Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.10.2022, Az. AK 32/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5829

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Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

1

[X.] wurde am 31. März 2022 aufgrund [X.]ftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 9. Juli 2020 (4 [X.]) festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des [X.]ftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich im [X.]raum von Dezember 2014 bis März 2019 in [X.] und im [X.] in vier selbstständigen Fällen als Mitglied an einer [X.] - dem sogenannten "[X.]" ([X.]) - beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 [X.]), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen,

3

davon in einem Fall (Fall 1) zugleich

– im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung

□ einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm angemaßt,

□ einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt,

– Beihilfe geleistet zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.],

– eine andere Person mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel aufgenommen und beherbergt, um sie unter Ausnutzung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei zu halten,

4

davon in einem weiteren Fall (Fall 2) zugleich im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei angeeignet, die der Gewalt der eigenen Partei unterlegen hätten, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten gewesen sei,

5

und in einem weiteren Fall (Fall 3) zugleich

– die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 KrWaffKG oder Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a KrWaffKG ausgeübt,

– ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 der [X.] einen verbotenen Gegenstand besessen,

– ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 besessen und geführt;

strafbar gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3, 6 und 9, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a und [X.], § 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 2 WaffG.

6

Der [X.] hat am 13. September 2022 unter anderem wegen dieser Vorwürfe Anklage zum [X.] erhoben.

II.

7

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

8

1. [X.] ist jedenfalls dringend verdächtig eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] (Fall 1) sowie dreier weiterer Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.], davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (Fall 2) und in einem anderen Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, Besitz verbotener Gegenstände sowie Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe (Fall 3); § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 6, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a und [X.], § 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 2 WaffG. Dieser dringende Tatverdacht trägt die Anordnung der [X.]. Deshalb kann für die [X.]ftfrage dahinstehen, ob und inwieweit sich die Angeschuldigte mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad der Begehung weiterer Delikte strafbar gemacht hat.

9

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Die in [X.] seit Februar 2011 gegen die Regierung von [X.] schwelenden Proteste eskalierten ab März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens [X.] Sicherheitskräfte, Milizen sowie der [X.] gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten [X.], der Anfang 2012 schließlich weite Teile des [X.] erfasste und sich zu einem großflächigen [X.] ausweitete. Ab dem Jahreswechsel 2013/2014 griff dieser auf das Nachbarland [X.] über, wo schließlich seit Anfang 2014 ebenfalls ein erheblicher bewaffneter Konflikt herrschte.

bb) Die [X.]" ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu das Regime des [X.] Präsidenten [X.] und die schiitisch dominierte Regierung im [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hatte von 2010 bis zu seinem Tod Ende Oktober 2019 [X.] inne. Bei der Ausrufung des Kalifats erklärte der Sprecher des [X.] [X.] zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Kurz nach dem Tod [X.]s berief die [X.] zu dessen Nachfolger.

Dem Anführer des [X.] unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden von eigenen Medienstellen produziert und verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift "[X.] - [X.] - [X.]") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert. Zwischen 2014 und 2017 bildete der [X.] in großem Umfang männliche Kinder militärisch aus, deren wichtigste Aufgaben der bewaffnete Kampf, Wachdienste, Hinrichtungen (als Teil der Öffentlichkeitsarbeit des [X.]) und Selbstmordanschläge waren.

Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des [X.] in Frage stellten, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht er immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.

[X.] gelang es dem [X.], große Teile der Staatsterritorien von [X.] und dem [X.] zu besetzen. Er kontrollierte die aneinander angrenzenden Gebiete [X.] und des [X.]. Ab dem [X.] geriet die [X.] militärisch zunehmend unter Druck und musste schrittweise massive territoriale Verluste hinnehmen. Im August 2017 wurde sie aus ihrer letzten nord[X.] Hochburg in [X.] verdrängt. Im März 2019 galt der [X.] - nach der Einnahme des von seinen Kämpfern gehaltenen ost[X.] [X.] - sowohl im [X.] als auch in [X.] als militärisch besiegt, ohne dass aber die [X.] als solche zerschlagen wäre.

cc) In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 griffen hunderte Milizionäre des [X.] die Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s an. Dort lebten vornehmlich [X.] jesidischen Glaubens, die nach den radikal-sunnitischen Vorstellungen des [X.] als Ungläubige und "Teufelsanbeter" angesehen wurden. Ziel der [X.] war die vollständige Vernichtung der jesidischen Religion, des [X.] als solchem und seiner Angehörigen in den vom [X.] besetzten Gebieten, unter anderem durch [X.] und religiöse Umerziehung aller [X.], durch sofortige Hinrichtung der nichtkonversionsbereiten Männer und durch [X.] und Kinder.

Dementsprechend wurden diejenigen Männer hingerichtet, die sich weigerten, zum Islam zu konvertieren; diejenigen, die sich - um zu überleben - bereit erklärt hatten, zum Islam überzutreten, wurden gefangengenommen, verschleppt und in der Folgezeit zumeist als Zwangsarbeiter eingesetzt. Frauen und Kinder wurden zunächst an Sammelstellen zusammengetrieben und in Gruppenunterkünfte verbracht. Später wurden sie unter Androhung von Gewalt in Gebiete verschleppt, die schon länger vom [X.] besetzt waren, insbesondere nach [X.] in [X.] und nach [X.] im [X.]. Dort wurden Frauen und Mädchen in Unterkünften zusammengelegt, in denen [X.]-Kämpfer sich einzelne der Gefangenen entweder aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion, als Auszeichnung für besondere Leistungen, als Besoldungssurrogat oder gegen Geld aussuchen und mitnehmen konnten. Die jüngeren Frauen und Mädchen wurden sodann überwiegend als Sexsklavinnen gehalten und missbraucht, die älteren Frauen zumeist in Privathäusern als [X.]ushaltssklavinnen eingesetzt. Soweit die Frauen und Mädchen nicht direkt aus den Unterkünften "vermarktet" wurden, wurden sie über zentrale Sklavenmärkte verkauft, vor allem in [X.] oder [X.], teilweise auch über Online-Auktionen.

[X.]) [X.], die zum Islam konvertiert war und sich mit der Ideologie des [X.] identifizierte, reiste im Dezember 2014 aus [X.] aus und begab sich gemeinsam mit ihrem Ehemann, einem [X.] Arzt, in zu dieser [X.] vom [X.] beherrschtes Gebiet im [X.]. Sie gliederten sich dort einvernehmlich und unter Befürwortung der Ideologie des [X.] in die Organisation ein, ordneten sich dem Willen des [X.] unter und entfalteten folgende Tätigkeiten zur Förderung seiner Ziele:

(1) Der Ehemann betätigte sich in der Folgezeit an unterschiedlichen Orten mutmaßlich sowohl im [X.] als auch in [X.] als Arzt in Krankenhäusern, Lazaretten und Gefängnissen des [X.]. [X.] unterstützte ihn hierbei umfassend, indem sie die vom [X.] für Ehefrauen vorgesehene [X.]lle ausfüllte. Nachdem sie sich zunächst mit ihrem Ehemann in [X.]     /[X.] aufgehalten hatte, führte sie spätestens ab Frühjahr 2015 den [X.]ushalt der Familie in [X.] und organisierte nach der Geburt der Töchter S.    am 31. August 2015 und [X.]am 3. Mai 2018 die Kinderbetreuung. Neben ihrer Tätigkeit als [X.]usfrau und Mutter besuchte die Angeschuldigte einen [X.] und absolvierte eine Ausbildung als Masseurin oder Physiotherapeutin. Erkenntnisse, inwieweit sie die erworbenen Fähigkeiten in Gesundheitseinrichtungen des [X.] zur Anwendung brachte, liegen derzeit nicht vor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erhielt der Ehemann der Angeschuldigten für seine Tätigkeit als Arzt vom [X.] ein monatliches Gehalt in bislang noch unbekannter Höhe, bei dessen Bemessung auch die Angeschuldigte und ihre Kinder Berücksichtigung fanden.

(2) Im Frühjahr 2015 bezogen die Angeschuldigte und ihr Ehemann ein für die dortigen Verhältnisse großes und luxuriöses [X.]us in [X.]. Das zweistöckige Gebäude befand sich im Viertel [X.]        in der Nähe der [X.]. Sie hatten das [X.]us weder gekauft noch zahlten sie Miete. [X.] überließ der [X.] das [X.]us, nachdem die Vorbesitzer des Anwesens geflohen oder vertrieben worden waren, der Angeschuldigten und [X.] für ihre Dienste.

In diesem [X.]us nahmen die Angeschuldigte und ihr Ehemann nach Genehmigung und gegen Bezahlung durch den [X.] andere der Miliz zugehörige Frauen auf, die aus unterschiedlichen Gründen ohne Ehemänner lebten. So kam die Zeugin    Ö.    (alias "      ") dort für kurze Aufenthalte im [X.] und für einige Monate von etwa Mai bis Ende Juli 2016 unter. Des Weiteren hielten sich eine [X.] Staatsangehörige namens Sa.   (alias "      ") sowie die Zeuginnen    Sch.   - von Juni bis August 2015 - und    [X.](alias "      ") - etwa von Februar bis Mai 2016 - dort auf.

Zu den weiteren in den [X.]ushalt der Angeschuldigten aufgenommenen Frauen zählte etwa ab [X.] 2015 die [X.] Staatsangehörige     Fe.   ("      "). Der Ehemann nahm diese etwa im September/Oktober 2017 nach islamischem Ritus neben der Angeschuldigten zur weiteren Ehefrau. Zwei andere Frauen, die teilweise schon länger im [X.]ushalt der Angeschuldigten und ihres Mannes verweilten, heiratete er im Mai 2017 und Mitte April 2018.

(3) Während ihres Aufenthaltes in der Villa in [X.] - jedenfalls zwischen Juni 2015 und August 2016 - bewahrten die Angeschuldigte und [X.] im gemeinsamen Schlafzimmer eine große Anzahl von Waffen und Sprengstoff auf. So befanden sich in ihrem Kleiderschrank [X.]ndgranaten, [X.]s, Sprengstoff, Sprengstoffwesten und [X.]ndfeuerwaffen, darunter eine Glock. Ferner nahmen beide mit der Glock Schießübungen vor, an denen auch weitere sich im [X.]us der Eheleute aufhaltende Frauen teilnahmen.

(4) Im Frühjahr 2016 brachte der Ehemann eine ihm vom [X.] als "Geschenk" überlassene [X.] als Sklavin in den mit der Angeschuldigten geführten [X.]ushalt in [X.]. Gemeinsam zwangen die Eheleute die [X.] zur unentgeltlichen Verrichtung der [X.]usarbeit und behandelten sie wie ihr Eigentum. Sie musste von morgens früh bis spät in die Nacht im [X.]ushalt der Angeschuldigten putzen, kochen, sich um die Kinder kümmern und wurde zudem von deren Ehemann mit Wissen der Angeschuldigten regelmäßig mit Gewalt zum Vaginalverkehr gezwungen. Die [X.] durfte das umzäunte und verschlossene Anwesen nicht ohne Begleitung verlassen und wurde nach Verrichtung ihrer Zwangsarbeiten in [X.] eingesperrt. Zudem veranlassten die Eheleute die [X.] zur Einhaltung islamischer Glaubensregeln wie etwa des Gebets. Wegen seiner Betätigung als Arzt für den [X.] war [X.] der Angeschuldigten häufig ortsabwesend. Während solcher [X.]en hielt sie die Zwangslage der [X.] aufrecht.

Mutmaßlich im [X.] 2016 begab sich die Angeschuldigte mit ihrer Familie und der Sklavin nach [X.], ohne dass dies mit der Aufgabe des Anwesens in [X.] verbunden war. In [X.] setzte [X.] seine Betätigung als Arzt für den [X.] fort, während sich die Angeschuldigte um die Kinder und deren Erziehung zum [X.] Glauben kümmerte. Die Familie zog in [X.] mehrfach um, wobei sich ihre Aufenthaltsorte danach ausrichteten, wo er als Arzt des [X.] eingesetzt war. Im August 2018 wohnte die Angeschuldigte mit ihrer Familie in R.   ; das [X.]us wurde jedoch im Dezember 2018 bei einem Bombenangriff zerstört. Schließlich hielt sich die Angeschuldigte in der letzten Hochburg des [X.] in B.     auf.

(5) Anfang März 2019 wurde die Angeschuldigte gemeinsam mit der [X.] nach ihrer Flucht aus B.     von Angehörigen der Demokratischen Kräfte [X.]s ([X.]) in D.       aufgegriffen und in das Lager A.    verbracht. Ihr Ehemann wurde in einem Gefängnis in [X.].   inhaftiert. Die [X.] konnte sich erst nach der Gefangennahme und Überstellung in das Lager von der Angeschuldigten trennen.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die Erkenntnisse zum [X.] in [X.] und dem [X.], zur außereuropäischen [X.] [X.] sowie zu dessen Vorgehen gegen die [X.] beruhen auf den - vom [X.] in Sonderordnern zusammengetragenen - Ergebnissen von Strukturermittlungen, insbesondere Sachverständigengutachten sowie Auswertungsberichten und -vermerken des [X.].

bb) [X.] hat hinsichtlich der ihr zur Last liegenden Taten lediglich eingeräumt, im Tatzeitraum im [X.]-Herrschaftsgebiet gelebt und dort mit ihrem Ehemann und ihren Kindern mehrere Häuser und Wohnungen bewohnt zu haben.

Der dringende Tatverdacht beruht hinsichtlich

– der bewussten Eingliederung der Angeschuldigten in die Strukturen des [X.] und ihrer mitgliedschaftlichen Betätigung für die [X.] insbesondere auf den Angaben verschiedener Auskunftspersonen, namentlich ihrer Eltern und dreier der benannten [X.]-Rückkehrerinnen, die in dem Frauenhaus Aufnahme gefunden hatten, sowie auf Telekommunikationsinhalten,

– des Verhaltens der Angeschuldigten gegenüber der [X.] in erster Linie auf deren schriftlich vorliegender Aussage gegenüber [X.], daneben auf den übereinstimmenden Angaben mehrerer [X.]-Rückkehrerinnen sowie einem Vermerk des [X.] betreffend die Angaben eines Journalisten in einem Pressehintergrundgespräch,

– der Aneignung des [X.]uses durch die Angeschuldigte und deren Ehemann sowie der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, des Besitzes verbotener Gegenstände und des Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe vor allem auf den Zeugenaussagen zweier [X.]-Rückkehrerinnen, daneben auf den Ergebnissen von Strukturermittlungen, Lichtbildern und Telekommunikationsinhalten.

Wegen der Einzelheiten der Verdachtslage wird auf den [X.]ftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] und das in der Anklageschrift des [X.]s vom 13. September 2022 dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verwiesen.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der der Angeschuldigten angelastete Sachverhalt dahin zu beurteilen, dass sie jedenfalls dringend verdächtig ist eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] (Fall 1) sowie dreier weiterer Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.], davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (Fall 2) und in einem anderen Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, Besitz verbotener Gegenstände sowie Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe (Fall 3); § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 6, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a und [X.], § 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 2 WaffG. Ihr oben unter Gliederungspunkt II. 1. a) [X.]) geschildertes Verhalten ist im Einzelnen wie folgt zu bewerten:

aa) [X.] ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] dringend verdächtig, da sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dem [X.] anschloss und sich für ihn auf verschiedene Weise betätigte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB). Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung.

Die der Angeschuldigten vorgeworfenen Aktivitäten im [X.]-Herrschaftsgebiet sind als aktive Beteiligungshandlungen zu beurteilen. So verhält es sich hier auch bei der [X.]ushaltführungstätigkeit, die sich angesichts der aus den weiteren Umständen folgenden Einbindung der Angeschuldigten in den [X.] nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtung ohne Organisationsbezug darstellt (vgl. zu den Voraussetzungen der mitgliedschaftlichen Beteiligung im Einzelnen [X.], Beschluss vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 27 ff. [X.]).

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des [X.] vor.

bb) [X.] ist eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung sowie der idealkonkurrierenden Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt dringend verdächtig.

(1) Die Voraussetzungen für die in § 7 Abs. 1 [X.] normierte Gesamttat liegen vor. Der [X.] führte gegen die kurdische Zivilbevölkerung jesidischen Glaubens in der Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s, beginnend mit dem [X.], vorsätzlich einen ausgedehnten und systematischen Angriff im Sinne dieser Vorschrift (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, juris Rn. 31 ff. [X.]; vom 4. Mai 2022 - AK 17/22, NStZ-RR 2022, 227, 228).

(2) [X.] beging bzw. förderte zumindest die im Katalog des § 7 Abs. 1 [X.] aufgeführten [X.] der Nummern 3 und 6:

(a) Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Ehemann (§ 25 Abs. 2 StGB, § 2 [X.]) führte sie [X.]ndlungen aus, die sich rechtlich als Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] darstellen.

Voraussetzung des Tatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist, dass der Täter ein angemaßtes "Eigentumsrecht" an einem Menschen ausübt. Nachdem von Rechts wegen allerdings kein solches Eigentumsrecht an einer Person bestehen kann, umfasst der Tatbestand der Sklaverei eine de facto vergleichbare Behandlung, bei welcher der Täter einen Menschen seinem Willen und seinen Interessen unterwirft und diesem die Freiheit abspricht, selbstbestimmt zu handeln. Wesentliche Indizien dabei sind die Kontrolle der Bewegungsfreiheit des Opfers, seine Verletzlichkeit, Misshandlungen und die wirtschaftliche Beherrschung oder Ausnutzung der betroffenen Person. Nicht zwingend erforderlich ist es dagegen, dass das Opfer entgeltlich oder gegen eine sonstige Vergütung "erworben" oder wieder "veräußert" worden bzw. die Ausübung des "Eigentumsrechts" von längerer Dauer ist. Diese Aspekte können jedoch starke Indizien für eine Versklavung sein ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, [X.]R [X.] § 7 Abs. 1 Menschenhandel 1 Rn. 39 [X.]).

Gemessen daran beteiligte sich die Angeschuldigte als Mittäterin mit ihrem Ehemann an der Versklavung zum Nachteil der [X.]. Beginnend im Frühjahr 2016 zwangen die Eheleute die von anderen Mitgliedern des [X.] gefangengenommene damals 21jährige Frau, unentgeltlich in ihrem [X.]ushalt die alltäglichen Aufgaben zu verrichten und ihnen bei Umzügen zu helfen. Sie bestimmten über ihren Aufenthalt; die [X.] durfte sich weder im [X.]us noch sonst frei bewegen. In Kenntnis der Angeschuldigten setzte jedenfalls ihr Ehemann mehrfach Gewalt gegen jene ein und nötigte sie, regelmäßig den Vaginalverkehr mit ihm zu dulden.

(b) Zugleich leistete die Angeschuldigte durch diese Tatbeiträge Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB, § 2 [X.]) zur von ihrem Ehemann begangenen Vergewaltigung im Sinne der Variante 2 der in § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.] normierten sexuellen Gewalt. Diese Tatvariante liegt - in Anlehnung an die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. g Variante 1 des [X.]tGH-Statuts unter Heranziehung der [X.] zum [X.]tGH-Statut - unter anderem vor, wenn der Täter durch den Einsatz von Gewalt, die Androhung von Gewalt oder Zwang oder das Ausnutzen einer strukturellen Zwangssituation mit seinem Geschlechtsorgan in den Körper des Opfers eindringt (s. MüKoStGB/[X.], 4. Aufl., § 7 [X.] Rn. 83). So liegt es hier.

Zu dieser ([X.] leistete die Angeschuldigte vorsätzlich Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede [X.]ndlung anzusehen, die die Herbeiführung des [X.] durch den [X.]upttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Form kausal wird, ist nicht notwendig (s. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 95 [X.]). Der die sexuellen Übergriffe fördernde Beitrag der Angeschuldigten lag darin, dass sie daran mitwirkte, die Voraussetzungen für die wiederholte Tatbegehung zu schaffen. Sie hielt die Geschädigte unter Kontrolle und sorgte dafür, dass sie nicht fliehen konnte. Diese Aufrechterhaltung der Zwangslage stellte, wie der Angeschuldigten bewusst war, sicher, dass die [X.] ihrem Ehemann für sexuelle [X.]ndlungen, namentlich die Ausübung des [X.], zur Verfügung stand.

(3) [X.] und ihr Ehemann führten die [X.] "im Rahmen" der von § 7 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten Gesamttat aus.

Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist erforderlich, dass sich die vom Täter begangene Katalogtat in die Gesamttat einfügt, er mithin seinen Tatbeitrag funktional in den Angriff einstellt (sog. funktionaler Zusammenhang; s. [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2021 - AK 43/21, juris Rn. 24 [X.]). So verhält es sich hier. Denn die [X.] und Vergewaltigungshandlungen waren in den ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die kurdische Zivilbevölkerung jesidischen Glaubens eingebunden. Die Versklavung der [X.] und die Förderung ihrer Vergewaltigung dienten dem Vorgehen des [X.] gegen die in der Region um das [X.] ansässige Religionsgemeinschaft der [X.]. Dies war der Angeschuldigten bewusst.

(4) Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung sowie die Beihilfe zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt stellen für die Angeschuldigte bereits aufgrund der [X.] ihrer Ausführungshandlungen eine Tat im materiellrechtlichen Sinne dar. Der Tatbestand der Versklavung verdrängt denjenigen der (Beihilfe zur) sexuellen Gewalt nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Mai 2022 - AK 17/22, NStZ-RR 2022, 227, 228; mit Nachw. aus der [X.]. der internationalen Strafgerichtshöfe: MüKoStGB/[X.]/Jeßberger, 4. Aufl., § 7 [X.] Rn. 144; [X.]/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1121 f.).

cc) [X.] hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen eines Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] strafbar gemacht. Gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann (§ 25 Abs. 2 StGB, § 2 [X.]) eignete sie sich das Wohnhaus in [X.] an, das, wie sie wusste, zuvor Angehörige der Zivilbevölkerung, die vor dem [X.] geflohen oder von diesem vertrieben worden waren, bewohnt hatten (vgl. im Einzelnen [X.], Beschlüsse vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 230 f.; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, [X.], 26 Rn. 29 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 28).

[X.]) Weiterhin hat die Angeschuldigte hochwahrscheinlich ohne Genehmigung oder Anzeige im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a und [X.] die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, entgegen § 2 Abs. 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 der [X.] einen verbotenen Gegenstand besessen und ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 besessen und geführt, indem sie gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann mehrere Schnellfeuergewehre des Typs [X.], [X.]ndgranaten, Sprengstoff, Sprengstoffwesten und [X.]ndfeuerwaffen, darunter eine Glock, in einem Kleiderschrank des gemeinsamen Schlafzimmers verwahrte und mit der letztgenannten [X.]ndfeuerwaffe Schießübungen unternahm.

ee) Im Übrigen sind die Konkurrenzen wie folgt zu bewerten:

Die tateinheitlich begangenen bzw. geförderten Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 6 [X.], § 25 Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 27 Abs. 1 StGB (Fall 1) sowie das Kriegsverbrechen gemäß § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] (Fall 2) und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung, der Besitz eines verbotenen Gegenstands sowie der Besitz und das Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ohne Erlaubnis (Fall 3) sind materiellrechtlich als drei selbständige Taten zu beurteilen. Sie stehen jede für sich in (weiterer) Tateinheit zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.], weil sich die Angeschuldigte mit den jeweiligen [X.]ndlungen als Mitglied des [X.] für diesen betätigte. Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die nicht gegen ein anderes Strafgesetz als §§ 129a, 129b StGB verstoßen, treten als verbleibende tatbestandliche [X.]ndlungseinheit tatmehrheitlich hinzu (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 23, 37 ff.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, [X.]R StGB § 129a Konkurrenzen 6 Rn. 5; vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, [X.]R [X.] § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 27).

ff) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Dies ergibt sich für die Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch aus dessen § 1 Satz 1. Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] folgt die Anwendbarkeit [X.]n Strafrechts aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Angeschuldigte [X.] ist und die Tat - als [X.] an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des [X.] Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 - auch in [X.] mit Strafe bedroht ist (s. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 3. März 2021 - AK 10/21, juris Rn. 42 [X.]). Nach irakischem Recht ergibt sich die Strafbarkeit insoweit aus dem [X.] Antiterrorgesetz Nr. 13/2005. Im Hinblick auf die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, den Besitz verbotener Gegenstände und den Besitz und das Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ist gleichfalls § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB einschlägig; die Strafbarkeit nach irakischem Recht ist insoweit aus dem [X.] Waffengesetz, Art. 27 Nr. 3 des [X.], und für die [X.] ab dem 20. März 2017 Art. 24 Nr. 3 des [X.], zu entnehmen.

gg) Die Verfolgungszuständigkeit des [X.]s beim [X.] ergibt sich aus § 142a Abs. 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 und 8 GVG.

hh) Im Rahmen der [X.]entscheidung ist es wie ausgeführt nicht notwendig, das Verhalten der Angeschuldigten gegenüber der Geschädigten im Hinblick auf die weiteren im vollzogenen [X.]ftbefehl und in der Anklageschrift aufgeführten Straftatbestände zu bewerten.

2. Es besteht neben dem im [X.]ftbefehl angenommenen [X.]ftgrund der [X.] auch derjenige der Fluchtgefahr.

a) Nach Würdigung aller Umstände ist es wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm zur Verfügung halten werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

aa) [X.] hat im Fall ihrer Verurteilung mit einer langjährigen [X.]ftstrafe zu rechnen. Von der Straferwartung geht ein ganz erheblicher Fluchtanreiz aus, der sich jedenfalls regelmäßig nach der prognostisch tatsächlich zu verbüßenden Strafhaft richtet (zur sog. Nettostraferwartung s. [X.], Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 9; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 64 f., jeweils [X.]).

Der zu stellenden Prognose ist zugrunde zu legen, dass der Regelstrafrahmen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) im Mindestmaß Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach bislang vorliegenden Erkenntnissen der etwa drei Jahre währende Aufenthalt der Angeschuldigten in den Flüchtlingslagern [X.] [X.].  bei vorläufiger Bewertung voraussichtlich nicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe anzurechnen sein wird. Insbesondere ist nach derzeitigem Kenntnisstand die Annahme gerechtfertigt, dass die die nord[X.] Lager betreibenden kurdischen und die sie unterstützenden [X.] Kräfte mit der dortigen Internierung von [X.]-Angehörigen präventive Zwecke verfolgten (vgl. die in [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 45 f. dargelegten, auf den hiesigen Fall übertragbaren Erwägungen).

bb) Diesem Fluchtanreiz stehen keine maßgeblich fluchthindernden Umstände entgegen. Vielmehr hat die Angeschuldigte in [X.] seit Ende 2014 keinen Wohnsitz und keine Arbeitsstelle mehr. Auch der Umstand, dass sich ihre Töchter seit Ende März 2022 in [X.] aufhalten, kann unter den gegebenen Umständen den Fluchtanreiz nicht beseitigen.

b) Die zu würdigenden Umstände begründen zudem die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 112 Rn. 37 [X.]) ebenso auf den dort geregelten (subsidiären) [X.]ftgrund gestützt werden kann.

3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 [X.] mögliche - Außervollzugsetzung des [X.]ftbefehls (§ 116 [X.] analog) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 [X.] für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Der Aktenbestand umfasst mittlerweile 18 Bände Sachakten und mehrere Sonderhefte. Das Ermittlungsverfahren ist, auch nach der Festnahme der Angeschuldigten am 31. März 2022, mit der in [X.]ftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden:

So sind die Protokolle der auf Grund eines [X.] vom 11. bis 14. April 2022 durch [X.] befragten [X.] unter dem 30. Juni 2022 an den [X.] übersandt und am 8. Juli 2022 eine weitere [X.]-Rückkehrerin - wenngleich ergebnislos - als Zeugin vernommen worden. Die Auswertung vom [X.] zur Verfügung gestellter Chatkommunikation der Angeschuldigten aus dem Lager A.    hat am 8. August 2022 abgeschlossen werden können.

Am 13. September 2022 hat der [X.] die 84 Seiten umfassende Anklageschrift fertiggestellt, die am 16. September 2022 beim [X.] eingegangen ist. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats hat am 20. September 2022 die Zustellung der Anklageschrift verfügt und eine Erklärungsfrist für die Angeschuldigte sowie ihren Verteidiger bis zum 14. Oktober 2022 bestimmt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Zuschrift des [X.]s vom 26. September 2022 Bezug genommen.

5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Schäfer                    [X.]

Meta

AK 32/22

12.10.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.10.2022, Az. AK 32/22 (REWIS RS 2022, 5829)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5829

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3 StR 236/17

3 StR 537/14

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