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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.]findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.]übertragen.
I.
Der Angeschuldigte ist am 16. August 2022 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.]vom 8. August 2022 (2 BGs 411/22) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe seit April 2019 in B. und [X.]durch vier selbstständige Handlungen
(1.) eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternommen habe, zum Zweck der Unterweisung im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen sowie in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gedient hätten, aus der [X.]auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen in diesem Sinne erfolgt seien,
(2. bis 4.) in drei Fällen sich als Mitglied an einer [X.]im Ausland beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB zu begehen,
davon in zwei Fällen (Nr. 3 und 4) zugleich einen Vertrag über das Überlassen von Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 2 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen abgeschlossen,
strafbar gemäß § 89a Abs. 1, 2 und 2a, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 7 Variante 3 [X.]i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. [X.]und [X.]der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG, §§ 52, 53 StGB.
Der [X.]hat wegen der vorstehenden Taten unter dem 22. Februar 2023 Anklage zum [X.]erhoben. In der Anklageschrift hat er dem Angeschuldigten - über den Haftbefehl hinausgehend - eine weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung durch die Anstiftung eines anderen zum Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.]und von Munition vorgeworfen.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Gegenstand des [X.]nach §§ 121, 122 StPO ist der vollzogene Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.]vom 8. August 2022, zu dessen Anpassung oder Erweiterung nur der gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständige Strafsenat des Kammergerichts befugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2022 - AK 6/22, juris Rn. 5 mwN). Auf den dem Angeschuldigten mit der Anklageschrift des [X.]vom 22. Februar 2023 darüber hinaus angelasteten Vorwurf erstreckt sich die Haftprüfung nicht. Auf diese zusätzliche Tat kommt es indes für die Haftfortdauerentscheidung nicht an; denn der im Haftbefehl erhobene Vorwurf trägt den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.
2. Der Angeschuldigte ist der ihm dort zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die in [X.]seit Februar 2011 gegen die Regierung von [X.]schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens [X.]Sicherheitskräfte, Milizen sowie der [X.]gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestentwicklung entwickelte sich zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 schließlich weitere Teile des [X.]erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete.
Die [X.]„Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.]und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen [X.]Syrien, [X.]und [X.]sowie [X.]- umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.]sowie das Regime des [X.]Präsidenten [X.]zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.]als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „[X.]im [X.]und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 [X.]inne. Die [X.]setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im [X.]und in [X.]sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Die [X.]teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.]ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.]und [X.]Armee, aber auch in Gegnerschaft zum [X.]stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.]in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.]zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der [X.]immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, [X.]und Berlin, die Verantwortung.
Im [X.]gelang es dem [X.]im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von [X.]unterstützten [X.][X.]Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.][X.]war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem [X.]zudem, weite Teile im Norden und Osten [X.]unter seine Gewalt zu bringen.
Seit Januar 2015 wurde die [X.]schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.]aus seiner letzten nord[X.]Hochburg in [X.]verdrängt. Die [X.]Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den [X.]für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-[X.]Grenze vollständig zurückerlangt hatten.
Auch in [X.]büßte der [X.]im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb dem [X.]nur noch ein kleines Territorium im Raum [X.]in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die [X.]zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der Syrian Democrati[X.]Forces (SDF) um den Ort Baghuz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; tausende von ihnen sowie zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des [X.]mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die [X.]durch die Tötung ihres Anführers [X.]und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer [X.]Militäraktion in der [X.]Provinz Idlib.
Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der [X.]als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht vollständig zerstört. Vielmehr verblieb die [X.]unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-[X.]Grenzregion sowie der [X.]Wüste. Auch passte sich der [X.]an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine [X.]fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund heraus. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4000 bis 6000 aktive Kämpfer. In den Jahren 2019 bis 2021 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in [X.]und im [X.]in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie [X.]und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, [X.]und [X.]aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des [X.]und solchen des [X.]Regimes vor.
Der [X.]ist auch weiterhin in der [X.]aktiv. So gelang es der [X.]Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit der Hai´At Tahrir Al-[X.](HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten war, dort mehrere Dörfer einzunehmen. In den Jahren 2018 bis 2021 folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der [X.]aus der von der [X.]kontrollierten Region vollständig verdrängt werden konnte.
Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen durch den [X.]außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen [X.]in [X.]und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und [X.]sowie in der Provinz [X.]bestehend aus den Ländern Afghanistan, [X.]und [X.]unterstreicht er seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein.
bb) Der Angeschuldigte reiste als Asylbewerber am 24. Juli 2015 in das [X.]ein, während seine Partnerin und spätere nach islamischem Ritus angetraute Ehefrau mit Familienangehörigen in der Provinz I. in [X.]verblieb. Spätestens seit Beginn des Jahres 2019 identifizierte er sich mit der Ideologie und den Zielen des IS. Seine Partnerin war zu diesem Zeitpunkt bereits IS-Mitglied. Beide hatten den Wunsch, für die Organisation zu kämpfen und als Märtyrer zu sterben, wobei sie sich hierin gegenseitig bestärkten. Vor diesem Hintergrund plante der Angeschuldigte Anfang 2019, nach [X.]zurückzukehren, um sich dort dem [X.]anzuschließen und sich für die [X.]am bewaffneten Dschihad zu beteiligen. Seine Partnerin vermittelte ihm zu diesem Zweck eine Kontaktperson, die ihn - im Sinne eines Vertrauensbeweises - aufforderte, ein bekanntes Mitglied der [X.]zu benennen. Nachdem der Angeschuldigte den als Kämpfer für den [X.]gefallenen Ehemann seiner Partnerin als Kontakt angegeben hatte, wurde er durch den [X.]bei seinen Ausreisebemühungen unterstützt.
(1) Am 21. April 2019 reiste der Angeschuldigte von [X.]über [X.]und die [X.]nach Syrien, um sich dort dem [X.]anzuschließen und sich im Kampf sowie in der Begehung eines Attentates unterweisen zu lassen, wobei er davon ausging, wie seine Partnerin infolge derartiger Aktivitäten zu sterben. Am 1. Mai 2019 traf er in deren Nähe ein und heiratete sie noch im selben Monat nach islamischem Ritus.
(2) Kurz nach seiner Ankunft schloss der Angeschuldigte sich dem [X.]an, stellte sich als Kämpfer der [X.]zur Verfügung und wurde in eine namentlich noch nicht bekannte Organisationseinheit der [X.]eingebunden.
Nachdem der Angeschuldigte bei dem Versuch eines illegalen Grenzübertritts in die [X.]am 29. oder 30. Juni 2019 von einer Mauer gestürzt war, sich dabei den Oberschenkelhals gebrochen hatte und daher zunächst nicht mehr als Kämpfer des [X.]einsatzbereit war, entschied er, sich auf andere Weise für ihn zu betätigen. So unterstützte er im August 2019 im Interesse der [X.]mindestens in zwei Fällen weibliche [X.]bei deren Versuch, aus dem Lager H. zu fliehen. Zeitgleich bereitete er in Absprache mit der Organisation seine Rückkehr nach [X.]vor, um seine Verletzung medizinisch versorgen zu lassen, im [X.]zum [X.]nach [X.]zurückzukehren und für diesen als Kämpfer zur Verfügung zu stehen.
Nur wenige Wochen nach der Ankunft des Angeschuldigten in [X.]am 17. Oktober 2019 nahm ein [X.]in [X.]Kontakt zu ihm auf und bat ihn, sich für die in den Lagern inhaftierten „Schwestern“ einzusetzen. Zu diesem Zweck kontaktierte er einen [X.]des IS, um aus [X.]einen Geldbetrag von 300 oder 400 € ins Lager zu überweisen, wobei bislang offengeblieben ist, ob das Geld auch tatsächlich transferiert wurde.
Daneben gelang es dem Angeschuldigten, seinen früheren Mitbewohner in B. als Unterstützer des [X.]zu gewinnen, indem dieser als Mittelsmann für mehrere Hawala-Transaktionen an den Bruder und die Ehefrau des Angeschuldigten fungierte. Auch übersandte er seinem Mitbewohner mehrere [X.]der Vereinigung, darunter zwei Hinrichtungsvideos. Der Mitbewohner erklärte sich in der Folgezeit bereit, weitere Hawala-Transfers nach [X.]zu tätigen. Über eine andere Person transferierte der Angeschuldigte zudem im Januar 2020 in zwei weiteren Fällen Geldbeträge in Höhe von 100 € und 155 USD an eine Frau, die sich im Lager H. aufhielt.
(3) Bereits Ende 2019 bemühte sich der Angeschuldigte, Kriegswaffen und Munition für den [X.]zu erwerben, um diese - auch gemeinsam mit seiner Ehefrau - im bewaffneten Kampf für die Organisation einzusetzen. Zu diesem Zweck nahm er am 28. Dezember 2019 Kontakt zu einer unbekannten Person in [X.]auf und erwarb von dieser am 4. Januar 2020 ein Sturmgewehr des Typs [X.]zum Preis von 175 USD sowie fünf Magazine und Munition. Die Gegenstände, die Anfang Januar 2020 an Mittelsmänner des Angeschuldigten in [X.]ausgeliefert wurden, ließ er bei seiner Ehefrau in [X.]lagern.
(4) Am 13. April 2020 kaufte der Angeschuldigte zwei weitere Sturmgewehre des gleichen Typs sowie einen [X.]Nachbau einer [X.](„Typ 56“) nebst zwei Magazinen und 20 Schuss Munition zum Gesamtpreis von 400 USD, wobei alle Gegenstände noch am selben Tag erneut an einen Kontaktmann von ihm übergeben wurden.
cc) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.]vom 8. Oktober 2022, die Antragsschrift des [X.]vom 4. August 2022 sowie dessen Zuschrift vom 7. Februar 2023 Bezug genommen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:
aa) Die Erkenntnisse zum [X.][X.]und zur außereuropäischen [X.]„Islamischer Staat“ beruhen auf den - vom [X.]in [X.]zusammengetragenen - Ergebnissen von Strukturermittlungen, insbesondere Sachverständigengutachten sowie Auswertungsberichten und -vermerken des Bundeskriminalamts.
bb) Die Handlungen des Angeschuldigten, der sich zur Sache nicht eingelassen hat, ergeben sich im Wesentlichen aus der Auswertung des im Rahmen seiner Festnahme sichergestellten Mobiltelefons. So tauschte er sich mit seiner jetzigen Ehefrau mittels [X.]über den gemeinsamen Wunsch aus, als Märtyrer für den [X.]im Kampf zu sterben. Daneben wurden über 900 Dateien mit einem direkten Bezug zum [X.]sichergestellt. Mehrere hundert Dateien zeigen Gewalttaten der Organisation auch in Form von Hinrichtungen; in weiteren Videos wird direkt zu Gewalt- und Terroraktivitäten aufgerufen. Ferner fanden sich auf seinem Mobiltelefon Fotos von [X.]mit Bezug zur [X.]sowie ein Rundschreiben des IS. Auch wurden mehrere Selbstportraits des Angeschuldigten festgestellt, auf denen er sich mit aufwärts gerichtetem Zeigefinger abbilden ließ. Dass dem Angeschuldigten in [X.]der [X.]an den [X.]tatsächlich gelungen war, ergibt sich ferner aus einem telefonischem Kontakt mit einem weiteren IS-Mitglied, das innerhalb der [X.]für die Frauen der „Märtyrer“ zuständig war. Dritten gegenüber gab der Angeschuldigte zudem selbst an, vom „[X.]im [X.]und Sham“ zu sein. Darüber hinaus belegen die Chatnachrichten mit mehreren weiblichen IS-Mitgliedern, die im Lager H. inhaftiert waren, dass er seine diesbezüglichen Unterstützungshandlungen im Interesse der Organisation vornahm.
Dass der Angeschuldigte sich nach seiner erneuten Rückkehr nach [X.]im Oktober 2019 weiterhin als Mitglied für den [X.]betätigte, indem er versuchte, Dritte für diesen zu gewinnen, ergibt sich aus mehreren WhatsApp-Nachrichten mit seinem früheren Mitbewohner in B. sowie drei weiteren Personen. Seine Unterstützungshandlungen für weibliche [X.]im Lager H. werden durch Chat-Nachrichten mit einem „A. “ bestätigt. Der Erwerb von Kriegswaffen, Magazinen und Munition durch den Angeschuldigten wird durch entsprechende Chat-Nachrichten mit dem nicht näher identifizierten Waffenverkäufer „Ab. “ im Januar und April 2020 belegt. Diese Umstände werden durch die weiteren Ermittlungsergebnisse bestätigt, nach denen der Angeschuldigte über seinen Bruder nachfolgend im Oktober 2020 weitere Magazine erwarb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.]vom 8. August 2022 und die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift des [X.]vom 22. Februar 2023 verwiesen.
c) In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:
aa) Mit Blick auf die unter 2. a) bb) (1) geschilderten Sachverhalte hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 2a i.V.m. Abs. 1 und 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Denn er verließ die Bundesrepublik Deutschland, um sich nach [X.]zu begeben, wo der [X.]Ausbildungslager unterhielt, in welchen Unterweisungen der in § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB genannten Art durchgeführt wurden. Er war fest entschlossen, sich nach der militärischen Ausbildung in derartigen Lagern für den [X.]als aktiver militärischer Kämpfer zu beteiligen und als Märtyrer im Kampf zu sterben. Diese Kampfhandlungen waren zudem geeignet, die innere Sicherheit des [X.]Staates zu beeinträchtigen. Somit lag auch die nach § 89a Abs. 2a StGB geforderte doppelte Absicht beim Angeschuldigten vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2019 - AK 36/19, juris Rn. 14; vom 13. Juni 2019 - StB 13/19, juris Rn. 37; vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102 Rn. 23 ff).
bb) Wegen der unter 2. a) bb) (2) bis (4) geschilderten Sachverhalte hat sich der Angeschuldigte daneben mit großer Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland in drei Fällen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB), davon in zwei Fällen tateinheitlich wegen Abschlusses eines Vertrages über das Überlassen von Kriegswaffen ohne Genehmigung (§ 22a Abs. 1 Nr. 7 Variante 3 [X.]i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. [X.]und [X.]der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG) strafbar gemacht.
(1) Der Angeschuldigte ist hochwahrscheinlich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) schuldig, indem er sich dem [X.]anschloss und sich für ihn betätigte (vgl. zu den Anforderungen: BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 28; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 35 mwN; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 28 f.; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 5).
Er begab sich aus eigenem Antrieb in das Herrschaftsgebiet der Vereinigung, wobei er sowohl im Rahmen der Ausreise aus dem [X.]als auch bei der erneuten Einreise nach [X.]die Unterstützung von [X.]in Anspruch nahm. Zwar hielt er sich damit nur für knapp ein halbes Jahr im Herrschaftsgebiet des [X.]auf; jedoch plante er von Beginn an, nach seiner medizinischen Heilbehandlung in [X.]zur [X.]in [X.]zurückzukehren, mit seiner Ehefrau, die dort verblieben und selbst [X.]war, weiterhin am [X.]teilzuhaben und als jederzeit kampfbereites Mitglied zur Verfügung zu stehen. Nach seiner erlittenen Verletzung änderte er die Art und Weise seiner Beteiligungshandlungen für die Organisation und setzte sie nach seiner Rückreise nach [X.]fort.
(2) Tateinheitlich hierzu hat sich der Angeschuldigte in zwei Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen unerlaubten Abschlusses eines Vertrages über das Überlassen von Kriegswaffen gemäß § 22a Abs. 1 Nr. 7 Variante 3 [X.]i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. [X.]und [X.]der Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.]strafbar gemacht.
(a) Unter Strafe steht hiernach der Abschluss eines Vertrages über den Erwerb oder das Überlassen ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 2 KrWaffKG, mithin von sogenannten Auslandskriegswaffengeschäften, sofern der Beteiligte vom Gebiet der [X.]aus handelt (vgl. MüKoStGB/Heinrich, 4. Aufl., § 22a [X.]Rn. 82 mwN; Steindorf/Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 22a [X.]Rn. 23). § 4a Abs. 2 [X.]normiert eine Genehmigungspflicht für einen „Vertrag über das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden“. Für die Vollendung ist der tatsächliche Abschluss des [X.]erforderlich, selbst wenn der Vertrag nach § 134 BGB nichtig sein sollte (BGH, Urteil vom 27. Juli 1993 - 1 StR 339/93, BGHR [X.]§ 22a Abs. 1 Vertragsschluss 1; Steindorf/Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 22a [X.]Rn. 23 mwN; MüKoStGB/Heinrich, 4. Aufl., § 22a [X.]Rn. 90 mwN). Dagegen ist es für die Annahme einer vollendeten Tat unerheblich, ob der bindend geschlossene Vertrag tatsächlich auch durch die Lieferung der Waffen erfüllt worden ist (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1996 - 3 StR 374/95, juris Rn. 3; MüKoStGB/Heinrich, 4. Aufl., § 22a [X.]Rn. 86 mwN).
(b) Das Handeln des Angeschuldigten verwirklicht diese Voraussetzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch, dass er am 4. Januar 2019 zum Kaufpreis von 175 USD ein Sturmgewehr des Typs [X.]nebst Magazinen und Munition sowie am 13. April 2020 zwei weitere Sturmgewehre des vorgenannten Typs und einen [X.]Nachbau einer [X.](Typ 56) erneut nebst Magazinen und Munition zum Gesamtpreis von 400 USD erwarb.
cc) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des [X.]vor. Einer Verfolgungsermächtigung nach § 89a Abs. 4 StGB bedarf es hingegen nicht, weil sich der Tatvorwurf auf eine im Inland begangene Tat bezieht (BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 41 mwN; vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 31).
dd) Das Delikt des § 89a Abs. 2a StGB steht in [X.]gemäß § 53 Abs. 1 StGB zu den drei Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB, da es dem Angeschuldigten vor seiner Ausreise nach [X.]im April 2019 nicht gelungen war, sich dem [X.]anzuschließen; dies geschah erst nach seiner Ankunft in Syrien. Zu diesem Zeitpunkt war die Tat im Sinne von § 89a Abs. 2a StGB bereits beendet. Die beiden ebenfalls verwirklichten Tatbestände nach dem [X.]stehen in Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland, da sich der Angeschuldigte auch nach seiner erneuten Einreise ins [X.]als Mitglied für den [X.]betätigte.
ee) [X.]Strafrecht ist anwendbar. Hinsichtlich der Fälle 1, 3 und 4 ergibt sich dies aus §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, da der Angeschuldigte die Tathandlung in [X.]vornahm (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 48 mwN; vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 39). Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland folgt dies aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, weil der Angeschuldigte im Inland festgenommen worden ist, die Tat auch in [X.]- als [X.]an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des [X.]Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 - mit Strafe bedroht ist (s. zum Ganzen, Beschluss vom 3. März 2021 - AK 10/21, juris Rn. 42 mwN) und ein Auslieferungsverkehr mit [X.]derzeit nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2022 - AK 13/22, juris Rn. 16). Daneben sind die Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2, Variante 1 und 4 StGB erfüllt.
3. a) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem mithin gegebenen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Der kinderlose Angeschuldigte verfügt im Inland nicht über familiäre Bindungen von Gewicht; seine Ehefrau und zahlreiche Familienmitglieder leben in Syrien. Er hat zudem in zahlreichen Chat-Nachrichten bekräftigt, erneut zu seiner Familie und zum [X.]nach [X.]ausreisen zu wollen. Daneben hat er Kontakte zu Schleusern, die ihm bereits in der Vergangenheit eine Einreise nach [X.]und eine Rückreise nach [X.]ermöglicht haben.
Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass sich der Angeschuldigte, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
b) Zudem besteht - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung - der Haftgrund der [X.]gemäß § 112 Abs. 3 StPO. Der Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.]im Ausland, mithin einer Katalogtat des § 112 Abs. 3 StPO, dringend verdächtig. Nach den vorgenannten Umständen des Einzelfalls ist eine Fluchtgefahr im Sinne der Rechtsprechung des [X.]jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65, NJW 1966, 243; s. auch BGH, Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 37).
c) Dieser Fluchtgefahr kann durch andere fluchthemmende Anordnungen nicht genügend begegnet werden, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft nicht auf der Grundlage weniger einschneidender Maßnahmen im Sinne von § 116 StPO erreicht werden kann.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Ermittlungsverfahren ist, auch nach der Festnahme der Angeschuldigten am 16. August 2022, mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden. Die Auswertung der im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Mobiltelefone des Angeschuldigten hat sich besonders umfangreich gestaltet. Allein auf dem sichergestellten Mobiltelefon mussten Daten in einem Umfang von mehr als 63 GB technisch aufbereitet werden. Darunter befanden sich über 200 Chatverläufe mit mehr als 13.000 Nachrichten allein im Nutzungszeitraum September 2021 bis August 2022 sowie über 40.000 Mediendaten. Die mehrheitlich in [X.]vorliegenden Kommunikationsdaten werden seit November 2022 parallel von drei Dolmetschern übersetzt, wobei die Auswertung andauert und voraussichtlich Ende März 2023 fertiggestellt sein wird. Der [X.]hat gleichwohl bereits unter dem 22. Februar 2023 Anklage erhoben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Zuschrift des [X.]vom 7. Februar 2023 und den Übersichtsvermerk des Landeskriminalamts B. vom 19. Januar 2023 Bezug genommen.
5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Berg Voigt
Meta
08.03.2023
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: False
vorgehend BGH, 8. August 2022, Az: 2 BGs 411/22
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2023, Az. AK 10/23 (REWIS RS 2023, 1448)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 1448
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Strafbare Beteiligung an Aktivitäten des Islamischen Staates: Voraussetzungen mitgliedschaftlicher Beteiligungsakte; Bezug von Wohnraum im IS-Gebiet …
Kriegsverbrechen gegen Personen durch entwürdigende oder erniedrigende Behandlung bei Leichenschändung im syrischen Bürgerkrieg