besuch des Freitagsgebets durch den [X.] organisierten "[X.]" von sogenannten [X.] bei, unter anderem Steinigungen.

Nachdem der Bruder der Angeschuldigten vermutlich im Juni 2014 bei Kämpfen ums Leben gekommen war, kehrte sie im März 2014 vorübergehend für ungefähr zwei Wochen nach B.    zurück und ließ sich dort aufgrund einer Schwangerschaft ärztlich behandeln. Anschließend flog sie, wie zuvor beabsichtigt, von [X.] aus in die [X.] und reiste von dort aus zu So.    zurück in das syrische [X.], um ihr Wirken für den [X.] fortzusetzen.

Am 4. Februar 2015 gebar die Angeschuldigte den gemeinsamen [X.]. Anschließend nannte sie sich "         ", So.    "         ". Der [X.] stellte für den Säugling Bedarfsgegenstände wie Babynahrung und Windeln zur Verfügung. Nach der Geburt ihres [X.] zog die Angeschuldigte im Februar 2015 gemeinsam mit ihm und ihrem Ehemann nach [X.]. Nachdem dieser am 13. April 2015 während Kampfhandlungen in [X.] getötet worden war, begab sie sich zu ihrer Schwägerin [X.].  .

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 13. April 2015 und März 2016 ging die Angeschuldigte mit dem [X.]-Kämpfer     Sa.  als "Zweitfrau" die Ehe nach islamischem Ritus ein. Sa.  nahm in der [X.] eine herausgehobene Stellung ein. Im Laufe der Ehe zog die Angeschuldigte zu ihm. Diese Ehe wurde später geschieden.

Im [X.]ptember 2017 heiratete die Angeschuldigte nach islamischem Ritus das [X.]-Mitglied         [X.].   , welcher der [X.] Ausrüstungsgegenstände für den bewaffneten Konflikt beschaffte und sich zeitweise auch selbst an Kampfhandlungen beteiligte. Sie zog mit ihrem [X.] zu ihrem Ehemann in dessen Wohnung in einem mehrstöckigen Gebäude in [X.]. Die Familie wechselte zweimal die Unterkunft; zunächst zog sie in ein Haus in derselben Stadt, sodann in ein anderes Haus, das in dem Bereich zwischen [X.] und [X.] gelegen war. In der [X.].   besaß die Angeschuldigte eine Pistole. Diese Ehe wurde Ende Oktober 2017 ebenfalls geschieden.

[X.] betrachtete die mit ihrer Stellung als Ehefrau des jeweiligen [X.]-Kämpfers verbundenen Tätigkeiten einschließlich von ihr verrichteter Haushaltsarbeiten als dazu bestimmt, seinen Einsatz für die [X.] zu fördern, insbesondere auch seine Kampfkraft zu stärken.

Mit der Scheidung verließ die Angeschuldigte [X.].   und begab sich mit ihrem [X.] in ein "Frauenhaus" in [X.]. Sie wurde im Dezember 2017 beim Versuch, [X.] zu verlassen, von kurdischen Kräften festgenommen und war bis zur Rückholaktion nach [X.] im Oktober 2021 in dem nord[X.] Flüchtlingslager [X.] untergebracht.

ee) Als Mitglied des [X.] beging die Angeschuldigte im Tatzeitraum im Interesse der [X.] die folgenden weiteren Straftaten:

(1) Während der Ehe mit So.    nahm die Angeschuldigte gemeinsam mit ihm zumindest zwei im [X.]-Herrschaftsgebiet gelegene Immobilien in Besitz, die von den rechtmäßigen Eigentümern oder Berechtigten aufgrund von [X.] zurückgelassen wurden. [X.] kam es auch darauf an, als Angehörige der [X.] hierdurch deren Herrschaftsanspruch zu festigen.

(a) Nach der Heirat am 17. Mai 2014 lebte das Ehepaar in einem Haus in einem nahe [X.] gelegenen Dorf. Die vormaligen kurdischen Bewohner waren von Milizionären des [X.] vertrieben worden. Die Organisation hatte das Haus unter ihre Verwaltung gestellt und es So.   sowie der Angeschuldigten zugeteilt.

(b) Später zog das Ehepaar gemeinsam in ein Haus in [X.] selbst. So.    hatte es zusammen mit weiteren [X.]-Kämpfern mit Waffengewalt gestürmt und dessen Bewohner vertrieben. [X.] hatte währenddessen in einem Auto gesessen und das Geschehen beobachtet. In diesem Haus kam am 4. Februar 2015 der [X.] der Angeschuldigten zur Welt.

(2) Während der Ehe mit [X.].   gehörte die am 1. Januar 1991 geborene [X.]dessen Haushalt an. Sie war im Rahmen der Erstürmung ihres [X.] ([X.]) im August 2014 von Mitgliedern des [X.] gefangengenommen und versklavt worden. Nachdem [X.].   sie vor der Hochzeit mit der Angeschuldigten bei Bekannten untergebracht hatte, holte er sie ein bis zwei Wochen danach in die von ihm und der Angeschuldigten bewohnte Wohnung in [X.] zurück. Dort und in den nachfolgend bezogenen Häusern hielt sich [X.]für mindestens drei Wochen auf.

[X.] und [X.].   zwangen die [X.] zur unentgeltlichen Verrichtung der gesamten Hausarbeit und behandelten sie wie ihr Eigentum. [X.]musste anlässlich einer späteren Hochzeitsfeier der Angeschuldigten die Gäste bekochen und bewirten. Zu ihren alltäglichen Pflichten gehörten das Kochen für die Angeschuldigte, deren Ehemann und [X.], das Putzen, das Wäschewaschen, die Reinigung des Geschirrs sowie das Wickeln des [X.]. Auch musste sie der Angeschuldigten und [X.].   bei Umzügen helfen. Diese sorgte dafür, dass [X.]die jeweilige Wohnung nicht ohne Begleitung verlassen konnte, und passte bei gemeinsamen Einkäufen auf, dass sie nicht fliehen konnte; beim Verlassen des Hauses führte die Angeschuldigte ihre Pistole mit sich. Außerdem forderte sie die [X.] wiederholt zum gemeinsamen Beten nach islamischem Ritus auf.

[X.] versetzte [X.]nahezu täglich Schläge und Tritte, um sie zu züchtigen. Anlass hierfür war vielfach, dass die [X.] auf eine von [X.].   erteilte Anordnung erwiderte, anstatt sie wortlos zu befolgen. Bei einer Gelegenheit schlug die Angeschuldigte der [X.]mit einer Taschenlampe gegen den Kopf, so dass diese zwei oder drei Tage lang Schmerzen hatte. [X.] packte sie immer wieder an den Haaren und stieß ihren Schädel gegen die Wand.

[X.].   vollzog regelmäßig mit [X.]gegen deren Willen den Vaginalverkehr. Falls sie sich wehrte, schlug er sie. Dies war der Angeschuldigten bekannt. Ihr war bewusst, dass ihre Vorkehrungen gegen [X.] die sexuellen Übergriffe ihres Ehemanns förderten; hiermit fand sie sich ab.

[X.] wusste auch darum, dass die Behandlung der [X.]durch sie und [X.].   zum Plan des [X.] beitrug, die [X.] Religion, das [X.]tum als solches und seine Angehörigen in den von der [X.] besetzten Gebieten zu vernichten.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die Erkenntnisse zum [X.] [X.], zur außereuropäischen [X.]" sowie zu dessen Vorgehen gegen die [X.] beruhen auf den - vom [X.] in Sonderordnern zusammengetragenen - Ergebnissen von Strukturermittlungen, insbesondere Sachverständigengutachten sowie Auswertungsberichten und -vermerken des [X.]s.

bb) Hinsichtlich der ihr zur Last liegenden Tatbeiträge hat die Angeschuldigte lediglich eingeräumt, von April 2014 bis Ende 2017 - mit der geschilderten kurzzeitigen Unterbrechung für die ärztliche Behandlung in B.    - im [X.]-Herrschaftsgebiet gelebt und dort mit ihren Ehemännern mehrere Häuser und Wohnungen bewohnt zu haben. Im Übrigen hat sie den Tatvorwurf weitgehend bestritten. Sie sei während eines [X.]aufenthalts gegen ihren Willen nach [X.] verbracht worden. Tötungshandlungen ihrer Ehemänner seien ihr nicht bekannt gewesen. So.    habe ihr mitgeteilt, für den [X.] Fahrzeuge zu kontrollieren. Ob Sa.  für diesen tätig gewesen sei, wisse sie nicht. [X.].   habe nach ihrem Wissen für die [X.] Gegenstände wie etwa Handys beschafft. Von öffentlichen [X.] des [X.] habe sie keine Kenntnis gehabt, ebenso wenig von der Vorgeschichte der von ihr bewohnten Häuser und Wohnungen; sie sei von Mietverhältnissen ausgegangen.

Der dringende Tatverdacht beruht hinsichtlich

- der bewussten Eingliederung der Angeschuldigten in die Strukturen des [X.] und ihrer mitgliedschaftlichen Betätigung für die [X.] insbesondere auf den Angaben verschiedener Auskunftspersonen, namentlich von drei Familienangehörigen des So.    und zwei [X.]-Rückkehrerinnen, sowie auf Telekommunikationsinhalten,

- der Aneignung der Häuser durch die Angeschuldigte und So.    vor allem auf den Zeugenaussagen von dessen Mutter und zwei [X.]-Rückkehrerinnen, daneben etwa auf den Ergebnissen von Strukturermittlungen;

- des Verhaltens der Angeschuldigten gegenüber der [X.] [X.]in erster Linie auf deren Zeugenaussage, daneben auf der Einlassung einer zwischenzeitlich erstinstanzlich verurteilten [X.]-Rückkehrerin (der Ehefrau von [X.].   s Bruder nach islamischem Ritus), dem von [X.].   im Juni 2017 verfassten Testament, das letztwillig [X.] Freilassung verfügt, sowie der Behördenerklärung des Bundesnachrichtendiensts vom 13. November 2018.

Darüber hinaus haben die Ermittlungsbehörden zahlreiche Erkenntnisse zu den drei Ehemännern nach islamischem Ritus und dem in das [X.]-Herrschaftsgebiet ausgereisten Bruder der Angeschuldigten gewonnen.

Wegen der Einzelheiten der Verdachtslage wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] und das in der Anklageschrift des [X.]s vom 18. März 2022 dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verwiesen.

cc) Auf die im Haftbefehl geschilderte Aneignung von weiteren Häusern und Wohnungen kommt es für die Haftfrage nicht an. Der [X.]nat hat dem dringenden Tatverdacht allein die zwei [X.] zugrunde gelegt, die sich den Zeugenangaben konkret zuordnen lassen. Ob die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sämtliche Wohnstätten im [X.]-Herrschaftsgebiet, welche die Angeschuldigte und So.    bezogen, von den rechtmäßigen Bewohnern zurückgelassen worden waren, als sie vor den heranrückenden [X.]-Truppen geflohen oder von diesen vertrieben worden waren, bedarf hier keiner Entscheidung.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der der Angeschuldigten angelastete Sachverhalt dahin zu beurteilen, dass sie jedenfalls dringend verdächtig ist eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.], § 25 Abs. 2 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 27 Abs. 1 StGB) und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) sowie drei weiterer Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 25 Abs. 2 StGB). Ihr oben unter Gliederungspunkt II. 1. a) geschildertes Verhalten ist wie folgt zu bewerten:

aa) [X.] ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland dringend verdächtig, indem sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dem [X.] anschloss und sich für ihn auf verschiedene Weise betätigte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB). Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung.

Die der Angeschuldigten vorgeworfenen Aktivitäten im [X.]-Herrschaftsgebiet sind als aktive Beteiligungshandlungen zu beurteilen. So verhält es sich hier auch bei der [X.], die sich angesichts der - aus den weiteren Umständen folgenden - Einbindung der Angeschuldigten in den [X.] und ihres Ziels, im Rahmen der ihr zugedachten Rolle als Ehefrau und Mutter die [X.] zu fördern, nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug darstellt (vgl. zu den Voraussetzungen der mitgliedschaftlichen Beteiligung im Einzelnen [X.], Beschluss vom 21. April 2022 - AK 14/22 mwN).

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des [X.] vor.

bb) [X.] hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in zwei Fällen wegen eines Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] strafbar gemacht. [X.]lich mit So.    (§ 25 Abs. 2 StGB, § 2 [X.]) eignete sie sich die beiden Wohnhäuser an, die, wie sie wusste, zuvor Angehörige des in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Teils der Zivilbevölkerung bewohnt hatten, die dessen Milizionäre - darunter in einem Fall ihr Ehemann - im Zusammenhang mit dem [X.] Bürgerkrieg getötet oder vertrieben hatten (vgl. im Einzelnen [X.], Beschlüsse vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 230 f.; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, [X.], 26 Rn. 29 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 28).

cc) [X.] ist eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung sowie der idealkonkurrierenden Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt dringend verdächtig.

(1) Die Voraussetzungen für die in § 7 Abs. 1 [X.] normierte Gesamttat liegen vor. Der [X.] führte gegen die kurdische Zivilbevölkerung [X.]n Glaubens in der Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s, beginnend mit dem [X.], vorsätzlich einen ausgedehnten und systematischen Angriff im Sinne dieser Vorschrift (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, juris Rn. 31 ff. mwN).

(2) [X.] beging bzw. förderte zumindest die beiden im Katalog des § 7 Abs. 1 [X.] aufgeführten [X.] der Nummern 3 und 6:

(a) Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit [X.].   (§ 25 Abs. 2 StGB, § 2 [X.]) führte sie Handlungen aus, die sich rechtlich als Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] darstellen.

Voraussetzung dieses Tatbestandes ist, dass der Täter ein angemaßtes "Eigentumsrecht" an einem Menschen ausübt. Nachdem von Rechts wegen allerdings kein solches Eigentumsrecht an einer Person bestehen kann, umfasst der Tatbestand der Sklaverei eine de facto vergleichbare Behandlung, bei der der Täter einen Menschen seinem Willen und seinen Interessen unterwirft und diesem die Freiheit abspricht, selbstbestimmt zu handeln. Wesentliche Indizien dabei sind die Kontrolle der Bewegungsfreiheit des Opfers, seine Verletzlichkeit, Misshandlungen und die wirtschaftliche Beherrschung oder Ausnutzung der betroffenen Person. Nicht zwingend erforderlich ist es dagegen, dass das Opfer entgeltlich oder gegen eine sonstige Vergütung "erworben" oder wieder "veräußert" worden bzw. die Ausübung des "Eigentumsrechts" von längerer Dauer ist. Diese Aspekte können jedoch starke Indizien für eine Versklavung sein ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, juris Rn. 39 mwN).

Gemessen daran, beteiligte sich die Angeschuldigte als Mittäterin des [X.].   an der Versklavung der [X.] L.  . Im [X.]ptember und/oder Oktober 2017 zwangen die Eheleute die von anderen Mitgliedern des [X.] gefangengenommene 26jährige Frau, unentgeltlich in ihrem Haushalt die alltäglichen Aufgaben zu verrichten und ihnen bei Umzügen zu helfen. Sie bestimmten über ihren Aufenthalt; die [X.] durfte sich weder im Haus noch sonst frei bewegen. Sowohl die Angeschuldigte als auch ihr Ehemann setzten vielfach Gewalt gegen [X.]ein. In Kenntnis der Angeschuldigten nötigte dieser die [X.] durch (drohende) Schläge, regelmäßig den Vaginalverkehr zu dulden.

(b) Zugleich leistete die Angeschuldigte durch diese Tatbeiträge Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB, § 2 [X.]) zur von ihrem Ehemann begangenen Vergewaltigung der [X.]im Sinne der Variante 2 der in § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.] normierten sexuellen Gewalt.

[X.].   verwirklichte den Tatbestand, indem er die [X.] vergewaltigte. Diese Tatvariante liegt - in Anlehnung an die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. g Variante 1 des [X.]tGH-Statut unter Heranziehung der [X.] zum [X.]tGH-Statut - unter anderem vor, wenn der Täter durch den Einsatz von Gewalt, die Androhung von Gewalt oder Zwang oder das Ausnutzen einer strukturellen Zwangssituation mit seinem Geschlechtsorgan in den Körper des Opfers eindringt (s. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 83). So liegt es hier.

Zu dieser ([X.] leistete die Angeschuldigte vorsätzlich Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des [X.] durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Form kausal wird, ist nicht notwendig (s. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 95 mwN). Der die sexuellen Übergriffe fördernde Beitrag der Angeschuldigten lag darin, dass sie daran mitwirkte, die Voraussetzungen für [X.].   s wiederholte Tatbegehung zu schaffen. Sie hielt [X.]unter Kontrolle und sorgte dafür, dass sie nicht fliehen konnte. Diese Aufrechterhaltung der Zwangslage stellte, wie der Angeschuldigten bewusst war, sicher, dass die [X.] ihrem Ehemann für sexuelle Handlungen, namentlich die Ausübung des [X.], zur Verfügung stand.

(3) [X.] und ihr Ehemann führten die [X.] "im Rahmen" der von § 7 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten Gesamttat aus. Denn die [X.] und Vergewaltigungshandlungen waren in den ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die kurdische Zivilbevölkerung [X.]n Glaubens eingebunden.

Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist erforderlich, dass sich die vom Täter begangene Katalogtat in die Gesamttat einfügt, er mithin seinen Tatbeitrag funktional in den Angriff einstellt (sog. funktionaler Zusammenhang; s. [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2021 - AK 43/21, juris Rn. 24 mwN). So verhält es sich hier. Die Versklavung der [X.]und die Förderung ihrer Vergewaltigung dienten dem Vorgehen des [X.] gegen die in der Region um das [X.] ansässige Religionsgemeinschaft der [X.]. Dies war der Angeschuldigten bewusst.

(4) Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung und die Beihilfe zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt stellen für die Angeschuldigte bereits aufgrund der [X.] ihrer Ausführungshandlungen eine Tat im materiellrechtlichen Sinne dar. Der Tatbestand der Folter verdrängt denjenigen der (Beihilfe zur) sexuellen Gewalt nicht (vgl. - mit Nachw. aus der [X.]. der internationalen Strafgerichtshöfe - MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 144; [X.]/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1121 f.).

dd) Im Übrigen sind die Konkurrenzen wie folgt zu bewerten:

Die tateinheitlich begangenen bzw. geförderten Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.], § 25 Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 27 Abs. 1 StGB sowie die beiden Kriegsverbrechen gemäß § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] sind materiell-rechtlich als drei selbständige Taten zu beurteilen. Sie stehen jede für sich in (weiterer) Tateinheit zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland, weil sich die Angeschuldigte mit den jeweiligen Handlungen als Mitglied des [X.] für diesen betätigte. Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die nicht gegen ein anderes Strafgesetz als §§ 129a, 129b StGB verstoßen, treten als verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit tatmehrheitlich hinzu (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 23, 37 ff.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, [X.]R StGB § 129a Konkurrenzen 6 Rn. 5; vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, [X.]R [X.] § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 27).

ee) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Dies ergibt sich für die Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch aus dessen § 1 Satz 1. Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland folgt die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 und 4 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, [X.]R StGB § 129b Anwendbarkeit 1; vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 35 f.) oder aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Angeschuldigte [X.] ist und jedenfalls die Tat - als [X.] an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des [X.] Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 - auch in [X.] mit Strafe bedroht ist (s. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 3. März 2021 - AK 10/21, juris Rn. 42 mwN).

ff) Für die [X.]entscheidung besteht kein Anlass, das Verhalten der Angeschuldigten gegenüber der [X.] [X.]im Hinblick auf die weiteren im vollzogenen Haftbefehl und in der Anklageschrift aufgeführten Straftatbestände zu bewerten.

2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität.

a) Nach Würdigung aller Umstände ist es wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm zur Verfügung halten werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

aa) [X.] hat im Fall ihrer Verurteilung mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen. Von der Straferwartung geht ein ganz erheblicher Fluchtanreiz aus, der sich jedenfalls regelmäßig nach der prognostisch tatsächlich zu verbüßenden Strafhaft richtet (zur sog. Nettostraferwartung s. [X.], Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 9; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 64 f., jeweils mwN).

Der zu stellenden Prognose ist zugrunde zu legen, dass der Regelstrafrahmen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) im Mindestmaß Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach bislang vorliegenden Erkenntnissen der drei Jahre und zehn Monate währende Aufenthalt der Angeschuldigten im Flüchtlingslager [X.] bei vorläufiger Bewertung voraussichtlich nicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe anzurechnen sein wird. Insbesondere ist nach derzeitigem Kenntnisstand die Annahme gerechtfertigt, dass die die nord[X.] Lager betreibenden kurdischen und die sie unterstützenden [X.] Kräfte mit der dortigen Internierung von [X.]-Angehörigen präventive Zwecke verfolgten (vgl. die in [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 45 f. dargelegten, auf den hiesigen Fall übertragbaren Erwägungen).

bb) Diesem Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Vielmehr hat die Angeschuldigte in [X.] seit 2014 keinen Wohnsitz und keine Arbeitsstelle mehr. Auch der Umstand, dass sich ihr [X.] und ihre im Lager [X.] geborene Tochter seit Oktober 2021 in [X.] aufhalten, kann unter den gegebenen Umständen den Fluchtanreiz nicht beseitigen.

b) Die zu würdigenden Umstände begründen zudem die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) ebenso auf den dort geregelten (subsidiären) Haftgrund gestützt werden kann.

3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 [X.] mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 [X.] analog) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 [X.] für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Der Aktenbestand umfasst mittlerweile 24 Stehordner und ein Sonderheft. Das Ermittlungsverfahren ist, auch nach der Festnahme der Angeschuldigten am 7. Oktober 2021, mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden:

Nachdem das [X.] die Zeugin [X.]am 10. Dezember 2021 vernommen hatte, hat die Generalstaatsanwaltschaft [X.] die Verfahrensakten dem [X.] mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 zur Prüfung der Übernahme vorgelegt. Dieser hat das Verfahren mit Verfügung vom 17. Januar 2022 übernommen. Auch seither sind die Ermittlungen hinreichend gefördert worden. So sind die Geschwister des So.    als Zeugen einvernommen worden, ebenso eine andere [X.]-Rückkehrerin sowie ein Journalist, der die Angeschuldigte im Lager [X.] interviewt hatte. Ferner sind Ermittlungen zu den Flugdaten hinsichtlich der Ausreise der Angeschuldigten - wenngleich weitgehend ergebnislos - geführt worden.

Am 18. März 2022 hat der [X.] die 101 [X.]iten umfassende Anklageschrift fertiggestellt, die am 23. März 2022 beim [X.] eingegangen ist. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats hat am Folgetag die Zustellung der Anklageschrift verfügt und eine Erklärungsfrist für die Angeschuldigte sowie ihre Verteidiger bis zum 14. April 2022 bestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zuschrift des [X.]s vom 1. April 2022 Bezug genommen.

5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Schäfer                   Berg                    [X.]

Meta

AK 17/22

04.05.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 7 Abs 1 Nr 3 VStGB, § 7 Abs 1 Nr 6 VStGB, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2022, Az. AK 17/22 (REWIS RS 2022, 2947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2947

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3 StR 236/17

3 StR 537/14

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